Gesetzesantrag des Freistaats Thüringen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB III)

A. Problem und Ziel

Die Bundesagentur für Arbeit finanziert auf der Basis von Bildungsgutscheinen Umschulungsmaßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung, bei drohender Arbeitslosigkeit oder bei fehlenden Berufsabschlüssen. Nach § 176 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bedürfen Träger von entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Zulassung durch eine fachkundige Stelle, um solche Maßnahmen der Arbeitsförderung durchführen zu können. Dies betrifft auch staatliche und staatlich anerkannte Schulen, die entsprechend den Regelungen der Länder unterschiedliche Bezeichnungen haben. Das Zulassungsverfahren nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung vom 2. April 2012 (BGBl. I S. 504) in der jeweils geltenden Fassung dient dazu, die Qualität arbeitsmarktlicher Dienstleistungen sicherzustellen.

Die in der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung beschriebenen Anforderungen, die ein Maßnahmeträger erbringen muss, um eine Zertifizierung zu erhalten, werden von den unter Aufsicht der Länder stehenden Bildungseinrichtungen aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen bereits erbracht. Durch die staatliche Schulaufsicht ist in den Schulen ein System der Qualifikationssicherung gegeben, das dem privatrechtlich angelegten System durch externe Zertifizierungsstellen mindestens gleichwertig ist. Ein Qualitätsgewinn durch die Beachtung und Anwendung der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung ist insofern nicht zu erwarten.

Stattdessen steht zu befürchten bzw. hat sich in den an der Zertifizierung teilnehmenden Ländern herausgestellt, dass die parallele Anwendung der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung neben den landesrechtlichen, einschlägigen Bestimmungen zu einem hohen zeitlichen, administrativen und finanziellen Mehraufwand führt, da ein und derselbe Sachverhalt zwei Stellen gegenüber darzustellen ist. Während die Qualifikation der in einem verfassungsrechtlichen System der staatlichen Aufsicht und Kontrolle stehenden staatlichen Schule für die Erstausbildung außer Zweifel steht, soll sie bei inhaltsgleicher Ausbildung und Abschlussprüfung bei Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen nicht mehr gegeben sein.

Darüber hinaus kann die Zertifizierungspflicht nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung nur schwer in die Rechts- und Verfassungssystematik der Bundesrepublik Deutschland eingeordnet werden. Die unter Aufsicht der Länder stehenden Bildungseinrichtungen sind unter anderem in den Bildungsgängen Sozialpädagogik, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege tätig. Diese sind verfassungsrechtlich allesamt unter den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 des Grundgesetzes - öffentliche Fürsorge - zu subsumieren. Nach dem Wortlaut des Artikels 72 des Grundgesetzes haben die Länder ein Gesetzgebungsrecht, sofern der Bund nicht von seinem Recht zur Gesetzgebung Gebrauch macht. Das Vorhandensein landesrechtlicher Bestimmungen in den genannten Rechtsfeldern eröffnet den Rückschluss, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz eben keinen Gebrauch gemacht hat. Insoweit wird es kritisch gesehen, dass der Bund im Wege einer Verordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf ( § 184 SGB III), diese den Ländern durch die Verfassung gegebene Gesetzgebungskompetenz inhaltlich in wesentlichen Teilen einschränkt und der Bewertung privatrechtlich organisierter Zertifizierungsstellen unterstellt.

Auf der 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 28./29. November 2012 bestätigten die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder daher den Beschluss der 87. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (TOP 7.4 Zertifizierung nach AZAV von Schulen unter Aufsicht der Länder) und forderten den Bund erneut auf, unter Aufsicht der Länder stehende Bildungseinrichtungen ohne weitere Zertifizierung nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung als Träger von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung zuzulassen. Dies soll unter Berücksichtigung der Regelungen des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes in der Fassung vom 8. Oktober 2012 (BGBl. S.21) in der jeweils geltenden Fassung durch Herausnahme der unter Aufsicht der Länder stehenden Bildungseinrichtungen mit staatlich anerkannten Abschlüssen aus dem Anwendungsbereich der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung erfolgen. Dieser Antrag der Arbeits- und Sozialministerkonferenz wurde durch den Bund im Juli 2013 als nicht zielführend abgelehnt. Ebenso wurden zwei Stellungnahmen des Bundesrats zu derselben Problematik im Rahmen von vorgelegten Gesetzentwürfen 2007 und 2012 als der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfallend bzw. mit der Bemerkung, die originären Aufgaben von Schulen seien andere, als Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu erbringen, durch die Bundesregierung abgelehnt.

Diese ablehnende Haltung sollte angesichts der aufgezeigten Argumente nicht beibehalten werden.

B. Lösung

§ 176 SGB III ist dahingehend zu ergänzen, dass die unter Aufsicht der Länder stehenden Bildungseinrichtungen mit staatlich anerkannten Abschlüssen diesbezüglich aus dem Anwendungsbereich der Zertifizierungsvorschriften herausgenommen werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft oder die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Es entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Gesetzesantrag des Freistaats Thüringen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)

Die Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen
Erfurt, 22. April 2014

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung des Freistaats Thüringen hat beschlossen, dem Bundesrat den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) mit dem Antrag zuzuleiten, die Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beschließen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Christine Lieberknecht

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

§ 176 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

"Öffentliche Schulen oder staatlich anerkannte Schulen, die unter unmittelbarer staatlicher Aufsicht stehen, bedürfen ebenfalls keiner Zulassung."

2. Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

"Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2, die in Bildungsgängen durchgeführt werden, die durch Bundes- oder Landesrecht normiert sind, unter unmittelbarer staatlicher Aufsicht stehen und zu einem beruflichen Abschluss führen, bedürfen keiner Zulassung."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die in der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung vom 2. April 2012 (BGBl. I S. 504) in der jeweils geltenden Fassung beschriebenen Anforderungen, die ein Maßnahmeträger erbringen muss, um eine Zertifizierung zu erhalten, werden von den unter Aufsicht der Länder stehenden Bildungseinrichtungen, die zu einem staatlich anerkannten Abschluss führen, aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen bereits erbracht. Das aufwendige Zertifizierungsverfahren ist damit entbehrlich.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1:

Es wird geregelt, dass öffentliche oder staatlich anerkannte Schulen, die unter Aufsicht der staatlichen Schulverwaltung stehen, als Träger von Maßnahmen ohne weitere Prüfung zugelassen sind. An diesen Schulen erfolgen Ausbildung und Abschlussprüfungen für Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung inhaltsgleich und mit den gleichen Anforderungen wie für Schüler in der Erstausbildung. Für staatlich anerkannte Ersatzschulen besteht die staatliche Anerkennung jeweils nur für die nach Bundes- oder Landesrecht geregelten Bildungsgänge mit staatlich anerkannten Abschlüssen. Hieraus ergibt sich, dass die Ausnahme von der Zertifizierungspflicht für diese Schulen sich nur auf die vorgenannten Bildungsgänge bezieht.

Zu Nummer 2:

Für durch Bundes- oder Landesrecht geregelte Bildungsgänge ist eine Zulassung der Maßnahme nicht erforderlich. Die Regelung macht auch deutlich, dass eigene - nicht bundes- oder landesrechtlich geregelte - Bildungsangebote dieser Schulen selbstverständlich einer Zulassung bedürfen.

Zu Artikel 2

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes.