Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

989. Sitzung des Bundesrates am 15. Mai 2020

A

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob als Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2019 (Rechtssache C-18/18) eine gesetzliche Regelung geschaffen werden sollte, wonach die bereits bestehende gesetzliche Löschungsverpflichtung der Plattformbetreiber über den konkret gemeldeten Inhalt hinaus auf wortgleiche rechtswidrige Inhalte sowie möglichst auch auf sinngemäß inhaltsgleiche rechtswidrige Inhalte ausgedehnt wird.

Begründung:

Hassposts verbreiten sich im Netz rasant, weil sie vielfach geteilt oder wiederholt werden. Die vorgeschlagene Ausdehnung der gesetzlichen Löschungspflicht auf wortgleiche und sinngemäß gleichartige Posts wäre als Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2019 (Rechtssache C-18/18) ein wichtiger Schritt zur effektiven Bekämpfung von Hassrede im Netz, da der Beschwerdeführer mit nur einer Meldung die Löschung aller in die gleiche Richtung gehenden Posts erreichen könnte und nicht gegen jeden einzelnen Inhalt gesondert vorgehen müsste.

Der Staat hat eine Pflicht, Opfer von Hassrede effektiv zu schützen und nicht allein zu lassen. Gerade Opfer, die massiv und von vielen Personen gleichzeitig angegangen werden, haben Anspruch auf besonderen Schutz.

Insbesondere greift der Gesetzentwurf der Bundesregierung dieses wichtige Anliegen der Justizministerinnen und Justizminister der Länder nicht auf, obwohl sich diese bereits im Herbst 2019 einstimmig dafür ausgesprochen haben. Bislang hat sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auch anderweitig nicht zu dem Vorschlag positioniert.

2. Zum Gesetzentwurf allgemein

3. Zum Gesetzentwurf allgemein

4. Zu Artikel 1 (Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes)

Der Bundesrat hält die bestehende Systematik für wenig praktikabel und bittet darum, im Sinne einer verständlicheren Umsetzung der AVMD-Richtlinie in Bezug auf Videosharingplattform-Anbieter die Anwendbarkeit des Telemediengesetzes (TMG) und des NetzDG trennscharf zu definieren und damit Rechtssicherheit für die Plattformanbieter zu gewährleisten.

Begründung:

Durch die gewählte Systematik ist für Videosharingplattform-Anbieter schwer zu erkennen welches Gesetz (NetzDG oder TMG) und welche Regelungen bei welchen Inhalten gelten. Insbesondere für Anbieter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat sind die Regelungen in § 3e Absatz 3 NetzDG undurchsichtig.

5. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 2 Absatz 2 NetzDG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die Berichtspflicht der nach § 2 NetzDG einzureichenden Transparenzberichte auch auf das Aufkommen von Social Bots und eine menschliche Interaktion vorgebende Profile (Fake Profile) ausgeweitet werden kann. Zudem sollte dann auch darüber berichtet werden, ob und gegebenenfalls welche Bemühungen die Anbieter unternehmen, um gegen Social Bots und Fake Profile in den sozialen Netzwerken vorzugehen.

Begründung:

Durch missbräuchlich eingesetzte Social Bots und eine menschliche Interaktion vorgebende Profile (Fake Profile) können Nutzerinnen und Nutzer gezielt beeinflusst werden, ohne dass diesen bewusst ist, dass es sich dabei um automatisierte Äußerungen handelt, die möglicherweise vervielfältigt werden. Auf diese Gefahr wurde bereits in der Vergangenheit sowohl durch die Justizministerinnen und Justizminister der Länder als auch im politischen Raum aufmerksam gemacht. Um das Vertrauen in die sozialen Netzwerke weiter zu stärken, sollen die Transparenzberichte Angaben der Anbieter darüber enthalten, wie sie in ihren Netzwerken mit diesen Formen der automatisierten Kommunikation umgehen. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass die Anbieter darüber berichten sollen, welches Aufkommen von Social Bots und Fake Profilen den Anbietern in ihrem Netzwerk bekannt ist, damit sich die Nutzerinnen und Nutzer ein Bild davon machen können, in welcher Größenordnung diese in den von ihnen genutzten Netzwerken vorhanden sind. Zudem ist von Interesse, ob die Anbieter etwas gegen Social Bots und Fake Profile unternehmen. Daher sollte der Bericht nach § 2 NetzDG auch Angaben hierzu enthalten.

6. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 2 Absatz 2 Nummer 2 NetzDG)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist § 2 Absatz 2 Nummer 2 zu streichen.

Folgeänderung:

Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b ist zu streichen.

Begründung:

{Ausweislich der Begründung zum NetzDG-E soll die neue Regelung aufgrund der "großen Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung" aufgenommen werden. Die Sicherung von Meinungsvielfalt liegt in der originären Zuständigkeit der Länder. Diese haben durch die Regelung in § 93 des Medienstaatsvertrages eine der Zielrichtung des Entwurfs des NetzDG entsprechende und umfassendere Maßgabe zur Transparenz bereits geschaffen. Die in § 2 Absatz 2 Nummer 2 NetzDG-E statuierte Transparenzpflicht folgt zudem keiner entsprechenden Handlungspflicht der Anbieter zur Löschung oder Sperrung von Inhalten; eine solche sieht das NetzDG nicht vor, was auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt wird. Weder zuständigkeitshalber, noch inhaltlich ist hier daher eine Regelung auf Bundesebene geboten. Vielmehr ist eine Streichung zur Vermeidung parallellaufender Zuständigkeiten mit möglichen Folge widersprüchlicher Ergebnisse erforderlich.}

[Die Pflicht zur Preisgabe der Grundzüge der Funktionsweise der automatisierten Verfahren und von Informationen über die Auswahl der Trainingsdaten betrifft höchstsensible Informationen der Plattformanbieter (auch wenn laut Gesetzesbegründung Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben sollen). Eine Abgrenzung zwischen den geforderten Informationen und Geschäftsgeheimnissen erscheint faktisch kaum möglich. Die derzeit - im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz - geführte Diskussion zum Thema Algorithmen-Kontrolle sollte vor derartigen Regulierungen abgewartet werden.]

7. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa0 - neu - (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 NetzDG)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b ist dem Doppelbuchstaben aa folgender Doppelbuchstabe aa0 voranzustellen:,aa0) In Nummer 2 werden nach den Wörtern "einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt" die Wörter "unverzüglich, spätestens" eingefügt.´

Begründung:

Angesichts der rasanten, potenziell weltweiten Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten ist eine ausschöpfbare Frist von 24 Stunden zwischen dem Eingang der Beschwerde über den Inhalt und dessen Löschung zu lang. Insofern ist dem Wortlaut nach ein Gleichlauf mit § 10 Satz 1 Nummer 2 TMG in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt sowie mit § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG herzustellen.

Nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte sind bereits jetzt nach § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG "unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen" zu löschen. Es ist nicht einzusehen, warum Unverzüglichkeit dann nicht auch bei den offensichtlich rechtswidrigen Inhalten gelten soll.

8. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa1 - neu - (§ 3 Absatz 2 Nummer 3a - neu - NetzDG)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b ist nach Doppelbuchstabe aa folgender Doppelbuchstabe aa1 einzufügen:

Begründung:

Bei Geltung der Sieben-Tages-Frist nach § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG sollte eine Pflicht zur Kennzeichnung des beanstandeten Inhalts eingeführt werden, sofern der Beschwerdeführer dies wünscht. Bei Geltung der Sieben-Tages-Frist, also bei Vorliegen eines nicht offensichtlich rechtswidrigen Inhalts, bleibt der Beitrag in der Zeit zwischen Beschwerde und Ablauf der Löschungsfrist unverändert im Netz stehen und kann von jedermann wahrgenommen oder weiterverbreitet werden. Durch die vorgeschlagene Kennzeichnungspflicht kann auch in der Schwebephase zwischen Beschwerde und Entscheidung nach außen hin für jedermann transparent gemacht werden, dass es sich um einen strittigen Inhalt handelt. Die Kennzeichnungspflicht sollte aber auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Beschwerdeführer die Kennzeichnung ausdrücklich wünscht. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Meldende durch die Kennzeichnung gegen seinen Willen weiteren Anfeindungen im Netz ausgesetzt wird.

9. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 3b, § 3c NetzDG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob hinsichtlich des Gegenvorstellungsverfahrens (§ 3b NetzDG-E) eine Klarstellung erfolgen sollte, dass dieses Verfahren kostenfrei sein muss. Hinsichtlich des Schlichtungsverfahrens (§ 3c NetzDG-E) bittet der Bundesrat zu prüfen, ob eine Konkretisierung der Kosten im Gesetzestext (etwa durch Festlegung von Höchstbeträgen, die nicht überschritten werden dürfen) und die Schaffung von Kostenfreiheitstatbeständen erfolgen sollte.

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt die Einführung des Gegenvorstellungsverfahrens nach § 3b NetzDG-E und des Schlichtungsverfahrens nach § 3c NetzDG-E. Auch wenn weiterhin keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz "Overblocking" befördert hätte (so auch die Begründung des Gesetzentwurfes auf den Seiten 13-18), erscheint es sachgerecht, zum Schutz der Meinungsfreiheit ein niederschwelliges Verfahren vorzuhalten, in dem auch ohne Anrufung der Gerichte eine Überprüfung der Löschungsentscheidung herbeigeführt werden kann.

Damit diese Verfahren in der Praxis auch angenommen werden, erscheint es besonders wichtig - zumal eine rechtsverbindliche Klärung in diesen Verfahren nicht erzwungen werden kann, so dass sie im Falle des Scheiterns einem Gerichtsverfahren nur vorgelagert sind - dass sie kostenfrei (Gegenvorstellungsverfahren) bzw. allenfalls mit ganz geringen Kosten (Schlichtungsverfahren) verbunden sind.

Weder dem Gesetzentwurf noch dessen Begründung lässt sich entnehmen, dass das Gegenvorstellungsverfahren kostenfrei sein muss. Die Begründung scheint hiervon (im Umkehrschluss zu den Ausführungen zum Schlichtungsverfahren) aber stillschweigend auszugehen. Eine Klarstellung wäre insoweit wünschenswert.

Hinsichtlich des Schlichtungsverfahrens lässt sich dem Gesetz lediglich ganz allgemein entnehmen, dass es "kostengünstig" sein soll (§ 3c Absatz 2 Nummer 4 NetzDG). Der Begründung des Gesetzentwurfes ist zu entnehmen, dass das Schlichtungsverfahren "kostengünstig" und "insbesondere für die Person, welche die Schlichtungsstelle anruft, allenfalls mit geringen Kosten, die keine abschreckende Wirkung haben dürfen" verbunden sein soll (vergleiche Seite 51). Diese Ausführungen bleiben sehr abstrakt und unbestimmt. Hier erschiene eine Konkretisierung im Gesetzestext (etwa durch Festlegung von Höchstbeträgen, die nicht überschritten werden dürfen) sinnvoll. Zudem erschiene es angezeigt, Kostenfreiheitstatbestände (etwa entsprechend den Regelungen zur Prozesskostenhilfe bei Bedürftigkeit und hinreichenden Erfolgsaussichten, wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint) zu ergänzen. Ansonsten droht, dass das Schlichtungsverfahren wegen der dort anfallenden Kosten in der Praxis nicht angenommen wird. Ohne eine derartige Regelung wäre es etwa für prozesskostenhilfeberechtigte Personen attraktiver, sogleich ein Gerichtsverfahren auf Prozesskostenhilfebasis zu führen. Das Schlichtungsverfahren würde in vielen Fällen leerlaufen.

10. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 3e NetzDG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zielgerichtet zu prüfen, ob die AVMD-Richtlinie ausreichend Spielraum dafür lässt, Anbieter von Videosharingplattform-Diensten, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, auch in Bezug auf strafbare Inhalte gemäß den §§ 111, 130 Absatz 1 oder den §§ 2, 131, 140, 166 und 184b in Verbindung mit § 184d StGB den allgemeinen Regeln des NetzDG zu unterwerfen.

Begründung:

§ 3e Absatz 3 NetzDG-E regelt, dass alle Anbieter von Videosharingplattform-Diensten, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU haben, in Bezug auf bestimmte strafbare Inhalte (die den Tatbestand der §§ 111, 130 Absatz 1 oder §§ 2, 131, 140, 166 und 184b in Verbindung mit § 184d StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind) nicht den allgemeinen Löschungsregeln des NetzDG unterworfen sind. Vielmehr sind in Bezug auf diese Anbieter nur Einzelanordnungen des Bundesamtes für Justiz (BfJ) nach dem neuen § 4a NetzDG-E möglich. Hierbei sind allerdings auch noch die Anforderungen von § 3 Absatz 5 TMG zu beachten, insbesondere das Erfordernis, vor der Anordnung die Sitzlandbehörden zu konsultieren.

