Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bundesrat hat in seiner 857. Sitzung am 3. April 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine grundlegende Reform des bestehenden Systems der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung mit dem Ziel zu prüfen, für Entschädigungsfälle, die derzeit durch die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) auszugleichen sind, eine Finanzierungsgrundlage zu schaffen, die gegebenenfalls erforderliche Entschädigungszahlungen an die Anleger umfassend gewährleistet, ohne die den Entschädigungseinrichtungen zugeordneten Institute unvertretbar zu belasten.

Die EdW ist eines der Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme, denen Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute angehören müssen.

Derzeit sind der EdW von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht rund 700 Wertpapierhandelsunternehmen zugeordnet. Die EdW gewährt Anlegern eine Entschädigung, wenn ein ihr zugeordnetes Wertpapierhandelsunternehmen nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen.

Die Zahl der der EdW zugeordneten Institute sowie deren finanzielle Leistungsfähigkeit erscheint als zu gering, um bei größeren Entschädigungsfällen eine umfassende Anlegerentschädigung zu gewährleisten, ohne dass sich daraus unzumutbare wirtschaftliche Belastungen für die Mitglieder der EdW ergeben.

Dies hat in jüngster Zeit einer der größten Entschädigungsfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte erwiesen.

In diesem Entschädigungsfall, in dem bei der EdW etwa 30 000 Schadensmeldungen eingingen, sind von der EdW voraussichtlich circa 200 Mio. Euro Entschädigungsleistungen an geschädigte Kunden zu leisten. Hierzu wird die EdW von ihren Mitgliedern Sonderbeiträge über einen Zeitraum von circa zehn Jahren erheben, die mindestens das Zehnfache des regulären Jahresbeitrags betragen dürften. Auf die EdW-Mitglieder kommen dadurch in den nächsten Jahren erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen zu. Um dem zu entgehen, haben bereits einige Mitglieder der EdW ihren rechtlichen Status geändert und sind anderen Entschädigungseinrichtungen zugeordnet worden.

Dadurch haben sich die durch die verbliebenen Mitglieder jeweils zu erbringenden Entschädigungsleistungen weiter erhöht. Ein im März 2008 im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen erstelltes Gutachten zur Reform der Anlegerentschädigungseinrichtungen und Einlagensicherungssysteme in Deutschland stellte umfassenden Reformbedarf fest. Durch die in dem vorliegenden Gesetzentwurf bezeichneten Maßnahmen werden die strukturellen Mängel der EdW nicht behoben.

2. Zu Artikel 1

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob entsprechend dem Zitiergebot des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes nach § 9 Absatz 2 Satz 2 EAEG-E der Satz "Das Grundrecht des Artikels 13 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt." eingefügt werden sollte.

Begründung

§ 9 Absatz 2 Satz 2 EAEG-E sieht in gleicher Weise wie die bisherige Gesetzesfassung (bisher § 9 Absatz 1 Satz 4 EAEG) eine Verpflichtung der Institute vor, das Betreten ihrer Grundstücke und Geschäftsräume durch Mitarbeiter der Entschädigungseinrichtung zu gestatten. Hierin ist ein Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 GG zu erblicken. Daher müsste das Gesetz nach Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG das eingeschränkte Grundrecht unter Angabe des Grundgesetzartikels nennen. Dies ist im Entwurf nicht vorgesehen. Auch die aktuelle Gesetzesfassung enthält keine Zitierung des Artikels 13 GG. In der vergleichbaren Regelung des § 4 Absatz 4 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) ist indes Artikel 13 GG zitiert.

Auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume unterfallen dem Schutz des Artikels 13 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91 -, BVerfGE 97, 228). Dazu gehören ebenfalls diejenigen Teile der Betriebsräume oder des umfriedeten Besitztums, die der Betriebsinhaber aus eigenem Entschluss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Auch dann gewährleistet das Grundrecht Schutz gegen Eingriffe in seine Entscheidung über das Zutrittsrecht im Einzelnen und über die Zweckbestimmung des Aufenthalts (vgl. BVerfG, a. a. O., m. w. N.). Soweit das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass an die Zulässigkeit von Eingriffen und Beschränkungen im Sinn des Artikels 13 Absatz 1 GG je nach der Nähe der Örtlichkeiten zur räumlichen Privatsphäre unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfG, a. a. O.; Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 -, BVerfGE 32, 54), betrifft dies lediglich die Frage, welchen Schranken Grundrechtseingriffe begegnen. Die Charakterisierung als Grundrechtseingriff bleibt erhalten, so dass das Zitiergebot ausgelöst wird.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen jedoch nicht gegen den nunmehr vorliegenden Entwurf zur Änderung des EAEG, sondern gegen die geltende Fassung, die in § 9 Absatz 1 eine identische Regelung zum Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume enthält. Diese wird durch den vorliegenden Entwurf lediglich redaktionell "verschoben", inhaltlich jedoch nicht geändert oder gar begründet.

3. Zu Artikel 3 Nummer 01 - neu - (§ 7 Absatz 3 Nummer 2 Eingangssatz, Buchstabe c1 - neu -, Buchstabe h - neu - FinDAG)

In Artikel 3 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 01 einzufügen:

Begründung

Die aktuelle Krise auf den Finanzmärkten hat eine Reihe von Schwächen bei der Finanzaufsicht offenbart. Es ist festzustellen, dass Verbrauchervertreter bisher nicht in den wichtigen Entscheidungsgremien der Finanzaufsichtsbehörden vertreten sind.

So finden sich aktuell im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Vertreter der Bundesministerien für Finanzen, Wirtschaft und Technologie und Justiz, nicht jedoch des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).

