Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage

A. Problem und Ziel

In einem durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaftsleben hinterlassen unrechtmäßige Verhaltensweisen von Anbietern häufig eine Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher. Gerade wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist, werden Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt, da der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erscheint ("rationales Desinteresse"). Kommt eine Einigung der Parteien - etwa im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung - nicht zustande und sehen die Betroffenen von einer Klage ab, verbleibt der unrechtmäßig erlangte Gewinn bei dem Anbieter, der hierdurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Wettbewerbern erzielt.

Vor dem Hintergrund entsprechender Feststellungen hat sich die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung 2013/396/EU vom 11. Juni 2013 für "Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten" (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 60) ausgesprochen und diese Empfehlungen in ihrem Bericht vom 25. Januar 2018 über die Umsetzung dieser Empfehlung nochmals bekräftigt (Rats-Dok. 6043/18; Kom-Dok. COM (2018) 40 final).

Die Regierungskoalition hat sich im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, durch die Einführung einer Musterfeststellungsklage die Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern.

B. Lösung

Der Entwurf sieht die Einführung des Rechtsschutzinstruments der zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vor. Danach sollen eingetragene Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit erhalten, zugunsten von mindestens zehn betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern das Vorliegen oder Nichtvorliegen zentraler anspruchsbegründender bzw. anspruchsausschließender Voraussetzungen feststellen zu lassen (Feststellungsziele). Die Musterfeststellungsklage soll ausschließlich zwischen dem klagenden Verbraucherschutzverband und der beklagten Partei geführt werden. Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher sollen jedoch die Möglichkeit erhalten, ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei mit verjährungshemmender Wirkung und ohne Anwaltszwang zu einem Klageregister anzumelden. Außerdem soll das Musterfeststellungsurteil Bindungswirkung für nachfolgende Klagen der Verbraucherinnen und Verbraucher entfalten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung aufgrund einer erfolgreichen Musterentscheidung, insbesondere als Grundlage für Einigungen der Parteien im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs soll im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren entschieden werden.

E. Erfüllungsaufwand

Die vorgeschlagene Musterfeststellungsklage gibt nicht nur denjenigen Verbraucherinnen und Verbrauchern ein effektives Mittel der Rechtsdurchsetzung an die Hand, die ohne dieses auf die individuelle Rechtsdurchsetzung verzichten würden. Sie führt darüber hinaus zu einer Entlastung potentieller Parteien gerichtlicher Verfahren von anfallenden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren.

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern wird insoweit auf 2 367 000 Euro jährlich geschätzt, ohne dass dem Belastungen gegenüber stehen, da die Bürgerinnen und Bürger keine Gebühren oder Kosten der Musterfeststellungsklage zu tragen haben werden.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft wird ebenfalls von einer jährlichen Entlastung von geschätzt 2 367 000 Euro ausgegangen. Dem stehen jedoch laufende Belastungen durch zukünftige Musterfeststellungsklagen von 920 408 Euro gegenüber, so dass sich eine jährliche Gesamtersparnis von 1 446 592 Euro ergibt.

Im Rahmen der "One in, one out"-Regel der Bundesregierung stellt dies ein "out" dar.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Erfüllungsaufwand für die übergangsweise rein manuelle Führung des Klageregisters ab 1. November 2018 beläuft sich beim Bundesamt für Justiz schätzungsweise jährlich auf rund 823 000 Euro für Personalmittel sowie auf einmalige Sachkosten in Höhe von 28 000 Euro. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die rein manuelle Registerführung mit dem veranschlagten Aufwand nur für eine begrenzte Dauer als Übergangslösung betreiben lässt. Sie ist jedoch keine wirtschaftlich tragfähige Dauerlösung. Es ist daher parallel ein elektronisches Fachverfahren aufzubauen, wofür ein zeitlicher Rahmen von voraussichtlich 26 Monaten zu veranschlagen ist. Hierfür werden einmalige Personalmittel in Höhe insgesamt rund 1 523 000 Euro (rund 703 000 Euro pro Jahr) sowie einmalige Sachkosten in Höhe von insgesamt etwa 2 600 000 Euro benötigt. Für den laufenden Betrieb ist ab dem Jahr 2021 mit jährlichen Personalkosten in Höhe von etwa 1 302 000 Euro und Sachkosten von 110 000 Euro zu rechnen. Der Umstellungsaufwand auf Bundesebene beläuft sich mithin voraussichtlich auf 4 151 000 Euro, der zusätzliche jährliche Erfüllungsaufwand auf rund 823 000 Euro bis 2020 und auf 1 412 000 Euro ab 2021.

F. Weitere Kosten

Durch die Einführung von Musterfeststellungsklagen entstehen den klagenden Verbraucherschutzverbänden Kosten in Höhe von geschätzt jährlich 920 408 Euro. Den Gerichten der Länder entstehen keine Mehrbelastungen, vielmehr werden sie insgesamt entlastet. Dem zusätzlichen Personalaufwand durch jährlich schätzungsweise 450 Musterfeststellungsklagen bei den Landgerichten steht eine Entlastung der Amtsgerichte um geschätzt 11 250 Individualverfahren gegenüber.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 11. Mai 2018 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig. Die Regelungen sollen zum 1. November 2018 in Kraft treten, damit ausreichend Zeit für die Einrichtung des Klageregisters beim Bundesamt der Justiz besteht und sich auch die Länder auf die neuen Vorschriften einstellen können.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Fristablauf: 22.06.18
besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

§ 71 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 2 wird wie folgt geändert:

2. In Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter "und Nummer 5" durch ein Komma und die Wörter "Nummer 5 und 6" ersetzt.

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu Buch 6 wie folgt gefasst:

"Buch 6
Musterfeststellungsverfahren

§ 606 Musterfeststellungsklage
§ 607 Bekanntmachung im Klageregister
§ 608 Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen
§ 609 Klageregister; Verordnungsermächtigung
§ 610 Besonderheiten der Musterfeststellungsklage
§ 611 Vergleich
§ 612 Bekanntmachungen zum Musterfeststellungsurteil
§ 613 Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils; Aussetzung
§§ 614 bis 687 (weggefallen)".

2. § 29c wird wie folgt geändert:

3. Buch 6 wird wie folgt gefasst:

"Buch 6
Musterfeststellungsverfahren

§ 606 Musterfeststellungsklage

§ 607 Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage

§ 608 Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen

§ 609 Klageregister; Verordnungsermächtigung

§ 610 Besonderheiten der Musterfeststellungsklage

§ 611 Vergleich

§ 612 Bekanntmachungen zum Musterfeststellungsurteil

§ 613 Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils; Aussetzung

Artikel 3
Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

In § 46 Absatz 2 Satz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach den Wörtern "über den Urkunden- und Wechselprozess (§§ 592 bis 605a der Zivilprozessordnung)" ein Komma und die Wörter "über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung)" eingefügt.

Artikel 4
Änderung des Gerichtskostengesetzes

In § 48 Absatz 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "In" die Wörter "Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in" eingefügt.

Artikel 5
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

In § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1a des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "Schutzschriften" die Wörter "und die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen sowie die Rücknahme der Anmeldung" eingefügt.

Artikel 6
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

§ 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 7
Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung

In § 173 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "ausschließen" ein Semikolon und die Wörter "Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden" eingefügt.

Artikel 8
Änderung der Finanzgerichtsordnung

In § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 2001 (BGBl. I S. 442, 2262; 2002 I S. 679), die zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "anzuwenden" ein Semikolon und die Wörter "Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden" eingefügt.

Artikel 9
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

In § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "ausschließen" ein Semikolon und die Wörter "Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden" eingefügt.

Artikel 10
Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

In § 33h Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 9 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, werden in Satz 3 die Wörter "Satz 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs" durch die Wörter "Satz 3 und 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs" ersetzt.

Artikel 11
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

1. Vorbemerkung

In einem durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaftsleben hinterlassen unrechtmäßige Verhaltensweisen von Anbietern häufig eine Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher. Gerade wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist, werden Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt, da der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erscheint ("rationales Desinteresse"). Der in der Summe mitunter erhebliche Gewinn verbleibt in diesem Fall - soweit nicht eine Rückerstattung etwa im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung erfolgt - bei dem Anbieter, der hierdurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Anbietern erzielt.

Vor dem Hintergrund entsprechender Feststellungen hat sich die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung 2013/396/EU vom 11. Juni 2013 für "Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten" (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 60) ausgesprochen und diese Empfehlungen in ihrem Bericht vom 25. Januar 2018 über die Umsetzung dieser Empfehlung nochmals bekräftigt (Rats-Dok. 6043/18; Kom-Dok. COM (2018) 40 final). Europaweit werden prozessuale Institute geschaffen oder ausgeweitet, um der beschriebenen Problematik abzuhelfen. So halten unter anderem die EU-Mitgliedstaaten Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, Schweden und Spanien in unterschiedlichem Umfang bereits Möglichkeiten vor, gleichgerichtete Ansprüche durch ein Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes gebündelt zu verfolgen. In zahlreichen dieser Staaten bestehen schon seit längerer Zeit entsprechende Verfahrensmöglichkeiten. Dagegen wurden in Polen erst im Jahr 2010 sowie in Belgien und in Frankreich im Jahr 2014 entsprechende Rechtsschutzinstitute geschaffen.

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, die Rechtsdurchsetzung für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch Einführung der Musterfeststellungsklage zu verbessern. Überdies haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder mit Beschluss vom 21./22. Juni 2017 und die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder mit Beschluss vom 28. April 2017 für eine zeitnahe Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgesprochen.

Die effektive Rechtsdurchsetzung erfordert wirksame Instrumente des zivilprozessualen Rechtsschutzes, die so ausgestaltet sind, dass sie von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch tatsächlich in Anspruch genommen werden.

Erforderlich ist neben der bereits erfolgten Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung die Stärkung zivilprozessualer Möglichkeiten des Rechtsschutzes, um die Durchsetzung bestehender Ansprüche und Rechtsverhältnisse für Bürgerinnen und Bürger zu vereinfachen. Durch einen vereinfachten Zugang zu gerichtlichen Verfahren wird zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen und sicheren Rechtsverkehr gewahrt. Die zur Überwindung des rationalen Desinteresses notwendige Bündelung der Rechtsverfolgung in Verbraucherstreitverfahren mit Breitenwirkung ist nach der bisherigen Rechtslage noch nicht ausreichend möglich. Die beabsichtigte Musterfeststellungsklage ergänzt damit die bereits etablierten Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung um den Aspekt prozessualer Durchsetzung, ohne die etablierten Verfahren zu beschränken oder zu verdrängen.