Diese Regelung führt dazu, dass Anbieter von Videoplattformen mit Sitz im europäischen Ausland (dazu würde zum Beispiel auch YouTube zählen) vom grundlegenden Mechanismus des NetzDG "Löschungspflicht bei bestimmten rechtswidrigen Inhalten nach Beschwerde" ausgenommen werden. Stattdessen könnten diese Anbieter im Fall der genannten Straftaten nur noch durch Einzelanordnung des BfJ zur Löschung verpflichtet werden. Dabei müsste wohl in jedem Einzelfall eine vorherige Konsultation mit den zuständigen Sitzlandbehörden stattfinden, was einen erheblichen Aufwand bedeutet. Insgesamt wäre dies im Bereich der Videosharingplattform-Dienste ein erheblicher und nicht akzeptabler Rückschritt gegenüber der jetzigen Rechtslage.

Im Allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfes Abschnitt V.2. wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Richtlinie lediglich Mindestvorgaben zur Regulierung von Videosharingplattform-Diensten enthält (vergleiche Seite 18). Daher sind strengere Regelungen - wie zum Beispiel eine sich direkt aus dem Gesetz ergebende Löschungspflicht - nicht ausgeschlossen. Zudem lässt die AVMD-Richtlinie Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip insbesondere für die Menschenwürde verletzende Inhalte zu. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist nachdrücklich dazu aufzufordern, diese Spielräume nochmals eingehend zu prüfen.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Sonderregeln für Videosharingplattformen zu einer großen regelungstechnischen Unübersichtlichkeit in diesem Bereich führen, durch die sich der Gesetzgeber letztlich auch angreifbar macht. Für YouTube gilt beispielsweise Folgendes: Der Kommentarteil der Plattform fällt weiterhin umfassend unter die Regelungen des NetzDG. Beim Videoteil ist zu unterscheiden: Inhalte, die gegen die §§ 111, 130 Absatz 1 oder §§ 2, 131, 140, 166 und 184b in Verbindung mit § 184d StGB verstoßen, werden vom gesetzlichen Löschmechanismus des NetzDG ausgenommen, müssen aber gemäß § 3a NetzDG-E an das BKA übermittelt werden. Inhalte, die gegen die übrigen in § 1 Absatz 3 NetzDG genannten Tatbestände verstoßen (zum Beispiel die Beleidigungsdelikte), unterfallen demgegenüber weiterhin dem Löschmechanismus.

11. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 3e Absatz 2 Satz 4 - neu - NetzDG)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 3e Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

" § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt mit der Maßgabe, dass die dort genannten Maßnahmen unverzüglich vorzunehmen sind."

Begründung:

Durch die Anwendbarkeit des § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, haben kleine inländische Videosharingplattformen offensichtlich rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden zu sperren oder entfernen. Dies geht über die Vorgaben der AVMD-Richtlinie hinaus, welche ein unverzügliches Handeln vorschreibt, um die notwendige Flexibilität im Einzelfall zu gewährleisten. Laut Gesetzesbegründung zum Telemediengesetz sind bei der Beurteilung, was ein unverzügliches Handeln darstellt, Größe, Reichweite / Nutzerzahlen und Ressourcen des jeweiligen Videosharingplattform-Anbieters zu berücksichtigen. Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung, dass gerade von kleineren Videosharingplattform-Anbietern nicht erwartet werden kann, dass diese aufgrund des Meldeverfahrens außerhalb der üblichen Geschäftszeiten (nachts oder am Wochenende) besetzt sein müssen.

12. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 4a Absatz 2 Satz 3 NetzDG)

In Artikel 1 Nummer 6 ist § 4a Absatz 2 Satz 3 wie folgt zu fassen:

" § 4 Absatz 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass für das Vorabentscheidungsverfahren dasjenige Gericht zuständig ist, welches über den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid entscheiden würde."

