Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes

A. Problem und Ziel

Die Risiken für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes sind seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 weiter gestiegen. Die Staaten der Eurozone benötigen daher schlagkräftigere Mechanismen für ein effektiveres Krisenmanagement zur Unterstützung überschuldeter Staaten, die eine angemessene und mit marktwirtschaftlichen Prinzipien vereinbare Kostentragung des Privatsektors ermöglichen. Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussionen haben Überlegungen zur Einführung von Umschuldungsklauseln ("Collective action clauses") eine zentrale Rolle übernommen. Im Kern sind diese Klauseln darauf gerichtet, staatliche Umschuldungen zu erleichtern, indem hierfür benötigte Beschlüsse der Gläubiger an Mehrheitserfordernisse gebunden werden, die unterhalb der Einstimmigkeit liegen.

Bereits Ende des Jahres 2011 hatten sich die Staaten der Eurozone auf Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln verständigt. Der am 2. Februar 2012 von allen Staaten des Euro-Währungsgebietes unterzeichnete Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichtet nunmehr die Staaten des Euroraumes zur Einführung solcher Umschuldungsklauseln ab dem 1. Januar 2013, deren rechtliche Wirkung in allen Rechtsordnungen des Euro-Währungsgebietes jeweils gleich zu sein hat. Aus diesem Grund ist künftig die Verwendung von Umschuldungsklauseln durch Ergänzung der Emissionsbedingungen von Bundeswertpapieren mit einer Laufzeit von über zwölf Monaten vorgesehen. Diese Klauseln kommen nur im Fall eines drohenden Zahlungsausfalls zur Anwendung.

Dem Bundesschuldenwesengesetz, das die Aufgaben und Instrumente des Schuldenwesens regelt, werden Vorschriften hinzugefügt, die die Möglichkeit vorsehen, Umschuldungsklauseln in die Emissionsbedingungen des Bundes einzuführen. Wesentliche Inhalte der beabsichtigten Ergänzung der Emissionsbedingungen werden im Sinne eines Leitbilds verankert.

Hierbei trägt der Gesetzentwurf dem Umstand Rechnung, dass Emissionsbedingungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 305, 312) Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und daher einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Nach dem für eine Inhaltskontrolle grundlegenden Maßstab des § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB dürfen Allgemeine Geschäftsbedingungen den Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligen. Die wesentlichen Grundgedanken der Umschuldungsklauseln sollen mit diesem Änderungsgesetz verankert werden. Das Bundesschuldenwesengesetz übernimmt somit die Funktion eines Leitbildes, das die wesentlichen Inhalte der unter den Eurozonenstaaten abgestimmten Umschuldungsklauseln nachzeichnet.

B. Lösung

Um die Einführung von Umschuldungsklauseln im Bereich der Bundeswertpapiere zu ermöglichen, ist das Bundesschuldenwesengesetz im Hinblick auf mögliche gerichtliche Inhaltskontrollen um ein Leitbild für solche Klauseln zu ergänzen. Dieses Leitbild enthält wesentliche Elemente der von den Staaten der Eurozone vereinbarten Musterbestimmungen.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Zusätzliche Haushaltsausgaben sind infolge der Durchführung des Gesetzes nicht zu erwarten.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen, die zu einem Erfüllungsaufwand bei Bürgern führen.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, da die Anwendung des Gesetzes im Rahmen der Einführung der Umschuldungsklauseln insoweit keine Auswirkungen hat.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung, da die Anwendung des Gesetzes im Rahmen der Einführung der Umschuldungsklauseln insoweit keine Auswirkungen hat.

F. Weitere Kosten

Auch zusätzliche Kosten insbesondere in der Finanzbranche entstehen nicht.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 30. März 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um das Gesetzgebungsverfahren schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen.

Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 11.05.12
Besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes

Das Bundesschuldenwesengesetz vom 12. Juli 2006 (BGBl. I S. 1466) wird wie folgt geändert:

1. Nach § 4 werden die folgenden §§ 4a bis 4k neu eingefügt:

" § 4a Einführung von Umschuldungsklauseln

Die Emissionsbedingungen der vom Bund begebenen Schuldverschreibungen mit einer ursprünglichen Laufzeit von über einem Jahr können Klauseln enthalten, die zum Zwecke der Umschuldung eine Änderung der Emissionsbedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger mit Zustimmung des Bundes ermöglichen (Umschuldungsklauseln). Die Umschuldungsklauseln können auch die Möglichkeit zur einheitlichen Beschlussfassung für Schuldverschreibungen verschiedener Anleihen vorsehen (anleiheübergreifende Änderung). Soweit Emissionsbedingungen nichts Abweichendes vorsehen, gelten für die Umschuldungsklauseln die §§ 4b bis 4k.