2. Bündelungsmöglichkeiten nach der Zivilprozessordnung (ZPO)

Das in der ZPO geregelte Zivilprozessrecht ist auf den Zweiparteienprozess zugeschnitten. In diesem Rahmen kennt es aber mit der Streitgenossenschaft, der Nebenintervention, der Verfahrensverbindung und der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit Institute zur Einbeziehung von Dritten. Diese Dritten müssen sich jedoch stets, wenngleich mit einem reduzierten Kostenrisiko, an dem Prozess beteiligen. Dies ist häufig mit erheblichem Aufwand verbunden. Es hat sich deshalb in der Praxis gezeigt, dass die genannten prozessualen Institute das "rationale Desinteresse" der Geschädigten nicht überwinden.

Auch die Einziehungsklage nach § 79 Absatz 2 Nummer 3 ZPO, mit der insbesondere Verbraucherzentralen die gerichtliche Einziehung von Forderungen von Verbrauchern betreiben können, dient nur beschränkt der effektiven Rechtsdurchsetzung. Sie stellt zwar ein taugliches Mittel dar, Verbraucherinteressen prozessual gebündelt durchzusetzen, ohne dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sich unmittelbar in ein Gerichtsverfahren einbringen müssen. Sie verursacht indes bei den Verbraucherschutzverbänden angesichts der Koordination zahlreicher individueller Ansprüche erheblichen Aufwand, der diese Verbände in Verfahren mit Breitenwirkung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit führt.

3. Sonderfälle des kollektiven Rechtsschutzes im Zivilprozess außerhalb der ZPO

Außerhalb der ZPO kennt das deutsche Zivilprozessrecht bereits Sonderformen des kollektiven Rechtsschutzes. Dazu gehören das Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG) sowie die Verbandsklagen nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) und nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sowohl das Kapitalanleger-Musterverfahren als auch die Verbandsklagen sind auf einen engen Anwendungsbereich beschränkt und unterliegen besonderen prozessualen Voraussetzungen.

So sind Musterverfahren nach dem KapMuG ausschließlich auf die Geltendmachung spezifischer kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche sowie vertraglicher Erfüllungsansprüche im Zusammenhang mit öffentlichen Kapitalmarktinformationen beschränkt. Ein Musterentscheid kann nur dann erwirkt werden, wenn die zu klärende Musterfrage in mehr als zehn rechtshängigen Prozessen entscheidungserheblich ist und die Parteien einen Musterverfahrensantrag gestellt haben. Das Musterverfahren setzt grundsätzlich voraus, dass ein Betroffener seinen Anspruch zunächst selbst klageweise verfolgt. Zur Überwindung des "rationalen Desinteresses" außerhalb des Anwendungsbereichs des KapMuG ist das Verfahren deshalb nicht geeignet.

Das UKlaG gewährt Unterlassungs- und Widerrufsansprüche bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen, insbesondere wegen der Verwendung von nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und wegen verbraucherschutzgesetzwidriger Praktiken. Durch Unterlassungsklagen der in § 3 UKlaG genannten klageberechtigten Stellen kann insbesondere die Unwirksamkeit bestimmter Vertragsklauseln und die Rechtswidrigkeit bestimmter Praktiken festgestellt werden, ohne dass es einer Beteiligung der von diesen Klauseln und Praktiken Betroffenen bedarf. Individuelle Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, wie sie im Rahmen von breit gestreuten Schäden mit vielen Betroffenen entstehen und deren Rechtsverfolgung erleichtert werden soll, können allerdings im Rahmen der im UKlaG vorgesehenen Klagearten nicht verfolgt werden.

Eine mit dem UKlaG vergleichbare Sachlage ergibt sich hinsichtlich der Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unlauterer geschäftlicher Handlungen aus § 8 Absatz 1 UWG sowie des Anspruchs auf Gewinnabschöpfung aus § 10 Absatz 1 UWG. Auch insoweit können Ansprüche einzelner Betroffener bislang nicht verfolgt werden.

4. Lösungskonzept

Da die bestehenden zivilprozessualen Möglichkeiten der Bündelung von Ansprüchen sowie des kollektiven Rechtsschutzes bislang nicht ausreichen, um die gerichtliche Rechtsverfolgung der Ansprüche einer Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam auszugestalten, soll als neues Mittel der kollektiven Rechtsverfolgung in Verbraucherstreitsachen eine Musterfeststellungsklage eingeführt werden. Der Anwendungsbereich für diese Klageart soll - anders als die bereits vorhandenen Institute des Kapitalanleger-Musterverfahrens und der Verbandsklage - nicht auf ein hochspezifisches zivilrechtliches Sondergebiet beschränkt werden. Vielmehr soll die Musterfeststellungsklage in verbraucherrechtlichen Angelegenheiten allgemein angewendet werden können.

Die Musterfeststellungsklage soll anerkannten Verbraucherschutzverbänden ermöglichen, zugunsten von jeweils mindestens 50 betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern das Vorliegen oder Nichtvorliegen zentraler Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen feststellen und Rechtsfragen klären zu lassen. Das Verfahren soll ausschließlich zwischen dem klagenden Verbraucherschutzverband und der beklagten Partei geführt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen jedoch die Möglichkeit erhalten, ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei mit verjährungshemmender Wirkung zu einem noch einzurichtenden Klageregister anzumelden. Das rechtskräftige Musterfeststellungsurteil soll sodann grundsätzlich Bindungswirkung für eine nachfolgende Klage zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem beklagten Unternehmen entfalten.

Die Musterfeststellungsklage bietet mit der Möglichkeit der kostenfreien Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen einen einfachen Weg der kollektiven Rechtsverfolgung, mit dem für den einzelnen Betroffenen kein Prozesskostenrisiko verbunden ist. Sie ist geeignet, das "rationale Desinteresse" zu überwinden, ohne berechtigten Interessen der Wirtschaft zuwiderzulaufen. Darüber hinaus dient sie der effektiven Rechtsdurchsetzung, kann durch die verbindliche Entscheidung wesentlicher Tatsachen- und Rechtsfragen zu einer Entlastung der Justiz beitragen und trägt zur Stärkung des Gerichtsstandortes der Bundesrepublik Deutschland bei. Zugleich stärkt sie die außergerichtliche Streitschlichtung, indem sie durch die Entscheidung zentraler Tatsachen- und Rechtsfragen die Grundlagen für eine einvernehmliche Lösung der Parteien schafft.

Die Musterfeststellungsklage soll im Sechsten Buch der ZPO geregelt werden und die bereits vorhandenen Klagearten ergänzen. Daraus ergibt sich, dass die allgemeinen Vorschriften der ZPO gelten sollen, soweit keine Sonderregelungen vorgesehen sind. Die Sonderregelungen sind zum Teil dem Kapitalanleger-Musterverfahren und den beschriebenen Verbandsklagen angelehnt. Gleichwohl stellt die Musterfeststellungsklage eine eigenständige zivilprozessuale Klage dar.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Entwurf regelt erstmalig die Musterfeststellungsklage und führt diese in die ZPO ein. Die Musterfeststellungsklage ermöglicht die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele). Sie dient damit der einheitlichen Entscheidung zentraler Streitfragen mit Breitenwirkung. Die Klage soll deshalb nur zulässig sein, wenn glaubhaft gemacht wird, dass Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Betroffenen von den in der Musterfeststellungsklage verhandelten Feststellungszielen abhängen und binnen zwei Monaten ab öffentlicher Bekanntmachung mindestens 50 betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche zum Klageregister anmelden (§ 606 Absatz 3 ZPO in der Entwurfsfassung - ZPO-E).

Klagebefugt sollen die in § 3 Absatz 1 Nummer 1 UKlaG genannten qualifizierten Einrichtungen sein (§ 606 Absatz 1 ZPO-E), allerdings mit der Maßgabe, dass sie mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder 350 natürliche Personen als Mitglieder haben. Des Weiteren müssen die Einrichtungen bereits seit mindestens vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sein. Die qualifizierten Einrichtungen müssen daneben weitere strenge Voraussetzungen erfüllen. Dadurch ist insbesondere sichergestellt, dass Musterfeststellungsklagen ohne Gewinner-zielungsabsicht und nur im Interesse betroffener Verbraucherinnen und Verbraucher und nur von Organisationen erhoben werden können, welche aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit und der Herkunft ihrer finanziellen Mittel die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung und keine Anhaltspunkte für Missbrauch bieten.

Die Beschränkung der Klagebefugnis gewährleistet zugleich, dass keine sachwidrigen oder missbräuchlichen Musterfeststellungsklagen erhoben werden.

Eine Musterfeststellungsklage soll durch das Gericht in einem neu zu schaffenden Klageregister für Musterfeststellungsklagen bekannt gemacht werden (§ 607 ZPO-E). Hierdurch sollen potenziell betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher über die Rechtshängigkeit der Musterfeststellungsklage informiert werden und damit zugleich die Möglichkeit erhalten, ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse anzumelden. Im Vergleich zu einer Klage ist der Aufwand eines Betroffenen bei der Anmeldung deutlich reduziert: Neben seinem Namen, den Namen der Parteien, dem Gericht und dem Aktenzeichen der Musterfeststellungsklage muss der Verbraucher lediglich den Gegenstand und den Grund des Anspruchs oder Rechtsverhältnisses, den Betrag der Forderung sowie eine Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben angeben (§ 608 Absatz 2 ZPO-E). Die Anmeldung soll auch elektronisch erfolgen können. Eine anwaltliche Vertretung ist bei der Anmeldung nicht erforderlich. Die Anmeldung birgt kein prozessuales Kostenrisiko. Durch diese niederschwelligen Anforderungen ist das Verfahren vor allem attraktiv für solche Verbraucherinnen und Verbraucher, die bislang vor einer individuellen Rechtsverfolgung wegen des Kostenrisikos und des Aufwandes eines Gerichtsverfahrens zurückschrecken.

Die Anmeldung bewirkt, dass die Feststellungen, die im Urteil der Musterfeststellungsklage getroffen werden, im Verhältnis zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zum Klageregister wirksam angemeldet haben, und dem Beklagten Bindungswirkung entfalten (§ 613 Absatz 1 ZPO-E).