Begründung:

Durch die neu geschaffene Regelung des § 4a NetzDG-E soll das Bundesamt für Justiz in die Lage versetzt werden, gegen Verstöße von Anbietern sozialer Netzwerke gegen Vorschriften des NetzDG nicht nur repressiv durch die Verhängung von Bußgeldern vorzugehen, sondern durch aufsichtsbehördliche Maßnahmen auch künftige bzw. fortgesetzte Verstöße unterbinden zu können.

In diesem Zusammenhang wirft die in § 4a Absatz 2 Satz 3 NetzDG-E angeordnete entsprechende Anwendung des § 4 Absatz 5 NetzDG jedoch Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit auf. Die letztgenannte Vorschrift sieht vor der Verhängung von Bußgeldern die Durchführung eines gerichtlichen Vorabprüfungsverfahrens für Fälle vor, in denen die Entscheidung auf das Nichtentfernen oder Nichtsperren von rechtswidrigen Inhalten nach § 1 Absatz 3 NetzDG gestützt werden soll. Nach § 4 Absatz 5 Satz 2 NetzDG ist für das Vorabentscheidungsverfahren im Rahmen der repressiven Bußgeldverhängung dasjenige Gericht zuständig, das auch über einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheiden würde. Dies ist nach § 68 Absatz 1 Satz 1 OWiG das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat, hier also das Amtsgericht Bonn.

Im Falle aufsichtsbehördlicher Verfahren nach § 4a NetzDG-E geht es jedoch nicht um die Verhängung von Bußgeldern, sondern die behördliche präventive Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG. Für die Überprüfung dieser behördlichen Entscheidung sind nicht die ordentlichen Gerichte, sondern - sachgerechterweise - nach § 40 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO die Verwaltungsgerichte berufen, da es um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art geht.

Die entsprechende Anwendung des § 4 Absatz 5 Satz 2 NetzDG könnte danach im Kontext des § 4a Absatz 2 NetzDG-E so verstanden werden, dass das für die Prüfung einer späteren Aufsichtsverfügung zuständige Verwaltungsgericht auch zuständig für die Vorprüfung der objektiven Strafbarkeit von Inhalten nach § 1 Absatz 3 NetzDG ist. Dies dürfte mit Blick darauf, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit ansonsten nicht für die Prüfung strafrechtlicher Inhalte zuständig ist, nicht sachgerecht sein.

Es wird daher vorgeschlagen, zur entsprechenden Anwendung des § 4 Absatz 5 NetzDG-E klarzustellen, dass für das Vorabentscheidungsverfahren nach dieser Norm auch im Falle von Aufsichtsverfügungen nach § 4a Absatz 2 NetzDG-E, die im Anschluss durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu prüfen wären, das Gericht zuständig ist, das über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheiden würde.

13. Zu Artikel 2 (§ 14 Absatz 3 und 4 Satz 6 TMG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob im Zuge der Neuregelungen in § 14 Absatz 3 und Absatz 4 TMG die Kostenregelung im bisherigen § 14 Absatz 4 Satz 6 TMG, nach der zwingend der Verletzte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, modifiziert werden sollte.

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt die klarstellende Kodifizierung des Auskunftsanspruchs und die verfahrensrechtliche Bündelung. Das derzeitige zweistufige Verfahren, bei dem in einer ersten Stufe eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Datenherausgabe herbeigeführt werden muss, damit sodann in einer zweiten Stufe eine Entscheidung über den Auskunftsanspruch selbst erwirkt werden kann, führt zu vermeidbarem Mehraufwand für alle Beteiligten und einer unnötigen Verzögerung der Verfahren, so dass die Neuregelung sinnvoll ist.

In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat indes darum, auch die Kostenregelung in § 14 Absatz 4 Satz 6 TMG, nach der in jedem Fall der Verletzte die Kosten der richterlichen Anordnung zu tragen hat, zu überdenken.