§ 4b Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger

§ 4c Stimmrecht

§ 4d Berechnungsstelle; Bescheinigung

§ 4e Einberufung der Gläubigerversammlung

§ 4f Vorsitz; Beschlussfähigkeit

§ 4g Vertretung

§ 4h Schriftliche Abstimmung

Auf die schriftliche Abstimmung sind die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung von Gläubigerversammlungen entsprechend anzuwenden.

§ 4i Anfechtung von Beschlüssen

§ 4j Wirksamkeit und Vollziehung von Beschlüssen

Beschlüsse der Gläubiger, durch welche der Inhalt der Emissionsbedingungen geändert oder ergänzt wird, werden erst wirksam, wenn sie vollzogen worden sind. Sie sind in der Weise zu vollziehen, dass die Emissionsbedingungen in ihrer geänderten oder ergänzten Fassung bekannt gemacht werden.

§ 4k Bekanntmachungen

Die Bekanntmachungen nach § 4b Absatz 6 Satz 2 und Absatz 8, § 4c Absatz 4, § 4d Absatz 2 Satz 2, § 4e Absatz 4 und § 4j erfolgen im Bundesanzeiger und im Internet unter der Adresse der Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH sowie durch die Deutsche Bundesbank."

2. § 9 wird aufgehoben.

Artikel 2
Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes

Das Schuldverschreibungsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2512), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 52 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 1 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

"Für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen, deren Schuldner ein anderer Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets ist, gelten die besonderen Vorschriften der §§ 4a bis 4i und 4k des Bundesschuldenwesengesetzes entsprechend."

2. § 20 Absatz 3 wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Ziel des Gesetzesvorhabens

Nachdem im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 305, 312) davon auszugehen ist, dass Emissionsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und daher einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen können, sollen wesentliche Grundgedanken der auf europäischer Ebene vereinbarten Umschuldungsklauseln mit diesem Änderungsgesetz im Sinne eines Leitbildes verankert werden.

Dieses Leitbild orientiert sich eng an den zwischen den Staaten des Euro-Währungsgebiets in englischer Sprache ausgehandelten Musterbestimmungen.

II. Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzentwurfs

Da das Bundesschuldenwesengesetz die Aufgaben und Instrumente der Schuldenverwaltung regelt, wird dieses Gesetz um Regelungen ergänzt, die die Möglichkeit vorsehen, Umschuldungsklauseln in Emissionsbedingungen des Bundes zu verwenden. Wesentliche Inhalte der beabsichtigten Ergänzung der Emissionsbedingungen werden im Sinne eines Leitbilds verankert.

1. Gesetzlicher Regelungsbedarf der wesentlichen Grundgedanken der Umschuldungsklauseln

a) Grundsätzliche Ausrichtung der Umschuldungsklauseln

Die zwischen den Staaten des Euro-Währungsgebietes ausgehandelten Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln stellen ein Kompendium von standardisierten Klauseln dar, die von allen Eurostaaten mit jeweils gleichartigem Inhalt zur Anwendung zu bringen sind. Sie verwenden harmonisierte Begriffe und Bedingungen und sind in ihrer Gesamtheit auf gleiche Marktbedingungen für alle Eurozonenstaaten ausgerichtet. Diese Gleichbehandlungskomponente soll negative Effekte aus andernfalls drohenden Wettbewerbsverzerrungen unter den einzelnen Mitgliedstaaten der Eurozone ausschließen. Die Frage, ob es Gründe geben könnte, Umschuldungsklauseln bei einem finanzstarken Emittenten anders auszugestalten als bei einem finanzschwachen Emittenten, stellte sich daher bei dem Zustandekommen dieser Musterklauseln nicht.