Mit der Musterfeststellungsklage können auf diese Weise tatsächliche oder rechtliche Fragen, die für eine Vielzahl von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen von Bedeutung sind, mit Wirkung für die angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher gebündelt und verbindlich geklärt werden. Auf diese Weise wird das Verfahren besonders effizient und ermöglicht eine abschließende Befriedung aller Streitigkeiten.

Zudem wird die Verjährung der von den Feststellungszielen abhängenden, im Klageregister angemeldeten Ansprüche durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage gehemmt (§ 204 Absatz 1 Nummer 1a BGB-E).

Die Musterfeststellungsklage soll der zügigen Klärung von Tatsachen- und Rechtsfragen dienen und hierdurch zu einem effektiven Mittel der Rechtsverfolgung werden. Die Ausrichtung auf bestimmte Feststellungsziele ermöglicht die hierfür erforderliche Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen. Individuelle Streitfragen, etwa konkrete Einwendungen gegen die einer Musterfeststellungsklage zugrunde liegenden Individualansprüche, die für die Feststellungsziele nicht von Bedeutung sind, sind in der Musterfeststellungsklage nicht zu klären. Dementsprechend werden die angemeldeten Verbraucher nicht unmittelbar Prozessbeteiligte im Musterfeststellungsverfahren und können selbst auch keine Prozesshandlungen vornehmen. Die angemeldeten Verbraucher als Zeugen zu berufen, bleibt hingegen möglich.

Der Anspruch des angemeldeten Verbrauchers auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt, weil er selbst entscheidet, ob er sich an der Musterfeststellungsklage beteiligen möchte und hierdurch seine prozessualen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung erweitert werden. Es steht jedem angemeldeten Verbraucher weiterhin frei, seine Ansprüche oder Rechtsverhältnisse selbst gerichtlich geltend zu machen. Auch kann er bis zum Ablauf des Tages vor dem ersten Termin (§ 220 Absatz 1 ZPO) durch Rücknahme seiner Anmeldung erreichen, dass er nicht an ein Musterfeststellungsurteil gebunden wird.

Durch das Musterfeststellungsurteil wird der Ausgleich individueller Ansprüche erheblich vereinfacht. Zwar müssen die angemeldeten Verbraucher ihre Ansprüche weiterhin individuell durchsetzen. Aufgrund der verbindlichen Klärung der Feststellungsziele ist aber davon auszugehen, dass sich in den meisten Fällen die angemeldeten Verbraucher und der Beklagte außergerichtlich einigen. Verbleiben Streitpunkte, steht es angemeldeten Verbrauchern und Beklagten offen, die außergerichtliche Streitschlichtung in Anspruch zu nehmen oder den Rechtsweg zu beschreiten. Das Musterfeststellungsurteil erleichtert den Parteien auch insoweit die individuelle Rechtsverfolgung. Denn im Folgeverfahren müssen die bereits verbindlich festgestellten Tatsachen und die entschiedenen Rechtsfragen nicht erneut verhandelt werden. Für Beklagte erweist sich die Musterfeststellungsklage auch in ökonomischer Hinsicht als positiv, weil sie geeignet ist, zahlreiche Parallelprozesse zu vermeiden und das hieraus folgende Kostenrisiko zu senken.

Die Musterfeststellungsklage kann nicht nur durch Urteil, sondern auch durch einen Vergleich zwischen den Parteien beendet werden, der Bindungswirkung für die angemeldeten Verbraucher entfaltet, soweit sie nicht aus dem vorgeschlagenen Vergleich austreten (§ 611 ZPO-E). Dies ermöglicht den Parteien eine auf die zentralen Streitfragen zugeschnittene einvernehmliche Gesamtlösung, die der einfachen Befriedung in gleichgelagerten Streitigkeiten dient.

Die sachliche Zuständigkeit für Musterfeststellungsklagen wird unabhängig vom Streitwert den Landgerichten zugewiesen.

Die einschlägigen und vorrangigen Bestimmungen des Unionsrechts zur internationalen Zuständigkeit von Gerichten bleiben hiervon unberührt. Die klageberechtigten Verbraucherverbände können in der Bundesrepublik Deutschland nur klagen, wenn deutsche Gerichte nach der EU-Verordnung Nr. 2015/2012 (sogenannte Brüssel-Ia-Verordnung) international zuständig sind. Verbraucherinnen und Verbraucher sind nicht gehindert, ihre Ansprüche außerhalb der Musterfeststellungsklage vor den international zuständigen Gerichten zu verfolgen. Auch die vorrangigen Regelungen des Unionsrechts zur Wirkungserstreckung von Gerichtsentscheidungen, die ebenfalls in der Brüssel-Ia-Verordnung enthalten sind, können durch die Musterfeststellungsklage nicht geändert werden. Wenn die deutsche Gerichtsentscheidung im Musterverfahren in Nachfolge-Verfahren von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Gerichten eines anderen Mitgliedstaats Wirkung entfalten soll, muss sie nach deren Bestimmungen vorher dort anerkannt werden.

Dasselbe gilt außerhalb des Anwendungsbereichs dieser EU-Verordnung für die nationalen Vorschriften, die im Verhältnis zu Drittstaaten anzuwenden sind. Ob deutsche Gerichte für eine Musterfeststellungsklage international zuständig sind, bestimmt sich dann entweder nach völkerrechtlichen Vereinbarungen oder nach dem autonomen deutschen Recht. Die Wirkungserstreckung hängt von einer Anerkennung der deutschen Gerichtsentscheidung im Ausland ab, die völkervertraglich festgelegt sein oder sich aus dem autonomen Recht des Anerkennungsstaates ergeben kann.

Auch die einschlägigen und vorrangigen Bestimmungen des Unionsrechts zum anwendbaren Recht, die in der Verordnung EG (Nr. ) 593/2008 (sogenannte Rom-I-Verordnung) niedergelegt sind, werden von diesem Entwurf nicht berührt.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (gerichtliches Verfahren, Gerichtsverfassung und bürgerliches Recht).

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, vereinbar. Er setzt die Empfehlung 2013/396/EU der Europäischen Kommission vom 11. Juni 2013 für "Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten" (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 60) durch eine eigenständige nationale Regelung innerhalb des empfohlenen Rechtsrahmens um.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Der Entwurf verringert den Verwaltungsaufwand der Gerichte. Es entstehen zwar neue zivilprozessuale Streitigkeiten in Musterfeststellungsklagen. Diesen steht jedoch eine Aufwandsersparnis gegenüber, die sich aus einer Reduzierung von Individualstreitigkeiten ergibt.

Dem für die Einrichtung und den Betrieb eines zentralen Klageregisters für Musterfeststellungsklagen beim Bundesamt für Justiz anfallenden Verwaltungsaufwand steht eine deutliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bei der Rechtsdurchsetzung ihrer Ansprüche und Rechtsverhältnisse gegenüber.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Die Musterfeststellungsklage soll der zügigen Klärung von Tatsachen- und Rechtsfragen dienen und hierdurch zu einem effektiven Mittel der Rechtsverfolgung werden. Die Ausrichtung auf bestimmte Feststellungsziele ermöglicht die hierfür erforderliche Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen. Durch ein Musterfeststellungsurteil kann darüber hinaus der Ausgleich individueller Ansprüche erheblich vereinfacht werden. Zwar müssen die angemeldeten Verbraucher ihre Ansprüche weiterhin individuell durchsetzen; aufgrund der verbindlichen Klärung der Feststellungsziele ist aber davon auszugehen, dass sich in vielen Fällen angemeldete Verbraucher und Beklagter außergerichtlich einigen. Mit diesen beiden vornehmlichen Zielen steht der Entwurf insbesondere im Einklang mit der Managementregel Nummer 9 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, nach der der soziale Zusammenhalt gestärkt werden soll. Denn der soziale Zusammenhalt wird zum einen dadurch gestärkt, dass effektive Mittel zur Rechtsverfolgung bestehen und zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen wird durch die zu erwartenden außergerichtlichen Einigungen im Nachgang zu einem Musterfeststellungsurteil der Rechtsfrieden und die Rechtsakzeptanz gestärkt.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs soll im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren entschieden werden.

4. Erfüllungsaufwand

Die vorgeschlagene Musterfeststellungsklage gibt nicht nur denjenigen Verbraucherinnen und Verbrauchern ein effektives Mittel der Rechtsdurchsetzung an die Hand, die ohne dieses auf die individuelle Rechtsdurchsetzung verzichten würden. Sie führt darüber hinaus zu einer Entlastung potentieller Parteien gerichtlicher Verfahren von anfallenden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren.

Dabei wird von folgenden Annahmen ausgegangen:

Die Einführung einer Musterfeststellungsklage wird schätzungsweise zu einer Reduzierung erstinstanzlicher Individualprozesse mit einem Streitwert-Median von 600 Euro um 11 250 pro Jahr führen. Die Gebühren eines Rechtsstreits mit einem Streitwert von 600 Euro belaufen sich regelmäßig auf 682,60 Euro, wenn beide Parteien anwaltlich vertreten sind. Findet keine anwaltliche Vertretung statt, ergeben sich regelmäßig Gebühren von 159 Euro. Dabei wird davon ausgegangen, dass in den einschlägigen Verfahren etwa 50 Prozent der Parteien anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und dass die Unternehmen in der Hälfte der Individualprozesse unterliegen.

Dem stehen voraussichtlich jährlich 450 neue Musterfeststellungsklagen mit geschätzt im Schnitt 75 Anmeldern und einem Streitwert von geschätzt durchschnittlich 10 000 Euro gegenüber. Mithin ist von schätzungsweise 33 750 Anmeldungen zum Klageregister auszugehen. Die Gebühren landgerichtlicher Verfahren mit Rechtsanwaltszwang belaufen sich bei einem Streitwert von 10 000 Euro auf regelmäßig 4 090,70 Euro. Dabei wird auch hier davon ausgegangen, dass die Unternehmen in der Hälfte der 450 Fälle unterliegen.

a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Somit ergibt sich durch die Musterfeststellungsklage für die Bürgerinnen und Bürgern eine jährliche Entlastung von etwa 2 367 000 Euro, ohne dass dem Belastungen gegenüber stehen, da die Bürgerinnen und Bürger keine Gebühren oder Kosten der Musterfeststellungsklage zu tragen haben werden.

b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft wird - unter Zugrundelegung der vorgenannten Annahmen - ebenfalls von einer jährlichen Entlastung von etwa 2 367 000 Euro ausgegangen. Dem stehen jedoch Belastungen aufgrund Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren zukünftiger Musterfeststellungsklagen von 920 408 Euro gegenüber, die die beklagten Unternehmen bei Unterliegen zu tragen haben werden. Die Wirtschaft wird daher voraussichtlich um insgesamt um 1 446 592 Euro jährlich entlastet werden. Im Rahmen der "One in, one out"-Regel der Bundesregierung stellt dies ein "out" dar.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:

Keine.