Da der neue § 14 Absatz 3 Satz 3 TMG nunmehr ausdrücklich einen Auskunftsanspruch kodifiziert, passt bereits der Wortlaut der Kostenregelung ("Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte.") in § 14 Absatz 4 Satz 6 TMG nicht mehr. Die Anordnung der Zulässigkeit der Datenherausgabe (erste Stufe) soll nunmehr Teil eines einheitlichen Verfahrens zusammen mit der Entscheidung über den Auskunftsanspruch aus § 14 Absatz 3 Satz 3 TMG werden, wenn der Antrag nicht ausdrücklich auf die Anordnung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung beschränkt ist. Möglicherweise wird die Anordnung daher sogar als Vorfrage in der Tenorierung des Auskunftsanspruchs aufgehen. Die derzeitige Formulierung "Kosten der richterlichen Anordnung" wird damit durch die Neuregelung unklar. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes könnte diese Kostenregelung sich aufgrund der Einheitlichkeit des Verfahrens nunmehr auch auf die Entscheidung über die Auskunftserteilung beziehen. In diesem Fall passt dann allerdings der Begriff "Anordnung" nicht mehr. Sie könnte indes auch so zu verstehen sein, dass (nur) für den Kostenanteil des (einheitlichen) Verfahrens über den Auskunftsanspruch, der auf die richterliche Anordnung der Zulässigkeit der Datenherausgabe entfällt, die Kosten immer beim Verletzen liegen sollen. In diesem Fall stellt sich aber die Frage, wie die Kosten dieses nunmehr einheitlichen Verfahrens aufzuschlüsseln sind und wieso keine Kostenregelung für die Entscheidung über die Auskunftserteilung selbst getroffen wurde. Jedenfalls wird durch die Neuregelung in § 14 Absatz 3 Satz 3 TMG die Regelung des § 14 Absatz 4 Satz 6 TMG unklar und überarbeitungsbedürftig. Nach dem derzeitigen Entwurf soll diese Vorschrift aber unverändert bleiben.

Auch unabhängig hiervon und auch angesichts der nachvollziehbaren Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfes (S. 59 unten), wonach die Kostenregelung nicht modifiziert werden soll, um vorschnellen Datenherausgaben durch die Diensteanbieter vorzubeugen, erscheint es erforderlich, die Kostenregelung von der Kostenfolge her noch einmal zu überdenken.

Mit dem nachvollziehbaren Ziel, vorschnellen Datenherausgaben vorzubeugen, widerstreitet nämlich das Ziel, dem Verletzen schnellen und effektiven Rechtsschutz ohne vermeidbare Hürden zur Verfügung zu stellen. Das Erfordernis, zunächst ein Verfahren gegen den Netzwerkbetreiber zu führen, bei dem auch im Falle des Obsiegens (selbst bei offensichtlich begründeten Auskunftsbegehren) der Verletzte in jedem Fall die Kosten zu tragen hat, kann eine erhebliche Abschreckungswirkung begründen und erscheint auch materiell nicht angemessen. Zwar dürfte dem Verletzten bezüglich derartiger Kosten ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verletzen (dem Urheber der strafbaren Äußerung) als notwendige Rechtsverfolgungskosten zustehen. Zunächst muss er aber diese Kosten tragen und muss sie später gegenüber dem Verletzen einklagen. Ihn trifft damit auch das Risiko der Uneinbringlichkeit. Jedenfalls, wenn man § 14 Absatz 4 Satz 6 TMG nunmehr als Kostenregelung für das gesamte einheitliche Auskunftsverfahren ansieht, setzt die derzeitige Regelung zudem einen Fehlanreiz für Netzwerkbetreiber, die Auskunft stets zu verweigern und so die (dringlichen) Verfahren zu verzögern. Ihnen droht allenfalls, zur Auskunft verurteilt zu werden - ohne jegliches Kostenrisiko. Daher erscheint die Regelung, nach der der Verletzte immer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat unangemessen. Eine angemessene Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen könnte hier etwa durch eine Kostenverteilung nach Obsiegen und Unterliegen darstellen, wie sie auch sonst im Zivilprozessrecht vom Grundsatz her stets vorgesehen ist. Der Netzwerkbetreiber würde dadurch auch nicht zu einer voreiligen Herausgabe von Bestandsdaten verleitet, da ihn in der Regel kein nennenswerter zusätzlicher Prüfungsaufwand träfe. Im Rahmen von § 14 Absatz 3 TMG ist im Kern zu prüfen, ob ein Fall von § 1 Absatz 3 NetzDG (rechtwidriger Inhalt entsprechend einer der dort genannten Katalogtaten) vorliegt. Diese Prüfung hat der Netzwerkbetreiber allerdings in aller Regel bereits im Rahmen der Entscheidung über die Sperrung des Beitrags durchführen müssen bzw. muss sie wegen dieser Entscheidung parallel ohnehin durchführen.

B