Generelle Zielrichtung der Klauseln ist es, die kollektive Repräsentation von Gläubigern im Fall eines drohenden Zahlungsausfalls in vielfacher Hinsicht sowohl inhaltlich zu erleichtern als auch formal zu beschleunigen. Dazu dienen Bestimmungen über Restrukturierungsverhandlungen zwischen der Gläubiger- und Schuldnerseite. Zum einen geht es um die Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern, zum anderen um diejenigen unter den einzelnen Gläubigern. Diese lassen sich in drei Regelungskomplexe aufteilen: Die Beschlussgegenstände von Gläubigerbeschlüssen, den Gang der Entscheidungen der Gläubiger und die Gewichtung der einzelnen Gläubiger. Die einzelnen Schritte der Beschlussfassung der Gläubiger werden geregelt - von der Einberufung einer Gläubigerversammlung bis hin zum Vollzug der Gläubigerbeschlüsse. Im Verlauf der eigentlichen Beschlussfindung über Restrukturierungsvorschläge kommt es sehr darauf an, durch eine zulässige qualifizierte Gläubigermehrheit mit Zustimmung des Schuldners die Änderung insbesondere der relevanten Anleihebedingungen wie Forderungshöhe, Fristen und sonstige Zahlungsmodalitäten durchsetzen zu können.

b) Anwendungsbeginn und Anwendungsbreite der Umschuldungsklauseln

In Artikel 12 Absatz 3 des am 2. Februar 2012 von allen Staaten der Eurozone unterzeichneten Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wird der Beginn der Einführung der Umschuldungsklauseln für neu emittierte Schuldverschreibungen auf den 1. Januar 2013 festgelegt. Hiervon ausgenommen sind Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten. Nicht erfasst sind öffentlich garantierte Anleihen, syndizierte Darlehen und Emissionen von Gliedstaaten der Staaten des Euroraumes.

2. Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes

Der Gesetzentwurf enthält auch zwei Änderungen des Schuldverschreibungsgesetzes. Da die Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln auch für alle anderen Staaten der Eurozone maßgeblich sind, sollen die zur Umsetzung der Musterbestimmungen vorgesehenen Regelungen im Bundesschuldenwesengesetz für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen dieser Staaten entsprechend anwendbar sein.

Ferner soll eine aus der Praxis angeregte Änderung des § 20 des Schuldverschreibungsgesetzes erfolgen; hierbei sollen die Regelungen für das Freigabeverfahren nach dem Schuldverschreibungsgesetz an die Regelungen im Aktiengesetz angepasst werden.

III. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Für die Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes (Artikel 1) steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache zu. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes (Artikel 2) folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 (das gerichtliche Verfahren) und Nummer 11 (Recht der Wirtschaft) des Grundgesetzes. Der Bund hat durch das Schuldverschreibungsgesetz bereits in der Vergangenheit von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht. Eine bundeseinheitliche Regelung der Änderungen ist auch weiterhin im Sinne des Artikel 72 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 des Grundgesetzes erforderlich, um eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen für die Märkte zu vermeiden.

IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der EU

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

V. Gesetzesfolgen

1. Erfüllungsaufwand

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und die Verwaltung, da die Anwendung des Gesetzes im Rahmen der Einführung der Umschuldungsklauseln insoweit keine Auswirkungen hat.

2. Nachhaltigkeit

Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit insbesondere der wirtschaftlichen Entwicklung sind nicht zu erwarten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes)

Zu Nummer 1 (§§ 4a bis 4k)

§ 4a regelt die Möglichkeit, Umschuldungsklauseln in die Emissionsbedingungen von neu zu begebenden Schuldverschreibungen des Bundes aufzunehmen, um während der Laufzeit einer Anleihe durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger mit Zustimmung des Bundes Änderungen der Emissionsbedingungen zu vereinbaren. Einem überschuldeten Staat soll die Möglichkeit eröffnet werden, einen Teil oder die Gesamtheit seiner ausstehenden Kapitalmarktverbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern der emittierten Schuldverschreibungen zu reduzieren. Die Umschuldungsklauseln können nur in Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit über einem Jahr zu Anwendung kommen. Dabei kommt zum einen zum Ausdruck, dass bei einer kurzen Laufzeit Umschuldungsmaßnahmen keine Wirkung entfalten können und zum anderen das breite Einvernehmen unter den Eurozonenstaaten, dass alle Anleihen mit einer Laufzeit von über einem Jahr in den weit gefassten Anwendungsbereich der Musterklauseln fallen sollen. Die Umschuldungsklauseln können auch die Möglichkeit zur einheitlichen Beschlussfassung für eine Mehrzahl von Anleihen vorsehen.

In § 4b werden neben den wesentlichen Beschlussgegenständen die Anforderungen an Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger geregelt. Eine schnelle Verständigung der Gläubiger über eine Umstrukturierung der Verbindlichkeiten kann nur erreicht werden, wenn eine qualifizierte Mehrheit die übrigen Gläubiger überstimmen kann und das Ergebnis für alle Gläubiger verbindlich ist. Je höher der Schwellenwert einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger angesetzt ist, umso schwieriger dürfte sich die wirksame Beschlussfassung gestalten. Bei wesentlichen Beschlüssen, die in einer Gläubigerversammlung gefasst werden und eine einzelne Anleihe betreffen, ist neben der Zustimmung des Bundes eine Gläubigermehrheit von mindestens 75 Prozent des bei Beschlussfassung vertretenen Nennwertes der ausstehenden Schuldverschreibungen ausreichend, wobei die Gläubigerversammlung nur bei Erreichen eines Quorums von 66 2/3 Prozent beschlussfähig ist, d.h. es müssen insgesamt mindestens 50 Prozent aller stimmberechtigten Gläubiger zugestimmt haben (> 75% x 66 2/3 = > 50 %). Bei einer anleiheübergreifenden Änderung ist eine bestimmte Gläubigermehrheit bezogen auf alle von der Änderung betroffenen Anleihen sowie eine (etwas geringere) Gläubigermehrheit bei jeder einzelnen Anleihe erforderlich.

§ 4c bestimmt, wann ein Gläubiger zur Teilnahme an Beschlussfassungen der Gläubiger berechtigt ist. Für das Stimmrecht ist der Nennwert maßgeblich. Bei besonderen Anleiheformen etwa bei Nullkuponanleihen, indexierten Anleihen oder Fremdwährungsanleihen kann es sachgerecht sein, davon abzuweichen und rechnerische Korrekturen vorzunehmen. Die Einzelheiten können einer Regelung in den Emissionsbedingungen überlassen bleiben. Besondere Bedeutung hat die Regelung über Stimmrechtsbeschränkungen. Nicht stimmberechtigt sind insbesondere alle direkt oder indirekt vom Bund beherrschten Rechtsträger, wobei dem Beherrschungserfordernis ein weites Verständnis zugrunde liegt, um auch die bloße rechtliche Möglichkeit zu beherrschen, ohne davon Gebrauch zu machen oder Gebrauch gemacht zu haben, einzubeziehen. Nicht stimmberechtigt sind ferner Unternehmen mit staatlicher (Mehrheits)Beteiligung.

Aus § 4d ergibt sich, dass eine Berechnungsstelle vorzusehen ist. Der Bund übergibt der Berechnungsstelle vor der Beschlussfassung eine Bescheinigung insbesondere über die ausstehenden und nicht ausstehenden Schuldverschreibungen. Die Angaben in der Bescheinigung sind grundsätzlich für alle Gläubiger verbindlich. Etwas anderes gilt nur, wenn ein betroffener Gläubiger vor der Beschlussfassung schriftlich und unter Mitteilung von Gründen der Richtigkeit der Angaben widerspricht und sodann einen Beschluss der Gläubiger, der auf einer unrichtigen Angabe beruht, binnen 15 Tagen nach der Bekanntmachung des Beschlusses durch Klage anficht.

§ 4e betrifft Einzelheiten der Einberufung der Gläubigerversammlung.

§ 4f regelt unter anderem die Beschlussfähigkeit. Das erforderliche Quorum ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine erstmalig einberufene oder um eine vertagte Gläubigerversammlung handelt und ob ein wesentlicher Beschluss gefasst werden soll oder nicht.

§ 4g regelt die Vertretung in der Gläubigerversammlung.

§ 4h betrifft die schriftliche Abstimmung. Die Musterklauseln enthalten hierfür keine bestimmten Vorgaben. Es gelten grundsätzlich die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung von Gläubigerversammlungen entsprechend. Die Emissionsbedingungen sollten freilich zumindest Bestimmungen über die Person des Abstimmungsleiters und die Modalitäten der Stimmabgabe vorsehen.

§ 4i regelt in Anlehnung an die Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes und des Aktiengesetzes die Anfechtung von Gläubigerbeschlüssen. Die von den Eurostaaten entwickelten Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln enthalten zwar - über den in § 4d Absatz 3 geregelten Rechtsschutz gegen die Bescheinigung hinaus - keine Regelung zur Anfechtung von Gläubigerbeschlüssen, eine solche Regelung erscheint aber sinnvoll, damit möglichst rasch Rechtssicherheit über die Wirksamkeit eines Gläubigerbeschlusses herbeigeführt werden kann. Abweichend von den Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes und des Aktiengesetzes soll jedoch wegen der Bedeutung der Sache über Anfechtungsklagen erstinstanzlich das Oberlandesgericht am Sitz der Deutschen Bundesbank entscheiden.