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Erfüllungsaufwand für die übergangsweise rein manuelle Führung des Klageregisters ab 1. November 2018 beläuft sich beim Bundesamt für Justiz schätzungsweise jährlich auf rund 823 000 Euro für Personalmittel sowie auf einmalige Sachkosten in Höhe von 28 000 Euro. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die rein manuelle Registerführung mit dem veranschlagten Aufwand nur für eine begrenzte Dauer als Übergangslösung betreiben lässt. Sie ist jedoch keine wirtschaftlich tragfähige Dauerlösung. Es ist daher parallel ein elektronisches Fachverfahren aufzubauen, wofür ein zeitlicher Rahmen von 26 Monaten zu veranschlagen ist. Hierfür werden einmalige Personalmittel in Höhe von insgesamt etwa 1 523 000 Euro (rund 703 000 Euro pro Jahr) sowie einmalige Sachkosten in Höhe von etwa 2 600 000 Euro benötigt. Für den laufenden Betrieb ist ab dem Jahr 2021 mit jährlichen Personalkosten in Höhe von etwa 1 302 000 Euro und Sachkosten von 110 000 Euro zu rechnen. Der Umstellungsaufwand auf Bundesebene beläuft sich mithin voraussichtlich auf 4 151 000 Euro, der zusätzliche jährliche Erfüllungsaufwand auf rund 823 000 Euro bis 2020 und auf 1 412 000 Euro ab 2021.

Für die manuelle Führung des Klageregisters voraussichtlich vom 1. November 2018 bis 31. Dezember 2020 werden sieben Stellen des mittleren Dienstes, 1,6 Stellen des gehobenen Dienstes und eine Stelle des höheren Dienstes benötigt.

In der voraussichtlich 26 Monate dauernden Projektphase zum Aufbau des elektronischen Klageregisters voraussichtlich vom 1. November 2018 bis 31. Dezember 2020 werden im IT-Bereich eine Stelle im mittleren Dienst, fünf Stellen im gehobenen Dienst und eine Stelle im höheren Dienst benötigt. Hieraus ergibt sich ein Personalaufwand von rund 703 000 Euro pro Jahr und damit insgesamt ein Personalaufwand in der Projektphase von 1 523 000 Euro.

Des Weiteren ist während der Projektphase ein Sach- und Investitionsmittelbedarf von 2 600 000 Euro zu erwarten, wobei der Sach- und Investitionsmittelbedarf im Jahr 2018 etwa 200 000 Euro, im Jahr 2019 etwa 1 100 000 Euro sowie im Jahr 2020 voraussichtlich 1 300 000 Euro betragen wird.

Ab der Aufnahme des Betriebs des elektronischen Fachverfahrens (voraussichtlich ab 1. Januar 2021 werden voraussichtlich folgende Stellen im Fachbereich benötigt werden: 4,1 Stellen des mittleren Dienstes, 1,6 Stellen des gehobenen Dienstes und eine Stelle des höheren Dienstes. Im IT-Bereich werden voraussichtlich folgende Stellen benötigt: eine Stelle im mittleren Dienst, fünf Stellen im gehobenen Dienst und eine Stelle im höheren Dienst. Hieraus folgt ein Personalaufwand von insgesamt rund 1 302 000 Euro jährlich.

Der Sach- und Investitionsmittelbedarf für den laufenden Registerbetrieb wird sich ab der Aufnahme des Betriebs voraussichtlich auf 110 000 Euro jährlich belaufen. Er setzt sich zusammen aus 50 000 Euro jährlich für Wartung und Pflege der Hardware sowie für Lizenzgebühren und 60 000 Euro jährlich für die Bereitstellung eines Servers.

5. Weitere Kosten

Durch die Einführung von Musterfeststellungsklagen entstehen den klagenden Verbraucherschutzverbänden Kosten im Falle des Unterliegens. Unter der Annahme, dass die Verbände in der Hälfte der geschätzten 450 jährlichen Fälle unterliegen, beliefen sich diese Kosten auf 920 408 Euro.

Den Gerichten der Länder entstehen keine Mehrbelastungen, vielmehr werden sie insgesamt entlastet. Dem zusätzlichen Personalaufwand durch jährlich schätzungsweise 450

Musterfeststellungsklagen bei den Landgerichten steht eine Entlastung der Amtsgerichte um geschätzt 11 250 Individualverfahren gegenüber.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Weitere Gesetzesfolgen, insbesondere gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen, sind nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung ist nicht angezeigt. Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage soll frühestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt mit belastbarem Datenmaterial zu rechnen ist. Dabei wird die Bundesregierung auf Grundlage der beim Bundesamt für Justiz vorgehaltenen Rechtspflegestatistiken in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen (Verbesserung der Rechtsdurchsetzung für Verbraucher, Entlastung der Gerichte) erreicht worden sind. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 71 Absatz 2)

Nummer 1 sieht die Ergänzung des § 71 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vor. Die sachliche Zuständigkeit für Musterfeststellungsklagen wird den Landgerichten gesetzlich zugewiesen. Angesichts der Breitenwirkung der in der Musterfeststellungsklage bedeutsamen Feststellungsziele rechtfertigt die Bedeutung der Sache unabhängig vom Streitwert - der voraussichtlich entsprechend der bewährten Rechtsprechung zur Streitwertbestimmung in Streitsachen nach dem UKlaG bestimmt werden wird - eine Befassung des Landgerichts.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 71 Absatz 4)

Zugleich werden in Nummer 2 die Landesregierungen durch die Anpassung des § 71 Absatz 4 GVG ermächtigt, durch Rechtsverordnung die örtliche Zuständigkeit für Musterfeststellungsklagen zu konzentrieren. Dies ermöglicht die organisatorische und inhaltliche Spezialisierung besonderer Gerichte für Musterfeststellungsklagen und damit der Erhöhung von Effizienz des Verfahrens und Qualität der Entscheidungen.

Zu Artikel 2 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Inhaltsübersicht wird um die nach Nummer 2 in die ZPO einzufügenden Vorschriften ergänzt.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 29c)

Zu Buchstabe a

§ 29c ZPO wird um die in Absatz 1 einzufügende Definition eines prozessrechtlichen Verbraucherbegriffs ergänzt. Während der materiellrechtliche Verbraucherbegriff des § 13 BGB die Verbrauchereigenschaft an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Verbraucher anknüpft, ist es im Sinne einer umfassenden Verbraucherrechtsdurchset-zung zweckmäßig, den Verbraucherbegriff für die prozessuale Geltendmachung weiter zu fassen, um auch eine Einbeziehung (konkurrierender) gesetzlicher Ansprüche eines Verbrauchers zu ermöglichen. Aus diesem Grund soll nicht auf die rechtsgeschäftliche Entstehung des einzelnen Anspruchs abgestellt werden, sondern vielmehr darauf, dass der Verbraucher bei Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte.

Zu Buchstabe b

Die Nummerierung der bisherigen Absätze 2 und 3 ist entsprechend anzupassen.

Zu Nummer 3 (Sechstes Buch)

Die vorgeschlagene Musterfeststellungsklage stellt ein modernes Rechtsschutzinstrument zur Bewältigung von Verfahren mit Breitenwirkung dar, das sich widerspruchsfrei in das Zivilprozessrecht einfügt. Sie soll im Sechsten Buch der ZPO geregelt werden. Das Sechste Buch enthält die Voraussetzungen und Durchführungsbestimmungen einer Musterfeststellungsklage, soweit dieses über die allgemeinen Grundsätze des Klageverfahrens hinaus besondere Bestimmungen erfordert.

Die Musterfeststellungsklage ist auf Feststellungsziele ausgerichtet und kann ausschließlich von einer klagebefugten Stelle (§ 606) eingeleitet werden. Musterfeststellungsklagen und bedeutende Zwischenentscheidungen sind im Klageregister für Musterfeststellungsklagen öffentlich bekannt zu machen (§ 607). Diese Bekanntmachung dient Verbraucherinnen und Verbrauchern als Grundlage einer Anmeldung eigener Ansprüche oder Rechtsverhältnisse (§ 608). Die Musterfeststellungsklage endet durch Vergleich (§ 611) oder Urteil (§ 612). Ein Musterfeststellungsurteil entfaltet für Streitigkeiten zwischen angemeldeten Verbrauchern und dem Beklagten über von den Feststellungszielen abhängige Sachverhalte grundsätzlich Bindungswirkung (§ 613). Im Übrigen finden die allgemeinen Vorschriften für das landgerichtliche Verfahren unmittelbare Anwendung.

Zu § 606 (Musterfeststellungsklage)

Die Vorschrift regelt die wesentlichen Voraussetzungen der Musterfeststellungsklage. Die Musterfeststellungsklage dient nach Absatz 1 der Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruches oder Rechtsverhältnisses zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Feststellungsziele).

Die Ausrichtung des Streitgegenstands auf Feststellungsziele ist an die Regelung in § 2 Absatz 1 KapMuG angelehnt. Den Parteien und Gerichten wird es auf diesem Weg ermöglicht, sich auf die Klärung grundsätzlicher, in einer Vielzahl von Fällen wiederkehrender tatsächlicher oder rechtlicher Fragen zu konzentrieren. Durch die Benennung der Feststellungsziele und des Lebenssachverhalts bestimmt der Kläger den Steitgegenstand der Musterfeststellungsklage. Dies dient der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und ist geeignet, die Ressourcen der Parteien und der Justiz zu schonen.

Ziel der Musterfeststellungsklage ist es, ein Feststellungsziel oder mehrere Feststellungsziele einheitlich mit Breitenwirkung feststellen zu lassen. Über § 256 ZPO hinaus können dabei auch einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses oder einer Anspruchsgrundlage festgestellt werden. Des Weiteren können reine Rechtsfragen mit Bedeutung für eine Vielzahl von betroffenen Rechtsverhältnissen geklärt werden. Dies dient insoweit nicht zuletzt der Fortentwicklung des Rechts.

Für die Klagebefugnis wird grundsätzlich auf § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UKlaG verwiesen. Sie steht danach Einrichtungen zu, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG oder das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen eingetragen sind, sofern diese die gesteigerten Anforderungen des § 606 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 erfüllen.