Auch die Kreditinstitute, Versicherungsnunternehmen und Kapitalanlagegesellschaften sind im Verwaltungsrat der BaFin vertreten, jedoch kein Vertreter der Verbraucherverbände.

Da auch die einzelnen Verbraucher gewichtige Akteure auf den Finanzmärkten sind, ist eine Vertretung der Verbraucherseite im Verwaltungsrat der BaFin unbedingt erforderlich.

Der Verwaltungsrat der BaFin sollte daher um zwei Mitglieder, nämlich je einem Vertreter des BMELV und der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., erweitert werden.

4. Zu Artikel 5 Nummer 1 - neu -, Nummer 3 - neu - und Nummer 4 - neu (§ 6 Absatz 2 Satz 2 - neu -, § 20a Absatz 4 und § 38 Absatz 2 WpHG)

Artikel 5 ist wie folgt zu fassen:

"Artikel 5
Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes Das Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Begründung

Zu Nummer 1:

Die im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes geplante Änderung des § 7 Absatz 1 Satz 1 WpHG hat zur Folge, dass die BaFin künftig auch für die Zusammenarbeit mit den ausländischen Stellen, die zuständig sind für die Überwachung von Märkten, an denen Waren gehandelt werden, zuständig ist. Diese Gesetzesänderung erfolgt laut Gesetzesbegründung besonders im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen an den Energiebörsen. Da im Ausland, etwa in Frankreich und Norwegen, häufig die Energieregulierungsbehörden für die Aufsicht über den Handel mit Waren wie Strom und Gas zuständig sind, wird die vorgenannte Gesetzesänderung dazu führen, dass die BaFin mit ausländischen Energieregulierungsbehörden zusammenarbeiten und Daten austauschen wird. Eine Zusammenarbeit mit der deutschen Energieregulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) ist jedoch bisher gesetzlich nicht vorgesehen. Dies könnte jedoch erforderlich werden, um im Rahmen der Zusammenarbeit mit ausländischen Energieregulierungsbehörden zu übermittelnde Daten mit den Daten der Bundesnetzagentur abzugleichen.

Dadurch wird die BaFin wie im bisherigen § 6 Absatz 2 WpHG mit den dort genannten Behörden zur Kooperation auch mit der Bundesnetzagentur auch außerhalb des Wertpapierhandelsrechts verpflichtet und zugleich sichergestellt, dass die BaFin von dieser Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem WpHG erhält. Durch die Regelung dieser Zusammenarbeit wird eine effektive Nutzung staatlicher Ressourcen ermöglicht und die Aufsichtsqualität potenziell verbessert.

Die Regelung greift europäischen Initiativen nicht vor, sondern füllt die in der Gesetzesänderung zu § 7 Absatz 1 Satz 1 WpHG vorgesehene Ausweitung der Kompetenzen der BaFin aus.

Im Übrigen wird damit ein Vorschlag der Monopolkommission in ihrem Sondergutachten gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes "Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung" (BT-Drucksache 016/7087) aufgegriffen, in dem eine vertiefte Zusammenarbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden bei der Aufsicht über den Energiehandel vorgeschlagen wird.

Zu Nummer 2:

Wie Vorlage.

Zu Nummer 3:

Die Änderungen zu § 20a Absatz 4 WpHG konkretisieren das Verbot der Marktpreismanipulation von an einem organisierten Markt gehandelten Waren im Hinblick auf Artikel 103 Absatz 2 GG und haben im Übrigen redaktionellen Charakter

Zu Nummer 4:

§ 20a Absatz 4 WpHG erstreckt das Verbot der Marktpreismanipulation des § 20a Absatz 1 bis 3 WpHG zwar auf Waren und ausländische Zahlungsmittel, die an einem organisierten Markt gehandelt werden. Eine Strafbarkeit nach § 38 Absatz 2 WpHG bei Verstößen gegen dieses Verbot besteht derzeit aber nur dann, wenn dadurch auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments eingewirkt wird. Die Kausalität einer solchen mittelbaren Einwirkung auf ein Finanzinstrument durch die Marktpreismanipulation einer Ware oder eines ausländischen Zahlungsmittels wird jedoch in der Praxis kaum nachzuweisen sein. § 38 Absatz 2 WpHG läuft damit im Hinblick auf § 20a Absatz 4 WpHG praktisch ins Leere. Da die derzeitige Formulierung des Gesetzeswortlauts erst mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (ASVG) eingeführt wurde und § 20a Absatz 1 Satz 2 WpHG a.F. noch den Begriff des Vermögenswertes, der Waren und ausländische Zahlungsmittel einschloss, vorsah liegt hier ein Redaktionsversehen nahe. Dennoch würde angesichts des eindeutigen Wortlauts und der sonst im Gesetz durchgehaltenen Trennung von Finanzinstrumenten einerseits und Waren und ausländischen Zahlungsmitteln andererseits nach der derzeitigen Fassung des Gesetzeswortlauts eine Einbeziehung der Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Waren und ausländischen Zahlungsmitteln in die Strafbarkeit gegen Artikel 103 Absatz 2 GG verstoßen. Verstöße gegen § 20a Absatz 4 WpHG sind nach der jetzigen Regelung daher selbst im Falle eines Erfolgseintritts nicht strafbar. Dieses Regelungsdefizit ist zu beseitigen. Um dem ursprünglichen Regelungsziel des § 20a Absatz 4 und § 38 Absatz 2 WpHG für an einer Börse als organisiertem Markt gehandelte Waren wie Strom volle Geltung zu verschaffen, ist § 38 Absatz 2 WpHG daher wie vorgeschlagen zu ändern.