§ 4j regelt die Wirksamkeit und Vollziehung von Gläubigerbeschlüssen. Dabei wird die Vollziehung abweichend von den Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes geregelt, da es für in Form von Schuldbuchforderungen begebene Schuldverschreibungen des Bundes keine Urkunde gibt.

§ 4k regelt, wie die in den §§ 4b ff. vorgesehenen Bekanntmachungen zu erfolgen haben. Mit dem Begriff "Bundesanzeiger" ist der ab dem 1. April 2012 als alleiniges Veröffentlichungsmedium fortgeführte Bundesanzeiger in elektronischer Form gemeint.

Zu Nummer 2 (§ 9)

Mit § 9 wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Schaffung des Bundesschuldenwesengesetzes noch mehrere Landesgesetze auf das Bundeswertpapierverwaltungsgesetz oder sogar noch dessen Vorläuferregelungen verwiesen. Diesen Verweisungen sollte für eine Übergangszeit die Grundlage erhalten werden, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2008. Zudem wurde den Ländern ermöglicht, die Verwahrfähigkeit ihrer Schuldbuchforderungen bis zum 31. Dezember 2008 neu zu regeln. Da diese Übergangsfristen lange abgelaufen sind, wird die Vorschrift zur Entlastung des Gesetzestextes mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.

Zu Artikel 2 (Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 1)

Die Ergänzung des § 1 Absatz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Verwendung von Umschuldungsklauseln in ihren ab dem 1. Januar 2013 begebenen Schuldverschreibungen verpflichtet sind, wobei sich die Staaten der Eurozone auf Musterbestimmungen für diese Umschuldungsklauseln verständigt haben. Diese Musterklauseln weichen jedoch in einzelnen Punkten von den Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes, das für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen ausländischer Staaten gilt, ab. Deshalb wird angeordnet, dass für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen eines anderen Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets die §§ 4a bis 4i und 4k des Bundesschuldenwesengesetzes (in denen die von den Staaten der Eurozone entwickelten Musterbestimmungen für Umschuldungsklauseln umgesetzt sind) als Spezialregelung entsprechend gelten. Die §§ 4a bis 4i und 4k des Bundesschuldenwesengesetzes können jedoch nur entsprechend angewendet werden, soweit sie auch auf Schuldverschreibungen ausländischer Staaten passen; so sind zum Beispiel Bekanntmachungen gemäß § 4k im Internet nicht unter der Adresse der Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH und nicht durch die Deutsche Bundesbank vorzunehmen. Auf § 4j des Bundesschuldenwesengesetzes wird nicht verwiesen, da ausländische Staaten keine Schuldbuchforderungen begeben können und es daher keiner besonderen Regelung der Vollziehung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung bedarf. Es bleibt insoweit bei der Anwendung des § 21 des Schuldverschreibungsgesetzes.

Zu Nummer 2 (§ 20)

Die Änderung dient der Anpassung der Regelungen für das Freigabeverfahren nach dem Schuldverschreibungsgesetz an die Regelungen in § 246a des Aktiengesetzes, indem auch für das Freigabeverfahren nach dem Schuldverschreibungsgesetz insbesondere die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts sowie die Unanfechtbarkeit des Beschlusses des Oberlandesgerichts vorgesehen werden. Diese mit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) eingeführten Regelungen haben sich bewährt und in der Praxis zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer geführt. Da auch Freigabeverfahren nach dem Schuldverschreibungsgesetz möglichst zügig durchgeführt werden sollen, damit insbesondere eine mögliche Sanierung des Schuldners nicht verzögert wird, erscheint die Übernahme der Regelungen aus dem Aktiengesetz sachgerecht.

Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 2065:
Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des o.g. Gesetzes geprüft.

Das Gesetz enthält keine Regelungen, die zu einem Erfüllungsaufwand bei Bürgerinnen und Bürgern führen. Für die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht kein Erfüllungsaufwand, da die Anwendung des Gesetzes im Rahmen der Einführung der Umschuldungsklauseln insoweit keine Auswirkungen hat.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Funke
Vorsitzender Berichterstatter