Die bestehende Liste der qualifizierten Einrichtungen beim Bundesamt für Justiz unterliegt vollständiger Transparenz; die eingetragenen Verbände werden laufend überprüft (§ 4 UKlaG). Damit wird verhindert, dass unseriöse Verbände Musterfeststellungsklagen erheben können. Das Bundesamt für Justiz prüft halbjährlich von Amts wegen, ob die qualifizierten Einrichtungen die Voraussetzungen für die Eintragung erfüllen, und nimmt eine entsprechende Aktualisierung der Liste vor. Verbände, die die Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen, werden aus der Liste gestrichen. Die jeweils aktuelle Liste ist auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz unter https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Verbraucherschutz/Liste_qualifizierter_Einrichtungen.pdf?__blob=publicationFile&v=60 einsehbar (§ 4 Absatz 1 Satz 1 UKlaG). Besteht die Befürchtung, dass ein eingetragener Verband unseriös ist, so können entsprechende Vorbehalte beim Bundesamt für Justiz vorgebracht werden und müssen dort geprüft werden. Stellt sich nach Prüfung heraus, dass die Befürchtungen begründet sind, so muss die Eintragung aufgehoben werden (§ 4 Absatz 2 Satz 4 UKlaG). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei begründeten Zweifeln an dem Vorliegen der Klagebefugnis auch eine außerordentliche Überprüfung der Eintragung anzustoßen (vgl. § 4 Absatz 4 UKlaG). Der Vierjahreszeitraum, der zwischen der Eintragung und der Klageerhebung liegen muss, bietet hinreichend Gelegenheit, die Seriosität der Einrichtungen zu überprüfen.

Bei den qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG handelt es sich um rechtsfähige Vereine, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit erscheint gesichert, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden. Bei den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in das bei der Europäischen Kommission geführte Verzeichnis eingetragen sind, handelt es sich um vergleichbare Organisationen, die ebenso Kollektivinteressen der Verbraucher schützen.

Darüber hinaus müssen die qualifizierten Einrichtungen nach § 606 Absatz 1 Satz 2 Nummern 1 bis 5 auch noch die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

Zu ihren Mitgliedern müssen mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 350 natürliche Personen zählen. Sie müssen seit mindestens vier Jahren in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG oder das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen eingetragen sein. Durch das Erfordernis der Mindesteintragungsdauer von vier Jahren wird mit Blick auf die regelmäßigen Verjährungsfristen ausgeschlossen, dass sich Einrichtungen aus verbraucherschutzfremden Motiven gründen, nur um für einen bestimmten Einzelfall kurzfristig die Klagebefugnis zu erlangen.

Mit dem Erfordernis nach Nummer 3 soll sichergestellt werden, dass der Verband nicht vorwiegend Musterfeststellungsklagen erhebt, sondern vielmehr im Einklang mit seiner Satzung im Verbraucherinteresse nicht gewerbsmäßig und weit überwiegend aufklärend und/oder beratend tätig wird. Die gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen darf auch in der gelebten Praxis der Einrichtung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dies ist durch geeignete Nachweise über die tatsächliche Tätigkeit zu belegen.

Ferner soll gewährleistet sein, dass der Verband eine Musterfeststellungsklage nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erhebt (Nummer 4). Durch dieses zusätzliche Erfordernis soll eine kommerzielle Klageindustrie oder missbräuchliche Klageerhebung zur Gewinnerzielung verhindert werden.

Die Regelung in Nummer 5 gewährleistet, dass es nicht zu einer Kollision von Verbraucher- und Unternehmensinteressen kommt. Es soll ausgeschlossen werden, dass Unternehmen durch die Zuwendung finanzieller Mittel verdeckt Einfluss auf den (gegebenenfalls auch ausländischen) Verband nehmen und das Instrument der Musterfeststellungsklage zur Schädigung eines Wettbewerbers oder Unternehmens, von dem sie in Abhängigkeit stehen, einsetzen können.

Satz 3 schafft Transparenz über die Mittelherkunft der klagenden qualifizierten Einrichtung, insbesondere auch bei ausländischen Einrichtungen aus dem EU-Verzeichnis. Zudem gewährleistet die Regelung die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Nummern 4 und 5 durch die Gerichte.

Durch die Beschränkung der Klagebefugnis auf diese besonders qualifizierten Einrichtungen wird sichergestellt, dass Musterfeststellungsklagen nur im Interesse betroffener Verbraucherinnen und Verbraucher und von Organisationen erhoben werden können, welche aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung und keine Anhaltspunkte für Missbrauch bieten.

Durch die entsprechende Anwendung der Vermutungsregelung des § 4 Absatz 2 Satz 2 UKlaG wird sichergestellt, dass die dortige unwiderlegliche Vermutung zugunsten von Verbraucherzentralen und anderen öffentlich geförderten Verbraucherverbänden, also solchen, die eine substanzielle (nicht lediglich projektbezogene) öffentliche Förderung erhalten, auch im Musterfeststellungsverfahren gilt. Sie sind danach stets als klagebefugte qualifizierte Einrichtungen im Sinne des Absatz 1 Satz 2 anzusehen. Absatz 2 stellt besondere Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Musterfeststellungsklage auf. Die Klageschrift muss bereits Angaben und Nachweise zum Vorliegen der besonderen Voraussetzungen der Klagebefugnis enthalten (Satz 1 Nummer 1), soweit nicht die Vermutung nach Absatz 1 Satz 4 eingreift. Dieses Erfordernis gewährleistet von vornherein Transparenz über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Klagebefugnis der klagenden Einrichtung. Durch Satz 1 Nummer 2 wird sichergestellt, dass die Klageschrift bereits bei Einreichung Angaben und Nachweise zu der Glaubhaftmachung (von mindestens zehn betroffenen Verbrauchern) enthält.

Mit der knappen Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes, die in der Klageschrift enthalten sein soll (Absatz 2 Satz 2), soll später die Bekanntmachung im Klageregister den betroffenen Verbrauchern möglichst einfach und verständlich vermittelt werden. Der Hinweis auf § 253 Absatz 2 stellt schließlich klar, dass im Übrigen auch bei einer Musterfeststellungsklage die Anforderungen des § 253 Absatz 2 einzuhalten sind.

Absatz 3 stellt klar, dass die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 2 durch die qualifizierten Einrichtungen Zulässigkeitsvoraussetzung der Musterfeststellungsklage ist (Nummer 1); die Vermutungsregelung nach Absatz 1 Satz 4 ist zu beachten. Darüber hinaus ist die Musterfeststellungsklage nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 294 ZPO), dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern von der Entscheidung über die Feststellungsziele abhängen (Nummer 2). Der Umfang der Darlegungslast wird von der Rechtsprechung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände bestimmt. Durch das Erfordernis der wirksamen Anmeldung gleichgelagerter Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zum Klageregister durch mindestens 50 betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher binnen zwei Monaten ab öffentlicher Bekanntmachung der Klage im Klageregister (Absatz 3 Nummer 3) wird ausgeschlossen, dass Verfahren mit lediglich individueller Bedeutung geführt werden. Sollte die Zahl der angemeldeten Verbraucher nach Ablauf von zwei Monaten unter 50 sinken, berührt dies nicht die Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage, da die mit Ablauf des Stichtages erfüllte Zulässigkeitsvoraussetzung nicht rückwirkend wieder entfallen kann.

Zu § 607 (Bekanntmachung im Klageregister)

§ 607 Absatz 1 sieht die öffentliche Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage in einem neu zu schaffenden Klageregister vor. Ziel der Bekanntmachung ist, die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher über die Rechtshängigkeit einer Musterfeststellungsklage zu informieren und ihnen so zu ermöglichen, von dem Verfahren durch die Anmeldung eigener Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zu profitieren.

Die im Klageregister bekannt zu machenden Angaben beschränken sich auf die in Absatz 1 genannten Angaben. Die Bezeichnung der Parteien, die Bekanntmachung der Feststellungsziele sowie die knappe Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes durch das Gericht dienen dabei der umfassenden Information Betroffener, damit diese die Relevanz der in der Musterfeststellungsklage geltend gemachten Feststellungsziele für eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse einschätzen können. Die Bekanntmachung des Aktenzeichens und des Gerichts ermöglicht betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern die Anmeldung ihrer Ansprüche oder der sie betreffenden Rechtsverhältnisse zum Klageregister und die zügige und korrekte Zuordnung der Anmeldung zur einschlägigen Musterfeststellungsklage.

§ 607 Absatz 1 Nummer 6 und 7 sehen zwecks umfassender Information der Verbraucherinnen und Verbraucher vor, dass in der öffentlichen Bekanntmachung über die Möglichkeit der Anmeldung einschließlich der formellen Voraussetzungen und ihrer Wirkungen, die Möglichkeit der Rücknahme der Anmeldung sowie des Austritts bei Bekanntmachung eines Vergleichsvorschlags zu informieren ist. Nach § 607 Absatz 1 Nummer 8 sind die Verbraucherinnen und Verbraucher schließlich auch darüber zu informieren, dass ihnen nach Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens ein Auskunftsanspruch zusteht. Auf diese Weise können sie einen Auszug über ihre Angaben im Klageregister erhalten und so in einem etwaigen Folgeprozess ihre wirksame Anmeldung darlegen und beweisen. Es soll gewährleistet sein, dass diese Informationen die Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich erreichen. Einzelheiten hierzu werden durch Rechtsverordnung geregelt.

Die Regelung des Absatz 2 gewährleistet zum einen, dass die durch die Musterfeststellungsklage Betroffenen möglichst frühzeitig von der Musterfeststellungsklage erfahren, indem das Gericht die öffentliche Bekanntmachung spätestens 14 Tage nach Rechtshän-gigkeit der Klage veranlasst . Zum anderen darf die öffentliche Bekanntmachung jedoch nur dann erfolgen, wenn die Klageschrift die nach § 606 Absatz 2 Satz 2 vorgeschriebenen Anforderungen erfüllt, also die entsprechenden Angaben und Nachweise zu den Voraussetzungen des § 606 Absatz 1 Satz 2 und zu der Glaubhaftmachung der zehn betroffenen Verbraucher nach § 606 Absatz 3 Nummer 2 beigefügt sind. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt sodann unverzüglich durch das Bundesamt für Justiz (§ 609 Absatz 2 Satz 1).

Nach Absatz 3 sind auch im weiteren Laufe der Musterfeststellungsklage gerichtliche Terminbestimmungen, Hinweise und Zwischenentscheidungen im Klageregister öffentlich bekannt zu machen, soweit dies für die Information über den Fortgang des Verfahrens erforderlich ist. Die Bekanntmachung durch das Bundesamt für Justiz ist durch das Gericht unverzüglich zu veranlassen und vom Bundesamt für Justiz ebenfalls unverzüglich vorzunehmen. Einzelheiten hierzu werden durch Rechtsverordnung geregelt. Da die angemeldeten Verbraucher (§ 608) an dem Verfahren nicht unmittelbar beteiligt sind, wird hierdurch sichergestellt, dass sie die nötigen Informationen erhalten. Aber auch für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, die noch nicht angemeldet sind, sind die gerichtlichen Hinweise, Termin- und Zwischenentscheidungen von Bedeutung, um über das weitere Vorgehen, insbesondere die fristgerechte Anmeldung zur Musterfeststellungsklage (§ 608 Absatz 1) oder die individuelle Rechtsverfolgung, entscheiden zu können. Da sowohl die Anmeldung von Ansprüchen als auch die Rücknahme der Anmeldung nur bis zum Ablauf des Tages vor dem ersten Termin möglich ist, ist es für die Verbraucher von besonderem Interesse, möglichst frühzeitig von dem Termin Kenntnis zu erlangen. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Ladungsfristen des § 217 ZPO muss die Terminbestimmung daher zumindest eine Woche vor dem Termin öffentlich bekannt gemacht werden.

Zu § 608 (Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen)

§ 608 ermöglicht es betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern, Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängig sind, innerhalb einer bestimmten Frist zur Musterfeststellungsklage anzumelden. Die Anmeldung kann nur bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins erklärt werden. Die Anspruchsanmeldung soll den Rechtsschutz derjenigen Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen, die bisher angesichts des Prozesskostenrisikos von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche absehen. Sie werden auf diese Weise in die Lage versetzt, von den Wirkungen einer Musterfeststellungsklage zu profitieren. Die Regelung bewirkt deshalb eine Stärkung der Rechtsdurchsetzung, indem sie das "rationale Desinteresse" von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu überwinden vermag. Ein Prozesskostenrisiko tragen Betroffene mangels unmittelbarer Beteiligung am allein zwischen der klagebefugten Stelle und dem Beklagten geführten Rechtsstreit nicht. Für die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage entstehen keine Kosten. Die Betroffenen müssen sich hierbei nicht anwaltlich vertreten lassen.

Angemeldeten Verbrauchern stehen besondere Rechte zu (§ 609 Absatz 4, § 611 Absatz 4). Die wirksame Anmeldung bewirkt zudem, dass die Verjährung von Ansprüchen gemäß § 204 Absatz 1 Nummer 1a BGB-E durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage gehemmt wird, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Zudem entfalten die im Musterfeststellungsurteil getroffenen Feststellungen grundsätzlich Bindungswirkung in etwaigen zivilprozessualen Folgeverfahren, soweit die Streitigkeiten von den Feststellungszielen abhängen (§ 613 Absatz 1).

Absatz 2 stellt klar, dass die Anmeldung nur wirksam ist, wenn sie fristgerecht bis zum Ablauf des Tages vor dem ersten Termin (§ 220 Absatz 1 ZPO) erfolgt, in Textform erklärt wird und den beschriebenen notwendigen Inhalt enthält. Neben dem Vor- und Nachnamen und der Anschrift des angemeldeten Verbrauchers, der Angabe des aus dem Klageregister zu entnehmenden Gerichts sowie des gerichtlichen Aktenzeichens und der Bezeichnung des Beklagten setzt die Anmeldung voraus, dass der Betroffene den Gegenstand und den Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses sowie die Höhe seiner Forderung bestimmt bezeichnet. Die Anforderungen an die Benennung des angemeldeten Verbrauchers, des Beklagten sowie des geltend gemachten Anspruchs bzw. des betroffenen Rechtsverhältnisses entsprechen denjenigen an eine Klageschrift gemäß § 253 Absatz 2 ZPO. Absatz 2 stellt damit sicher, dass der Beklagte einer Musterfeststellungsklage über die Identität der angemeldeten Verbraucher Kenntnis erlangen kann. Zudem ermöglicht die genaue Bezeichnung des potentiellen Streitgegenstandes den Parteien und Gerichten in einem nachfolgenden Rechtsstreit die Prüfung, ob die Verjährung gemäß § 204 Absatz 1a BGB-E gehemmt wurde. Die Angabe des Aktenzeichens gewährleistet die einfache und genaue Zuordnung der Anmeldung. Die Angabe der Anschrift des angemeldeten Verbrauchers ist schließlich auch für die Zustellung eines gerichtlichen Vergleichs sowie die Übersendung etwaiger Auskünfte durch das Bundesamt für Justiz erforderlich. Um Missbrauch auszuschließen und zu gewährleisten, dass Sinn und Zweck dieser Angaben nicht verfehlt und die Anmeldung nicht lediglich zu Täuschungszwecken erfolgt, muss der angemeldete Verbraucher schließlich die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versichern.

Die angemeldeten Verbraucher sind nach Absatz 3 berechtigt, ihre Anmeldung bis zum Ablauf des Tages vor dem ersten Termin zurückzunehmen. Durch die Rücknahme entfällt für den betroffenen Verbraucher die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils (§ 613 Absatz 1 Satz 2) sowie die Verjährungshemmung (§ 204 Absatz 2 Satz 2 BGB-E). Die Rücknahme bewirkt auch, dass sich Betroffene nicht länger über den weiteren Verfahrensgang informiert halten müssen. Zugleich gewinnen die Parteien der Musterfeststellungsklage und das Gericht einen Überblick über das fortbestehende Interesse der betroffenen angemeldeten Verbraucher.

Nach Absatz 4 können die Anmeldung und die Rücknahme auf einfache Weise gegenüber der das Klageregister führenden Stelle erfolgen.

Zu § 609 (Klageregister; Verordnungsermächtigung)

§ 609 bildet die Rechtsgrundlage für die Errichtung eines zentralen Klageregisters für Musterfeststellungsklagen beim Bundesamt für Justiz und enthält im Übrigen Vorgaben zur Einsicht in das Register, zu Auskunftsrechten und zur technischen und organisatorischen Ausgestaltung des Registers.

Absatz 2 Satz 1 regelt, dass das Bundesamt für Justiz die Bekanntmachungen und Eintragungen nach den §§ 607, 608 unverzüglich vorzunehmen hat. Die in dem Register hinterlegten Angaben sind bis zum Schluss des dritten Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens aufzubewahren (Absatz 2 Satz 2). Eine Aufbewahrung in diesem Zeitraum erscheint geboten, um angemeldeten Verbraucherinnen und Verbrauchern binnen der regelmäßigen Verjährungsfrist eine Einsicht in die Registerangaben zu ermöglichen; außerdem können sie in einem etwaigen Folgeprozess ihre Anmeldung durch einen schriftlichen Auszug (Absatz 4 Satz 2) belegen, die Grundlage der Bindungswirkung im Sinne des § 613 ist.

Das Recht zur Einsicht der wesentlichen Informationen der Musterfeststellungsklage steht jedermann zu (Absatz 3). Einsehbar sind alle vom Gericht veranlassten öffentlichen Bekanntmachungen im Klageregister. Dazu zählen die Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage nach § 607 Absatz 1, die bekannt zu machenden Terminbestimmungen und Zwischenentscheidungen nach § 607 Absatz 3 Satz 1, gerichtlich genehmigte (§ 611 Absatz 3 Satz 4) und wirksam gewordene Vergleiche (§ 611 Absatz 5 Satz 3) sowie das Urteil und die Einlegung von Rechtsmitteln und die Rechtskraft (§ 612). Das Einsichtsrecht gewährleistet, dass sich Interessierte darüber informieren können, ob eine sie betreffende Musterfeststellungsklage rechtshängig ist und ob eine Anmeldung eigener Ansprüche oder Rechtsverhältnisse in Betracht kommt. Das Klageregister stellt somit eine niederschwellige Informationsquelle dar. Die Einsicht ist unentgeltlich und erfolgt über das Bundesamt für Justiz.

Da Anmeldungen und andere gespeicherte Informationen personenbezogene Angaben enthalten können, werden die weitergehenden Auskunftsrechte auf die angemeldeten Verbraucher beschränkt (Absatz 4 Satz 1). Diese haben nach Abschluss des Verfahrens zudem zum Zwecke der Beweissicherung einen Anspruch auf Erteilung eines schriftlichen Auszugs ihrer Anmeldung (Absatz 4 Satz 2).

Das zuständige Gericht bekommt einen Auszug sämtlicher verfahrensrelevanter und im Klageregister gespeicherter Informationen, insbesondere auch die Angaben der angemeldeten Verbraucher (Absatz 5). Diese Informationen sind für das Gericht insbesondere für die Beurteilung der Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage von Bedeutung. Daher muss aus dem Auszug ersichtlich sein, wie viele Verbraucher welche Angaben bis zum Stichtag des § 606 Absatz 3 Nummer 3 zur Eintragung in das Klageregister eingereicht haben, ohne ihre Anmeldung zwischenzeitlich bereits wieder zurückzunehmen. Dabei kommt es auf den fristgerechten Eingang der Anmeldung bei dem Bundesamt für Justiz an. Daher ist unbeachtlich, ob das Bundesamt für Justiz die Angaben der Anmeldung bereits zum Stichtag in das Klageregister eingetragen hat. Die Kenntnis dieser Angaben ist für die sachgerechte Prozessführung und die Verhandlung über einen Vergleich mit Wirkung für die angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher (§ 611) von Bedeutung. Die gerichtliche Verwendung der Angaben ist aus Gründen der Datensparsamkeit auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken.

Absatz 6 sieht vor, dass auch die Parteien als unmittelbare Verfahrensbeteiligte der Musterfeststellungsklage einen Anspruch auf einen entsprechenden Auszug aus dem Klageregister haben, insbesondere um die gerichtlichen Feststellungen zur Zulässigkeit der Klage überprüfen zu können.

Absatz 7 ermächtigt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, ohne Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der die nähere Ausgestaltung des Klageregisters, insbesondere die Einzelheiten der elektronischen Registerführung, bestimmt werden.

Zu § 610 (Besonderheiten der Musterfeststellungsklage)

Auf die Musterfeststellungsklage finden die allgemeinen zivilprozessualen Bestimmungen grundsätzlich Anwendung. Lediglich soweit den Besonderheiten der Struktur der Musterfeststellungsklage Rechnung zu tragen ist, bedarf es der in § 610 statuierten Ausnahmen.

Absatz 1 regelt die Unzulässigkeit einer Musterfeststellungsklage, sobald eine andere Musterfeststellungsklage, deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betreffen, gegen denselben Beklagten rechtshängig ist. Die Regelung enthält damit eine besondere Form der Unzulässigkeit wegen anderweitiger Rechtshän-gigkeit und trägt dem Umstand Rechnung, dass § 261 Absatz 3 Nummer 1 ZPO mangels Parteiidentität eine weitere Musterfeststellungsklage nicht ausschließen würde, wenn eine andere klagebefugte Stelle eine inhaltlich identische Klage gegen denselben Beklagten erhebt. Sie stellt sicher, dass mit der Rechtshängigkeit einer Musterfeststellungsklage jede weitere gleichgerichtete Musterfeststellungsklage unzulässig ist. Diese Sperrwirkung bleibt auch nach rechtskräftigem Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens erhalten. Sie entfällt nur dann, wenn die Musterfeststellungklage ohne Entscheidung in der Sache beendet wird, zum Beispiel wenn sie als unzulässig verworfen, zurückgenommen oder übereinstimmenden für erledigt erklärt wird.

Die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts zur internationalen Zuständigkeit von Gerichten bleiben von den dargestellten Regelungen unberührt. Gleiches gilt für die Regelungen des Unionsrechts zur Wirkungserstreckung von Gerichtsentscheidungen. Dasselbe gilt außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts für die nationalen Vorschriften, die im Verhältnis zu Drittstaaten anzuwenden sind.

Auch die einschlägigen und vorrangigen Bestimmungen des Unionsrechts zum anwendbaren Recht, die in der Rom-I-Verordnung niedergelegt sind, werden von diesem Gesetzentwurf nicht berührt.

Absatz 2 legt fest, dass ein angemeldeter Verbraucher gegen den Beklagten während der Rechtshängigkeit der Musterfeststellungsklage keine Klage erheben kann, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben Feststellungsziele betrifft.

Nach Absatz 3 soll das schriftliche Vorverfahren gemäß § 128 Absatz 2 ausgeschlossen sein. Ebensowenig soll § 278 Absatz 2 bis 5 ZPO zur Anwendung kommen. Das Landgericht soll zwar auf eine gütliche Beilegung der Musterfeststellungsklage bedacht sein und einen Vergleichsabschluss im schriftlichen Verfahren herbeiführen können. Eine obligatorische Güteverhandlung mit persönlichem Erscheinen der Parteien, einem Ruhen des Verfahrens bei Nichterscheinen sowie der Delegation an einen beauftragten oder ersuchten Richter erscheinen mit dem Charakter und der Funktion der Musterfeststellungsklage allerdings nicht vereinbar. Zudem ist zu beachten, dass im Hinblick auf die An- und Abmeldefrist des § 608 Absatz 1 und Absatz 3 ein Vergleich frühestens im ersten Termin geschlossen werden kann (§ 611 Absatz 6).

Ebenfalls nicht zur Anwendung kommen sollen nach Absatz 3 die §§ 348 bis 350 ZPO. Angesichts der Bedeutung der Musterfeststellungsklage für eine Vielzahl betroffener Verbraucherinnen und Verbraucher erscheint eine Befassung allein durch einen Einzelrichter nicht sachgerecht.

Aufgrund der Struktur des Verfahrens soll schließlich nach Absatz 3 auch ein Verzicht der klagebefugten Stelle nach § 306 ZPO ausgeschlossen werden.

Die Regelung in Absatz 4 soll verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche bereits angemeldet haben oder behaupten, in einem Rechtsverhältnis zu dem Beklagten zu stehen, über eine Nebenintervention oder Streitverkündung nach den §§ 66 ff. ZPO in den Rechtsstreit hineingezogen werden. Sie haben zwar ein rechtliches Interesse am Ausgang der Musterfeststellungsklage, weil die Entscheidung mittelbar auf ihre privatrechtlichen Verhältnisse mit dem Beklagten einwirkt. Im Interesse eines effektiven Verfahrens und zum Schutz der Dritten ist aber eine Begrenzung der Verfahrensbeteiligten unerlässlich. Nachteilige Wirkungen können sich damit für die Verbraucherinnen und Verbraucher aus der Musterfeststellungsklage nicht ergeben.

Zu § 611 (Vergleich)

§ 611 ermöglicht es den Parteien, einen Vergleich mit Wirkung für und gegen die angemeldeten Verbraucher zu schließen (Absatz 1). Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere nach § 278 ZPO. Mangels unmittelbarer Beteiligung der angemeldeten Verbraucher an der Musterfeststellungsklage bedarf es allerdings verfahrensrechtlicher Sicherungsmaßnahmen, um einen wirksamen Rechtsschutz der angemeldeten Verbraucher zu gewährleisten. Der Vergleich muss daher vom Gericht genehmigt werden. Die gerichtliche Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn das Gericht den Vergleich als angemessen erachtet (Absatz 3 Satz 2). Sodann sind die angemeldeten Verbraucher über den Abschluss des Vergleichs zu informieren und erhalten die Möglichkeit, binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung aus dem Vergleich auszutreten (Absatz 4).

Um dem Gericht die Angemessenheitsprüfung zu ermöglichen, sollen nach Absatz 2 die Parteien bestimmte Inhalte zur Grundlage des Vergleichs machen. Die entsprechenden Angaben geben dem Gericht zugleich Anhaltspunkte bezüglich der wesentlichen formalen Inhalte, die der Vergleich enthält.

Im Rahmen der inhaltlichen Angemessenheitsprüfung hat das Gericht zu untersuchen, ob die von den Parteien vorgeschlagene Regelung die vorgetragenen typischerweise zu erwartenden Streitigkeiten angemessen beilegt (Absatz 3 Satz 2). Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss, der im Klageregister öffentlich bekannt zu machen ist. Der genehmigte Vergleich muss nach Absatz 4 Satz 1 den im Zeitpunkt der Genehmigung des Vergleichs im Klageregister angemeldeten Verbrauchern zugestellt werden, wobei sie über die Wirkung des Vergleichs, ihr Recht zum Austritt und dessen Form- und Fristerfordernisse zu belehren sind (Absatz 4 Satz 1). Die Zustellung des genehmigten Vergleichs nebst Belehrung ermöglicht den angemeldeten Verbrauchern, sich mit dem Inhalt des Vergleichs auseinanderzusetzen und so eine informierte und eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Sie erhalten Gelegenheit, binnen eines Monats zu entscheiden, ob sie die einvernehmliche Lösung der Streitigkeit akzeptieren oder gegebenenfalls von ihrem Austrittsrecht Gebrauch machen wollen (Absatz 4 Satz 2).

Der vom Gericht genehmigte Vergleich wird nur dann wirksam, wenn innerhalb der in Absatz 4 Satz 2 geregelten Einmonatsfrist weniger als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher ihren Austritt aus dem Vergleich erklären (Absatz 5). Denn eine befriedende Funktion ist dem vorgeschlagenen Vergleich nicht beizumessen, wenn ein Großteil der angemeldeten Verbraucher sich ihm nicht unterwerfen möchte. Das Ergebnis des Vergleichsverfahrens ist durch gerichtlichen Beschluss festzustellen und im Klageregister öffentlich bekannt zu machen. Dies ermöglicht auch den Betroffenen, die sich nicht zur Musterfeststellungsklage angemeldet haben, auf der Basis des gerichtlich auf seine Angemessenheit geprüften Vergleichs mit dem Beklagten über eine Streitbeilegung zu verhandeln.

Damit dem Vergleich eine möglichst weitreichende befriedende Wirkung zukommt, soll der Vergleichsabschluss nach Absatz 6 nicht schon während der noch laufenden Anmeldefrist möglich sein, sondern frühestens im ersten Termin.

Zu § 612 (Bekanntmachungen zum Musterfeststellungsurteil)

Die Entscheidung des Gerichts über die Musterfeststellungsklage richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO, wenn sie durch Urteil getroffen wird. Dies gilt auch für die Zustellung des Urteils an die Parteien des Rechtsstreits (§ 317 Absatz 1 ZPO). Wegen der besonderen Bedeutung des Ergebnisses der Musterfeststellungsklage für die betroffenen Verbraucher ist vorgesehen, dass sowohl das Urteil als auch die Einlegung von Rechtsmitteln und der Eintritt der Rechtskraft im Klageregister öffentlich bekannt zu machen sind.

Zu § 613 (Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils; Aussetzung)

Einem Musterfeststellungsurteil kommt gemäß § 613 erhebliche Bedeutung insoweit zu, als die getroffenen Feststellungen für einen Folgerechtsstreit zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Beklagten der Musterfeststellungsklage Bindungswirkung entfalten (Absatz 1 Satz 1). Dies gilt auch für den Fall, dass die Musterfeststellungsklage abgewiesen wird. Auf diese Weise ist das Verfahren besonders effizient und ermöglicht eine abschließende Beilegung aller Streitigkeiten.

Der Anspruch der angemeldeten Verbraucher auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt, weil es ihrer freien Entscheidung obliegt, ob sie sich zur Eintragung in das Klageregister anmelden und am Ausgang des Musterfeststellungsverfahrens teilhaben möchten. Denn hierdurch werden die prozessualen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung ausschließlich erweitert. Es steht jedem Verbraucher frei, seine Ansprüche oder Rechtsverhältnisse selbst gerichtlich geltend zu machen und nicht zur Musterfeststellungsklage anzumelden. Auch kann er durch Rücknahme seiner Anmeldung bis zum ersten Termin von der Teilhabe am Ausgang des Musterfeststellungsverfahrens Abstand nehmen.

Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung ist allerdings, dass der Betroffene seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis angemeldet hat (§ 606 Absatz 1, § 608) und er die Anmeldung nicht frist- und formgerecht zurückgenommen hat (Absatz 1 Satz 2 Nummer 1).

Die Bindungswirkung tritt auch dann ein, wenn der angemeldete Verbraucher vor Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage im Klageregister Individualklage erhoben hat. In diesem Fall setzt das Gericht den Rechtsstreit gemäß Absatz 2 bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung der Musterfeststellungsklage oder der Anmeldung aus, zum Beispiel bis zur Wirksamkeit eines Vergleichs oder der Rücknahme der Anmeldung.

Zu Artikel 3 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)

Durch Artikel 3 wird klargestellt, dass die vorgeschlagenen Regelungen zur Musterfeststellungsklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung finden.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gerichtskostengesetzes)

Der Streitwert einer Musterfeststellungsklage bestimmt sich gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands. Er ist daher gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Es erscheint sachgerecht, dabei vom Interesse der Allgemeinheit an den mit der Musterfeststellungsklage verfolgten Feststellungszielen auszugehen und nicht von der wirtschaftlichen Bedeutung für diejenigen, deren Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von den Feststellungszielen abhängen. Wie in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des UKlaG soll eine Wertobergrenze von 250 000 Euro vorgesehen werden.

Zu Artikel 5 (Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Mit der Ergänzung von § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1a des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) soll klargestellt werden, dass die Anmeldung zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen zu dem Verfahren gehört, für das der Rechtsanwalt einen Klageauftrag hat. Die Einreichung von Anmeldungen zum Klageregister ist für diesen Anwalt mit der Verfahrensgebühr für das Prozessverfahren abgegolten. Die ausdrückliche Nennung der Einreichung von Anmeldungen zum Klageregister vermeidet auch eine Anwendung von § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 RVG, wonach Vorbereitungshandlungen zur Klage dann nicht zum Rechtszug gehören, wenn ein besonderes behördliches Verfahren - wie hier die Entgegennahme einer Anmeldung durch das Bundesamt für Justiz und die Eintragung in das Klageregister - stattfindet.

Besteht nur ein anwaltlicher Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung, ist die Anmeldung von Ansprüchen und Rechtsverhältnissen zum Klageregister mit der Geschäftsgebühr abgegolten und kann im Rahmen der Bestimmung der konkreten Gebühr berücksichtigt werden.

Zu Artikel 6 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 204 Absatz 1)

§ 204 Absatz 1 Nummer 1a des BGB regelt, unter welchen Voraussetzungen die Anmeldung von Ansprüchen zur Musterfeststellungsklage die Verjährung hemmt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass angemeldete Verbraucher, die den Ausgang der Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten, nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen während der Dauer der Musterfeststellungsklage daran gehindert werden, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 204 Absatz 2)

Der neue Tatbestand in § 204 Absatz 2 Satz 2 BGB soll neben dem schon bestehenden § 204 Absatz 2 Satz 1 BGB als weiterer gleichberechtigter Tatbestand zur Beendigung der Hemmung treten.

§ 204 Absatz 2 Satz 1 BGB und § 204 Absatz 2 Satz 2 BGB gelten alternativ. Liegt einer der Tatbestände vor, endet die Hemmung nach § 204 Absatz 1 Nummer 1a BGB.

Zu den Artikeln 7 bis 9 (Änderung der Verwaltungsgerichtssordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes)

Die Artikel 7, 8 und 9 stellen klar, dass die zivilprozessuale Musterfeststellungsklage in den öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten keine Anwendung findet. Die Generalverweise in den Fachgerichtsgesetzen (§ 173 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung und § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes) werden entsprechend angepasst. Im Übrigen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage.

Zu Artikel 10 (Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen)

Artikel 10 passt den Verweis in § 33h Absatz 6 Satz 3 GWB auf die Verjährungsregelung des § 204 Absatz 2 BGB an die neue Fassung an. Im Übrigen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage.

Zu Artikel 11 (Inkrafttreten)

Artikel 1 sowie in Artikel 2 Nummer 3 § 609 Absatz 7 sollen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Hierdurch wird es den Ländern ermöglicht, die sachliche Zuständigkeit für Musterfeststellungsklagen rechtzeitig bei einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu konzentrieren. Darüber hinaus sichert die Regelung ein gleichzeitiges Inkrafttreten der nach § 609 Absatz 7 ZPO-E zu erlassenden Rechtsverordnung mit den sonstigen Bestimmungen.

Im Übrigen soll das Gesetz am 1. November 2018 in Kraft treten.

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats gem. § 6 Absatz 1 NKRG:
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage, (NKR-Nummer 4012, BMJV)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und Bürger
Jährliche Entlastung:
- 2,3 Mio. Euro
Wirtschaft
Jährlicher Entlastung im Saldo:
- 1,4 Mio. Euro
Verwaltung
Einmaliger Erfüllungsaufwand:
Jährlicher Erfüllungsaufwand:
4,1 Mio. Euro 3,1 Mio. Euro
"One in one out"-RegelIm Sinne der "One in one out"-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem
Regelungsvorhaben ein "Out" von im
Saldo rund 1,4 Mio. Euro dar.
EvaluierungRegelungszieleDas Gesetz soll frühestens 5 Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt mit belastbarem Datenmaterial zu rechnen ist.
Regelungsziele sind die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung für Verbraucher und die Entlastung der Gerichte.
Kriterien/Indikatoren
Datengrundlage
Indikator der Zielerreichung sind der Rückgang individueller Verbaucherklagen und das Aufkommen von Musterfeststellungsklagen.
Die erforderliche Datengrundlage entsteht vollzugsbegleitend in den beim Bundesamt für Justiz vorgehaltenen Rechtspflegestatistiken. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.
Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.

II. Im Einzelnen

Mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungsvorhaben will das das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine Musterfeststellungsklage in die Zivilprozessordnung einführen. Ziel ist es, die Durchsetzung von Verbraucherrechten zu verbessern, außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern und ungerechtfertigte Vorteile unter Wettbewerbern zu verhindern. Hierzu soll es eingetragenen Verbraucherschutzverbänden ermöglicht werden, zugunsten von mindestens zehn betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Schadensersatz- oder Erstattungsansprüchen gerichtlich feststellen zu lassen. Das Ergebnis eines Musterverfahrens ist für nachfolgende Individualklagen verbindlich, weshalb das Ressort davon ausgeht, dass die neue Verfahrensart außergerichtliche Streitbeilegung fördern und die Gerichte entlasten wird. Um dabei zu verhindern, dass Individualansprüche während der Dauer des Musterverfahrens verjähren, können sich Verbraucherinnen und Verbraucher ab dem 1. November 2018 in ein Klageregister eintragen lassen.

Das Klageregister soll beim Bundesamt für Justiz geführt werden, muss dort allerdings erst eingerichtet werden. Die Registerführung soll zunächst manuell und nach Aufbau eines IT-Systems elektronisch erfolgen. Für die Einrichtung des IT-Systems setzt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) 26 Monate an.

II.1 Erfüllungsaufwand

Bürgerinnen und Bürger

Das Ressort geht davon aus, dass die neue Musterklage jährlich rund 11.200 Individualklagen entbehrlich macht. Beide Seiten werden dadurch um jeweils 2,3 Mio. Euro entlastet. Die Entlastung errechnet sich wie folgt:

Bei einem durchschnittlichen Streitwert von 600 Euro/Fall wird die eine Hälfte der Verbraucherklagen durch Rechtsanwälte, die andere Hälfte durch die Parteien selbst geführt. Hieraus ergibt sich ein je unterschiedliches Prozess- und Kostenrisiko:

FallzahlKostenrisiko/FallGesamtaufwand
Anwaltsprozess5.600680 Euro3,8 Mio. Euro
Parteiprozess5.600160 Euro0,9 Mio. Euro
Summe4,7 Mio. Euro

Unter der Annahme, dass die bisherigen Individualklagen in jeweils der Hälfte der Fälle erfolgreich waren und ansonsten scheiterten, verteilt sich das Prozess- und Kostenrisiko ebenfalls je zur Hälfte auf die Bürgerinnen/Bürger und die Unternehmen. Jede Seite war damit bisher mit rund 2,3 Mio. Euro belastet, die künftig entfallen.

Wirtschaft

Auf Seiten der Unternehmen steht der Entlastung von rund 2,3 Mio. Euro allerdings eine Belastung von rund 900.000 Euro gegenüber, die sich aus Folgendem ergibt:

Künftig werden in jedem Jahr rund 450 Musterfeststellungsklagen erhoben. Anders als bei den bisherigen Individualklagen wird es dabei regelmäßig um Streitwerte gehen, für die das Landgericht zuständig ist (> 5.000 Euro). Vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang. Bei einem durchschnittlichen Streitwert von 10.000 Euro, den das BMJV nachvollziehbar annimmt, ergibt sich damit ein Prozess- und Kostenrisiko von rund 4.000 Euro/Fall.

Unter der Annahme, dass die Unternehmen in der Hälfte der Musterfeststellungsverfahren unterliegen und deshalb die Kosten zu tragen haben, beläuft sich ihre Belastung durch das Regelungsvorhaben auf rund (225 x 4.000 =) 900.000 Euro. Per Saldo wird die Wirtschaft also nur um rund (2,3 - 0,9 =) 1,4 Mio. Euro entlastet.

Verwaltung

Beim Bundesamt für Justiz (BfJ) entsteht einmaliger Erfüllungsaufwand von rund4,1 Mio. Euro für die Einrichtung sowie laufender Aufwand von rund 3,1 Mio Euro für die zunächst manuelle und ab 2021 elektronische Führung des neuen Klageregisters:

RegistereinrichtungRegisterführung
bis 2020ab 2021
Personalaufwand1.523.0001.646.0001.302.000
Sachaufwand2.600.00028.000110.000
Summe4.123.0001.674.0001.412.000

II.2 Weitere Kosten

Das BMJV geht nachvollziehbar davon aus, dass das Regelungsvorhaben die Kosten richterlicher Spruchtätigkeit insgesamt verringern wird. Denn den geschätzt 450 Musterfeststellungsklagen bei den Landgerichten stehen die geschätzt 11.500 Individualklagen gegenüber, die bei den Amtsgerichten entfallen.

II.3 "One in one out"-Regel

Im Sinne der "One in one out"-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "Out" von im Saldo rund 1,4 Mio. Euro dar.

II.4 Evaluierung

Das Gesetz soll frühestens 5 Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt mit belastbarem Datenmaterial zu rechnen ist. Dabei wird die Bundesregierung auf Grundlage der beim Bundesamt für Justiz vorgehaltenen Rechtspflegestatistiken (Daten/Indikatoren) in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen (Verbesserung der Rechtsdurchsetzung für Verbraucher, Entlastung der Gerichte - Regelungsziele) erreicht worden sind. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.

III. Ergebnis

Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter