Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren
(2. Opferrechtsreformgesetz)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz)

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 20. Februar 2009
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
DrAngela Merkel
Fristablauf: 03.04.09

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung

Artikel 4
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Artikel 5
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Artikel 6
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Dem Opfer im Strafverfahren wird seit rund 20 Jahren von Rechtswissenschaft und Rechtspolitik verstärkte Aufmerksamkeit zugewendet. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Erste Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) vom 18. Dezember 1986 verabschiedet. Später folgten unter anderem das Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (Zeugenschutzgesetz) vom 30. April 1998 und das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz) vom 1. September 2004. Wichtige Impulse lieferte auch der Rahmenbeschluss der Europäischen Union vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren.

II. Grundzüge der Reform

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Interessen von Opfern und Zeugen im Strafverfahren - unter Beachtung der Grenzen, die sich aus der Wahrung der Verteidigungsinteressen des Beschuldigten ergeben - noch stärker berücksichtigt. Auf den bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Opfern und Zeugen aufbauend werden die Rechtspositionen des Verletzten und des Zeugen weiter gestärkt. Die im System des Strafverfahrens grundsätzlich angelegte Rollenverteilung bleibt dabei unberührt. Besonderes Augenmerk wird auf das Schutzbedürfnis jugendlicher Opfer und Zeugen in Strafverfahren gelegt, ohne sich jedoch auf diese Gruppe zu beschränken.

Die Reform sieht folgende Elemente vor:

1. Stärkung der Verfahrens- und Informationsrechte von Verletzten im Strafverfahren

a. Nebenklage und Opferanwalt

Der Straftatenkatalog der nebenklagefähigen Delikte in § 395 der Strafprozessordnung (StPO) wird ebenso wie der Katalog nach § 397a Absatz 1 StPO, der regelt, in welchen Fällen dem Nebenkläger ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen ist, neu gefasst. Dabei orientieren sich die Änderungen vor allem an der Schwere der Tatfolgen für das Opfer der Straftat. So besteht eine Berechtigung zur Nebenklage nunmehr vor allem dann, wenn das Opfer durch ein gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtetes Aggressionsdelikt verletzt wird, weil das Opfer bei derartigen Taten nach viktimologischen Erkenntnissen besonders schutzbedürftig ist. Im Zuge dessen entfallen mit den Verstößen gegen gewerbliche Schutzrechte Straftaten aus dem Katalog des § 395 StPO, die in der Regel mit weniger schweren Tatfolgen verbunden sind. Andererseits wird der Straftatenkatalog des § 395 Absatz 1 StPO sachgerecht erweitert um das Delikt der Nötigung in besonders schweren Fällen nach § 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches (StGB). Davon ist insbesondere die Zwangsverheiratung erfasst, an deren Folgen die Opfer üblicherweise schwer und meist ein Leben lang zu tragen haben. Die Reform greift damit den im Gesetzesantrag des Bundesrates zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking" (BT-Drs. 016/9448) enthaltenen Vorschlag zur Ausdehnung der Nebenklagebefugnis auf Opfer von Zwangsverheiratung auf und erweitert diesen auf die übrigen Fälle der Nötigung in besonders schweren Fällen, die sämtlich ein gegenüber dem Grundtatbestand der Nötigung gesteigertes Unrecht darstellen. Durch einen neuen Auffangtatbestand in § 395 Absatz 3 StPO-E wird es nunmehr zudem insbesondere den von schweren Folgen der Tat betroffenen Opfern von Straftaten generell ermöglicht, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen.

Flankiert wird die Neuregelung des § 395 StPO durch eine Neufassung der Vorschrift des § 397 StPO, die die Rechte der Nebenkläger im Verfahren bestimmt. Diese wird - ohne dass an der bisherigen Rechtslage gravierende Änderungen vorgenommen werden - klarer und übersichtlicher gestaltet und damit anwenderfreundlicher. Weiter wird bestimmt, dass dem Nebenkläger ebenso wie dem Angeschuldigten die Anklageschrift zuzustellen ist (§ 201 StPO-E).

Zur Wahrung der berechtigten Belange des Opferschutzes wird der Straftatenkatalog des § 397a Absatz 1 StPO, der die Bestellung eines Beistands für besonders schutzbedürftige Nebenkläger betrifft, übersichtlicher gestaltet und sachgerecht erweitert. So wird durch den neuen § 397a Absatz 1 Nummer 3 StPO-E nunmehr Opfern weiterer schwerwiegender Aggressionsdelikte unter der Voraussetzung, dass sie von bereits eingetretenen oder zu erwartenden besonders schweren Folgen der Tat mit schweren körperlichen oder seelischen Schäden betroffen sind, die Möglichkeit eröffnet, als Nebenkläger einen Opferanwalt unabhängig von den Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe beigeordnet zu bekommen.

Leitbild für diese Delikte ist insbesondere die schwere Körperverletzung nach § 226 StGB, erfasst sind daneben aber auch die Verbrechen des Menschenraubes, der Verschleppung, der Entziehung Minderjähriger, der Freiheitsberaubung, des erpresserischen Menschenraubes oder der Geiselnahme. Die Bundesregierung entspricht - unter der sachgerechten Beschränkung des Anspruchs auf Opfer, die von schweren körperlichen oder seelischen Schäden betroffen sind - mit der Aufnahme der genannten Delikte in den Katalog des § 397a StPO teilweise den Forderungen, die von Opferschutzverbänden erhoben werden, teilweise greift sie auch Initiativen des Bundesrates zur Stärkung des Opferschutzes auf.

In dem neuen § 397a Absatz 1 Nummer 4 StPO-E wird der Katalog der Delikte behutsam erweitert, bei denen für Kinder und Jugendliche sowie solche Opfer, die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können oder denen dies nicht zuzumuten ist, die Bestellung eines kostenlosen Opferanwalts vorgesehen ist (derzeit erfolgt diese Regelung in § 397a Absatz 1 Satz 2 StPO). Nun soll insbesondere auch bei der Aussetzung nach § 221 StGB und der Nötigung im besonders schweren Fall nach § 240 Absatz 4 StGB - die insbesondere die Zwangsverheiratung und die Nötigung zu einer sexuellen Handlung erfasst - der genannten, schon bisher zu Recht als besonders schutzwürdig anerkannten Personengruppe die Beiordnung eines kostenlosen Opferanwalts ermöglicht werden.

Auch hier integriert die Bundesregierung rechtspolitische Vorschläge des Bundesrates in das opferschützende Gesamtkonzept des Entwurfs.

b. Verletztenbeistand

Die u. a. den als Verletztenbeistand tätigen Rechtsanwalt betreffenden Regelungen in den §§ 406f, 406g StPO werden deutlich vereinfacht und somit anwenderfreundlicher. Zum Beispiel wird nunmehr direkt im Gesetz geregelt, dass und wie der Beistand des nebenklagebefugten Verletzten vom Termin der Hauptverhandlung zu benachrichtigen ist. Bisher bestand eine solche Benachrichtigungspflicht lediglich gegenüber dem Nebenklagebefugten selbst. Die Auswahlmöglichkeiten des Verletzten bei Wahl eines anwaltlichen Beistands werden erweitert (§ 138 Absatz 3, § 142 Absatz 1 StPO-E).

c. Informationspflichten gegenüber Verletzten

Berechtigten Forderungen von Opferschutzverbänden entsprechend werden auch die in § 406h StPO geregelten Informationspflichten gegenüber Opfern von Straftaten erweitert.

Nunmehr soll es für die staatlichen Organe unter anderem verpflichtend sein, darauf hinzuweisen, dass Verletzte und Geschädigte die Möglichkeit haben, Hilfe und Unterstützung von Opferhilfeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen.

d. Anzeige von Auslandsstraftaten

Weiterhin soll mit dem neuen § 158 Absatz 3 StPO-E klargestellt werden, dass für Verletzte, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Opfer einer Straftat geworden sind, die Möglichkeit besteht, diese Tat in Deutschland anzuzeigen. Diese Regelung setzt den Rahmenbeschluss der Europäischen Union zum Opferschutz um. Weiter wird die Befugnis der Staatsanwaltschaft, bei unbekanntem Aufenthalt des Beschuldigten o. ä. das Verfahren vorläufig einzustellen, erstmals einer gesetzlichen Regelung zugeführt (§ 154f StPO-E).

2. Stärkung der Rechte von Kindern und jugendlichen Opfern und Zeugen

Für Kinder und Jugendliche, die Opfer einer Straftat geworden sind oder als Zeuge aussagen müssen, ist die Situation in einem Strafverfahren oftmals besonders schwierig. Sie befinden sich noch in ihrer Entwicklung und müssen daher besonders vor Belastungen geschützt werden. Die Strafprozessordnung enthält daher eine Reihe von Vorschriften zum Schutz jugendlicher Opfer und Zeugen. In Deutschland ist dieser Schutz jedoch nur für Jugendliche unter 16 Jahren vorgesehen. In verschiedenen internationalen Abkommen wie der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, der EU-Grundrechte-Charta oder verschiedenen Übereinkommen des Europarats werden demgegenüber jedoch Schutzaltersgrenzen von 18 Jahren zugrunde gelegt. Mit dem Entwurf wird daher die Schutzaltersgrenze auch in der Strafprozessordnung und im Gerichtsverfassungsgesetz auf 18

Jahre angehoben. Dies erscheint sachgerecht, da sich zumeist das Belastungserleben von 16-jährigen in einem Strafprozess nicht wesentlich von dem der 15-jährigen unterscheidet.

Durch die Reform wird gewährleistet, dass auch 16- und 17-jährige Jugendliche einen Anspruch auf besonders schonende Behandlung im Strafverfahren geltend machen können und dass ihnen ein Opferanwalt unter erleichterten Bedingungen beigeordnet werden kann. Zudem wird mit der Anhebung der Schutzaltersgrenze für jugendliche Opfer und Zeugen von Straftaten die Schutzaltersgrenze mit der für jugendliche Täter geltenden Altersgrenze im Jugendstrafverfahren gleichgestellt.

3. Stärkung der Rechte von Zeugen

Opfer von Straftaten müssen zumeist in einem Strafverfahren auch als Zeugen aussagen.

Wie sie kommen alle Zeugen in einem Strafverfahren ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nach, zur Vernehmung zu erscheinen und wahrheitsgemäß auszusagen. Diese Aussagen sind zur Ermittlung der Wahrheit in der Regel unabdingbar. Der Entwurf trägt dieser wichtigen Position von Zeugen im Strafverfahren Rechnung, indem er die Persönlichkeitsrechte von Zeugen noch stärker als bisher in den Blick nimmt. Zunächst wird aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit die allgemein anerkannte Pflicht eines Zeugen, vor Gericht auszusagen, gesetzlich normiert (§ 48 Absatz 1 StPO-E). Der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend wird in § 68b Absatz 1 StPO-E gesetzlich klargestellt, dass Zeugen bei allen Vernehmungen einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen können, sofern dies nicht die geordnete Beweiserhebung beeinträchtigt. In § 68b Absatz 2 StPO-E werden die Regelungen zur Beiordnung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand für besonders schutzwürdige Zeugen vereinfacht. Flankierend dazu wird die Befugnis der Zeugen geregelt, über ablehnende Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach § 68b StPO-E eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen zu können. Hierbei wird zudem das für diese und zahlreiche ähnliche Fälle geltende Verfahren wesentlich vereinfacht und effektiviert, was letztlich auch eine Entlastung der Gerichte mit sich bringen wird (§ 161a Absatz 3 StPO-E nebst diversen Folgeänderungen).

Im Hinblick auf die polizeilichen Vernehmungen, die den Großteil der Zeugenvernehmungen ausmachen, stellt der Entwurf in § 163 Absatz 3 StPO-E mit einem umfassenden Katalog klar, welche Vorschriften zum Schutz von Zeugen von der Polizei zu beachten sind.

Ebenfalls mit dem Ziel des Zeugenschutzes wird zudem in gebotenem Umfang das schon bisher nach § 68 Absatz 2 und 3 StPO bestehende Recht der Zeugen erweitert, in bestimmten Fällen keine Angaben zu ihrem Wohnort machen zu müssen. Nunmehr soll diese Möglichkeit auch dann bestehen, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass auf den Zeugen in unlauterer Weise eingewirkt werden wird. Zudem wird in § 68 Absatz 4 StPO-E geregelt dass Zeugen bei entsprechender Gefährdungslage auch nach Abschluss ihrer Vernehmung eine Entfernung der Angaben zu ihrer Identität oder zu ihrem Wohnort aus der Akte verlangen können. Damit wird nicht nur das Persönlichkeitsrecht von Zeugen stärker beachtet und auf ihr Belastungserleben eingegangen, sondern auch die dem Strafprozess als oberste Maxime zugrunde liegende Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit gefördert: Denn wenn dem Zeugen eine angstfreie Aussage möglich ist, kann er seine Wahrnehmungen unverfälschter mitteilen, was den Aussagewert seiner Aussage erhöht.

III. Einordnung des Entwurfs in der rechtspolitischen Diskussion

Die Reform greift nicht nur Strömungen und Diskussionsstände auf, die auf internationaler Ebene zum Schutz von Opfern und Zeugen im Strafverfahren geführt werden, sondern setzt auch rechtspolitische Impulse aus Wissenschaft und Praxis um. Insbesondere trägt er vielen berechtigten Forderungen von Opferschutzverbänden Rechnung. Dies betrifft vor allem die Erweiterung der Möglichkeiten zur Beiordnung eines Opferanwalts, die erweiterten Informationspflichten, die verbesserte Möglichkeit der Anzeige von Auslandsstraftaten sowie gebührenrechtliche Regelungen zum Schutz bedürftiger Verletzter.

Zugleich nimmt die Reform rechtspolitische Impulse auf, die durch Gesetzesanträge des Bundesrates in die Diskussion eingeführt worden sind. Dies betrifft zum einen den Gesetzentwurf des Bundesrates "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess" (BT-Drs. 016/7617) und den Gesetzentwurf des Bundesrates "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"" (BT-Drs. 016/9448). Beide Initiativen werden dem Grunde nach von der Bundesregierung begrüßt, haben aber inhaltlich lediglich punktuelle Erweiterungen des Opferschutzes im Bereich der Nebenklage und der Beiordnung eines kostenlosen Opferanwalts zum Ziel. Diese punktuellen Erweiterungen werden dem gewichtigen Anliegen des Opferschutzes insgesamt nicht gerecht. Daher hält die Bundesregierung es für sachgerechter, eine Konzeption zum Schutz von Opfern und Zeugen im Strafverfahren vorzulegen, die die genannten Bundesratsvorschläge aufgreift und sie in ein Gesamtkonzept integriert, das den berechtigten Belangen von Opfern und Zeugen im Strafverfahren insgesamt besser gerecht wird.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt für die hier vorgesehenen Änderungen der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) aus dem Kompetenztitel des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes für das gerichtliche Verfahren und die Rechtsanwaltschaft.

V. Bürokratiekosten

Mit dem Gesetz wird zu der nach § 406h StPO bestehenden Hinweispflicht der Strafverfolgungsbehörden unter anderem klargestellt, dass die Hinweise in der Regel schriftlich und soweit möglich in einer für den Verletzten verständlichen Sprache zu erteilen sind. Da für die Erfüllung der Hinweispflicht aus § 406h StPO schon heute regelmäßig Merkblätter verwendet werden, führt die Änderung allenfalls zu einer marginalen Erhöhung der Bürokratiekosten der Verwaltung.

Für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

VI. Gleichstellungspolitische Auswirkungen

Von den Vorschriften des Entwurfs sind Frauen und Männer grundsätzlich in gleicher Weise betroffen. Soweit von der Neufassung des Kataloges der Nebenklagedelikte und der Möglichkeit zur Beiordnung eines kostenlosen Opferanwalts nunmehr auch Opfer von Zwangsverheiratungen erfasst sind, werden davon vor allem Frauen profitieren, weil es sich bei diesen Opfern überwiegend um Frauen handelt. Der Entwurf berücksichtigt die Vorschrift des § 1 Absatz 2 des Bundesgleichstellungsgesetzes, der zufolge die Rechtsund Verwaltungsvorschriften des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen sollen. Eine geschlechterneutrale Sprache wird überall verwendet, wo nicht die Beibehaltung legal definierter Begriffe (vgl. § 68 StPO: "der Zeuge"; §§ 395 ff. StPO: "der Nebenkläger"; §§ 406d ff. StPO: "der Verletzte") erforderlich ist.

VII. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union

Der Entwurf ist mit europäischem Recht vereinbar. Insbesondere stellt er die vollständige Umsetzung des Artikels 11 Absatz 2 des Rahmenbeschluss des Rats vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI) in der Praxis sicher.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 (§ 48 StPO-E)

Zu Absatz 1

Zeugen haben die Pflicht, vor Gericht und bei der Staatsanwaltschaft zu erscheinen, wahrheitsgemäß auszusagen und ihre Aussage ggf. zu beeiden. Diese Pflicht ist als aus der Rechtstradition abgeleitete staatsbürgerliche Pflicht allgemein anerkannt (vgl. BVerfG NJW 1979, S. 32). Die Pflicht, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, ist bereits in § 161a Absatz 1 Satz 1 StPO normiert. Auch die Folgen einer Pflichtverletzung sowohl in Hinblick auf die richterliche als auch auf die staatsanwaltliche Vernehmung sind in der Strafprozessordnung ausdrücklich geregelt (vgl. §§ 51, 70 StPO). Gleichwohl fehlt bislang eine gesetzliche Normierung der Verpflichtung in Hinblick auf die richterliche Vernehmung, da davon ausgegangen wurde, dass die Strafprozessordnung diese Pflicht nicht begründe, sondern voraussetze (vgl. Dahs in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, vor § 48 StPO, Randnummer 6 m. w. N.). Nach modernem rechtsstaatlichen Verständnis empfiehlt sich jedoch eine gesetzliche Regelung, da bereits durch die Pflicht zum Erscheinen und zur Aussage Grundrechte der Zeugen betroffen sind. Dieses Ergebnis entspricht auch einer Beschlussfassung des 62. Deutschen Juristentages, nach der die staatsbürgerlichen Zeugenpflichten im Gesetz verdeutlicht werden sollten. Insbesondere solle die Verpflichtung des Zeugen zum Erscheinen vor Gericht und zur Aussage gesetzlich geregelt werden, weil darin ein Eingriff in seine Grundrechte liege, der einer gesetzlichen Grundlage bedürfe (Verhandlungen des 62. Deutschen Juristentages, 1998, Band II/1, L 64). Auf Grund des Gesetzesvorbehalts erscheint daher die gesetzliche Regelung der staatsbürgerlichen Pflicht zum Erscheinen vor Gericht und zur Aussage vorzugswürdig gegenüber einer übergesetzlichen, nicht ausdrücklich normierten Pflicht. Eine gesetzliche Regelung dient zudem der Rechtsklarheit und damit auch dem Schutz von Zeugen. Der Wortlaut der Regelung orientiert sich an einem Formulierungsvorschlag des Arbeitskreises deutscher, schweizerischer und österreichischer Strafrechtslehrer, den diese für einen "Alternativentwurf Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmefreiheit" im Jahr 1996 vorgelegt hatten. Die gesetzliche Regelung in § 161a Absatz 1 Satz 1 StPO, die die Pflicht zum Erscheinen bei der Staatsanwaltschaft und zur dortigen Aussage beinhaltet, wird aus Gründen der anwenderfreundlichen Klarstellung beibehalten, obwohl sie aufgrund der Verweisung in § 161a Absatz 1 Satz 2 StPO auf die Vorschriften des sechsten Abschnitts auch entbehrlich wäre.

Satz 1

Der neue Absatz 1 enthält in Satz 1 die gesetzliche Normierung der staatsbürgerlichen Pflicht von Zeugen, zu dem zu ihrer Vernehmung bestimmten Termin vor dem Richter zu erscheinen.

Satz 2

Satz 2 enthält die für die richterliche Vernehmung erstmalige gesetzliche Normierung der Verpflichtung der Zeugen, zur Sache auszusagen, wenn keine im Gesetz zugelassene Ausnahme vorliegt.

Zu Absatz 2

Der bisherige Regelungsgegenstand des § 48 StPO wird wortgleich als dessen neuer Absatz 2 beibehalten.

Zu Nummer 2 (§ 57 StPO-E)

§ 57 StPO regelt für die richterliche Vernehmung von Zeugen verschiedene Belehrungs- und Hinweispflichten. Soweit diese die Vereidigung betreffen, können sie nur bei der richterlichen Vernehmung Anwendung finden, weil die Vereidigung allein dem Gericht vorbehalten ist. Soweit sie dagegen die Belehrung über die Wahrheitspflicht und die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage betreffen, sind sie inhaltlich auch auf die polizeiliche Vernehmung übertragbar.

Mit der vorgeschlagenen Fassung wird die Vorschrift - ohne inhaltliche Änderung - neu gegliedert, um eine entsprechende Anwendung von Satz 1 für die polizeiliche Vernehmung zu ermöglichen (vgl. § 163 Absatz 3 StPO-E).

Satz 3 wurde im Sinne einer besseren Verständlichkeit neu gefasst.

Zu Nummer 3 (§ 58 Absatz 1 Satz 2 StPO-E)

§ 58 Absatz 1 Satz 2 StPO wird aufgehoben, weil der Gegenstand der Vorschrift, das Anwesenheitsrecht des nebenklagebefugten Zeugen auch vor seiner Vernehmung, aus Gründen der Gesetzessystematik nunmehr ausdrücklich in § 406g Absatz 1 Satz 2 StPOE geregelt wird. Dies vereinfacht die Gesetzesanwendung, zumal die inhaltsgleiche Regelung bei der Nebenklage bereits nach geltendem Recht ebenfalls unmittelbar in § 397 Absatz 1 Satz 1 StPO erfolgt.

Zu Nummer 4 (§ 58a Absatz 1 Satz 2 StPO-E)

Nummer 1

§ 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 wurde durch Artikel 1 Nummer 1 des Zeugenschutzgesetzes vom 8. Mai 1998 (BGBl. I S. 820) eingefügt. Die Vorschrift wurde zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erlassen und enthält eine als Sollvorschrift ausgestaltete Verpflichtung, Vernehmungen von Kindern und Jugendlichen auf Bild-Ton-Träger aufzuzeichnen, vor allem, um diesen durch eine im weiteren Verfahren verwertbare Bild-Ton-Aufzeichnung der (richterlichen) Vernehmung häufig belastende Mehrfachvernehmungen zu ersparen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 58a, Randnummer 1).

Aufgrund der Anhebung der Schutzaltersgrenze für kindliche und jugendliche Opferzeugen von 16 auf 18 Jahre (zur Begründung vgl. Nummer 32) ist auch in § 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 StPO das Schutzalter auf 18 Jahre festzulegen.

Die weitere Änderung der Nummer 1 durch die Ergänzung "zur Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen geboten" erfolgt zur Klarstellung: Nachdem nunmehr in § 163 Absatz 3 StPO-E die Vorschrift des § 58a StPO auch für die polizeiliche Zeugenvernehmung entsprechend anwendbar erklärt wird, muss insbesondere vor dem Hintergrund, dass polizeiliche Vernehmungen den Großteil aller Vernehmungen ausmachen, inhaltlich klargestellt werden, dass die Vorschrift nicht für Alltagssituationen der polizeilichen Vernehmung gelten soll, in denen Jugendliche als Zeugen vernommen werden, sondern nur in den Fällen, in denen dies aufgrund des Schutzbedürfnisses dieser Zeugen geboten ist. In der Literatur wird dies bereits für den geltenden Wortlaut der Vorschrift angenommen (vgl. Rieß, NJW 1998, S. 3241). Der mit einer Bild-Ton-Aufzeichnung verbundene erhebliche Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Zeugen sowie die angestrebte Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes erforderten in jedem Fall eine sorgfältige Abwägung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit, der den Einsatz der Videotechnologie etwa gestatte, wenn eine entscheidungserhebliche Aussage umfangreich ist, wenn sie ein komplexes Tatgeschehen betreffe oder wenn sich die Vernehmung besonders schwierig gestalte (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 58a, Randnummer 4).

Nummer 2

Die bisherige Regelung bleibt unverändert bis auf die redaktionelle Anpassung an die Verschiebung des Wortes "wenn" in den Satzteil vor den Nummern.

Zu Nummer 5 (§ 60 StPO-E)

Regelungsgegenstand der Vorschrift ist das Vereidigungsverbot bei Eidesunmündigkeit des Zeugen, das bisher bis zu dem Tag bestand, an dem der Zeuge 16 Jahre alt wird. Die Regelung ist erforderlich wegen des mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziels, die Schutzaltersgrenze für jugendliche Opfer und Zeugen von 16 auf 18 Jahre anzuheben (vgl. hierzu die Begründung zu Nummer 32).

Zu Nummer 6 (§ 68 StPO-E)

Die Vorschrift regelt, welche Angaben zur Person Zeugen bei ihrer Vernehmung zu tätigen haben und bestimmt zugleich die Fälle, in denen sie von einzelnen Angaben absehen können. Sie wurde insbesondere deshalb überarbeitet, um der schon heute in ihrem Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit, in den Fällen, in denen durch die Angabe des Wohnortes des Zeugen die Besorgnis der eigenen Gefährdung oder der Gefährdung anderer Personen besteht, diese Angaben nicht zu machen und statt dessen eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, in der Praxis zu mehr Wirkung zu verhelfen.

Die Angaben, die der Zeuge zur Person in jedem Fall zu tätigen hat, werden wie bisher in Absatz 1 der Vorschrift geregelt. Absatz 2 bleibt Standort der Regelung, die die materiellen Voraussetzungen bestimmt, unter denen die Angabe des Wohnortes durch die Nennung einer anderen ladungsfähigen Anschrift ersetzt werden kann; sein Anwendungsbereich wird jedoch sachgerecht auf weitere Fälle ausgedehnt. Absatz 3 wurde, was die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung von Angaben angeht, nicht verändert.

Jedoch sind die in diesem Absatz bisher enthaltenen Verfahrensregelungen in den neuen Absatz 4 überführt worden, dessen bisheriger - völlig anderer - Regelungsgegenstand nunmehr in § 68a Absatz 2 Satz 1 StPO-E überführt wurde. Stattdessen wurde Absatz 4 um weitere Verfahrensvorschriften ergänzt, mit denen dem vorgesehenen Schutz der Zeugen in der Praxis zur Durchsetzung verholfen werden soll. Im Sinne des Opferschutzes wäre es zudem hilfreich, wenn es zur praktischen Umsetzung der Norm auch zu einer Neufassung der Vordrucke für polizeiliche Vernehmungen kommen könnte.

Zu Absatz 1

Satz 1

Der Regelungsgegenstand des ersten Satzes wird unter sprachlicher Modernisierung beibehalten.

Statt des veralteten Begriffs "Zuname" wird der zeitgemäße Begriff "Nachname" verwendet. Um den Anforderungen insbesondere der polizeilichen Praxis Rechnung zu tragen, wurde zudem der Geburtsname in die stets zu Beginn der Vernehmung zu nennenden Angaben mit aufgenommen. Statt der veralteten Begriffe "Stand oder Gewerbe" wird der zeitgemäße Begriff "Beruf" gewählt. Die neue Formulierung dient auch der Harmonisierung der Begrifflichkeiten der Strafprozessordnung mit anderen Gesetzen, hier insbesondere mit § 111 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Dort wird in vergleichbarem Zusammenhang bei Angaben zur Person ebenfalls eine Pflicht zur Nennung des Geburtsnamens normiert sowie der Begriff "Beruf" verwendet. Von der Pflicht zur Nennung des Berufs werden - wie schon nach bisheriger Rechtslage - bereits im Rahmen der Personalienfeststellung auch Angaben über die berufliche Stellung und die Art des Erwerbs erfasst. Weitere Fragen - auch solche zur Person - sind ggf. im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu stellen.

Satz 2

Der Satz 2 hat einen unveränderten Regelungsinhalt, wird aber dem sprachlichen Duktus des Satzes 1 angepasst.

Zu Absatz 2

Satz 1

Satz 1 wird neu gefasst. Er dient zum einen der Klarstellung der schon bisher bestehenden Rechte von Zeuginnen und Zeugen, bei denen die Angabe ihres Wohnortes eine Gefährdung ihrer Person mit sich bringen könnte. Zum anderen erweitert er den Schutzbereich der Vorschrift, um den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Zeuginnen und Zeugen zu verbessern, bei denen bei Angabe ihres Wohnortes Anlass zur Besorgnis besteht, dass auf sie oder andere in unlauterer Weise eingewirkt werden wird.

Bereits nach geltendem Recht kann bei einer Gefährdung des Zeugen oder einer anderen Person dem Zeugen gestattet werden, statt seines Wohnortes seinen Geschäftsort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben. Damit ist schon nach bisheriger Rechtslage anerkannt, dass bei Gefährdung des Zeugen oder einer anderen Person dessen Adressdaten nicht in die Akte aufgenommen werden. Die in Absatz 2 genannte Gefährdung bezieht sich schon nach geltendem Recht auch auf Rechtsgüter des Zeugen, die nicht durch Absatz 3 geschützt sind, wie Eigentum, Besitz und Hausfrieden, daneben auch auf die von Absatz 3 geschützten Rechtsgüter Leib, Leben oder Freiheit (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 68, Randnummer 12). Die jetzige Formulierung "Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person" dient insoweit der Klarstellung. Anerkannt ist, dass die Gefährdung beispielsweise dann zu besorgen ist, wenn schon früher ein Anschlag auf den Zeugen oder einen Dritten erfolgt oder angedroht worden ist oder wenn sich die Gefährdung auf Grund kriminalistischer Anhaltspunkte, kriminologischer Erfahrungen oder der Lebenserfahrung ergibt (Meyer-Goßner, a. a. O.).

Daneben soll nun auch in den Fällen, in denen Anlass zur Besorgnis besteht, dass auf den Zeugen oder auf eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt wird oder werden soll, die Möglichkeit bestehen, die Wohnanschrift nicht anzugeben.

Das durch das Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsrecht von Zeugen, insbesondere deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz), verdient im Strafverfahren in diesen Fällen noch stärkere Beachtung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in jüngerer Zeit häufiger Fälle bekannt geworden sind, in denen es infolge der Angabe der Wohnanschrift durch Zeugen insbesondere bei Taten mit rechtsextremem Hintergrund zu entsprechenden Einwirkungen oder Einwirkungsversuchen gekommen ist. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, in denen Zeugen Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund angezeigt haben und in denen daraufhin aufgrund der Angaben im Strafverfahren Name und Wohnanschrift dieser Zeugen beispielsweise im Internet auf Seiten rechtsextremer Gruppierungen mit dem Hinweis "Denunziant" veröffentlicht wurden. Auch bei anderen Straftaten besteht typischerweise des Öfteren Anlass zur Besorgnis, dass auf den Zeugen in unlauterer Weise eingewirkt werden wird, etwa in Fällen des sogenannten "Stalking". Entsprechende Beeinflussungsversuche oder gar die Ausübung von Druck auf einen Zeugen oder eine andere Person sind für diese sehr belastend und erschweren die Wahrheitsfindung im Strafprozess. Dies rechtfertigt die Gleichstellung mit der bisher in Absatz 2 Satz 1 vorausgesetzten Gefährdung seiner Person bzw. seiner Rechtsgüter. Die Fälle des unlauteren Einwirkens auf Zeugen entsprechen zudem den in § 112 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b StPO genannten Fällen der Verdunkelungsgefahr, in denen unter der weiteren Voraussetzung, dass dadurch Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird, sogar Untersuchungshaft angeordnet werden kann. Auch daher erscheint es gerechtfertigt, in diesen und ähnlichen Fällen, wenn sich die Besorgnis des unlauteren Einwirkens beispielsweise auf Grund kriminalistischer Anhaltspunkte, kriminologischer Erfahrungen oder der Lebenserfahrung ergibt, dem Zeugen ebenfalls zu gestatten, seine Wohnanschrift nicht anzugeben.

Hinzu kommt, dass es im Allgemeinen bei der Ermittlung des Wahrheitsgehalts einer Zeugenaussage nicht auf den Wohnort des Zeugen, sondern auf den Inhalt der Aussage selbst sowie auf das Aussageverhalten des Zeugen ankommt (BGH NStZ 1990, S. 352).

Es dient der Ermittlung der Wahrheit am besten, wenn ein Zeuge seine Aussage ohne Angst vor Gefährdungen oder Einwirkungen machen kann.

In Fällen, in denen Anlass zur Besorgnis besteht, dass der Zeuge gefährdet wird oder ein unlauteres Einwirken auf ihn erfolgt, ist es unter Abwägung aller schutzwürdigen Belange daher gerechtfertigt, dass Zeugen keine Angaben zu ihrer Wohnanschrift machen müssen.

In solchen Fällen muss das berechtigte Interesse des Zeugen an der Geheimhaltung seiner Wohnanschrift grundsätzlich vor das Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten an der Kenntnis dieser Daten treten.

Satz 2

Um dem mit Satz 1 beabsichtigten Zeugenschutz konsequent Rechnung zu tragen, wird - entsprechend der Auslegung des geltenden Wortlauts - klargestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 das Ermessen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung insoweit reduziert ist, dass dem Zeugen grundsätzlich zu gestatten ist, seinen Wohnort nicht anzugeben, wenn nicht besondere Gründe dessen Angabe erfordern.

Zu Absatz 3

Die Sätze 1 und 2 bleiben unverändert; in Satz 2 erfolgt lediglich eine Anpassung an die vom Duden empfohlene Rechtschreibung des bisherigen Wortes "bekanntgeworden" in nunmehr getrennter Schreibweise als "bekannt geworden". Der Regelungsgehalt der bisherigen Sätze 3 und 4 wurde in Absatz 4 der Vorschrift überführt.

Zu Absatz 4

Absatz 4 wird gänzlich neu gefasst. Sein bisheriger Inhalt entfällt, weil sein derzeitiger Gegenstand aus systematischen Gründen nunmehr in § 68a Absatz 2 StPO-E geregelt wird.

In den neuen Sätzen 1 bis 6 wird geregelt, wie in den in Absatz 2 und 3 aufgeführten Fällen im Einzelnen zu verfahren ist.

Satz 1

Der neue Satz 1 verdeutlicht - insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem neuen § 163 Absatz 3 StPO-E die Vorschrift des § 68 StPO-E ausdrücklich auch bei polizeilichen Vernehmungen Anwendung finden soll -, dass der Zeuge in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 ersichtlich vorliegen, auf die Möglichkeit hinzuweisen ist, seinen Wohnort nicht und statt dessen eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben.

Entsprechendes gilt für den Fall, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes Leben, Leib oder die Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden. Der Zeuge ist dann auf die in Absatz 3 Satz 1 genannten Befugnisse hinzuweisen.

Satz 2

Satz 2 regelt, dass der Zeuge bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 bei der Suche nach einer ladungsfähigen Anschrift unterstützt werden soll. Wie bisher kann die Angabe des Wohnortes durch die Angabe einer anderen ladungsfähigen Anschrift wie beispielsweise die einer polizeilichen Zeugenschutzstelle oder einer insoweit zustellungsbevollmächtigten Opferhilfeeinrichtung ersetzt werden. Dies ist bereits nach bisheriger Rechtslage bei Besorgnis der Gefährdung des Zeugen oder einer anderen Person möglich. Die Regelung ist auch als konkrete Handlungsanleitung für die polizeiliche Praxis gedacht, für die künftig die Anwendung des § 68 Absatz 2 StPO nicht mehr nur im Sinne einer Richtlinie erfolgt, sondern als unmittelbar geltendes Recht.

Satz 3

Satz 3 stellt klar, dass die Absätze 2 und 3 sowie die Sätze 1 und 2 des Absatzes 4 auch nach Abschluss der Zeugenvernehmung gelten. Daraus folgt insbesondere, dass im Fall des Absatzes 2 dem Zeugen, dessen Gefährdung sich erst nach Abschluss der Vernehmung ergibt, noch nachträglich zu gestatten ist, eine andere Anschrift anzugeben. Dies bedeutet in der Praxis zudem, dass die Strafverfolgungsbehörden aktiv mit einem aus ihrer Sicht gefährdeten Zeugen Kontakt aufnehmen müssen, wenn ihnen nach Abschluss der Zeugenvernehmung Anhaltspunkte dafür bekannt werden, dass eine Gefährdung des Zeugen zu besorgen ist. Denn aus der Verweisung auf die Sätze 1 und 2 des Absatzes 4 folgt dass Zeugen auch nach Abschluss der Vernehmung auf ihre Befugnisse nach den Absätzen 2 und 3 hinzuweisen und ggf. bei der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift zu unterstützen sind.

Satz 4

Die sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebenden Befugnisse der Zeugen, bestimmte Angaben nicht tätigen zu müssen, können nur dann Wirkung entfalten, wenn die Angaben der Akte auch an anderer Stelle nicht entnommen werden können. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass der Wohnort eines Zeugen, der in seiner Vernehmung eine andere ladungsfähige Anschrift angibt, zuvor schon in Ermittlungsberichten oder anderen Vernehmungen Erwähnung gefunden hat. Mit Satz 4 wird daher erstmals ausdrücklich geregelt, dass die Strafverfolgungsbehörden sowohl berechtigt als auch verpflichtet sind, die Daten des Zeugen, die er nicht angeben musste, in der gesamten Akte unkenntlich zu machen. Besondere Bedeutung erlangt diese Bestimmung vor allem auch in den Fällen, in denen sich eine Gefährdungssituation erst nach der Vernehmung des Zeugen im weiteren Lauf des Verfahrens herausstellt.

Satz 5

Satz 5 beinhaltet den Regelungsgegenstand des bisherigen Absatzes 3 Satz 3. Neben der Identität wird nun auch der Wohnort des Zeugen in Bezug genommen. Damit wird klargestellt, wie mit den ggf. bei den Vernehmungsbehörden vorhandenen Unterlagen zum Wohnort des Zeugen verfahren werden soll. Sie sind ebenso wie die Unterlagen, die Angaben zur Identität des Zeugen enthalten, außerhalb der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft zu verwahren.

Satz 6

Satz 6 beinhaltet den Regelungsgegenstand des bisherigen Absatzes 3 Satz 4 und wurde lediglich um eine redaktionelle Klarstellung ergänzt. Durch Einfügung der Wörter "Besorgnis der" vor dem Wort "Gefährdung" wird klargestellt, dass sich Satz 6 auf die in Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 genannten Voraussetzungen bezieht. Die genannten Unterlagen sind daher erst zu den Akten zu nehmen, wenn die Besorgnis der Gefährdung entfällt.

Zu Nummer 7 (§ 68a Absatz 2 StPO-E)

Der neue Satz 1 enthält - sprachlich auf den heutigen Stand gebracht - den Regelungsinhalt des bisherigen § 68 Absatz 4 StPO (sogenannte Generalfragen).

Regelungsgegenstand des § 68a Absatz 1 StPO ist - resultierend aus dem zu achtenden Persönlichkeitsrecht von Zeugen - die grundsätzliche Pflicht zur schonenden Befragung im Strafprozess. § 68a Absatz 2 StPO enthält in seiner bisherigen Fassung eine spezielle Ermächtigungsnorm für das Stellen von Fragen zu Vorstrafen. Sie sollen nur gestellt werden, wenn dies zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit notwendig ist.

Auch der bisherige § 68 Absatz 4 StPO enthält neben der Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und daraus resultierend entsprechende Generalfragen an Zeugen zu stellen, eine Ermächtigungsnorm zum Stellen von Fragen an Zeugen zur Beurteilung von deren Glaubwürdigkeit, denn die in dieser Vorschrift genannten Generalfragen sind nur zu stellen, wenn es erforderlich ist. Aufgrund dieses Zusammenhangs des Regelungsgegenstandes wird der bisher in § 68 Absatz 4 StPO enthaltene Regelungsgegenstand in § 68a Absatz 2 StPO-E überführt. Er wird sprachlich den heutigen Gegebenheiten angepasst; zugleich kommt in ihm durch eine moderne Fassung desselben Regelungsgegenstandes nun auch zum Ausdruck, dass der Zeuge, der mit dem Erscheinen vor Gericht und der Bekundung seiner Wahrnehmung eine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt, als Subjekt im Strafverfahren anerkannt ist und dass die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit, die oberste Maxime eines jeden Strafprozesses ist, unter Berücksichtung der Persönlichkeitsrechte von Zeugen zu erfolgen hat. Eine Einschränkung gegenüber dem bisher in § 68 Absatz 4 StPO normierten Umfang des Fragerechts (und der Fragepflicht) der Ermittlungsbehörden oder eine Beeinträchtigung der Beschuldigtenrechte ist mit dieser Regelung nicht verbunden.

Zu Nummer 8 (§ 68b StPO-E)

Zu Absatz 1

Die Strafprozessordnung enthält bisher keine ausdrückliche Regelung, nach der sich ein Zeuge des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen kann und diesem die Anwesenheit bei der Vernehmung gestattet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1974 (BVerfGE 38, 105 ff.) festgestellt, dass Zeugen berechtigt sind, sich durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen, und diesem auch die Anwesenheit bei der Vernehmung seines Mandanten gestattet ist. Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht seien nur zulässig, wenn sie zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege erforderlich und gesetzlich verankert seien. Da auch eine die Voraussetzungen eines Ausschlusses regelnde Bestimmung derzeit nicht existiert, erscheint die Thematik insgesamt regelungsbedürftig. Regelungsbedarf besteht zudem aus systematischen Gründen: Zum einen erscheint es sinnvoll, dass die Pflicht zur Beiordnung nach § 68b Satz 1 und 2 StPO (neu: § 68b Absatz 2 StPO-E) an ein grundsätzlich bestehendes Recht anknüpft; zum anderen soll im Aufbau der Normen ein Gleichklang zwischen dem den Zeugenbeistand regelnden § 68b StPO und den den Beistand des Verletzten bzw. Nebenklagebefugten betreffenden §§ 406f, 406g StPO hergestellt werden, auch weil es insoweit häufig zu Überschneidungen bei deren Anwendung kommt.

Da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Differenzierung zwischen richterlicher, staatsanwaltlicher und polizeilicher Vernehmung erkennen lässt und ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung nicht erkennbar ist, gilt § 68b Absatz 1 StPO-E (über die Verweisungen in § 161a Absatz 1 Satz 2 bzw. § 163 Absatz 3 Satz 1 StPO-E) für jede Form der Vernehmung. Dies erscheint insbesondere auch deshalb erforderlich, weil in der Praxis die polizeiliche Zeugenvernehmung den absoluten Regelfall darstellt, so dass eine auf richterliche und staatsanwaltschaftliche Vernehmungen beschränkte Regelung kaum praktische Wirkung entfalten würde.

Satz 1 und 2

Während Satz 1 die allgemeine Befugnis normiert, sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, betrifft Satz 2 die Rechtslage bei der Zeugenvernehmung. Er stellt dabei klar, dass das Recht des Zeugen, sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, zwar grundsätzlich auch während seiner Vernehmung besteht, es jedoch grundsätzlich dem Zeugen obliegt, die Anwesenheit seines Rechtsanwalts zu bewirken. Allerdings sind die Strafverfolgungsbehörden gehalten - soweit dies ohne Beeinträchtigung ihrer Aufgabenerfüllung möglich ist - im Interesse einer fairen und ausgewogenen Verfahrensführung Vernehmungen so zu terminieren, dass ein Zeuge von einer von ihm gewünschten anwaltlichen Begleitung auch Gebrauch machen kann.

Für den Fall der polizeilichen Zeugenvernehmung ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Zeuge nicht verpflichtet ist, bei der Polizei Angaben zu tätigen. Ist er daher faktisch nicht in der Lage, im Beisein eines anwaltlichen Beistands zur Vernehmung zu erscheinen oder wird sein anwaltlicher Beistand vom vernehmenden Beamten ausgeschlossen, steht es ihm frei, entweder trotzdem bei der Polizei zur Sache auszusagen oder dort Angaben zu verweigern und die dann voraussichtlich folgende Ladung zur staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmung abzuwarten. In der Zwischenzeit besteht für ihn dann die Möglichkeit, sich anwaltlich beraten zu lassen und für die kommende Vernehmung die Anwesenheit seines Beistands zu bewirken.

Satz 3

Die Anwesenheit eines anwaltlichen Beistands darf nicht dazu führen, dass die Wahrheitsermittlung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Deshalb bestimmt Satz 3, dass der anwaltliche Beistand von der Vernehmung ausgeschlossen werden kann, wenn zu besorgen steht, dass seine Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich gefährden würde.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer Entscheidung vom 14. Februar 1973 (BVerfGE 34, 293 ff.) ausgeführt, dass der Entzug der Verteidigungsbefugnis eines Rechtsanwalts nur dann verfassungsgemäß sein könne, wenn für ihn eine (damals nicht gegebene) gesetzliche Grundlage bestehe. In der Folge ist der Verteidigerausschluss in den §§ 138a ff. StPO gesetzlich geregelt worden.

Zum Ausschluss des anwaltlichen Beistands eines Zeugen von dessen Vernehmung hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1974 (BVerfGE 38, 105 ff.) dargelegt, dass (auch) dieser nur bei Bestehen einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage zulässig sei. Unter dieser Prämisse sei er verfassungsrechtlich möglich, wenn er unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen und wirksamen Rechtspflege erforderlich sei. Dies könne dann der Fall sein, wenn die Teilnahme an der Vernehmung durch den Rechtsanwalt "erkennbar dazu missbraucht wird, eine geordnete und effektive Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern und damit das Auffinden einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung zu beeinträchtigen" (BVerfGE 38, 105, 120). In einer Entscheidung vom 17. April 2000 (1 BvR 1331/99) hat das Bundesverfassungsgericht seine zuvor genannte Entscheidung noch einmal bekräftigt und zudem dargelegt, dass die gesetzliche Regelung erkennen lassen müsse, "welche Vorkommnisse als Ausschlussgründe in Betracht kommen, mit welchem Grad des Verdachts ein Vorkommnis zur Überzeugung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts feststehen muss und wem die Kompetenz zum Ausschluss des Beistands zustehen soll".

In Anlehnung an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts erklärt Satz 3 einen Ausschluss des anwaltlichen Zeugenbeistands daher nur dann für zulässig, wenn die Anwesenheit des Beistands geeignet erscheint, die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich zu beeinträchtigen. Diese Annahme muss sich auf bestimmte Tatsachen gründen, d. h. sie darf nicht nur auf Spekulationen oder vagen Verdachtsmomenten beruhen.

Anders als beim Ausschluss des Verteidigers nach § 138a Absatz 1 StPO wird jedoch kein dringender Verdacht oder eine überwiegende Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt.

Dies rechtfertigt sich zunächst daraus, dass der Ausschluss des Zeugenbeistands nur für eine Vernehmung und nicht das gesamte Verfahren gilt. Zudem sind an die Beschränkung der Verteidigungsbefugnis eines Beschuldigten besonders strenge Anforderungen zu stellen, während es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Hinzuziehung eines anwaltlichen Zeugenbeistands "stets einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation (bedarf), die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten ergibt" (BVerfGE 38, 105, 118). Da die Zeugenvernehmung der Wahrheitsermittlung dient, ist es dem Zeugen somit eher als dem Beschuldigten, der sich gegen einen gegen ihn erhobenen Vorwurf verteidigen muss, zumutbar, sich ggf. eines anderen anwaltlichen Beistands zu bedienen, wenn die Anwesenheit eines bestimmten Rechtsanwalts die Wahrheitsermittlung gefährden kann.

Wie durch die Formulierung "kann" klargestellt ist, hat das Gericht bei der Frage, ob der Beistand auszuschließen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, in die unter Berücksichtung auch des Grades der Gefährdung der geordneten Beweiserhebung insbesondere das Interesse des Zeugen an einer angemessenen anwaltlichen Beratung, das des Rechtsanwalts an der uneingeschränkten Ausübung seines Berufes und das der Strafverfolgungsbehörden an der Aufklärung des Sachverhalts einzufließen hat (so auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung BVerfGE 38, 105, 118, wo es ausgeführt hat, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen auf einen Beistand und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Strafprozesses verlange, der unter Abwägung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sei).

Lediglich klarstellend ist anzumerken, dass die durch den anwaltlichen Beistand im Interesse seines Mandanten erfolgende Beratung des Zeugen z.B. zur Frage der Wahrnehmung von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten oder die für ihn vorgenommene Beanstandung von unzulässigen Fragen keine Beeinträchtigung der geordneten Beweiserhebung darstellt, auch wenn der Umstand, dass sich der Zeuge auf ein bestehendes Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht beruft, im konkreten Fall die Ermittlung der tatsächlichen Geschehnisse faktisch erschwert. Auch soweit der anwaltliche Beistand bei der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten (z.B. der Beanstandung von Fragen) das Maß des Zulässigen überschreitet, stellt dies in aller Regel jedenfalls keine wesentliche Beeinträchtigung der geordneten Beweiserhebung dar. Eine solche ist erst dann als gegeben anzusehen, wenn das Aussageverhalten des Zeugen von Faktoren beeinträchtigt zu werden droht, die außerhalb der dem Rechtsanwalt obliegenden Beistandsleistung angesiedelt sind, wie dies durch die in Satz 4 angeführten Fallkonstellationen näher verdeutlicht wird.

Satz 4

Satz 4 führt im Sinne von Regelbeispielen Sachverhalte auf, in denen die von Satz 3 vorausgesetzte Annahme der Gefährdung der geordneten Beweiserhebung in der Regel gegeben sein wird.

Da die Sachverhalte, in denen eine Gefährdung der geordneten Beweiserhebung zu besorgen ist, in der Praxis sehr vielschichtig und von der Interessenlage der an dem Fall beteiligten Personen her diffizil sein können, erschien es nicht sachgerecht, einen abschließenden Katalog von Sachverhalten zu formulieren, in denen ein Ausschluss des Zeugenbeistands zulässig oder zwingend ist. Da es jedoch - worauf auch das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hat - erforderlich erscheint, dass der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, Vorkommnisse welcher Art seiner Auffassung nach einen Ausschluss rechtfertigen, führt Satz 4 die drei typischen Fallkonstellationen auf, die von wenigen Ausnahmen abgesehen den Anwendungsbereich des § 68b Absatz 1 Satz 3 StPO-E abbilden dürften.

Nummer 1

Die Fallgestaltungen der Nummer 1 orientieren sich an den den Verteidigerausschluss rechtfertigenden Gründen des § 138a Absatz 1 Nummer 1 und 3 StPO. Ein anwaltlicher Zeugenbeistand, der selbst in eine dem Verfahren zugrunde oder mit ihm in engem Zusammenhang stehende Tat verstrickt ist, erscheint nicht geeignet, den Zeugen objektiv zu beraten.

Nummer 2

Durch Nummer 2 sollen außerhalb der dem Interesse des Zeugen verpflichteten anwaltlichen Beistandsleistung liegende, durch die Anwesenheit des Beistands bewirkte - direkte oder indirekte - Einflussnahmen auf das Aussageverhalten des Zeugen ausgeschlossen werden. So ist es zur Sicherstellung einer effektiven Wahrheitsermittlung im Strafverfahren von ganz wesentlicher Bedeutung, dass sich ein Zeuge frei entscheiden kann, ob er von einem möglicherweise bestehenden Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO Gebrauch macht. Ebenso muss er seiner Pflicht, vollständig und wahrheitsgemäß auszusagen, unbeeinflusst nachkommen können. Insoweit ist es - was ja gerade der Sinn der Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands ist - selbstverständlich zulässig, dass sich der Zeuge von seinem Beistand z.B. über den Umfang seiner Rechte und Pflichten beraten lässt. Dabei muss jedoch sowohl im Interesse der Wahrheitsermittlung als auch des Zeugen (der sich bei unvollständigen oder unrichtigen Aussagen möglicherweise strafbar macht) soweit möglich sichergestellt sein, dass sich die Beratung des Zeugen an seinem Interesse und nicht auch am möglicherweise gegenläufigen Interesse anderer Personen orientiert. Weiterhin kann es für die freie Willensentschließung des Zeugen von wesentlicher Bedeutung sein, dass er sich - im gegebenen gesetzlichen Rahmen - der Vertraulichkeit seiner Angaben sicher sein kann.

Eine freie Willensentscheidung im vorstehenden Sinn erscheint dabei vor allem dann gefährdet, wenn der anwaltliche Beistand auch für andere Personen tätig ist, die im zugrundeliegenden Fall ein Interesse an einer bestimmten Aussage des Zeugen haben. Offensichtlich ist dies, falls der Beistand einen im betreffenden Verfahren Beschuldigten vertritt.

Soweit Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aussage des Zeugen Einfluss auf andere laufende oder ggf. noch einzuleitende Verfahren hat, kann es aber auch ausreichend sein, dass der anwaltliche Beistand für eine von einem solchen Verfahren betroffene Person tätig ist. Wenn auch nicht als Regelfall, erscheint eine Interessenkollision in der Person des anwaltlichen Beistands zudem dann möglich, wenn er in einem Verfahren mehrere Zeugen vertritt (z.B. in dem Fall, in dem einer seiner Mandanten unzutreffend ausgesagt hat und nunmehr der weitere Zeuge vernommen wird).

Eine für den Zeugen problematische Situation ergibt sich in solchen und ähnlichen Konstellationen vor allem dann, wenn er in einem unmittelbaren oder mittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zu anderen am Verfahren interessierten Personen steht. So kann es z.B. sehr zweifelhaft sein, ob ein Arbeitnehmer, der in einem gegen Kollegen gerichteten Verfahren als Zeuge geladen ist, im Beisein eines ihm von seinem Arbeitgeber gestellten Beistands unbefangen auszusagen in der Lage ist. Auf die dortigen "Arbeitsverhältnisse" übertragen gilt Entsprechendes insbesondere auch im Rotlichtmilieu. Zudem stellen sich ähnliche Probleme, wenn sich die Ermittlungen gegen Angehörige bestimmter (z.B. rechtsextremer, gewaltbereiter oder der organisierten Kriminalität zuzurechnender) Gruppierungen richten, denen der Zeuge auch angehört, und von den Anführern der Gruppe ein anwaltlicher Beistand engagiert wurde.

Nummer 3 Nummer 3 erfasst Fälle, in denen die Gefahr besteht, dass der anwaltliche Beistand die von ihm bei der Vernehmung erlangten Erkenntnisse im Eigen- oder Fremdinteresse in einer den Untersuchungserfolg gefährdenden Weise verwenden wird, etwa zur Vernichtung der Beweismittel oder zur Warnung der gesuchten Person.

Zu Absatz 2

Satz 1

Satz 1 übernimmt im Wesentlichen den Inhalt des derzeitigen § 68b Satz 1 und 2 StPO, der die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand für den Fall vorsieht, dass der Zeuge seine Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann und seinen schutzwürdigen Interessen auf keine andere Weise Rechnung getragen werden kann. Allerdings entfällt die Unterscheidung, dass - jeweils bei Vorliegen der vorstehend angeführten Voraussetzungen - die Beiordnung nach § 68b Satz 2 StPO vorgenommen werden muss, wenn dem Verfahren ein bestimmtes (dort im Einzelnen angeführtes) schwerwiegenderes Delikt zugrunde liegt, und nach § 68b Satz 1 StPO vorgenommen werden kann, wenn wegen eines anderen Vorwurfs ermittelt wird. Grund dafür ist, dass diese Unterscheidung sachlich nur schwer zu rechtfertigen erscheint und sie zudem bei sachgerechter Auslegung der Norm im Ergebnis auch regelmäßig ohne Relevanz bleiben dürfte. Denn Anlass für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 68b StPO ist die besondere Schutzbedürftigkeit eines Zeugen; diese ist aber unabhängig davon, welches Delikt dem Beschuldigten zur Last gelegt wird. So ist es in den Fällen des § 68b StPO, dessen Anwendung z.B. aufgrund psychischer Probleme des Zeugen, ihm drohender Repressalien oder rechtlich schwieriger Fragen zu möglichen Aussageverweigerungsrechten erforderlich sein kann (vgl. dazu Rieß in: Löwe/Rosenberg, 25. Auflage, § 68b StPO, Randnummer 10), in aller Regel ohne Relevanz, ob der Zeuge z.B. zu einer schweren Körperverletzung nach § 226 StGB (die als Verbrechen § 68b Satz 2 StPO unterfällt) oder einer gefährlichen Körperverletzung (die als Vergehen § 68b Satz 1 StPO zuzuordnen ist) aussagen soll. Sind die in § 68b Satz 1 StPO genannten Voraussetzungen, dass der Zeuge seine Befugnisse ersichtlich nicht selbst wahrnehmen und seinen Interessen anders keine Rechnung getragen werden kann, erfüllt, ist eine Situation eingetreten, in der es die dem Staat gegenüber dem Zeugen obliegende Schutzpflicht gebietet, ihm einen fachlich kompetenten Beistand zu bestellen. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge einer ihm vom Staat auferlegten Bürgerpflicht nachkommt. Dann kann er aber nicht schlechter stehen als der Beschuldigte, dem nach § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO dann ein Verteidiger zu bestellen ist, wenn ersichtlich ist, dass er sich nicht selbst verteidigen kann.

Die bisher in § 68b Satz 1 und 2 StPO vorgesehenen Antrags- bzw. Zustimmungserfordernisse entfallen, weil sie sachlich nicht gerechtfertigt erscheinen. Vielmehr wird - auch insoweit analog zu der für den Beschuldigten geltenden Vorschrift des § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO - bestimmt, dass die Beiordnung auf Antrag (des Zeugen oder der Staatsanwaltschaft) oder von Amts wegen zu erfolgen hat. Letzteres ist erforderlich, weil das mit der Vernehmung des Zeugen befasste Gericht, wenn der Zeuge seine Befugnisse erkennbar nicht selbst wahrnehmen kann, befugt sein muss, ihm durch die Beiordnung eines Beistands die erforderliche Unterstützung zu gewähren. Dies gilt unter anderem auch deshalb, weil z.B. psychisch belastete Zeugen teilweise schon außer Stande sind, ihr Antragsrecht sachgerecht wahrzunehmen.

§ 68b Absatz 2 StPO-E ist dabei - wie auch schon derzeit für § 68b StPO anerkannt ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 68b, Randnummer 1) - seinem Inhalt nach allerdings nur auf Ausnahmefälle anzuwenden. Um dies auch im Gesetzestext deutlich zu machen, wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass für die Anwendung des § 68b Absatz 2 StPO-E besondere Umstände vorliegen müssen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Zeuge bei sachgerechter Belehrung durch die vernehmende Person in der Lage ist, seine Befugnisse eigenverantwortlich wahrzunehmen, also z.B. darüber zu entscheiden, ob er von einem Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte. In Betracht kommt die Anwendung des § 68b Absatz 2 StPO-E daher nur in außergewöhnlichen Situationen, z.B. der Vernehmung von besonders unreifen oder psychisch beeinträchtigten Personen. Aber auch in diesen Fällen ist zunächst zu prüfen, ob sich die vorliegenden Probleme auf die Wahrnehmung der Zeugenbefugnisse auswirken und ob ihnen - abgesehen von den Fällen, in denen sie aufgrund ihrer rechtlichen Natur eine anwaltliche Beratung erfordern - nicht auch durch andere Mittel, insbesondere intensive Erläuterungen oder die Einschaltung von Vertrauenspersonen, abgeholfen werden kann.

Satz 2

Satz 2 übernimmt die derzeit schon in § 68b Satz 3 StPO enthaltene Verweisung auf den die Auswahl des Rechtsanwalts betreffenden § 142 Absatz 1 StPO, nicht jedoch die auf den die Zuständigkeit für die Pflichtverteidigerbestellung regelnden § 141 Absatz 4 StPO.

Denn nach dessen erster Alternative ist die Entscheidung über die Beiordnung eines Zeugenbeistands derzeit vor Erhebung der öffentlichen Klage durch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht zu treffen. Diese Regelung führt in der Praxis insbesondere dann zu Problemen, wenn eine eilbedürftige Vernehmung eines Zeugen durch den Ermittlungsrichter erfolgen soll. Da Letzterer nicht zur Entscheidung über die Bestellung eines Zeugenbeistands befugt ist, muss erst eine Entscheidung durch den (bis dahin mit der Sache regelmäßig noch nicht befasst gewesenen) Vorsitzenden des für das Hauptverfahren zuständigen Gerichts eingeholt werden, was zu Zeitverzögerungen und nicht unerheblichem Mehraufwand führt. Um das Verfahren zu vereinfachen, entfällt nunmehr die Verweisung auf § 141 Absatz 4 StPO mit der Folge, dass die Entscheidung über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach den allgemeinen Grundsätzen, die auch für die übrigen nach dem Sechsten Abschnitt zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen gelten, durch das mit der Vernehmung befasste Gericht erfolgt.

Die sich daraus ergebende abweichende Zuständigkeitsregelung rechtfertigt sich daraus, dass der Verteidiger nach § 141 Absatz 4 StPO für das gesamte Verfahren bestellt wird, der Zeugenbeistand jedoch nur für eine Vernehmung.

Zu Absatz 3

Satz 1

Die in Satz 1 1. Alternative vorgeschlagene Unanfechtbarkeit des Ausschlusses des anwaltlichen Beistands ist dem Erfordernis geschuldet, dass im Ermittlungsverfahren Verzögerungen soweit wie möglich zu vermeiden sind; dabei sind gerade Zeugenvernehmungen häufig auch deshalb beschleunigt durchzuführen, weil an sie zahlreiche weitere, nicht selten eilbedürftige Ermittlungsmaßnahmen anknüpfen. Mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Beiordnung eines Zeugenbeistands übernimmt Satz 1 2. Alternative die Regelung des derzeitigen § 68b Satz 4 StPO. Wie sich aus der Formulierung "Entscheidungen nach ... Absatz 2 Satz 1" ergibt, bezieht sich die Unanfechtbarkeit dabei auf alle auf Grundlage des § 68b Absatz 2 Satz 1 StPO-E getroffenen Entscheidungen, d. h. sowohl auf die Beiordnung anordnende als auch sie ablehnende Beschlüsse.

Soweit die in Satz 1 in Bezug genommenen Entscheidungen bei staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen in Anbetracht der Verweisung in § 161a Absatz 1 Satz 2 StPO nicht durch das Gericht, sondern den vernehmenden Staatsanwalt getroffen werden, erhält der Zeuge durch die Neufassung des § 161a Absatz 3 StPO die Möglichkeit, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Dies gilt im Ergebnis auch für den Fall, dass gemäß § 163 Absatz 3 Satz 2 StPO-E der vernehmende Polizeibeamte über den Ausschluss des anwaltlichen Beistands entscheiden hat, weil § 163 Absatz 3 Satz 3 StPO-E die entsprechende Anwendung des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO-E bestimmt.

Über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Beiordnung eines Zeugenbeistands, über die nach § 163 Absatz 3 Satz 2 StPO-E nur die Staatsanwaltschaft entscheiden kann, kann nach § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO-E ebenfalls eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.

Satz 2

Durch Satz 2 wird bestimmt, dass Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Satz 1 unter Nennung ihrer Gründe aktenkundig zu machen sind. Dies erscheint aufgrund der Bedeutung der Entscheidungen angemessen; zudem können die Gründe im weiteren Verfahren noch von Relevanz sein, insbesondere wenn in den Fällen des § 68b Absatz 2 StPO-E der Zeuge noch einmal zu vernehmen oder seine Aussage zu bewerten ist. Dagegen kann vor allem in den Fällen des § 68b Absatz 1 Satz 4 Nummer 1 und 3 StPO-E die Nennung der Ausschlussgründe zu einer Gefährdung weiterer Ermittlungen führen, so dass Satz 2 vorsieht, dass die Gründe nicht aktenkundig gemacht werden müssen, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden würde.

Zu Nummer 9 (§ 1111 Absatz 6 StPO-E)

Satz 1

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 111l Absatz 6 Satz 2 StPO verweist bisher - mit gewissen Modifikationen - für die Fälle gerichtlicher Entscheidungen gegen Anordnungen der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen im Rahmen der Notveräußerung beschlagnahmter oder gepfändeter Gegenstände auf die Bestimmungen des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO.

Letztere sollen nunmehr entfallen und durch einen Verweis auf die Regelungen des § 162 StPO ersetzt werden. Dementsprechend schlägt der Entwurf vor, auch für die nach § 111l Absatz 6 Satz 1 StPO zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen auf die Regelungen des § 162 StPO zu verweisen. Für diese Änderung sprechen letztlich die gleichen Erwägungen wie diejenigen, die für die Reform des § 161a Absatz 3 StPO-E gelten, so dass im Einzelnen auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Satz 2

Der neue Satz 2 übernimmt den Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 111l Absatz 6 Satz 2 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO mit geringfügigen, im Einzelnen in der Begründung zu § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO-E erläuterten Änderungen.

Demgegenüber ist nicht beabsichtigt, die Entscheidung des nach Satz 1 nunmehr für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Notveräußerungen zuständigen Ermittlungsrichters beim Amtsgericht - anders als die des bisher nach § 111l Absatz 6 Satz 2 in Verbindung mit § 161a Absatz 3 Satz 4 StPO zuständigen Landgerichts - für unanfechtbar zu erklären. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass für die Entscheidung über den Antrag bisher eine mit drei Richtern besetzte Strafkammer des Landgerichts zuständig ist, während sie zukünftig nur noch von einem Richter getroffen wird. Da die wirtschaftliche Bedeutung einer Notveräußerung im Einzelfall erheblich sein kann, erscheint es gerechtfertigt, die üblicherweise gegen Beschlüsse des Amtsgerichts gegebene Möglichkeit der Beschwerde nach den §§ 304 ff. StPO vorliegend nicht einzuschränken, zumal die Anzahl entsprechender Beschwerden vermutlich sehr gering ist und die Justizbehörden der Länder durch sie so gut wie nicht belastet werden.

Zu Nummer 10 (§ 112a StPO-E)

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ( § 112a StPO) dient, anders als die übrigen Haftgründe der Strafprozessordnung, nicht der Verfahrenssicherung, sondern als vorbeugende Maßnahme dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten des Beschuldigten (BVerfGE 19, 342, 349/350; 35, 185, 191). Die Anforderungen an den Haftgrund der Wiederholungsgefahr werden jedoch von der Rechtsprechung insbesondere hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der wiederholten Tatbegehung (§ 112a Absatz 1 Nummer 2 StPO) nicht einheitlich bewertet. Dies kann zu Ergebnissen führen, die vor allem unter den Gesichtspunkten der Prävention und des Opferschutzes bedenklich erscheinen.

Es besteht daher Anlass, den Anwendungsbereich des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr durch eine klarstellende Ergänzung des Gesetzeswortlauts genauer zu bestimmen.

Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind in die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der wiederholten Tatbegehung (§ 112a Absatz 1 Nummer 2 StPO) nicht nur solche Straftaten einzubeziehen, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind, in dem die Haftfrage geprüft wird. Vielmehr können auch Taten aus anderen Verfahren, in denen der Beschuldigte wegen entsprechender Anlasstaten entweder unter dringendem Tatverdacht steht oder bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, Berücksichtigung finden (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 210; OLG Schleswig NStZ 2002, 276, 277; OLG Jena StV 1999, 101; OLG Hamm MDR 1981, 956 und StV 1997, 310; OLG Stuttgart NStZ 1988, 326, 327; OLG Hamburg NJW 1980, 2367; Graf in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage, § 112a, Randnummer 13; Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 112a, Rn. 30). Demgegenüber sieht sich eine Mindermeinung insbesondere durch den Gesetzeswortlaut, aber auch aus Gründen der Gesetzessystematik und der gesetzgeberischen Motive gehindert, dieser Auffassung zu folgen. Demnach sollen Anlasstaten, bei denen bereits eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist, außer Betracht zu bleiben haben, weil der Beschuldigte insoweit nicht mehr (nur) dringend der Tat verdächtig, sondern der Tat schuldig ist (OLG Frankfurt am Main in ständiger Rechtsprechung, StV 1984, 159, zuletzt bestätigt durch die Beschlüsse vom 9. April 2008, StV 2008, 364, und 20. Mai 2008, StRR 2008, 395; LG Zweibrücken, StV 2006, 313, 314; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 112a, Rn. 8; Deckers in: Alternativkommentar zur StPO, § 112a, Randnummer 13; Paeffgen, NStZ 2003, 76, 79; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., Randnummer 626; Hohmann/Matt, NStZ 1989, 211; Hohmann, StV 1997, 310, 312). Ein Teil dieser Mindermeinung verlangt darüber hinausgehend, dass die Taten, deren wiederholter Begehung der Beschuldigte zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 112a Absatz 1 StPO dringend verdächtig sein muss, Gegenstand desselben Ermittlungsverfahrens sein müssen (OLG Frankfurt am Main, a. a. O.; Hohmann StV 1997, 310, 312; Nerée StV 1993, 212, 217).

Die von der Mindermeinung vertretene Auslegung des § 112a Absatz 1 Nummer 2 StPO kann dazu führen, dass gegen einen - unter Umständen sogar bereits mehrfach - einschlägig vorbestraften Beschuldigten kein Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr erlassen wird, obwohl dies aus Gründen des durch die Norm bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten des Beschuldigten geboten wäre. Eine solche Einengung des Anwendungsbereichs des § 112a Absatz 1 Nummer 2 StPO hatte der Gesetzgeber weder bei der Schaffung der Norm durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1361; vgl. aus dem Gesetzgebungsverfahren insbesondere BT-Drs. 0VI/2558 [in dieser Fassung nicht Gesetz geworden], 0VI/3248 und 0VI/3561) noch bei späteren Änderungen, insbesondere durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186; vgl. aus dem Gesetzgebungsverfahren insbesondere BT-Drs. 012/6853) beabsichtigt. Dementsprechend ist der Wortlaut der Vorschrift so ausgestaltet, dass bei der Frage der wiederholten Tatbegehung sowohl bereits erfolgte Verurteilungen als auch Taten, die Gegenstand anderer laufender Ermittlungsverfahren sind oder waren, umfasst sein können. Die gleichwohl bestehende Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung lässt es im Interesse einer vollständigen Umsetzung des mit der Vorschrift verfolgten Zwecks geboten erscheinen, eine Klarstellung des Anwendungsbereichs des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr vorzunehmen.

Diese erfolgt in der Form, dass durch einen an § 112a Absatz 1 StPO angefügten Satz 2 eindeutig festgelegt wird, dass in die Beurteilung, ob der dringende Verdacht der wiederholten Begehung einer Tat nach § 112a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StPO-E besteht, auch solche Taten einzubeziehen sind, die Gegenstand anderer laufender oder bereits abgeschlossener Verfahren sind oder waren. Abgeschlossen worden sein kann ein Verfahren durch Einstellung (z.B. nach § 154 StPO) oder durch Urteil. Die in dem Entwurf gewählte Formulierung stellt zudem ausdrücklich klar, dass auch Taten zu berücksichtigen sind, die bereits rechtskräftig abgeurteilt worden sind.

Unberührt bleibt selbstverständlich, dass der Beschuldigte dringend verdächtig sein muss, eine der im Straftatenkatalog des § 112a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StPO-E enthaltenen Anlasstaten in dem Verfahren begangen zu haben, in dem der Haftbefehl erlassen werden soll.

Zu Nummer 11 (§ 138 StPO-E)

Beschuldigte können sich nach § 138 StPO im Strafverfahren nicht nur durch Rechtsanwälte verteidigen lassen, sondern auch durch die in § 138 Absatz 1 StPO benannten Rechtslehrer an deutschen Hochschulen sowie unter den Voraussetzungen des § 138 Absatz 2 StPO ggf. auch durch andere Personen. Der Entwurf sieht vor, diese Auswahlmöglichkeiten auch Zeugen, Privatklägern, Nebenklägern, Nebenklagebefugten und sonstigen Verletzten zuzubilligen, die sich (ggf. auch im Wege der Beiordnung) eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen wollen.

Diese Änderung erscheint zunächst schon aus systematischen Gründen angebracht, weil sie die Befugnisse der Opfer von Straftaten bei der Wahl eines Beistands an die der Beschuldigten bei der Wahl eines Verteidigers angleicht. Zudem erweitert sie die Wahlmöglichkeiten der Zeugen und Verletzten von Straftaten in sachgerechter Weise.

Zu Absatz 2

Absatz 2 bleibt inhaltlich unverändert. Sein Regelungsgehalt wird jedoch auf zwei Sätze aufgeteilt, weil nur der Gegenstand des neuen Satzes 1 auf den Fall der Wahl eines anwaltlichen Beistands durch die in Absatz 3 genannten Personen übertragbar ist und damit von der Neuregelung des Absatzes 3 in Bezug genommen werden kann. Die Fallkonstellation des neuen Satzes 2 ist dagegen bei der Wahl eines anwaltlichen Beistands nach Absatz 3 ohne Relevanz. Zudem dient die Neufassung der besseren Verständlichkeit.

Zu Absatz 3

Das Recht der in Absatz 3 angeführten Zeugen und Verletzten, sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, ergibt sich aus den §§ 68b (Zeugen), 378 (Privatkläger), 397a (Nebenkläger), 406g (Nebenklagebefugte) und 406f (Verletzte) StPO.

Diese können nunmehr alle in Absatz 1 genannten Personen als anwaltlichen Beistand wählen. Andere Personen können sie nur mit Genehmigung des Gerichts wählen. Das Gericht hat insoweit bei seiner Ermessensentscheidung insbesondere die Sachkunde und die persönliche Geeignetheit der Person zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 138 StPO, Randnummer 13).

Zu Nummer 12 (§ 142 Absatz 1 StPO-E)

Derzeit sieht § 142 Absatz 1 Satz 1 StPO vor, dass das Gericht als Pflichtverteidiger möglichst einen Rechtsanwalt auswählt, der im Bezirk des ihn bestellenden (d. h. nach § 141 Absatz 4 StPO des für die Hauptverhandlung zuständigen) Gerichts niedergelassen ist.

Die Vorschrift gilt nach § 68b Satz 3 StPO bei der Beiordnung eines Zeugenbeistands, nach § 397a Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 Satz 2 StPO bei der Bestellung des Nebenklägerbeistands und nach § 406g Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 Satz 2 StPO bei der Bestellung eines Beistands für den Nebenklagebefugten entsprechend.

Da diese Beschränkung auf im Gerichtsbezirk ansässige Rechtsanwälte aus verschiedenen Gründen nicht mehr sachgerecht erscheint, schlägt der Entwurf vor, den Satz 1 des § 142 Absatz 1 StPO entfallen zu lassen.

Als wesentlicher Grund für die derzeitige Einschränkung wird in der Literatur angeführt, dass der Verfahrensablauf nicht dadurch verzögert werden dürfe, dass der Verteidiger nicht in der Nähe des mit der Sache befassten Gerichts niedergelassen sei (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 142, Randnummer 5). Es liegen jedoch auch gerichtliche Entscheidungen vor, nach denen Entfernungen von 238 oder 300 Kilometern zwischen Kanzleisitz und Gericht nicht unbedingt gegen eine Bestellung des Verteidigers sprechen (OLG Zweibrücken, StV 2002, 238; BayObLGE 2004, 118). Ohne dass eine konkrete Entfernungsgrenze bestimmt werden soll und kann, dürfte jedoch zumindest festzustellen sein, dass - auch in Anbetracht der im Vergleich zur Zeit der Einführung der Vorschrift allgemein erheblich erhöhten Mobilität - jedenfalls die Überschreitung der Grenzen eines Gerichtsbezirks keinen tauglichen Anhaltspunkt mehr dafür darstellt, dass Verfahrensverzögerungen zu erwarten stehen.

Zudem ist von Bedeutung, dass bei der Frage, welcher Rechtsanwalt dem Beschuldigten bestellt werden sollte, weitere Faktoren zu berücksichtigen sind, die dem Kriterium der Gerichtsnähe mindestens gleichwertig erscheinen, jedoch im derzeitigen Gesetzestext nicht erwähnt werden. In örtlicher Hinsicht betrifft dies insbesondere den Wohnsitz des Beschuldigten (bzw. bei einem inhaftierten Beschuldigten den Sitz der Justizvollzugsanstalt).

Besteht - was nicht selten der Fall ist - ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Verteidigers in Vorbesprechungen des Verfahrens mit seinem Mandanten, kann eine Nähe des Kanzleisitzes zum Wohn- bzw. Inhaftierungsort des Beschuldigten von weitaus größerer Bedeutung sein als eine solche zum Gerichtsort (vgl. dazu Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 5). Dies gilt insbesondere auch in den unter den Gesichtspunkten des Opferschutzes relevanten Fällen: Wohnt z.B. das Opfer einer Vergewaltigung in Köln, findet das gerichtliche Verfahren jedoch in Hamburg statt, so wird es häufig angezeigt sein, dem Opfer einen anwaltlichen Beistand aus dem Kölner Bereich zu bestellen, weil dieser es vor Ort besser betreuen kann.

Vor allem aber ist es bei der Frage der Beiordnung stets von erheblicher Bedeutung, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten bzw. Zeugen/ Verletzten und dem Rechtsanwalt besteht (Lüderssen/Jahn in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 142, Randnummer 6 und 7; Meyer-Goßner, a. a. O., Randnummer 9).

Weitere zu berücksichtigende Punkte können eine besondere Qualifikation des Rechtsanwalts in Bezug auf die für das Verfahren relevanten Fragen (Lüderssen/Jahn, a. a. O., Rn. 8), die Möglichkeit der Verständigung mit dem Beschuldigten bzw. Zeugen/Verletzten in dessen Muttersprache (Meyer-Goßner, a. a. O., Randnummer 5) und die Frage sein, ob und ggf. in welcher Höhe durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts Mehrkosten entstehen (Lüderssen/Jahn, a. a. O., Randnummer 7; Meyer-Goßner, a. a. O., Randnummer 12).

All diese Punkte - und je nach Ausgestaltung des Einzelfalls möglicherweise noch weitere - hat ein Gericht sowohl dann zu berücksichtigen, wenn es selbst einen Verteidiger bzw. anwaltlichen Beistand auswählt als auch dann, wenn es darüber zu entscheiden hat, ob der Bestellung des vom Beschuldigten bzw. Zeugen/Verletzten vorgeschlagenen Rechtsanwalts ein wichtiger Grund entgegensteht. Da es kaum möglich und in Anbetracht der Vielschichtigkeit der denkbaren Sachverhalte auch nicht angebracht erscheint, alle eventuell relevanten Kriterien in den Gesetzestext aufzunehmen, sieht der Entwurf vor, den derzeit ein einzelnes Kriterium unangemessen hervorhebenden Satz 1 zu streichen und es im Übrigen dem Gericht zu überlassen, in seine Ermessensentscheidung die Kriterien einfließen zu lassen, denen im jeweiligen Einzelfall die maßgebliche Bedeutung zukommt.

Die vorgeschlagene Änderung entspricht dabei auch dem Gedanken der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36), die darauf abzielt, dass zur Gewährleistung eines freien Wettbewerbs soweit möglich alle Dienstleistungserbringer (zu denen auch Rechtsanwälte gehören) ohne besondere Beschränkungen an jedem Ort innerhalb der Europäischen Union die von ihnen angebotene Dienstleistung erbringen können. Sie berücksichtigt zudem, dass in der jüngeren Vergangenheit früher geltende Vorschriften, nach denen die Zulassung bestimmter Rechtsanwälte auf bestimmte Gerichte beschränkt war, in weiten Teilen außer Kraft gesetzt wurden, um die durch Artikel 12 des Grundgesetzes gewährleistete Berufsfreiheit nur in dem Maß einzuschränken, das aufgrund höherrangiger Interessen unbedingt erforderlich ist. Solche Interessen sind im Fall des § 142 Absatz 1 Satz 1 StPO jedoch nicht erkennbar.

Die vorgesehenen Sätze 1 und 2 des § 142 Absatz 1 StPO-E entsprechen inhaltlich den derzeitigen Sätzen 2 und 3 des § 142 Absatz 1 StPO. Um klarzustellen, dass der Beschuldigte nicht nur die Bestellung eines bestimmten Rechtsanwalts, sondern entsprechend § 138 Absatz 1 StPO auch die eines Rechtslehrers an deutschen Hochschulen beantragen kann, wurde in Satz 1 das Wort "Rechtsanwalt" durch die Worte "Verteidiger seiner Wahl" ersetzt. In Rechtsprechung und Literatur ist diese Wahlmöglichkeit schon derzeit anerkannt (vgl. BGH StV 1993, S. 564, Lüderssen/Jahn, a. a. O., Randnummer 17). In Satz 2 der Neufassung wird im Sinn der sprachlichen Korrektheit deutlich gemacht, dass schon ein wichtiger Grund ausreichend sein kann, um von der vom Beschuldigten erbetenen Bestellung abzusehen. Eine inhaltliche Änderung, insbesondere eine Erweiterung der Möglichkeiten des Gerichts, dem Vorschlag des Beschuldigten nicht zu folgen, ist damit ausdrücklich nicht beabsichtigt.

Zu Nummer 13 (§ 147 Absatz 5 StPO-E)

Satz 2

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 147 Absatz 5 Satz 2 StPO verweist bisher für die Fälle, in denen gegen eine Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann, auf die Bestimmungen des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO.

Letztere sollen nunmehr entfallen und durch einen Verweis auf die Regelungen des § 162 StPO ersetzt werden. Dementsprechend ist beabsichtigt, auch für die nach § 147 Absatz 5 Satz 2 StPO zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen auf die Regelungen des § 162 StPO zu verweisen. Für diese Änderung sprechen letztlich die gleichen Erwägungen wie diejenigen, die für die Reform des § 161a Absatz 3 StPO-E gelten, so dass wegen der Einzelheiten auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Satz 3

Mit dem neu eingefügten Satz 3 wird der Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 147 Absatz 5 Satz 2 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO mit den geringfügigen, in der Begründung zu § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO-E näher erläuterten Modifikationen in die Neufassung übernommen.

Soweit aus dem Wegfall der Verweisung auf § 161a Absatz 3 Satz 4 StPO, nach der die Entscheidung des derzeit zuständigen Landgerichts unanfechtbar ist, folgt, dass gegen die die Versagung der Akteneinsicht bestätigende gerichtliche Entscheidung Beschwerde eingelegt werden kann, erscheint dieser Rechtsbehelf zwingend erforderlich. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, dass für die Entscheidung über den Antrag bisher eine mit drei Richtern besetzte Strafkammer des Landgerichts zuständig ist, während sie zukünftig nur noch von einem Richter getroffen wird. Denn in diesem Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, dass die ganz überwiegende Zahl der Anträge nach § 147 Absatz 5 Satz 2 StPO von nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten gestellt wird. Befindet sich der Beschuldigte jedoch in Untersuchungshaft, ist eine Beschränkung der Akteneinsicht höchstens in sehr engen Grenzen möglich (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 147, Rn. 25a). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat darauf in den vergangenen Jahren wiederholt hingewiesen und insoweit in verschiedenen in Deutschland geführten Verfahren Verstöße gegen Artikel 5 Absatz 4 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgestellt (vgl. die Urteile vom 13. Februar 2001 in den Individualbeschwerdeverfahren Nr. 24479/94 - Lietzow - und Nr. 23541/94 - Garcia Alva - sowie die noch nicht rechtskräftige Entscheidung vom 13. Dezember 2007 im Verfahren Nr. 11364/03 - Mooren -). Für den Fall, dass ein Ermittlungsrichter trotz der äußerst begrenzten Rechtfertigungsmöglichkeiten eine Beschränkung der Akteneineinsicht für zulässig hält, sollte diese häufig sehr komplizierte und im Hinblick auf Verstöße gegen Menschenrecht besonders relevante Entscheidung noch vom Landgericht überprüft werden können. Nennenswerte Belastungen dürften dadurch nicht entstehen, weil die Fälle, in denen der Ermittlungsrichter eine Beschränkung des Akteneinsichtsrechts des Untersuchungsgefangenen für zulässig hält, aufgrund der bestehenden engen rechtlichen Grenzen sehr selten sein werden.

Zu Nummer 14 (§ 154f StPO-E)

Der neu eingefügte § 154f StPO dient der Schließung einer Regelungslücke, bei der sich bisher damit beholfen wurde, § 205 StPO analog anzuwenden. Dabei wird der vorliegende Entwurf genutzt, um diese insbesondere auch aus rechtssystematischen Gründen erforderlich erscheinende Ergänzung einzuführen.

§ 205 StPO normiert für den Fall, dass nach Erhebung der öffentlichen Klage die Situation besteht, dass die Hauptverhandlung aufgrund einer längeren Abwesenheit des Angeschuldigten oder eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses nicht durchgeführt werden kann, eine Befugnis des Gerichts, das Verfahren vorläufig einzustellen.

Sachverhalte, bei denen das Verfahren z.B. deshalb nicht fortgeführt werden kann, weil der aktuelle Aufenthaltsort des Beschuldigten unbekannt ist, treten in der Praxis jedoch sehr häufig bereits vor und nicht erst nach Erhebung der öffentlichen Klage auf. Ohne dass dies bisher gesetzlich geregelt wäre, behilft man sich in diesem Fall derzeit - wie dies die Nummer 104 Absatz 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vorsieht - damit, dass der Staatsanwalt das Verfahren in einer Analogie zu § 205 StPO vorläufig einstellt. Diese Verfahrensweise, die in der Praxis seit langer Zeit Übung ist und sich der Sache nach bewährt hat, wird nunmehr im Interesse der Rechtssicherheit gesetzlich festgeschrieben.

§ 154f StPO-E ist anwendbar, wenn die öffentliche Klage noch nicht erhoben oder wieder zurückgenommen wurde. Nach Erhebung der öffentlichen Klage gilt § 205 StPO, unabhängig davon, ob das Hauptverfahren bereits eröffnet wurde. Im vorbereitenden Verfahren kann zum einen die Situation bestehen, dass die Klage nicht erhoben werden kann, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind (z.B. dann, wenn der Beschuldigte noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte). In diesem Fall wird die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen in aller Regel nach § 154f StPO-E zu verfahren haben. Es kann aber auch die Lage bestehen, dass zwar die öffentliche Klage erhoben werden könnte, jedoch erkennbar ist, dass das Hauptverfahren nicht eröffnet oder die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden kann (z.B. weil dem - nach seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren unbekannt verzogenen - Beschuldigten die Anklageschrift nicht zugestellt werden kann oder der Beschuldigte aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage ist, an einer Hauptverhandlung teilzunehmen). In diesen Fällen hat die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob sie die öffentliche Klage erhebt, was etwa deshalb angezeigt sein kann, weil nach § 78c Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 StGB(nur) der gerichtliche Beschluss nach § 205 StPO verjährungsunterbrechende Wirkung hat. Unter anderem aus diesem Grund wurde § 154f StPO-E nicht wie Nummer 104 Absatz 1 RiStBV als "Soll-", sondern wie § 205 StPO als "Kann-"Bestimmung ausgestaltet.

Wie Nummer 104 Absatz 1 RiStBV setzt jedoch auch die vorläufige Einstellung nach § 154f StPO-E voraus, dass die Staatsanwaltschaft zuvor alle eine Aufklärung des Sachverhalts versprechenden Ermittlungen durchgeführt und die benötigten Beweismittel so weit wie nötig gesichert hat.

Zu Nummer 15 (§ 158 Absatz 3 StPO-E)

Der neu eingefügte § 158 Absatz 3 StPO-E dient der Umsetzung des Artikels 11 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI). Nach dessen Unterabsatz 1 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu gewährleisten, dass das Opfer einer in einem anderen Mitgliedstaat begangenen Straftat bei den zuständigen Behörden seines Wohnsitzstaats zumindest dann eine Strafanzeige erstatten kann, wenn es nicht in der Lage war, die Anzeige im Land des Tatorts zu erstatten oder wenn es dies im Fall einer schweren Straftat nicht tun wollte. Artikel 11 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Rahmenbeschlusses bestimmt weiter, dass die zuständige Behörde, bei der die Strafanzeige erstattet wurde, die Anzeige - sofern sie von einer eventuellen eigenen Strafverfolgungskompetenz keinen Gebrauch macht - unverzüglich an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats weiterzuleiten hat, in dem die Tat begangen wurde.

Auch wenn dieser Fall bislang nicht ausdrücklich geregelt ist, kann schon bisher nach § 158 Absatz 1 StPO auch eine im Ausland begangene Tat bei einer dort genannten inländischen Stelle angezeigt werden. Eine bei der Polizei oder dem Amtsgericht erstattete Strafanzeige ist an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, die dann im Rahmen der ihr nach § 160 Absatz 1 StPO obliegenden Prüfungspflicht u. a. festzustellen hat, ob für die Tat nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches das deutsche Strafrecht gilt.

Ist dies nicht der Fall, kann im Bundesgebiet kein Verfahren geführt werden. In Betracht kommt dann, dass der Staat, in dem die Tat angezeigt wurde, gemäß Artikel 21 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen den Staat, in dem die Tat begangen wurde, um Übernahme der Strafverfolgung ersucht oder innerhalb der Europäischen Union die entsprechenden Informationen gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union an die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaats übermittelt. Die Zulässigkeit einer entsprechenden Datenübermittlung ergibt sich dabei aus § 92 Absatz 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG).

Bisher gibt es im deutschen Recht allerdings keine Bestimmung, die regelt, ob und ggf. unter welchen Umständen die deutschen Strafverfolgungsbehörden von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen haben. Dies ist von Seiten der Opferschutzverbände kritisiert worden, die darauf hingewiesen haben, dass in der Praxis kaum entsprechend Artikel 11 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses verfahren werde, weil die Kenntnis des Inhalts des Rahmenbeschlusses wenig verbreitet sei.

Satz 1

Um sicherzustellen, dass künftig in jedem Fall nach den Vorgaben des Rahmenbeschlusses verfahren wird, bestimmt § 158 Absatz 3 Satz 1 StPO-E nunmehr, dass die Staatsanwaltschaft dann, wenn ein im Bundesgebiet wohnhafter Verletzter bei einer deutschen Strafverfolgungsbehörde eine Straftat anzeigt, die (ausschließlich) in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen wurde und die in Deutschland aus bestimmten Gründen nicht verfolgt wird, die Anzeige an die für die Strafverfolgung zuständige Stelle des anderen Mitgliedstaats zu übermitteln hat, wenn der Anzeigende dies beantragt.

Eine solche Übermittlung hat zunächst dann zu erfolgen, wenn das deutsche Strafrecht für die Tat nicht gilt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein in Deutschland wohnhafter Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union in einem anderen Mitgliedstaat Opfer einer Straftat geworden ist und das deutsche Strafrecht auf die Tat auch nicht nach den §§ 5, 6 oder 7 Absatz 2 StGB Anwendung findet.

Regelungsbedürftig ist zudem die Fallkonstellation, in der ein Deutscher, der in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Straftat verletzt wurde, diese Tat (z.B. nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub) anzeigen möchte. Da für diese Fälle nach § 7 Absatz 1 StGB das deutsche Strafrecht gilt, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, ist es zur vollständigen Umsetzung der Vorgaben aus dem Rahmenbeschluss erforderlich, dass eine Übermittlung der Anzeige auch dann erfolgt, wenn die in dem anderen Mitgliedstaat begangene Straftat zwar (auch) dem deutschen Strafrecht unterfällt, die Staatsanwaltschaft jedoch von ihrer Befugnis nach § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO Gebrauch gemacht hat, von der Verfolgung der (ausschließlich) außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Strafprozessordnung begangenen Tat abzusehen. Auch für diese Konstellation wird daher eine Übermittlungspflicht begründet.

Da § 153f StPO die Anwendbarkeit des § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO bei Taten nach den §§ 6 bis 14 des Völkerstrafgesetzbuches bestimmten Modifikationen unterwirft, wird durch den Zusatz am Ende des Satzes 1 klargestellt, dass dieser auch zur Anwendung kommt, wenn das Absehen von der Verfolgung auf § 153f in Verbindung mit § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO beruht.

Satz 1 sieht vor, dass eine Übermittlung nur dann erfolgen muss, wenn der Anzeigende dies ausdrücklich beantragt. Denn im Regelfall dürfte davon auszugehen sein, dass eine Strafanzeige in Deutschland erstattet wird und dass die Tat auch in Deutschland weiter verfolgt werden soll.

Satz 2

Satz 2 sieht zunächst eine Einschränkung der Übermittlungspflicht für den Fall vor, dass sowohl die Begehung der Tat als solche als auch die vom Verletzten bei der Anzeigeerstattung mitgeteilten, für die Verfolgung der Tat wesentlichen Umstände (z.B. der Tatablauf und die zur Verfügung stehenden Beweismittel) der zuständigen ausländischen Strafverfolgungsbehörde bereits bekannt sind. In diesem Fall bedeutete es einen unnötigen Aufwand, wenn die Anzeige trotzdem noch übermittelt werden müsste.

Im Übrigen wird in Satz 2 (lediglich) für den Fall leichter Straftaten von der nach dem Rahmenbeschluss möglichen Einschränkung der Abgabepflicht Gebrauch gemacht, nach der eine Weiterleitungspflicht nur dann besteht, wenn der Anzeigende "nicht in der Lage war, die Tat im anderen Staat anzuzeigen". Wurde z.B. einem Opfer im Ausland einfacher Modeschmuck im Wert von 20 Euro entwendet und hätte es diesen Sachverhalt der örtlichen Polizei in verständlicher Form schildern können, so bestünde keine Verpflichtung der deutschen Staatsanwaltschaft, eine entsprechende in Deutschland erstattete Anzeige an die ausländische Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln. Denn diese Übermittlung kann mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sein, die zu der Schwere der Tat im Einzelfall außer Verhältnis stehen können.

Für den Fall schwerer Straftaten wird dagegen auf Einschränkungen verzichtet. Denn es erscheint grundsätzlich nachvollziehbar, dass derjenige, der im Ausland Opfer einer Straftat geworden ist, zumeist eine gewisse Scheu vor einer Anzeige in einem anderen Staat empfindet, insbesondere wenn ihm dessen Landessprache fremd ist und er dessen Institutionen und deren Aufgaben nicht kennt. Ihm in dem Moment, in dem er durch eine schwere Straftat verletzt wurde, noch eine Entscheidung darüber aufzubürden, ob die angeführten Schwierigkeiten in seinem Fall ein solches Maß erreichen, dass ihm eine Anzeige der Tat vor Ort nicht zuzumuten ist, erschiene unbillig.

Andere Fallgestaltungen Über die von Satz 1 erfassten Fälle der Anzeige von im Ausland begangenen Tat hinaus kommen noch verschiedene weitere Konstellationen in Betracht, in denen nach dem Grundgedanken des Rahmenbeschlusses eine Übermittlung an die ausländische Strafverfolgungsbehörde angezeigt sein kann, bei denen allerdings auch Gründe vorliegen können, die eine Übermittlung als nicht erforderlich erscheinen lassen. Deshalb muss in diesen Fällen - wie schon bisher - die Staatsanwaltschaft unter Beachtung der rechtshilferechtlichen Vorgaben des § 61a Absatz 1 und des § 92 Absatz 1 IRG eine Einzelfallentscheidung darüber treffen, ob eine Abgabe der Anzeige an die ausländische Strafverfolgungsbehörde angebracht ist.

Eine entsprechende Prüfung kann u. a. in den folgenden Fällen angezeigt sein:

Zu Nummer 16 (§ 161a Absatz 2 und 3 StPO-E)

Durch die vorgeschlagene Neufassung erhalten Zeugen, die von staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen nach § 68b Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Satz 1 StPO-E betroffen sind, das Recht, eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung herbeizuführen (§ 161a Absatz 3 Satz 2 StPO-E).

Hierbei wird zudem die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über solche (und andere) staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen im Sinne einer Effektivierung des Rechtsbehelfsverfahrens neu geregelt, indem zukünftig auf die Zuständigkeitsregelung des § 162 StPO verwiesen wird (§ 161a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 StPO-E). Die dadurch ermöglichten zeitnahen Entscheidungen führen auch für die Zeugen zu mehr Rechtssicherheit.

§ 162 Absatz 1 StPO wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) wie folgt neu gefasst: "Erachtet die Staatsanwaltschaft die Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge vor Erhebung der öffentlichen Klage bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat. Hält sie daneben den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls für erforderlich, so kann sie, unbeschadet der §§ 125, 126a, auch einen solchen Antrag bei dem in Satz 1 bezeichneten Gericht stellen. Für gerichtliche Vernehmungen und Augenscheinnahmen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk diese Untersuchungshandlungen vorzunehmen sind, wenn die Staatsanwaltschaft dies zur Beschleunigung des Verfahrens oder zur Vermeidung von Belastungen Betroffener dort beantragt."

Sinn der Neuregelung war eine Konzentration der im vorbereitenden Verfahren erforderlichen Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht am Sitz der antragstellenden Staatsanwaltschaft bzw. deren Zweigstelle, mit der sowohl eine Verfahrensbeschleunigung als auch eine Kompetenzbündelung erreicht werden sollte.

Der Gesetzentwurf des Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts" (BR-Drs. 829/08 (PDF) ) sieht vor, § 162 StPO weiter dahingehend zu ändern, dass dessen Absatz 1 nur dann gilt, wenn Anträge vor Erhebung der öffentlichen Klage gestellt werden; für die übrigen Fälle soll § 162 StPO um folgenden Absatz 3 ergänzt werden: "Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befasst ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Nach einem Antrag auf Wiederaufnahme ist das für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht zuständig."

Nach Verabschiedung dieser Änderung stellt § 162 StPO eine umfassende, sachgerechte und verfahrensökonomische Regelung für alle Fälle dar, in denen bei Ermittlungsmaßnahmen ein Richtervorbehalt besteht, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt (d. h. insbesondere vor oder nach Erhebung der öffentlichen Klage) die Maßnahme erfolgt.

Zu Absatz 2

Satz 2

Aus den vorgenannten Gründen und solchen der Verfahrensvereinheitlichung nimmt § 161a Absatz 2 Satz 2 StPO, der einen Richtervorbehalt für die Verhängung von Ordnungshaft (z.B.) gegen einen nicht zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung erschienenen Zeugen statuiert, künftig für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit § 162

StPO in Bezug. In aller Regel wird die Neufassung dabei nicht zu einer Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit führen. Jedoch ist nunmehr dann, wenn der Antrag auf Festsetzung der Ordnungshaft durch die Zweigstelle einer Staatsanwaltschaft gestellt wird, wie auch in den Fällen des § 162 StPO das Amtsgericht am Sitz der Zweigstelle zuständig.

Vor allem aber ist zukünftig dann, wenn die Festsetzung des Ordnungsgeldes nach Erhebung der öffentlichen Klage beantragt wird, nach § 162 Absatz 3 StPO-E das mit der Hauptsache befasste Gericht zuständig, was wesentlich sinnvoller erscheint als die derzeitige Regelung, nach der das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig ist, auch wenn die Klage zum Landgericht oder einem anderen Amtsgericht erhoben ist.

Zu Absatz 3

Satz 1

Aus den einleitend dargelegten Gründen bietet sich der Regelungsgehalt des § 162 StPO nicht nur für solche Fälle an, in denen die Staatsanwaltschaft aufgrund eines bestehenden Richtervorbehalts (von vornherein) eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen hat, sondern auch dann, wenn sie zwar befugt ist, eine eigene Entscheidung zu fällen, die

Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung jedoch im Wege einer gerichtlichen Entscheidung überprüft werden kann.

Der Fall der gerichtlichen Entscheidung über eine staatsanwaltliche Entscheidung nach § 161a Absatz 2 Satz 1 StPO (bei der es sich z.B. um die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung nicht erschienenen Zeugen handeln kann) ist derzeit in § 161a Absatz 3 StPO in sehr komplexer Art und Weise besonders geregelt. Auf diese Regelung wird von verschiedenen anderen Vorschriften der Strafprozessordnung verwiesen (§ 111l Absatz 6 Satz 1, § 147 Absatz 5 Satz 2, § 163a Absatz 3 Satz 3, § 406e Absatz 4 Satz 2, § 478 Absatz 3 Satz 1 StPO); das Gerichtsverfassungsgesetz enthält besondere Vorschriften zur Zuständigkeit der Gerichte und deren Besetzung in diesen Fällen (§ 73 Absatz 1, § 135 Absatz 2, § 139 Absatz 2 Satz 1 GVG).

Von der Regelzuständigkeit des Landgerichts bestimmt § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 120 Absatz 3 Satz 1 und des § 135 Absatz 2 GVG Ausnahmen. Für das Verfahren gelten nach § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO (nur) einige Vorschriften über das Beschwerdeverfahren entsprechend. In der Gesamtschau erscheinen die vorgenannten Bestimmungen (unnötig) kompliziert, weshalb sie - auch im Interesse einer Vereinheitlichung der von der Strafprozessordnung vorgesehenen Verfahren - vereinfacht werden sollten.

Zudem erscheint die in § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO vorgesehene Zuständigkeit des Landgerichts nicht sachgerecht. Im Vergleich z.B. zu den (nach § 162 StPO vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts zu entscheidenden) Fragen, ob ein Beschuldigter - ggf. monatelang - in Haft genommen oder dessen Telekommunikation überwacht werden darf, stellt sich die Frage, ob z.B. die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 50 Euro rechtmäßig war, als weitaus weniger schwerwiegend dar, weshalb nicht einzusehen ist, warum hierüber von einer mit drei Richtern besetzten Kammer des Landgerichts entschieden werden sollte. Wie oben dargelegt hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit in verschiedenen Bereichen die Kontrolle der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit den Amtsgerichten am Sitz der Staatsanwaltschaft zugewiesen. Der Entwurf schlägt daher vor, diese Linie auch bei gerichtlichen Entscheidungen über staatsanwaltschaftliche Entscheidungen zu verfolgen und deshalb die Zuständigkeit für diese Entscheidung zukünftig (in aller Regel) den Amtsgerichten am Sitz der Staatsanwaltschaft bzw. deren Zweigstelle zu übertragen. Dies kann regelungstechnisch wie in § 161a Absatz 3 StPO-E vorgesehen durch einen einfachen Verweis darauf erfolgen, dass sich die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidungen nach § 162 StPO richtet.

Im Beispielsfall des nicht zur Vernehmung erschienen Zeugen spricht für diese Neuregelung auch, dass sie erforderlich ist, um einen Gleichklang mit der Regelung des § 161a Absatz 2 Satz 2 StPO herzustellen, nach der auch bisher schon die Entscheidung über die Verhängung von Ordnungshaft gegen den Zeugen dem Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft obliegt, während nach § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des von der Staatsanwaltschaft gegen den Zeugen verhängten Ordnungsgeldes das Landgericht zuständig ist.

Zu weitaus sachgerechteren Ergebnissen führt die Neuregelung im Übrigen auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft nach Erhebung der öffentlichen Klage einen Zeugen geladen hat, der dann nicht erschienen ist. Ist die Klage beim Amtsgericht erhoben, müsste nach derzeitiger Rechtslage über die Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldes das Landgericht entscheiden, obwohl das Hauptverfahren beim Amtsgericht anhängig ist. Nach § 161a Absatz 3 StPO-E in Verbindung mit § 162 Absatz 3 StPO-E wäre dagegen zukünftig das mit der Hauptsache befasste Amtsgericht zuständig.

Von wesentlicher Bedeutung ist schließlich, dass durch die Neufassung eine Übereinstimmung mit dem Regelungsgehalt des § 98 Absatz 2 Satz 2 bis 4 StPO hergestellt wird, nach dem für die vom Betroffenen beantragte gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen verfügten Beschlagnahme im vorbereitenden Verfahren das nach § 162 Absatz 1 StPO zuständige und nach Erhebung der öffentlichen Klage das mit der Sache befasste Gericht zuständig ist. Der Zuständigkeitsregelung nach § 98 Absatz 2 Satz 2 bis 4 StPO kommt dabei auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie von Rechtsprechung und Literatur auf zahlreiche weitere gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Fallkonstellationen analog angewandt wird, so z.B. bei gerichtlichen Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit bereits durch Vollzug erledigter Eingriffsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 98, Randnummer 23 m. w. N.). Im Ergebnis erscheint es insoweit sachgerecht, dass dann, wenn wie vorliegend eine im Wesentlichen gleiche Sachlage gegeben ist (hier: gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen), auch gleiche Zuständigkeitsregelungen bestehen.

Letztlich führt die Neuregelung auch in den Fällen zu einer sachgerechten Lösung, in denen das Ermittlungsverfahren Straftaten zum Gegenstand hat, die nach § 120 GVG im ersten Rechtszug zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gehören oder in denen der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führt. Zu diesen bestimmt § 169 Absatz 1 StPO, dass im vorbereitenden Verfahren die dem Richter beim Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch die Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs wahrgenommen werden können. Deshalb ist auch bei dem vorgeschlagenen Verweis auf die Zuständigkeit des amtsgerichtlichen Ermittlungsrichters nach § 162 StPO sichergestellt dass insbesondere bei sicherheitsrelevanten Verfahren statt des amtsgerichtlichen die Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht bzw. Bundesgerichtshof mit der Sache befasst werden können.

Abschließend ist als ein wesentlicher Effekt der Neuregelung festzuhalten, dass durch sie nicht unerhebliche personelle Ressourcen freigesetzt werden, da die gerichtlichen Entscheidungen nach § 161a Absatz 3 StPO (und den zahlreichen Vorschriften, die auf diese Norm verweisen) zukünftig nicht mehr wie bisher durch drei, sondern nur noch einen Richter getroffen werden.

Satz 2

§ 68b Absatz 3 Satz 1 StPO-E bestimmt für die Fälle, in denen den Zeugen belastende Entscheidungen nach § 68b Absatz 1 Satz 3 StPO-E (Ausschluss des anwaltlichen Beistands des Zeugen von dessen Vernehmung wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks) und § 68b Absatz 2 Satz 1 StPO-E (Ablehnung der Beiordnung eines anwaltlichen Beistands für die Zeugenvernehmung) ergehen, aus den in der Begründung zu § 68b StPO-E angeführten Gründen eine Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung.

Soweit die Staatsanwaltschaft in den Fällen staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Vernehmungen (aufgrund des allgemeinen Verweises in § 161a Absatz 1 Satz 2 StPO bzw. der ausdrücklichen Bestimmung des § 163 Absatz 3 Satz 2 StPO-E) befugt ist, die angeführten Entscheidungen selbst zu treffen, erschiene eine Unanfechtbarkeit ihrer Entscheidung mit der Rechtsweggarantie nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes allerdings kaum vereinbar. Deshalb räumt § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO-E dem Zeugen zur Gewährleistung des Rechtsschutzes gegen die bezeichneten staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen die Befugnis ein, eine gerichtliche Entscheidung zu beantragen.

Auch hierbei erweist sich die vorgeschlagene Neuregelung der gerichtlichen Zuständigkeit als hilfreich. Denn die Neuregelung des § 162 StPO verfolgte auch das Ziel, eine bessere Erreichbarkeit der Gerichte insbesondere außerhalb der normalen Geschäftszeiten sicherzustellen; hierzu sollte die Konzentration der Aufgaben des Ermittlungsrichters bei einem Amtsgericht beitragen, weil dann nur dort ein umfassender Bereitschaftsdienst einzurichten war. Ist nunmehr das nach § 162 StPO zuständige Gericht auch für gerichtliche Entscheidungen z.B. über die Ablehnung der Beiordnung eines anwaltlichen Beistands zuständig, so kann im Eilfall dessen Entscheidung wesentlich schneller herbeigeführt werden als die des bisher zuständigen Landgerichts.

Satz 3

Der Regelungsgehalt des Satzes 3 bleibt im Wesentlichen unverändert. Er bestimmt wie schon bisher, dass zahlreiche - insoweit ohne Änderungen übernommene - für das Beschwerdeverfahren geltende Verfahrensvorschriften für das Verfahren, in dem über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beschieden wird, entsprechend gelten.

Da über diese Verweisung auch § 307 StPO entsprechend anwendbar ist, bedeutet dies, dass die Staatsanwaltschaft u. a. im Fall einer Entscheidung nach § 68b StPO, mit der sie einen anwaltlichen Zeugenbeistand von der Vernehmung ausgeschlossen oder die Beiordnung eines Zeugenbeistands abgelehnt hat, die Vernehmung grundsätzlich fortsetzen oder zunächst die Entscheidung des Gerichts abwarten kann. Bei ihrer entsprechenden Ermessensentscheidung wird die Staatsanwaltschaft verschiedene Faktoren zu berücksichtigen haben, insbesondere die Eilbedürftigkeit der Ermittlungen, die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht zu einer anderen Auffassung als sie selbst gelangt und die im konkreten Fall bestehende Bedeutung der anwaltlichen Beistandsleistung für den Zeugen.

Soweit § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO derzeit in Bezug auf die gerichtliche Kostenentscheidung noch die Regelung enthält, dass "die Vorschriften über die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens" entsprechend gelten, wird zukünftig der neu eingeführte § 473a StPO-E für entsprechend anwendbar erklärt, der für gerichtliche Entscheidungen über Anträge, die gegen Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft gerichtet sind, eine auch in der vorliegenden Konstellation sachgerechte Kostentragungsregelung enthält. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage, bei der angenommen wurde, dass § 473 StPO entsprechend gilt (Erb in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 161a, Randnummer 61) dürften nennenswerte Mehrkosten nicht zu erwarten sein, weil dem Antragsteller, dessen Antrag Erfolg beschieden war, auch bisher schon seine notwendigen Auslagen zu erstatten waren (OLG Hamm AnwBl 1980, 167).

Satz 4

Soweit derzeit durch § 161a Absatz 3 Satz 4 StPO bestimmt wird, dass (land-)gerichtliche Entscheidungen über Anträge, die sich gegen staatsanwaltschaftliche Maßregeln nach § 161a Absatz 2 Satz 1 StPO (also z.B. die Auferlegung eines Ordnungsgeldes gegen den zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung nicht erschienenen Zeugen) richten, unanfechtbar sind, wird diese Regelung durch den neuen Satz 4 auch für die entsprechende Entscheidung des nunmehr zuständigen Ermittlungsrichters beim Amtsgericht beibehalten.

Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Gegenstand der Entscheidung, bei dem es sich zumeist um nicht übermäßig hohe Ordnungsgelder handeln wird, auch im Vergleich mit anderen Entscheidungen von ähnlicher Bedeutung in Anbetracht der knappen personellen Ressourcen der Justiz eine weitere, zweitinstanzliche Beschäftigung mit der Angelegenheit nicht rechtfertigt.

Im Einklang mit § 68b Absatz 3 Satz 1 StPO-E, nach dem gerichtliche Entscheidungen nach § 68b Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Satz 1 StPO-E unanfechtbar sind, regelt der zweite Halbsatz des Satzes 2 aus den schon in der Begründung zu § 68b Absatz 3 StPOE dargelegten Gründen, dass die Entscheidungen des nach § 162 StPO zuständigen Gerichts über entsprechende staatsanwaltschaftliche Entscheidungen ebenfalls unanfechtbar sind.

Zu Nummer 17 (§ 163 Absatz 3 StPO-E)

Der neu eingefügte § 163 Absatz 3 StPO-E betrifft vom Gegenstand her den Inhalt des derzeitigen § 163a Absatz 5 StPO, der in der Folge aufgehoben wird. Die Materie wird damit an eine systematisch passendere Stelle verschoben, was ihr Auffinden erleichtert und ihren Inhalt deutlicher zum Tragen kommen lässt. Denn während sowohl bei der richterlichen Vernehmung (§§ 48 ff., 133 ff. StPO) als auch der durch den Staatsanwalt (§§ 161a, 163a Absatz 3 StPO) die Vernehmung des Zeugen vor derjenigen des Beschuldigten geregelt ist, kehrt § 163a Absatz 4 und 5 StPO diese Reihenfolge bei der polizeilichen Vernehmung um. Dies erscheint vor allem auch deshalb misslich, weil § 163a StPO in seinen Absätzen 1 bis 4 ausschließlich die Beschuldigtenvernehmung regelt (und dies auch in allgemeiner Weise und nicht nur auf die polizeiliche Vernehmung beschränkt), so dass die polizeiliche Zeugenvernehmung nicht zu seinem sonstigen Gegenstand passt. Dies zeigt sich u. a. an verschiedenen (nicht amtlichen) Überschriften in Gesetzessammlungen und Kommentaren zu § 163a StPO, die ein Auffinden des vorgenannten Regelungsgegenstands im dortigen Absatz 5 erschweren.

Inhaltlich wird der Kreis der von § 163 Absatz 3 StPO-E in Bezug genommenen Vorschriften aus dem Bereich der richterlichen Zeugenvernehmung, die auch für die polizeiliche Zeugenvernehmung gelten, erweitert. Dies verbessert die Stellung der Zeugen, weil klargestellt wird, dass Zeugen bei einer polizeilichen Vernehmung grundsätzlich dieselben Rechte zustehen wie bei einer richterlichen Vernehmung. Die Erweiterung bringt jedoch auch für die vernehmenden Beamten des Polizeidienstes mehr Rechtsklarheit, weil sie nunmehr die für die polizeiliche Zeugenvernehmung geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen unmittelbar der Strafprozessordnung entnehmen können. Anders als bei der staatsanwaltschaftlichen Zeugenvernehmung, bei der nach § 161a Absatz 1 Satz 2 StPO der gesamte die richterliche Zeugenvernehmung regelnde sechste Abschnitt der Strafprozessordnung grundsätzlich entsprechend gilt, werden von § 163a Absatz 5 StPO bisher nur einige wenige der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des sechsten Abschnitts für entsprechend anwendbar erklärt. Dies wirft die Frage auf, ob und ggf. inwieweit die übrigen Vorschriften bei der polizeilichen Vernehmung ebenfalls zu beachten sind. Hierzu wird in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, dass jedenfalls einige Bestimmungen (insbesondere die §§ 58, 68, 68a und 69 StPO) im Wege einer "allgemeinen Vernehmungsrichtlinie" zu berücksichtigen seien (vgl. Erb in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 163a, Randnummer 87; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 163a, Randnummer 23). Auf diese Art und Weise wird den Vorschriften zwar eine gewisse Beachtung zuteil, verbindliche Regelungen fehlen jedoch. Dies ist vor allem auch deshalb misslich, weil aus der Tatsache, dass einige der verfahrensrechtlichen Vorschriften des sechsten Abschnitts durch § 163a Absatz 5 StPO ausdrücklich für anwendbar erklärt werden, andere (wie z.B. § 58a StPO) jedoch nicht, auch der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass der Gesetzgeber bei letzteren gerade keine entsprechende Regelung beabsichtigt.

Die Regelung entfaltet erhebliche Bedeutung, weil in der Praxis die ganz überwiegende Zahl der Zeugenvernehmungen durch die Polizei durchgeführt wird, während richterliche und staatsanwaltschaftliche Vernehmungen eine eher seltene Ausnahme darstellen. Die insbesondere auch dem Schutz der Zeugen dienenden verfahrensrechtlichen Vorschriften des sechsten Abschnitts erlangen somit nur dann wirklich Bedeutung, wenn sie auch für die polizeiliche Vernehmung gelten.

Satz 1

Im Einzelnen werden nunmehr folgende für die richterliche Zeugenvernehmung geltenden Vorschriften auch für die polizeiliche Vernehmung verbindlich erklärt:

Satz 2

Soweit bei einer polizeilichen Vernehmung über die Beiordnung eines anwaltlichen Beistands nach § 68b Absatz 2 StPO-E zu entscheiden ist, erscheint die Polizei hierfür nicht als die geeignete Stelle, weil diese eine Auswahl nach § 142 Absatz 1 StPO erfordert und mit Kostenfolgen verbunden ist. Diese Entscheidung bleibt daher nach Satz 2 1. Halbsatz der Staatsanwaltschaft vorbehalten, die sie nach § 161a Absatz 1 Satz 2 StPO auch dann trifft, wenn sie die Vernehmung des Zeugen selbst durchführt. Auf diesem Weg erhält die Staatsanwaltschaft zudem Gelegenheit zu prüfen, ob die Vernehmung des Zeugen, bei der offenbar Besonderheiten zu beachten sind, nicht besser durch die Staatsanwaltschaft selbst oder das Gericht erfolgen sollte.

Durch den 2. Halbsatz des Satzes 2 wird klargestellt, dass die übrigen Entscheidungen, die im Rahmen der von Satz 1 in Bezug genommenen Vorschriften bei der richterlichen Zeugenvernehmung vom Richter zu treffen sind, bei polizeilichen Vernehmungen der die Vernehmung leitende Beamte trifft. Diese Klarstellung erscheint vor allem auch deshalb erforderlich, weil nach den in der Begründung zu § 68b Absatz 1 Satz 3 StPO angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Ausschluss eines anwaltlichen Zeugenbeistands gesetzlich geregelt sein muss.

Die Zuständigkeit des vernehmenden Beamten erscheint deshalb sachgerecht, weil dieser bei von ihm durchzuführenden Vernehmung aufgrund seiner aktuellen Kenntnisse der Sachlage und des häufig unmittelbaren Kontakts mit den an der Vernehmung beteiligten Personen in der Regel über die beste Bewertungsgrundlage verfügt.

Satz 3

Satz 3 erklärt für den Fall des nach § 68b Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 163 Absatz 3 Satz 2 2. Halbsatz StPO-E erfolgenden Ausschlusses des Zeugenbeistands von der Vernehmung durch die Polizei § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO-E für entsprechend anwendbar. Dadurch wird klargestellt, dass diese im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung ergangene Entscheidung in gleichem Umfang gerichtlich überprüfbar ist, wie dies bei einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 68b Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 161a Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 StPO-E aus Anlass einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung der Fall ist. Trifft die Staatsanwaltschaft im Rahmen der polizeilichen Vernehmung die ihr gemäß § 163 Absatz 3 Satz 2 1. Halbsatz StPO-E vorbehaltene Entscheidung über die Beiordnung eines Zeugenbeistandes, ist diese gemäß § 161a Absatz 3 Satz 2 StPO-E anfechtbar.

Satz 4

Soweit nach dem derzeitigen § 163a Absatz 5 StPO die Beamten des Polizeidienstes verpflichtet sind, auch Sachverständige über ihre Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte nach § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 StPO zu belehren, wird dies nunmehr durch Satz 4 geregelt.

Satz 5

Satz 5 entspricht inhaltlich dem bisherigen Verweis in § 163a Absatz 5 StPO auf "§ 81c Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 52 Absatz 3". Die Regelung ist nunmehr jedoch Gegenstand eines gesonderten Satzes, weil sie bisher in § 163a Absatz 5 StPO unzutreffend als "Regelung über die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen" bezeichnet wurde, während es sich bei ihr tatsächlich um eine Bestimmung zur Augenscheinseinnahme handelt. Zudem wird durch die neue Fassung klarer als bisher zum Ausdruck gebracht, dass die Belehrungspflicht nach § 52 Absatz 3 StPO nicht nur in den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 2 StPO, sondern auch in denen des dortigen Satz 1 besteht.

Zu Nummer 18 (§ 163a Absatz 3 und 5 StPO-E)

Zu Absatz 3

Satz 3

Es handelt sich um eine weitere Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 163a Absatz 3 Satz 3 StPO verweist bisher mit seinem zweiten Halbsatz für die Fälle, in denen der Beschuldigte eine gerichtliche Entscheidung über die

Rechtmäßigkeit einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Vorführung beantragt, auf die Bestimmungen des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO. Letztere sollen nunmehr entfallen und durch einen Verweis auf die Regelungen des § 162 StPO ersetzt werden. Dementsprechend ist beabsichtigt, auch für die nach § 163a Absatz 3 Satz 3 1. Halbsatz StPO zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen auf die Regelungen des § 162 StPO zu verweisen.

Für diese Änderung sprechen letztlich die gleichen Erwägungen wie diejenigen, die für die Reform des § 161a Absatz 3 StPO-E gelten, so dass wegen der Einzelheiten auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Satz 4

Der neue Satz 4 übernimmt den Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 163a Absatz 3 Satz 3 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO mit den geringfügigen, bereits in der Begründung zu § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO-E erläuterten Modifikationen.

Satz 5

Mit dem neuen Satz 5 wird der Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 163a Absatz 3 Satz 3 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 4 StPO beibehalten, nach dem die gerichtliche Entscheidung über den Antrag, mit dem die Feststellung der Rechtswidrigkeit der staatsanwaltschaftlichen Vorführungsanordnung begehrt wird, unanfechtbar ist. Die Bedeutung der Sache rechtfertigt hier keine weitere gerichtliche Überprüfung.

Zu Absatz 5

Der bisherige Gegenstand des § 163a Absatz 5 StPO wird nunmehr in § 163 Absatz 3 StPO-E geregelt. Zur Begründung wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.

Zu Nummer 19 (§ 201 Absatz 1 StPO-E)

Der neu eingefügte § 201 Absatz 1 Satz 2 StPO-E sieht vor, dass die Anklageschrift, die nach § 201 Absatz 1 StPO dem Angeschuldigten zusammen mit einer Stellungnahmefrist mitzuteilen ist, vom Gericht auch dem Nebenkläger sowie demjenigen Nebenklagebefugten zu übermitteln ist, der eine Übersendung an ihn beantragt hat. Eine solche Verpflichtung des Gerichts besteht derzeit nicht, jedoch wird die Übersendung der Anklageschrift an den Nebenkläger in der Literatur auch derzeit schon als zulässig und zumeist zweckmäßig angesehen (Schneider in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Auflage, § 201, Randnummer 3; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 201, Randnummer 16).

Die bereits im Ermittlungsverfahren erfolgte Erklärung des Anschlusses mit der Nebenklage erlangt nach § 396 Absatz 1 Satz 2 StPO mit der Erhebung der öffentlichen Klage Wirksamkeit. Obwohl der Nebenkläger ab diesem Zeitpunkt Prozessbeteiligter ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 396, Randnummer 13), sieht die Strafprozessordnung eine zwingende Benachrichtigung des Nebenklägers erst mit der Terminsladung nach § 214 Absatz 1 Satz 2 StPO vor. Deshalb erfährt der Nebenkläger in der Praxis (wenn das Gericht nicht zuvor nach § 396 Absatz 2 StPO über die Berechtigung zum Anschluss entschieden hat) häufig erst mit der Ladung zum Hauptverhandlungstermin von der zwischenzeitlich erfolgten Anklageerhebung. Die Anklageschrift erhält er sodann zumeist nur durch eine Akteneinsicht eines anwaltlichen Beistands. In vielen Fällen wird der Nebenkläger erst nach Kenntnis der Anklageschrift sachgerecht zum Verfahren Stellung beziehen und z.B. auf aus seiner Sicht bestehende Unrichtigkeiten der Anklageschrift hinweisen oder Beweisanträge zur Hauptverhandlung stellen können. U. a. weil der wesentliche Teil der Terminsvorbereitung durch das Gericht im Zeitpunkt der Versendung der Ladungen bereits abgeschlossen ist, kann die angemessene Berücksichtigung erst sehr spät erfolgender Anregungen des Nebenklägers für das Gericht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.

Darüber hinaus ist der Inhalt der Anklageschrift, u. a. aufgrund der sich aus ihr ergebenden Bewertung der Sach- und Rechtslage durch die Staatsanwaltschaft, für Nebenkläger und Nebenklagebefugte stets von maßgeblicher Bedeutung. So wird z.B. der Nebenklagebefugte, der im Vorverfahren noch keine Entscheidung über den Anschluss mit der Nebenklage treffen wollte, häufig erst nach Kenntnis der Anklageschrift sachgerecht beurteilen können, ob er sich der Klage anschließen und anwaltlich beraten oder vertreten lassen sollte.

Deshalb sieht der Entwurf vor, dass die Anklageschrift zukünftig bei Zustellung an den Angeschuldigten auch den Nebenklägern und Nebenklagebefugten zu übermitteln ist, letzteren jedoch nur dann, wenn sie dies ausdrücklich beantragt haben. Ein besonderes Formerfordernis für die Übermittlung besteht nicht. Soweit der Nebenkläger oder Nebenklagebefugte anwaltlich vertreten ist, wird auf die Vorschrift des § 145a Absatz 1 und 3 StPO verwiesen, die die Zustellung im Fall des anwaltlich verteidigten Beschuldigten regelt.

Zu Nummer 20 (§ 214 Absatz 1 StPO-E)

Soweit derzeit in § 214 Absatz 1 Satz 2 und 3 StPO geregelt ist, in welchen Fällen Nebenklagebefugte von Hauptverhandlungsterminen zu benachrichtigen sind, wird dies nunmehr durch § 406g Absatz 1 Satz 4 StPO-E bestimmt. Das erscheint sachgerecht, weil § 406g StPO-E auch die übrigen Rechte der Nebenklagebefugten regelt. Zudem wird dadurch auch ein systematischer Zusammenhang mit der Regelung der Ladung des Nebenklägers in § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO-E hergestellt. § 214 Absatz 1 StPO kann damit wesentlich vereinfacht werden. Die bisherigen Sätze 2 bis 4 werden zu einem Satz 2 zusammengefasst; geregelt wird an dieser Stelle jetzt nur noch die formale Veranlassung der Terminsnachrichten, allerdings auch für die in § 397 Absatz 2 Satz 3 und § 406g Absatz 2 Satz 2 StPO-E (neu) geregelten Benachrichtigungen der anwaltlichen Beistände von Nebenklägern und Nebenklagebefugten.

Zu Nummer 21 (§ 243 Absatz 2 StPO-E)

§ 243 Absatz 2 Satz 2 StPO wird aus den gleichen Gründen wie § 58 Absatz 1 Satz 2 StPO aufgehoben. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

Zu Nummer 22 (§ 395 StPO-E)

Die Nebenklage gibt den in § 395 StPO genannten Verletzten eine umfassende Beteiligungsbefugnis am gesamten Verfahren von der Anklageerhebung an. Nebenklägerinnen und Nebenkläger haben die Möglichkeit, aktiv am Verfahren mitzuwirken und durch Erklärungen, Fragen, Anträge und auch Rechtsmittel auf das Verfahren Einfluss zu nehmen.

Kreis und Stellung der Nebenklageberechtigten wurden durch das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496) neu gestaltet.

Dazu wurde zunächst die Nebenklage von der Privatklage entkoppelt, auf die vorher global verwiesen worden war, und ein eigener Katalog der Nebenklageberechtigten in § 395 StPO geschaffen. Seither wird den Opfern überwiegend schwerwiegender Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter als Verfahrensbeteiligten eine besondere Stellung eingeräumt, um ihre speziellen Bedürfnisse besser vertreten zu können. Die Nebenklagebefugnis steht zudem denjenigen zu, die ein Klageerzwingungsverfahren betrieben haben, und deren gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte verletzt wurden.

Der Kreis der Nebenklageberechtigten wurde im Folgenden auf Initiative der Bundesregierung mehrfach erweitert. So dehnten das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 28. Januar 1998 und das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 den Kreis der Nebenklageberechtigten auf Opfer von Menschenhandel und Opfer von bestimmten Fällen des sexuellen Missbrauchs aus. Durch das am 1. September 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz) wurden Straftaten nach dem Gewaltschutzgesetz in den Katalog des § 395 Absatz 1 Nummer 1 StPO mit aufgenommen und Angehörigen eines Getöteten eine Nebenklagebefugnis eingeräumt.

Mit dem am 19. Februar 2005 in Kraft getretenen 37. Strafrechtsänderungsgesetz wurde der Kreis der zur Nebenklage Berechtigten auf weitere Opfer von Menschenhandel und mit dem am 31. März 2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (sogenanntes "Stalking-Gesetz") auf die Opfer des "Stalking" erweitert.

In jüngerer Zeit gab es zwei Initiativen des Bundesrates zur Stärkung des Opferschutzes:

Zum einen hat dieser den "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess" (BT-Drs. 016/7617) und zum anderen den "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"" (BT-Drs. 016/9448) in den Bundestag eingebracht, von denen letzterer zum Ziel hat, den Katalog des § 395 StPO punktuell um Fälle der "Zwangsheirat" zu ergänzen.

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass über die punktuellen Ergänzungen des Bundesrats hinaus eine Neuordnung des § 395 StPO erforderlich ist. Diese soll sich im Grundsatz auf die besonders schutzbedürftigen Opfer konzentrieren. Damit folgt die Bundesregierung Empfehlungen aus Wissenschaft und Praxis.

Schon im Gutachten für den 55. Deutschen Juristentag 1984, der sich schwerpunktmäßig mit den Rechten des Verletzten im Strafverfahren befasste, wurde ausgeführt, dass die Nebenklage vorrangig unmittelbar und ohne problematische Hilfskonstruktionen denjenigen Verletzten offenstehen sollte, die besonders schutzbedürftig sind, vor allem den Opfern schwerwiegender Aggressionsdelikte (Rieß, Gutachten 55. DJT, C 85, Randnummer 123).

Diese Konzeption lag grundsätzlich auch der Schaffung des Opferschutzgesetzes von 1986 zugrunde (vgl. BT-Drs. 010/5305, S. 8 f.). Deshalb wurde hauptsächlich für Verletzte, die durch eine schwere, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtete Straftat verletzt wurden und die nach kriminologischen und viktimologischen Erkenntnissen als besonders schutzbedürftig erscheinen, eine Anschlussberechtigung als Nebenkläger geschaffen (vgl. BT-Drs. 010/5305, S. 11). Ein gesteigertes Bedürfnis, dem Verletzten auch zur Abwehr von Verantwortungszuweisungen durch den Beschuldigten eine gesicherte Rolle als Prozessbeteiligten einzuräumen, bestehe danach insbesondere bei schwerwiegenden, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtete Straftaten wie die gegen die sexuelle Selbstbestimmung (BT-Drs. 010/5305, S. 11).

Diese Orientierung an der Schutzbedürftigkeit des Opfers, insbesondere festgemacht an den Auswirkungen der Tat auf dessen Lebensführung, findet sich auch in den Begründungen zu den dargestellten Reformen und Reformbestrebungen im Bereich der Nebenklage.

Auch aus den derzeitigen rechtspolitischen Diskussionen zu diesen Themen geht hervor, dass sich das Institut der Nebenklage noch konsequenter an der Schutzbedürftigkeit des Opfers orientieren sollte. Diese Schutzbedürftigkeit folgt insbesondere aus der Schwere der gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Straftat sowie an den Folgen der Tat für das Opfer. Dies entspricht auch den Erkenntnissen wissenschaftlicher Untersuchungen, in denen festgestellt wurde, dass es Opferzeugen mit zunehmender Schwere der Verletzung neben der Hilfen für die eigene Krisenbewältigung vor allem um die Möglichkeit des Einflusses auf den Gang der Dinge im Strafverfahren geht (vgl. Kilchling, Opferinteresse und Strafverfolgung, 1995, S. 291).

Auch Opferschutzverbände fordern seit längerer Zeit, weitere Delikte, von denen Verletzte typischerweise besonders schwer betroffen sind, wie beispielsweise Raubdelikte, besonders schwere Fälle der Nötigung und der Erpressung und den schweren Diebstahl mit in den Katalog der Nebenklagedelikte aufzunehmen.

Mit dem vorliegenden Entwurf wird diesen Forderungen weitgehend Rechnung getragen.

Die Berechtigung zur Nebenklage wird deshalb auf besonders betroffener Opfer insbesondere schwerwiegender Aggressionsdelikte ausgedehnt.

Weiterhin zur Nebenklage berechtigt sein sollen die Hinterbliebenen eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten. Diese sind gemessen an der Schwere der Tatfolgen ebenso schutzbedürftig wie die Verletzten einer der genannten Straftaten.

Eine Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger ergibt sich auch aus einem erfolgreich durchgeführten Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Absatz 2 Satz 1 StPO. Einem solchen Verletzten ist grundsätzlich nicht zuzumuten, darauf vertrauen zu müssen, dass die Staatsanwaltschaft im weiteren Verfahren auch seine Interessen beachten und wahrnehmen wird.

Die Anschlussbefugnis bei Verstößen gegen gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht nach dem derzeitigen § 395 Absatz 2 Nummer 2 StPO soll dagegen entfallen. Diese Anschlussbefugnis ist bereits heute fachlicher Kritik aus strafprozessualer Sicht ausgesetzt (Rieß, Zur Beteiligung des Verletzten im Strafverfahren, Festschrift Jung, 2007,S. 757; Ferber, NJW 2004, S. 2563), weil sie "die überholte Verbindung von Privatklage und Nebenklage fortsetzt und heute einer sachlichen Grundlage entbehrt" (Rieß, a. a. O.).

Diese Auffassung überzeugt aus den dargestellten Gründen. Verstöße gegen gewerbliche Schutzrechte sind keine schwerwiegenden Aggressionsdelikte, das Opfer der Verstöße ist nicht in seinen höchstpersönlichen Rechtsgütern verletzt.

Zu Absatz 1

Absatz 1 bleibt im Wesentlichen unverändert und wird lediglich punktuell ergänzt. Zudem wird er zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit umgestaltet. Der in Absatz 1 genannte Personenkreis ist nebenklagebefugt, wenn die Möglichkeit besteht, dass er aufgrund eines dieser Delikte verletzt wurde.

Nummer 1

Erfasst sind die Sexualstraftaten; die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StPO.

Nummer 2

Die Nummer 2 umfasst die Delikte der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Verleumdung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Sie entspricht dem derzeitigen § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO und bleibt aus rechtspolitischen Erwägungen unverändert.

Nummer 3

Die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 2 StPO.

Nummer 4

Die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c StPO.

Nummer 5

Die Vorschrift entspricht weitgehend der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe d StPO. Zusätzlich in den Katalog mit aufgenommen wurden die Delikte des Kinderhandels nach § 236 StGB sowie die Nötigung in besonders schweren Fällen nach § 240 Absatz 4 StGB. Erfasst davon ist - wie auch vom Bundesrat in seiner Initiative der BT-Drs. 016/9448 vorgeschlagen - insbesondere die Zwangsverheiratung, an deren Folgen die Opfer üblicherweise schwer und meist ein Leben lang zu tragen haben.

Auch Nötigungen zu sexuellen Handlungen stellen - ebenso wie die Zwangsverheiratung - ein gegenüber dem Grundtatbestand der Nötigung gesteigertes Unrecht dar, das in besonders schwerwiegender und nachhaltiger Weise die Lebensführung und den höchstpersönlichen Lebensbereich der Geschädigten beeinträchtigt. Da Nötigungen zu sexuellen Handlungen einen Angriff auf den Kernbereich der Persönlichkeit in Gestalt der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers zum Gegenstand haben, stehen sie zudem in unmittelbarer Nähe zum Straftatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 StGB, dessen Opfer nach § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StPO bereits heute zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt sind. Auch die Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch stellt ein gegenüber dem Grundtatbestand der Nötigung gesteigertes Unrecht dar, das in Hinblick auf die Folgen für das Tatopfer von vergleichbarer Schwere ist. Ebenso ist die Nötigung unter Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung als Amtsträger für ein Tatopfer sehr belastend, weil sie zu besonders nachhaltigen Verunsicherungen führen kann.

Nummer 6

Die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe e StPO.

Zu Absatz 2

Zur besseren Übersichtlichkeit und aufgrund der Systematik des Regelungsgegenstandes wurde Absatz 2 umgestaltet.

Nicht aufgenommen in den Katalog des Absatzes 2 wurde die bisherige Regelung des § 395 Absatz 2 Nummer 2 StPO, die Verletzten von gewerblichen Schutzrechten eine Nebenklagebefugnis zugestand. Diese Regelung stammt noch aus der Zeit vor 1986, als sich die Nebenklage als Rechtsinstitut nicht vorrangig an der Schutzbedürftigkeit der Opfer, sondern an der Privatklage orientierte. Sie wurde schon bei Erlass des Opferschutzgesetzes zu Recht an diesem Standort hinterfragt (vgl. BT-Drs. 010/5305, S. 11). Nach der mit diesem Gesetz verfolgten Neujustierung des Instituts der Nebenklage kann die Anschlussbefugnis nicht bestehen bleiben, weil es sich nicht um Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter handelt und das Gewicht der Taten nicht die Schwere der Delikte gegen Leib und Leben erreicht. Auch haben die Opfer dieser Taten in der Regel nicht unter schweren Tatfolgen zu leiden und erscheinen nach viktimologischen Erkenntnissen nicht als besonders schutzbedürftig.

Nummer 1

Die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 2 Nummer 1 StPO.

Nummer 2

Die Vorschrift entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 395 Absatz 1 Nummer 3 StPO.

Zu Absatz 3

Um beim Rechtsinstitut der Nebenklage noch besser als bisher auf die Schutzbedürftigkeit des Opfers im Einzelfall eingehen zu können, wurde der Absatz 3 der Vorschrift umgestaltet.

Es wird ein Auffangtatbestand geschaffen, der insbesondere Opfern von Straftaten, die im Einzelfall als besonders schwerwiegende Delikte einzuordnen sind, eine Anschlussberechtigung als Nebenkläger dann ermöglicht, wenn dies aus besonderen Gründen zur Wahrnehmung ihrer Interessen geboten erscheint. Bei der Frage, ob besondere Gründe vorliegen, wird vor allem auf die Schwere der Tatfolgen für das Opfer abgestellt.

Die Formulierung orientiert sich damit an der Fassung des bisherigen Absatzes 3 des § 395 StPO, der bei einer fahrlässigen Körperverletzung eine Anschlussbefugnis zur Nebenklage vorsieht, wenn dies aus besonderen Gründen, namentlich wegen der schweren Folgen der Tat geboten ist. Nunmehr sollen auch andere Delikte, insbesondere die gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtet sind und bei denen die Opfer als besonders schutzbedürftig erscheinen, die Anschlussberechtigung als Nebenkläger nach sich ziehen, wenn dies aus besonderen Gründen zur Wahrnehmung ihrer Interessen geboten ist.

Besondere Gründe sind insbesondere dann anzuerkennen, wenn schwere Folgen der Tat vorliegen. Schwere Folgen werden insbesondere dann vorliegen, wenn beim Verletzten körperliche oder seelische Schäden mit einem gewissen Grad an Erheblichkeit bereits eingetreten oder zu erwarten sind - dies können Gesundheitsschädigungen, Traumatisierungen oder erhebliche Schockerlebnisse sein. Der Schweregrad der Folgen für das Opfer muss dabei nicht die in § 397a Absatz 1 Nummer 3 StPO-E genannte Schwelle der "schweren körperlichen oder seelischen Schäden" erreichen. Besondere Gründe können zudem wie bisher auch darin liegen, dass das Opfer schwere Schuldzuweisungen abzuwehren hat (vgl. Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 395, Randnummer 18). Ebenso wird durch die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "aus besonderen Gründen zur Wahrnehmung der Interessen geboten" deutlich gemacht, dass bei der Beurteilung, ob die Befugnis zur Nebenklage besteht, auf die Gesamtsituation des Betroffenen abzustellen ist.

Zu Absatz 4

Die bisherige Regelung bleibt unverändert.

Zu Absatz 5

Der neue Absatz 5 entspricht wörtlich dem bisherigen § 397 Absatz 2 StPO. Die derzeitige Vorschrift gehört systematisch zum Gegenstand des § 395 StPO, weil sie bestimmt, wann ein Anschluss als Nebenkläger möglich ist. Sie wird daher - inhaltlich unverändert - als neuer Absatz 5 dem § 395 StPO-E angefügt.

Zu Nummer 23 (§ 397 StPO-E)

Zu Absatz 1

Satz 1

Satz 1 bleibt inhaltlich unverändert, es wird lediglich zur Vereinfachung auf die Worte "nach erfolgtem Anschluss" verzichtet, weil Nebenkläger im Sinne des Satzes 1 ohnehin nur sein kann, wer sich zuvor der öffentlichen Klage angeschlossen hat.

Satz 2

Satz 2 übernimmt inhaltlich die bisherige Regelung aus der Verweisung von § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO auf § 385 Absatz 2 StPO in Verbindung mit § 378 Satz 2 StPO, der wesentliche Regelungsgehalt wird nunmehr jedoch in § 397 StPO unmittelbar wiedergegeben.

Dies dient zum einen der besseren Verständlichkeit, zum anderen erscheinen Verweisungen aus dem Institut der Nebenklage auf das der Privatklage auch insgesamt nicht mehr angebracht, weil sich diese beiden Verfahrensarten mittlerweile - entgegen ihrem ursprünglichen Ansatz - in Inhalt und Ausgestaltung weit voneinander entfernt haben. Wie bisher ergibt sich daraus, dass der Nebenkläger zur Hauptverhandlung zu laden ist, keine Verpflichtung des Nebenklägers zur Teilnahme; insoweit besteht gemäß Satz 1 (lediglich) ein Anwesenheitsrecht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 397, Randnummer 3; Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 397, Randnummer 5).

Satz 3

Die bisherige Regelung bleibt unverändert.

Satz 4

Der Regelungsgehalt des Satzes 4 entspricht der derzeitigen Verweisung aus § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO auf § 385 Absatz 1 Satz 1 StPO. Zu den Gründen für die klarstellende Überführung in § 397 StPO wird auf die Begründung zu Satz 2 verwiesen.

Satz 5

Satz 5 übernimmt aus den bereits angeführten Gründen den Regelungsgegenstand der derzeitigen Inbezugnahme von § 385 Absatz 1 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 378 Satz 2 StPO in § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO unmittelbar in den neuen § 397 Absatz 1 StPO-E.

Zu Absatz 2

Satz 1 und 2

Dass sich der Nebenkläger stets eines anwaltlichen Beistands bedienen kann, ist allgemein anerkannt (vgl. Hilger a. a. O., Randnummer 5). Seine Befugnis, mit dem Beistand zur Hauptverhandlung zu erscheinen oder sich dort durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, ergibt sich derzeit aus der Verweisung in § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO auf § 378 Satz 1 StPO. Mit den Sätzen 1 und 2 wird dies nunmehr zur Klarstellung direkt in § 397 StPO geregelt. Zudem wird damit der aus systematischen Gründen gebotene Gleichklang mit den Vorschriften zur Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands durch Zeugen (§ 68b Absatz 1 StPO-E), Verletzte (§ 406f Absatz 1 StPO-E) und Nebenklagebefugte (§ 406g Absatz 1 StPO-E) hergestellt.

Satz 3

Von einigen Opferschutzverbänden wurde bemängelt, dass es keine gesetzliche Pflicht zur Ladung des Nebenklagevertreters gäbe; dies führe dazu, dass dessen Ladung in der Praxis häufig unterbleibe. Tatsächlich sieht die Strafprozessordnung (im Wege der Verweisung in § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO auf § 385 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 StPO) lediglich eine Ladung des Nebenklägers selbst vor. Zwar wird in den Kommentaren zur Strafprozessordnung (Hilger, a. a. O., Randnummer 5; Meyer-Goßner, a. a. O., Randnummer 8 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, VRS 50, S. 119) die Auffassung vertreten, dass Nebenklagevertreter jedenfalls dann zu laden seien, wenn sie sich zur Akte legitimiert hätten; ein konkreter gesetzlicher Anknüpfungspunkt für diese Ansicht fehlt allerdings.

Die Kritik der Opferschutzverbände ist insoweit berechtigt, als es erforderlich erscheint, den vom Nebenkläger gewählten Vertreter oder den ihm bestellten Beistand selbst von Hauptverhandlungsterminen zu benachrichtigen, wenn er dem Gericht bekannt ist. Bedient sich der Nebenkläger eines Rechtsanwalts oder wird ihm ein solcher bestellt, so folgt daraus (insbesondere im zweiten Fall) regelmäßig, dass er ohne fremde Hilfe mit der Angelegenheit überfordert ist. Es ist für ihn daher von besonderer Bedeutung, dass seine Interessen von einer rechtskundigen Person vertreten werden. Dieser müssen dann aber auch die Termine bekannt sein, in denen die Interessen ihres Mandanten zu vertreten sind. Dies ist nur dann sichergestellt, wenn dem anwaltlichen Beistand selbst eine Terminsmitteilung zugeht. Allein die Mitteilung an den Verletzten reicht hierfür nicht aus, weil dieser nicht selten schon damit überfordert ist, seinen Rechtsanwalt zeitgerecht zu informieren.

Schließlich wird der Verletzte, dem bekannt ist, dass sich sein Rechtsanwalt für ihn bei Gericht gemeldet hat, häufig davon ausgehen, dass auch sein Anwalt vom Termin benachrichtigt wird.

Deshalb schlägt Satz 3 nunmehr vor, dass auch Vertretern und Beiständen von Nebenklägern, soweit sie sich zur Akte legitimiert haben oder vom Gericht bestellt worden sind, eine Terminsnachricht übersandt werden muss. Da schon der Nebenkläger selbst förmlich geladen wird, erschien eine (weitere) förmliche Ladung insoweit nicht erforderlich.

Soweit der zukünftig in Wegfall geratende § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO auch die Bestimmungen des § 385 Absatz 3 StPO zum Akteneinsichtsrecht des Privatklägers für entsprechend anwendbar erklärt hatte, wird das Akteneinsichtsrecht des Nebenklägers nunmehr in § 406e StPO-E geregelt.

Zu Nummer 24 (§ 397a StPO-E)

Regelungsgegenstand des § 397a StPO ist die Bestellung eines Beistands für ausgewählte Nebenkläger unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 (sogenannter "kostenloser Opferanwalt") sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für Nebenkläger unter den Voraussetzungen des Absatzes 2. Diese abgestufte Berechtigung wird mit dem Entwurf beibehalten. Absatz 1 wird dabei inhaltlich neu strukturiert und unter Wahrung der berechtigten Forderungen des Opferschutzes erweitert. Absatz 2 wird den Belangen des hilfsbedürftigen Opfers im Strafverfahren noch besser angepasst. Absatz 3, der verfahrenstechnische Regelungen enthält, wird diesem Regelungsgegenstand entsprechend gefasst und um Regelungen aus dem bisherigen Absatz 1 ergänzt.

Zu Absatz 1

In der derzeitigen Fassung der Vorschrift erschließt sich der Kreis der Nebenkläger, die unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation einen Anspruch auf Bestellung eines Rechtsanwalts haben, aufgrund der vielen Verweise auf § 395 StPO nur relativ mühsam.

Zudem wird insbesondere von Opferschutzverbänden geltend gemacht, dass der Katalog unvollständig sei und dass auch Opfer weiterer schwerwiegender Aggressionsdelikte in den Katalog des § 397a StPO aufzunehmen seien. Vorschläge zur Erweiterung des Katalogs in § 397a Absatz 1 StPO erfolgten auch von Seiten des Bundesrates durch die Gesetzesinitiativen zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess (BT-Drs. 016/7617) und zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking" (BT-Drs. 016/9448). Absatz 1 wurde daher übersichtlicher gestaltet und zudem gegenüber der geltenden Fassung unter Berücksichtigung berechtigter Belange des Opferschutzes sachgerecht erweitert.

Nummer 1

Nummer 1 entspricht der derzeitigen Rechtslage nach § 397a Absatz 1 Satz 1 StPO, soweit dieser auf § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StPO verweist und die Fälle der §§ 232, 233 StGB nennt. Dabei wird auch die Einschränkung beibehalten, dass in den genannten Fällen die zum Anschluss zur Nebenklage berechtigende Tat ein Verbrechen sein muss. Die Vorschrift trägt dem weithin anerkannten Gedanken Rechnung, dass insbesondere für Opfer von Sexualverbrechen, die sich dem Verfahren als Nebenkläger anschließen, ein gesteigertes Bedürfnis besteht, dass ihnen auf Antrag zur rechtlichen Unterstützung im Strafverfahren ein Rechtsanwalt als Beistand zur Seite gestellt wird (vgl. BT-Drs. 013/9542, S. 2). Auch die Opfer des Menschenhandels, insbesondere diejenigen, die Opfer eines Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geworden sind, befinden sich in einer den Opfern allgemeiner Sexualdelikte vergleichbaren Lage.

Nummer 2

Nummer 2 entspricht, soweit die Fälle der versuchten Tötungsdelikte betroffen sind, der derzeitigen Rechtslage, die im geltenden § 397a Absatz 1 Satz 1 StPO u. a. auf die Nummer 2 des § 395 Absatz 1 StPO verweist.

Nummer 3

Die in Nummer 3 genannten Delikte sind in konsequenter Fortführung des Gedankens des Opferschutzes in den Katalog des § 397a Absatz 1 StPO-E mit aufgenommen worden.

Dabei handelt es sich - entsprechend der Wertung nach bisheriger Rechtslage - durchgängig um Verbrechen.

Soweit Fälle der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB genannt werden, wird die Vorschrift gegenüber der bisherigen Rechtslage erweitert. Die schwere Körperverletzung ist ein Verbrechen, das bei den Verletzten schwere Schäden verursacht, von denen sie oftmals ihr Leben lang betroffen sind. Dies rechtfertigt es, den Opfern unter den hier genannten Voraussetzungen die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen im Strafverfahren als Nebenkläger unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen kostenlos anwaltlich vertreten zu lassen. Die Regelung trägt damit berechtigten Interessen des Opferschutzes Rechnung und entspricht sowohl Forderungen von Opferschutzverbänden als auch der Bundesratsinitiative "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess" (BT-Drs. 016/7617).

Soweit Delikte nach den §§ 234, 234a, 235 Absatz 4 StGB mit aufgenommen wurden, so ist dies der Tatsache geschuldet, dass diese Verbrechen (Menschenraub, Verschleppung, besonders schwerer Fall der Entziehung Minderjähriger) sowohl von der Intensität des Einwirkens auf das Opfer als auch von den regelmäßig zu ertragenden Folgen der Tat gleichwertig mit den in § 232 Absatz 3, § 233 Absatz 3 StGB genannten Tatbeständen des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft erscheinen.

Soweit Delikte des beharrlichen Nachstellens (sogenanntes "Stalking") nach § 238 Absatz 3 StGB mit aufgenommen worden sind, sind dies berechtigte Forderungen, die auch den Vorschlägen der Bundesratsinitiative "Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"" (BT-Drs. 016/9448) zur Erweiterung des § 397a Absatz 1 StPO entsprechen.

Soweit auf § 239 Absatz 3, §§ 239a und 239b StGB Bezug genommen wird, so trägt dies den berechtigten Interessen des Opferschutzes Rechnung. Die genannten Verbrechen der schweren Freiheitsberaubung, des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme lösen typischerweise bei den dadurch Verletzten ein erhöhtes Schutzbedürfnis aus, da diese unter den Folgen der Taten oftmals besonders stark zu leiden haben. Im Hinblick auf den erpresserischen Menschenraub und die Geiselnahme entspricht die Aufnahme in den Katalog des § 397a Absatz 1 StPO-E auch den Vorschlägen der Bundesratsinitiative zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess (BT-Drs. 016/7617).

Die Aufnahme der §§ 249, 250, 252, 255 und 316a StGB ist ebenfalls berechtigten Interessen des Opferschutzes geschuldet. Sämtliche genannten Verbrechen sind als schwerwiegende Aggressionsdelikte einzustufen, die typischerweise bei Opfern schwere Folgen auslösen und daher die Schutzbedürftigkeit dieser Verletzten erhöhen. Die Aufnahme dieser Delikte entspricht einer Forderung von Opferschutzverbänden.

Um bei der Gestaltung der Nummer 3 konsequent den Gedanken des Opferschutzes fortzuführen, wurde als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf einen kostenlosen Opferanwalt aufgenommen, dass die Tat beim Nebenkläger zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder voraussichtlich führen wird. Damit soll klargestellt werden, dass nicht jeder Nebenkläger die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand beanspruchen kann, sondern nur derjenige, der besonders schutzbedürftig ist. Die Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus der Schwere des Delikts in Verbindung mit schweren körperlichen oder seelischen Schäden als Folgen der Tat. Insoweit besteht zu § 395 Absatz 3 StPO-E, der die Anschlussbefugnis als Nebenkläger regelt, ein gestuftes Verhältnis:

Zur Gewährung eines kostenlosen Opferanwalts nach § 397a Absatz 1 Nummer 3 StPO-E ist es über die in 395 Absatz 3 StPO-E genannten besonderen Gründe hinaus erforderlich, dass schwere körperliche oder seelische Schäden eingetreten oder zu erwarten sind. Dabei orientiert sich die Regelung vor allem am Schweregrad der in §§ 226 und 239 Absatz 3 Nummer 2 StGB genannten Folgen der Tat, d. h. es muss in körperlicher Hinsicht eine schwere bzw. erhebliche und dauerhafte Gesundheitsschädigung eingetreten oder zu erwarten sein, in psychischer Hinsicht eine erhebliche Schädigung von ebensolchem Gewicht. Klargestellt wird damit zugleich, dass es für die Bestellung eines Opferanwalts auf eine Schädigung in finanzieller Hinsicht nicht ankommen soll.

Nummer 4

Nummer 4 entspricht dem derzeit nach § 397a Absatz 1 Satz 2 StPO geltenden Recht, soweit er einen erweiterten Anspruch auf Bestellung eines Opferanwalts für Kinder, Jugendliche und die Personen vorsieht, die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können, und soweit auf Delikte nach den §§ 174 bis 182, 225 und §§ 232 bis 233a StGB Bezug genommen wird. Die bisherige Schutzaltersgrenze von 16 Jahren wurde dabei aus den in der Begründung zu Nummer 32 dargestellten Erwägungen auf 18 Jahre angehoben. Das bedeutet, dass künftig auch die Jugendlichen einen Anspruch auf anwaltlichen Beistand nach dieser Vorschrift haben, die zur Zeit der Antragstellung auf Beiordnung des Rechtsanwalts das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Neu aufgenommen wird für die genannten Personengruppen ein Anspruch auf einen kostenlosen Opferanwalt, wenn sie durch ein Delikt nach den §§ 221 und 240 Absatz 4 StGB (Aussetzung sowie Nötigung in besonders schweren Fällen) verletzt sind. Die Aufnahme der Aussetzung nach § 221 StGB in den Katalog des § 397a Absatz 1 StPO-E erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund, dass für den Schutz von Kindern und Jugendlichen - gerade auch in Anbetracht verschiedener in letzter Zeit bekannt gewordener Fälle der Vernachlässigung von Kindern - ein deutliches Zeichen gesetzt werden soll. Kinder und Jugendliche sind besonders gegen Vernachlässigungen durch die Personen, die für ihre Sorge verantwortlich sind, zu schützen. Ihnen ist daher auch im Bereich der Nebenklage eine gesicherte Rechtsposition ohne Prüfung ihrer wirtschaftlichen Lage zuzubilligen.

Die Nötigung in einem besonders schweren Fall nach § 240 Absatz 4 StGB erfasst neben der Zwangsverheiratung unter anderem auch die Fälle der Nötigung zu einer sexuellen Handlung und die Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch. Gerade in diesem Bereich sind Kinder und Jugendliche besonders schutzbedürftig. Die Nötigung zur Eingehung der Ehe beeinträchtigt nachhaltig und dauerhaft die persönliche Lebensführung und stellt insbesondere für Kinder und Jugendliche eine schwerwiegende Beeinträchtigung nicht nur ihrer sexuellen Selbstbestimmung dar. Daneben dürften insbesondere die Opfer von Zwangsverheiratungen regelmäßig auch unter den Personenkreis der Verletzten fallen, die ihre Interessen ersichtlich nicht selbst ausreichend wahrnehmen können. Nach dem Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sind in erster Linie Mädchen und junge Frauen aus Familien mit Migrationshintergrund von Zwangsverheiratungen betroffen (BT-Drs. 016/6584, S. 9). In diesen Fällen liegt es zumeist auf der Hand, dass die Opfer ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können.

Nötigungen zu sexuellen Handlungen haben einen Angriff auf den Kernbereich der Persönlichkeit in Gestalt der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers zum Gegenstand.

Damit stehen sie in unmittelbarer Nähe zum Straftatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 StGB, dessen jugendlichen und besonders schutzbedürftigen Opfern nach dem geltenden § 397a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StPO bereits heute ein Anspruch auf Bestellung eines kostenlosen Opferanwalts zusteht. Von vergleichbarer Schwere sind die beiden anderen in § 240 Absatz 4 StGB genannten Regelbeispiele. Zu einem Schwangerschaftsabbruch genötigt worden zu sein, ist für Kinder und Jugendliche besonders belastend. Denn für sie stellt eine Schwangerschaft ohnehin zumeist eine schwierige Situation dar, so dass es in diesen Fällen besonders verwerflich erscheint, wenn die Schwangere rechtswidrig zur Abtreibung gedrängt wird. Auch die Nötigung unter Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung als Amtsträger ist für Kinder und Jugendliche besonders belastend. Es kann zu erheblichen Vertrauensverlusten führen, wenn ein Amtsträger als Autoritätsperson seine Stellung dazu missbraucht, Kinder oder Jugendliche zu nötigen.

Zu Absatz 2

Absatz 2 trägt den Belangen der Opfer im Strafverfahren in gebotenem Umfang Rechnung.

Satz 1

Berechtigten Forderungen von Opferschutzverbänden entsprechend wurde das Merkmal "Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage" gestrichen. Das Merkmal entsprach der Formulierung in § 140 Absatz 2 StPO, der die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung für den Beschuldigten regelt. Eine Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage liegt in der Regel dann vor, wenn aus Sicht des Nebenklägers der Sachverhalt umfangreich, verwickelt oder schwierig zu klären ist, eine Begutachtung durch Sachverständige notwendig erscheint, die Bewertung des Sachverhalts Spezialkenntnisse erfordert, Beweisanträge durch den Nebenkläger gestellt werden müssen oder komplizierte bzw. umstrittene Rechtsfragen (z.B. zu Maßnahmen, die den persönlichen Lebensbereich des Nebenklägers betreffen, zum Ausschluss der Öffentlichkeit oder zur Entfernung des Beschuldigten) zu entscheiden sind (Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 397a, Randnummer 9). In der Praxis hat diese Regelung jedoch zu Unbilligkeiten geführt.

Denn auch in einfach gelagerten Fällen, in denen gleichwohl der Nebenkläger seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist - zum Beispiel, weil er an schweren Folgen der Tat zu tragen hat -, sollte bei Bedürftigkeit ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe gegeben sein. Die vorgeschlagene Fassung der Vorschrift stellt daher nur noch darauf ab, ob der Nebenkläger in der Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen und ihm dies auch zuzumuten ist.

Gleichwohl wird auch zukünftig bei schwieriger Sach- oder Rechtslage in aller Regel ein Anspruch des bedürftigen Nebenklägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bestehen, denn in diesen Fällen dürfte er seine Interessen ohne anwaltlichen Beistand zumeist nicht ausreichend wahrnehmen können.

Satz 2

Der Verweis auf Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) ist den dort inzwischen erfolgten Rechtsänderungen in § 114 ZPO anzupassen.

Zu Absatz 3

Absatz 3 bündelt verfahrenstechnische Regelungen. Diese wurden zum Teil wörtlich dem bisherigen Absätzen 1 und 3 entnommen.

Satz 1 Satz 1 entspricht inhaltlich den Regelungen aus Satz 3 des bisherigen Absatzes 1 und Satz 3 des derzeitigen Absatzes 2. Diese wurden zusammengefasst und dem Regelungsgegenstand des neuen Absatzes 3 entsprechend in dessen Satz 1 verschoben.

Satz 2 Satz 2 beinhaltet zum einen die Regelungen aus Satz 4 des bisherigen Absatzes 1 und Satz 3 des bisherigen Absatzes 2 zur Auswahl des anwaltlichen Beistands. Diese wurden mit dem bisherigen Satz 1 des Absatzes 3, der bestimmt, wer über die Bestellung des Rechtsanwalts und über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidet, zu einem Satz zusammengeführt. Dabei wurde die Entscheidungsbefugnis, die bisher beim Gericht lag, auf dessen Vorsitzenden übertragen. Dies entspricht der Regelung des § 141 Absatz 4 StPO, die für den vergleichbaren Fall der Bestellung eines Pflichtverteidigers ebenfalls eine Zuständigkeit des Vorsitzenden bestimmt. Zudem dient die Änderung der Vereinfachung und damit auch Beschleunigung des Verfahrens.

Satz 3 Satz 3 entspricht wörtlich der bisherigen Regelung des bisherigen Satz 2 des Absatzes 3.

Zu Nummer 25 ( § 406d Absatz 2 StPO)

§ 406d StPO wurde mit dem am 1. September 2004 in Kraft getretenen Opferrechtsreformgesetz eingeführt und regelt die Befugnis des Verletzten, bestimmte Informationen zu erhalten, die für ihn besonders wichtig sind, wie z.B. die Information, ob der Beschuldigte zu einer Haftstrafe verurteilt oder aus der Haft entlassen wurde. Soweit der Verletzte nach § 406d Absatz 2 Nummer 2 StPO grundsätzlich ein berechtigtes Interesse am Erhalt der dort bezeichneten Informationen darlegen muss, entfällt diese Pflicht für einige nebenklageberechtigte Verletzte, die durch eine Bezugnahme auf einzelne Fällen des § 395 StPO näher bestimmt werden. In diesen Fällen geht das berechtigte Interesse des Verletzten am Erhalt der Informationen stets dem Interesse des Beschuldigten oder Verurteilten vor.

Da § 395 StPO mit diesem Gesetzentwurf umgestaltet wurde, ist als Folgeänderung auch eine Anpassung des § 406d StPO erforderlich. Da die nach § 395 Absatz 1 StPO-E zur Nebenklage berechtigten Verletzten nach der Konzeption des Gesetzentwurfs bereits aufgrund des angeklagten Delikts als besonders schutzbedürftig gelten und insoweit keine weiteren Darlegungen durch die Verletzten erforderlich sind, kann bei dieser Personengruppe - wie dies im Grundsatz auch der derzeitigen Regelung entspricht - auch ohne besondere Darlegung von einem berechtigten Interesses am Erhalt der in der Vorschrift genannten Informationen ausgegangen werden. Eine Ausnahme besteht insoweit - wie auch schon im geltenden Recht, das in § 406d Absatz 2 Nummer 2 StPO den Fall des § 395 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO nicht in Bezug nimmt - in Bezug auf die Beleidigungsdelikte, weil diese keine Gewaltdelikte darstellen und deshalb ein berechtigtes Interesse nicht generell unterstellt werden kann.

Bei den Verletzten, die nach § 395 Absatz 3 StPO-E zur Nebenklage berechtigt sind, kann die besondere Schutzbedürftigkeit ab dem Zeitpunkt ihrer Zulassung als Nebenkläger vorausgesetzt werden. Nach dem Zeitpunkt der Zulassung sind diese Fälle mit denen des § 395 Absatz 1 StPO-E vergleichbar. Durch die Zulassung als Nebenkläger kann davon ausgegangen werden, dass ein berechtigtes Interesse dieser Verletzten am Erhalt der Informationen vorliegt und dass dieses höher wiegt als das eventuelle Interesse des Beschuldigten oder Verurteilten am Ausschluss der Mitteilung.

Zu Nummer 26 (§ 406e StPO-E)

Das Akteneinsichtsrecht der Verletzten, Nebenklagebefugten und Nebenkläger soll zukünftig gemeinsam in § 406e StPO-E geregelt werden. Dies dient der besseren Verständlichkeit und beseitigt bestehende Auslegungsschwierigkeiten So wird die schwer nachvollziehbare Aufsplittung vermieden, die bisher dadurch gegeben ist, dass das Akteneinsichtsrecht der Verletzten und Nebenklagebefugten Gegenstand des § 406e StPO ist, das Akteneinsichtsrecht der Nebenkläger jedoch durch die in § 397 Absatz 1 Satz 2 StPO enthaltene Verweisung auf die für Privatkläger geltende Bestimmung des § 385 Absatz 3 StPO geregelt ist, wobei jener in seinem Satz 2 wiederum die Regelungen des § 147 Absatz 4 und 7 StPO zum Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten und des § 477 Absatz 5 StPO zur Verwendung der erlangten Daten in Bezug nimmt. Die derzeitige Lage ist u. a. deshalb problematisch, weil Nebenkläger jedenfalls dem Wortlaut nach auch Verletzte im Sinne des § 406e Absatz 1 Satz 1 StPO und Nebenklagebefugte im Sinne des § 406e Absatz 1 Satz 2 StPO sind und die Norm des § 385 Absatz 3 StPO bestimmte Konstellationen, die Gegenstand der Vorschriften der §§ 147 und 406e StPO sind, nicht regelt. Denn hieraus ergibt sich die Frage, ob zur Ausfüllung der Regelungslücken Teile des § 406e StPO analog anwendbar sind, was in der Literatur für einige Inhalte bejaht, für andere (wie z.B. die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts bei anderenfalls drohender Gefährdung des Ermittlungserfolgs) jedoch verneint wird (vgl. Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 397, Randnummer 6).

§ 406e Absatz 1 StPO bleibt unverändert. Da Nebenkläger zu dem von § 406e Absatz 1 Satz 2 StPO erfassten Personenkreis gehören, entspricht die Rechtslage für sie inhaltlich der derzeitigen Regelung aus der Verweisung von § 397 Absatz 1 Satz 2 auf § 385 Absatz 3 Satz 1 StPO. Soweit derzeit für Nebenkläger über die Verweisungskette der § 397 Absatz 1 Satz 2, § 385 Absatz 3 Satz 2 StPO die § 147 Absatz 4 und 5, § 477 Absatz 5 StPO anwendbar sind, entspricht deren Inhalt weitgehend den (unverändert bleibenden) Absätzen 3, 5 und 6 des § 406e StPO, so dass sich auch insoweit keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Zu Absatz 2

Bisher ist für Nebenkläger nicht ausdrücklich geregelt, ob ihnen das Akteneinsichtsrecht insbesondere wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks versagt werden kann. Eine derartige Beschränkung beinhaltet § 147 Absatz 2 StPO für das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind; § 406e Absatz 2 StPO sieht es bei Verletzten für das gesamte Verfahren vor. Durch den neuen § 406e Absatz 2 Satz 2 StPO-E wird nunmehr für Nebenkläger bestimmt, dass ihnen vor Abschluss der Ermittlungen die Akteneinsicht aus denselben Gründen wie anderen Verletzten (Gefährdung des Untersuchungserfolgs, überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten, erhebliche Verfahrensverzögerung) versagt werden kann, sie jedoch nach Erhebung der öffentlichen Klage ein dem Recht des Angeschuldigten entsprechendes uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht haben. Dies erscheint sachgerecht, weil die prozessuale Stellung des Nebenklägers im Vorverfahren der des Verletzten entspricht (der bereits im Ermittlungsverfahren erklärte Anschluss mit der Nebenklage wird nach § 396 Absatz 1 Satz 2 StPO erst mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam). Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist der Nebenkläger jedoch Prozessbeteiligter, so dass ihm zur Wahrnehmung seiner Interessen ebenso wie dem Angeschuldigten ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht zustehen muss.

Im Ergebnis erscheint es dabei - wie es durch § 406e Absatz 2 Satz 2 StPO-E geschieht und es auch der Regelung in § 406e Absatz 1 Satz 2 StPO entspricht - sachgerecht, den Nebenklagebefugten dem Nebenkläger gleichzustellen. Die den Nebenklagebefugten betreffende Norm des § 406g StPO wurde vor allem deshalb eingeführt, um demjenigen, der sich an dem Verfahren zwar nicht als Nebenkläger beteiligen will, jedoch einzelne dem Nebenkläger zustehende Rechte in Anspruch nehmen will (wie in § 406g StPO insbesondere das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung), nicht dazu zu "zwingen", nur zur Wahrnehmung einzelner Rechte den Anschluss mit der Nebenklage zu erklären.

Dieser Gedanke ist auch auf das Akteneinsichtsrecht übertragbar.

Zu Absatz 4

Satz 2

Es handelt sich um eine weitere Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 406e Absatz 4 Satz 2 StPO verweist bisher für die Fälle, in denen der Verletzte einer Straftat gegen eine nach § 406e Absatz 4 Satz 1 StPO erfolgte Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidung beantragt, auf die Bestimmungen des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO. Letztere sollen nunmehr entfallen und durch einen Verweis auf die Regelungen des § 162 StPO ersetzt werden.

Dementsprechend ist beabsichtigt, auch für die nach § 147 Absatz 4 Satz 2 StPO zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen auf die Regelungen des § 162 StPO zu verweisen.

Für diese Änderung sprechen letztlich die gleichen Erwägungen wie diejenigen, die für die Reform des § 161a Absatz 3 StPO-E gelten, so dass wegen der Einzelheiten auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Satz 3

Der neue Satz 3 übernimmt den Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 406e Absatz 4 Satz 2 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO mit den geringfügigen, bereits in der Begründung zu § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO-E erläuterten Modifikationen.

Satz 4

Der neu eingefügte Satz 4 bestimmt, in welchen Fällen die gerichtliche Entscheidung über die Versagung der Akteneinsicht anfechtbar ist. Dies ist zukünftig dann der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen hat. Mit der Neuregelung soll ein angemessener Ausgleich der Interessen des Verletzten an einer Akteneinsicht, des Beschuldigten an der Wahrung seiner schutzwürdigen Interessen und der Justizbehörden an einer verfahrensökonomischen Ausgestaltung des Strafprozesses erreicht und das Akteneinsichtsrecht des Verletzten zudem möglichst weitgehend dem des Beschuldigten angeglichen werden.

Bisher kann der Verletzte, dem im vorbereitenden Verfahren von der Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht versagt wird, hiergegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, über den das Landgericht unanfechtbar entscheidet (§ 406e Absatz 4 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO). Dies bleibt nach der Neuregelung im Wesentlichen unverändert; allerdings entscheidet nunmehr nach § 406e Absatz 4 Satz 2 StPO-E der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht. Eine Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung erschiene in diesem Stadium nicht angebracht: zum einen steht dem Beschuldigten zu dieser Zeit nur in Ausnahmefällen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu (§ 147 Absatz 5 Satz 2 StPO); zudem kommt dem Interesse an einer möglichst zügigen Aufklärung des Sachverhalts besondere Bedeutung zu.

Für die Zeit während des Hauptverfahrens bestimmt bisher § 406e Absatz 4 Satz 3 StPO, dass die Entscheidung des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts unanfechtbar ist. Diese Wertung erscheint jedoch im Ergebnis - insbesondere auch im Lichte dessen, dass § 406e StPO-E auch das Akteneinsichtsrecht der Nebenkläger und Nebenklagebefugten regelt - nicht mehr sachgerecht. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch der Beschuldigte nach Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Versagung der Akteneinsicht durch das Gericht Beschwerde nach den §§ 304 ff. StPO erheben kann (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 147, Randnummer 41). Zudem ist die Akteneinsicht nicht nur für die Nebenkläger als Prozessbeteiligte, die Nebenklagebefugten und solche Verletzte von erheblicher Bedeutung, die im Strafverfahren einen Anspruch im Wege der Adhäsion geltend machen wollen, sondern beispielsweise auch für solche Verletzte, die sich als nebenklagebefugt ansehen, bei denen aber das Gericht die Voraussetzungen des § 395 StPO nicht als gegeben angesehen hat. Könnte in diesen Fällen das gleiche Gericht unanfechtbar auch die Gewährung der Akteneinsicht ablehnen, könnte es leicht zu einer kaum zu rechtfertigenden Beschränkung der Rechte dieser Verletzten kommen. Im Ergebnis soll die Regelung des § 406 Absatz 4 Satz 3 StPO daher entfallen, so dass zukünftig auch Verletzte gegen die Ablehnung der Akteneinsicht durch das mit der Sache befasste Gericht Beschwerde nach den §§ 304 ff. StPO erheben können.

Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens sowie nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens gilt bisher dieselbe Rechtslage, die bereits für das vorbereitende Verfahren dargestellt wurde. Anders als nach der derzeitigen Regelung (und auch der neuen für die Zeit des Ermittlungsverfahrens vorgesehenen) sieht der Entwurf für dieses Stadium keine Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Ermittlungsrichters über die von der Staatsanwaltschaft versagte Akteneinsicht vor. Dies begründet sich daraus, dass in diesem Zeitpunkt dem oben dargestellten Aspekt der Verfahrensbeschleunigung keine Bedeutung mehr zukommt, so dass es angezeigt ist, dem Verletzten in Anbetracht der erheblichen Bedeutung, die die Akteneinsicht für ihn z.B. bei der Verfolgung von Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüchen haben kann, die von § 304 StPO gegen erstinstanzliche Entscheidungen grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit der Beschwerde zu belassen und diese nicht durch eine Sonderregelung auszuschließen. Besondere Belastungen der Länderhaushalte sind damit nicht verbunden, weil abgesehen davon, dass die Zahl der Anwendungsfälle nicht besonders hoch sein dürfte, der Verletzte, dessen Beschwerde zurückgewiesen wird, die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Zu Absatz 7

Durch den neu eingefügten Absatz 7 wird - entsprechend der Intention, das Akteneinsichtsrecht aller Nebenkläger und Nebenklagebefugten in einem Paragraphen zu regeln, ebenfalls in § 406e StPO-E - gewährleistet, dass denjenigen Angehörigen der Opfer von Tötungsdelikten, die nach § 395 Absatz 2 Nummer 1 StPO-E nebenklagebefugt sind, dieselben Akteneinsichtsrechte zustehen wie den durch die Straftat selbst verletzten Nebenklägern und Nebenklagebefugten.

Zu Nummer 27 (§ 406f StPO-E)

Zu Absatz 1

Satz 1 entspricht dem derzeitigen § 406f Absatz 1 StPO und wird lediglich geschlechtergerecht formuliert. Zudem wurde auf den Zusatz "im Strafverfahren" verzichtet, der in Anbetracht dessen, dass sich die Strafprozessordnung insgesamt (nur) auf das Strafverfahren bezieht, entbehrlich erscheint.

Satz 2 entspricht dem bisherigen § 406f Absatz 2 Satz 1 StPO, dehnt die Anwesenheitsbefugnis des Rechtsanwalts von Verletzten jedoch - analog zu der (Neu-)Regelung des für den anwaltlichen Beistand von Zeugen geltenden § 68b Absatz 1 StPO-E - auch auf die polizeiliche Vernehmung aus. Den hierfür bei § 68b StPO-E angeführten Gründen kommt bei der zeugenschaftlichen Vernehmung von Verletzten aufgrund deren besonderer Schutzbedürftigkeit noch stärkere Geltung zu.

Ebenso wie bei der Zeugenvernehmung und wie auch schon nach derzeitiger Rechtslage bei der Vernehmung des Verletzten (vgl. dazu Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 406f, Randnummer 3) besteht allerdings kein Recht des Rechtsanwalts, für Verletzte Fragen zu beantworten, die diesen in ihrer Eigenschaft als Zeugen gestellt werden.

Im Übrigen ist der Rechtsanwalt jedoch berechtigt, für die Verletzten von allen Befugnissen Gebrauch zu machen, die jenen auch zustehen. So kann er neben den derzeit in § 406f Absatz 2 Satz 2 StPO angeführten Befugnissen z.B. Maßnahmen nach den §§ 58a, 168e, 247, 247a, 255a StPO beantragen (vgl. hierzu Hilger, a. a. O., Randnummer 4). Da es weder möglich noch erforderlich erscheint, diese Befugnisse alle einzeln und abschließend aufzuzählen, wird in der Neufassung darauf verzichtet, die - einzelne Rechte herausgreifende - Bestimmung des § 406f Absatz 2 Satz 2 StPO zu übernehmen. Letztere war in das Opferschutzgesetz von 1986 vor allem auch deshalb aufgenommen worden, um klarzustellen, dass das damals ebenfalls neu eingeführte Recht aus § 171b GVG auch dem Rechtsanwalt zusteht (vgl. BT-Drs. 010/5305, S. 19). Abgesehen davon, dass die damals beabsichtigte Klarstellung heute an Aktualität verloren hat, ist auch zu berücksichtigen, dass der derzeitige § 406 Absatz 2 Satz 2 StPO nicht als beispielhafte Aufzählung ausgestaltet ist, so dass aus ihm ohne Kenntnis der Hintergründe seiner Einführung der - unzutreffende - Umkehrschluss gezogen werden könnte, dass dem Rechtsanwalt andere Befugnisse nicht zustehen. Der Verzicht auf die Vorschrift dient somit nicht nur einer Vereinfachung und besseren Verständlichkeit der Norm, sondern auch der Vermeidung dieses Umkehrschlusses. An der Rechtslage, insbesondere beim Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG, ändert sich dadurch nichts: Der Rechtsanwalt kann für den Verletzten grundsätzlich einen solchen Antrag stellen, allerdings geht der Wille des Verletzten - wie bereits § 171b Absatz 1 Satz 2 GVG klarstellt - stets vor.

Zu Absatz 2

Absatz 2 entspricht dem bisherigen § 406f Absatz 3 StPO mit lediglich redaktionellen Änderungen, die das Ziel einer geschlechtergerechten Sprache und des Gleichklangs mit vergleichbaren Bestimmungen verfolgen. Ist der Vertrauensperson die Anwesenheit gestattet, gilt dies auch dann, wenn in der Hauptverhandlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.

Zu Nummer 28 (§ 406g Absatz 1 bis 3 StPO-E)

§ 406g StPO enthält einen Katalog von Rechten für Personen, die nach § 395 Absatz 1 bis 3 StPO grundsätzlich befugt wären, sich mit der Nebenklage der erhobenen öffentlichen Klage anzuschließen, dies jedoch (noch) nicht getan haben (sei es, weil sie es mangels bereits erhobener öffentlicher Klage noch nicht konnten oder weil sie es aus sonstigen Gründen nicht wollten). In der derzeitigen Fassung erschließt sich der Gegenstand des § 406g StPO - insbesondere in der Abgrenzung zu den Rechten der Nebenkläger nach § 397 StPO und denen aller Verletzter nach § 406f StPO - allerdings nur relativ mühsam. Um eine bessere Verständlichkeit zu erlangen, wurden deshalb die Absätze 1 und 2 des § 406g StPO inhaltlich neu strukturiert: Absatz 1 bestimmt nunmehr die Rechte, die den Nebenklagebefugten selbst zustehen;

Absatz 2 bestimmt die Befugnisse des Rechtsanwalts, der von der nebenklagebefugten Person als Beistand hinzugezogen oder von ihr mit ihrer Vertretung beauftragt wurde.

Zudem werden - ebenfalls im Sinne größerer Klarheit und Übersichtlichkeit - die gegenüber diesen Personen bestehenden Benachrichtigungspflichten (die derzeit hauptsächlich in § 214 Absatz 1 StPO, zum Teil jedoch auch gar nicht geregelt sind) direkt in § 406g StPO-E verankert. Dieser Standort erscheint dabei auch deshalb angebracht, weil die entsprechenden gegenüber dem Nebenkläger und dessen Rechtsanwalt bestehenden Mitteilungspflichten in § 397 StPO geregelt sind.

Zu Absatz 1

Satz 1

Satz 1 entspricht inhaltlich dem derzeitigen § 406g Absatz 1 Satz 2 StPO. Er wurde an den Anfang der Vorschrift gestellt, um den Aufbau des § 406g StPO entsprechend demjenigen der (ähnliche Sachverhalte betreffenden) §§ 68b und 406f StPO-E zu gestalten und in den Sätzen 2 bis 4 ein unmittelbares Aufeinanderfolgen der Bestimmungen zu ermöglichen, die sich auf die Teilnahme der Nebenklagebefugten an der Hauptverhandlung beziehen.

Satz 2

Satz 2 entspricht dem bisherigen § 406g Absatz 1 Satz 1 StPO, der jedoch um den Regelungsgegenstand der derzeitigen § 58 Absatz 1 Satz 2 und § 243 Absatz 2 Satz 2 StPO ergänzt wird. Danach geht das Recht der Nebenklagebefugten (ebenso wie das der Nebenkläger), an der gesamten Hauptverhandlung teilzunehmen, den Regelungen des § 58 Absatz 1 Satz 1 und des § 243 Absatz 2 Satz 1 StPO vor, nach denen Zeugen grundsätzlich in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen sind. Wie bei der Nebenklage in § 397 Absatz 1 Satz 1 StPO wird dies nunmehr direkt in der die Rechte der Nebenklagebefugten bestimmenden Vorschrift geregelt, zumal dies auch systematisch passender erscheint.

Satz 3

Der Inhalt des § 406g Absatz 1 Satz 3 StPO bleibt im Ergebnis unverändert. Bei den Fällen, in denen es zweifelhaft sein kann, ob eine Person nebenklagebefugt ist, wird es sich in aller Regel um solche handeln, bei denen sich die Nebenklagebefugnis nach § 395 Absatz 3 StPO bestimmt und bei denen deshalb eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen ist, ob besondere Gründe die Zulassung der Nebenklage rechtfertigen. Allerdings sind auch andere Fälle denkbar, in denen die Frage einer bestehenden Befugnis zur Nebenklage einer näheren Prüfung bedarf, z.B. wenn zu klären ist, ob eine Person durch die angeklagte Tat verletzt wurde.

Satz 4 Satz 4 überführt aus den bereits in der Einleitung angeführten Gründen die bisher in § 214 Absatz 1 Satz 2 bis 4 StPO enthaltene Regelung der Benachrichtigung der nebenklagebefugten Personen von Hauptverhandlungsterminen in § 406g StPO. Inhaltlich entspricht er dabei der bisherigen Regelung, jedoch mit der Ausnahme, dass die wenig verständlich und im Ergebnis auch nicht sachgerecht erscheinende, bisher in den Sätzen 2 und 3 des § 214 Absatz 1 StPO angelegte Unterscheidung zwischen Nebenklagebefugten nach § 395 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 1 StPO einerseits (die benachrichtigt werden müssen) und § 395 Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 StPO andererseits (die benachrichtigt werden sollen) aufgehoben wird. Damit ist nun jeder Nebenklagebefugte von der Hauptverhandlung zu benachrichtigen. Dies entspricht nicht nur den Interessen der Nebenklagebefugten, sondern dürfte auch die Arbeit des Gerichts vereinfachen, das sich bei der Prüfung der Benachrichtigungspflichten darauf beschränken kann, ob bei Personen, die einen Antrag auf Benachrichtigung gestellt haben, die Voraussetzungen des § 395 StPO vorliegen und keine weiteren Differenzierungen mehr bedenken muss.

Zu Absatz 2

Satz 1

Der erste Halbsatz des Satzes 1 entspricht inhaltlich dem derzeitigen § 406g Absatz 2 Satz 1 StPO, verzichtet jedoch u. a. aus Gründen der Vereinfachung auf die letztlich entbehrlich erscheinenden Zusätze, dass die Anwesenheitsbefugnis des Rechtsanwalts über die in § 406f Absatz 2 StPO hinausgeht und sie auch gilt, wenn die Hauptverhandlung nicht öffentlich ist. Dass die Anwesenheitsbefugnis im Fall des § 406g Absatz 2 Satz 1 StPO weiter ist als in § 406f Absatz 2 Satz 1 StPO (neu: § 406f Absatz 1 Satz 2 StPO-E), ergibt sich schon daraus, dass in diesem Fall die Befugnis auf die Dauer der Vernehmung beschränkt ist, während § 406g Absatz 2 Satz 1 StPO eine unbegrenzte Anwesenheitsbefugnis bestimmt. Dass die Anwesenheitsbefugnis des Rechtsanwalts dabei auch für nichtöffentliche Teile der Verhandlung gilt, folgt bereits daraus, dass insoweit auch der Nebenklagebefugte selbst anwesenheitsbefugt ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 406g, Randnummer 1), ohne dass dies für ihn in § 406g Absatz 1 Satz 1 StPO ausdrücklich bestimmt würde. Vielmehr bestände die Gefahr, dass dann, wenn (wie bisher) nur für den Rechtsanwalt ausdrücklich geregelt würde, dass dieser auch bei Nichtöffentlichkeit anwesenheitsbefugt ist, der unzutreffende Umkehrschluss gezogen werden könnte, dass der Nebenklagebefugte selbst bei nichtöffentlicher Verhandlung nicht anwesenheitsberechtigt ist.

Der zweite Halbsatz von Satz 1, der praktische Anwendung vor allem dann findet, wenn der Nebenklagebefugte nicht selbst zum Termin erscheint, bestimmt durch den Verweis auf Absatz 1 Satz 3, dass bei zweifelhafter Nebenklagebefugnis über das Anwesenheitsrecht ebenfalls nach einer Anhörung (hier dann des Rechtsanwalts und der Staatsanwaltschaft) zu entscheiden ist.

Satz 2

Wie auch bei den Nebenklagevertretern (vgl. dazu § 397 Absatz 2 Satz 3 StPO-E) haben die Opferschutzverbände auch in Bezug auf die Verletztenbeistände bemängelt, dass es keine gesetzliche Pflicht der Gerichte gäbe, sie zu Hauptverhandlungsterminen zu laden.

Tatsächlich regelt § 214 Absatz 1 Satz 2 bis 4 StPO seinem Wortlaut nach nur die Benachrichtigung der Verletzten selbst. Zwar bestimmt § 406g Absatz 2 Satz 3 StPO für die Benachrichtigung des Rechtsanwalts die entsprechende Geltung des (für die richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren geltenden) § 168c Absatz 5 StPO und des (für die Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter geltenden) § 224 Absatz 1 StPO. Da insoweit jedoch (und zwar im Anschluss an das in § 406g Absatz 2 Satz 2 StPO bestimmte Anwesenheitsrecht des Rechtsanwalts bei richterlichen Vernehmungen) nur besondere, außerhalb der Hauptverhandlung bestehende Benachrichtigungspflichten in Bezug genommen werden, spricht dies dagegen, § 406g Absatz 2 Satz 3 StPO auch auf die Benachrichtigung des Rechtsanwalts von der Hauptverhandlung anzuwenden. Zwar wird in den Kommentaren zur Strafprozessordnung (Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 406g, Randnummer 14; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 406g, Randnummer 4) die Auffassung vertreten, der Rechtsanwalt sei vom Hauptverhandlungstermin zu benachrichtigen, wenn er sich zur Akte legitimiert habe oder als Beistand bestellt worden sei; konkrete gesetzliche Anknüpfungspunkte bestehen hierfür allerdings wie dargelegt nicht. Da die in der Literatur vertretene Auffassung im Ergebnis jedoch aus den bereits zu § 397 Absatz 2 Satz 3 StPO-E dargelegten Gründen sachgerecht erscheint, wird sie nunmehr durch den neuen Satz 2 in die Strafprozessordnung eingeführt.

Satz 3

Satz 3 übernimmt den Inhalt des bisherigen § 406g Absatz 2 Satz 2 und 3 StPO, verzichtet jedoch auch aus Gründen der Klarheit auf die Verweisungen auf § 168c Absatz 5 und § 224 Absatz 1 StPO.

Zu Absatz 3

Satz 1

Die bisherige Regelung bleibt unverändert.

Satz 2

Mit dem neuen Satz 2 wird die Zuständigkeit bei Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren geändert, und zwar aus denselben Gründen und mit der gleichen inhaltlichen Folge (der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters nach § 162 StPO auch für die Bestellung eines Beistands) wie bei der Entscheidung über den Zeugenbeistand (vgl. insoweit die Begründung zu § 68b Absatz 2 Satz 2 StPO-E). Damit wird auch ein Gleichklang mit der Regelung des § 406g Absatz 4 Satz 2 StPO-E hergestellt, die für die dortigen Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren ebenfalls eine Zuständigkeit des Ermittlungsrichters nach § 162 StPO vorsieht.

Zu Nummer 29 (§ 406h StPO-E)

Verletzte können von den ihnen zustehenden Befugnissen naturgemäß nur dann Gebrauch machen, wenn ihnen diese auch bekannt sind. Insoweit ist nach der Vorgabe des Artikels 4 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI) von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicherzustellen, dass Verletzte Zugang zu verschiedenen Informationen haben, die dem Schutz ihrer Interessen dienen. Unter anderem deshalb waren die nach § 406h StPO gegenüber Verletzten bestehenden Informationspflichten zuletzt schon durch das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1354) erweitert und zwingender ausgestaltet worden. Diese Ergänzungen wurden von den Opferschutzverbänden begrüßt, jedoch zugleich als noch nicht ausreichend angesehen. Die Verbände haben Forderungen nach weiteren Änderungen erhoben, denen mit der vorliegenden Neufassung des § 406h StPO nachgekommen wird, soweit sie als berechtigt anzuerkennen waren. Um gerade auch in Anbetracht der notwendigen Ergänzungen eine hinreichende Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Norm zu gewährleisten, wurde diese zudem neu strukturiert.

Danach ergeben sich folgende Änderungen:

Satz 1 Halbsatz 1

Damit Verletzte ihre Befugnisse möglichst umfassend wahrnehmen können, ist es zunächst erforderlich, dass sie über diese so früh wie möglich unterrichtet werden. Nach Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 des angeführten Rahmenbeschlusses sollten Informationen in der Regel im Zusammenhang mit dem Erstkontakt mit den Strafverfolgungsbehörden erfolgen.

Satz 1 Halbsatz 1 bestimmt daher, dass die nach § 406h StPO-E erforderlichen Hinweise möglichst frühzeitig zu erteilen sind, d. h., sobald sie ohne Vernachlässigung vordringlicherer Aufgaben und auf einer für die Ausgestaltung der Hinweise hinreichend sicheren Tatsachengrundlage erfolgen können.

Weiterhin sieht Satz 1 Halbsatz 1 vor, dass Hinweise regelmäßig schriftlich zu erfolgen haben, damit sie den Verletzten dauerhaft zur Verfügung stehen. Dies erscheint insbesondere auch deshalb erforderlich, weil es den Verletzten häufig nicht möglich sein wird, mündliche Erläuterungen, die ihnen im Rahmen einer für sie häufig aufregenden Vorsprache bei den Strafverfolgungsbehörden gegeben werden, vollständig zu erfassen. Größere Änderungen in der Praxis dürften hiermit nicht verbunden sein, weil schon heute die ganz überwiegende Zahl von Belehrungen mittels spezieller Merkblätter erfolgt.

Schließlich schreibt Satz 1 Halbsatz 1 vor, dass die Hinweise soweit möglich in einer für die Verletzten verständlichen Sprache zu erteilen sind. Auch diese Vorgabe erfolgt zur Umsetzung des Artikels 4 Absatz 1 Satz 1 des Rahmenbeschlusses und entspricht zudem den Rechten, die Beschuldigten im Strafverfahren zustehen. Sie macht es erforderlich, dass die Merkblätter, die Verletzten regelmäßig überreicht werden, zumindest in alle Sprachen übersetzt werden, die - so der Rahmenbeschluss - "allgemein verstanden" werden. In der Praxis sollte sich die Übersetzung der Merkblätter zudem daran orientieren, welche Sprachen von Verletzten, die in Deutschland Strafanzeigen erstatten, häufig gesprochen werden.

Inhaltlich sind die sich aus Satz 1 Halbsatz 1 ergebenden Hinweispflichten gegenüber denen des bisherigen § 406h Absatz 1 Halbsatz 1 StPO unverändert geblieben.

Satz 1 Halbsatz 2

In Satz 1 Halbsatz 2 werden in den Nummern 1 bis 5 weitere Verletzten zustehende Befugnisse und ihnen zur Verfügung stehende Optionen benannt, auf die sie in jedem Fall hinzuweisen sind. Durch die gegenüber dem bisherigen Text erfolgte Einfügung des Worts "insbesondere" wird klargestellt, dass es im Einzelfall auch erforderlich sein kann, Verletzte über weitere Möglichkeiten zu informieren, z.B. die Unterbringung in einem Frauenhaus oder die Beantragung einer Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt.

Nummer 1

Gegenstand der sich aus der Nummer 1 ergebenden Hinweispflichten sind die inhaltlich unverändert gebliebenen Inhalte des derzeitigen § 406h Absatz 1 Halbsatz 2 StPO. Da seit der zum 31. Dezember 2006 in Kraft getretenen Änderung des § 80 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in bestimmten Fällen auch gegen einen Jugendlichen die Nebenklage zulässig ist, schlägt der Entwurf vor, dass (jedenfalls soweit nicht Satz 2 eingreift) auch auf die Norm des § 80 Absatz 3 JGG hinzuweisen ist.

Nummer 2

Die in Nummer 2 enthaltene Hinweispflicht entspricht im Wesentlichen der des § 406h Absatz 2 StPO, wurde jedoch in sprachlicher Hinsicht sowie mit der klarer erscheinenden expliziten Nennung der für das Adhäsionsverfahren maßgeblichen Normen an die Fassung der Nummer 1 angeglichen, auch weil Gründe für inhaltliche Unterschiede beim Belehrungsumfang nicht ersichtlich sind. Zudem ist die Hinweispflicht nunmehr - wie alle übrigen - zwingend ausgestaltet, damit sichergestellt ist, dass ihr auch nachgekommen wird. Soweit sie bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltet war, um ein Absehen zu ermöglichen, wenn ein Adhäsionsverfahren unter keinen Umständen in Betracht kommt oder es sich um Massenverfahren mit Tausenden von Geschädigten handelt, wird diesen Fällen nunmehr durch die Sätze 2 und 3 Geltung getragen. Soweit § 406h Absatz 2 StPO auch den Erben erfasste, wird dieser Fall nunmehr von Satz 4 geregelt.

Nummer 3

In Anlehnung an Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe g des Rahmenbeschlusses und unter Berücksichtigung entsprechender Forderungen der Opferschutzverbände enthält Nummer 3 eine Hinweispflicht auf mögliche Versorgungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Diese kommen dann in Betracht, wenn der Verletzte durch eine Straftat eine schwere gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Ohne den betreffenden Hinweis wird Verletzten die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes häufig nicht bekannt sein.

Nummer 4

Ähnlich verhält sich die Lage bei Nummer 4, die eine Hinweispflicht auf das Gewaltschutzgesetz und die nach ihm bestehenden Möglichkeiten statuiert, nach denen Verletzte zum Schutz vor weiteren Beeinträchtigungen den Erlass einstweiliger Anordnungen beantragen können (vgl. insoweit neben den Forderungen der Opferschutzverbände Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe e des Rahmenbeschlusses).

Nummer 5

Nummer 5 übernimmt die derzeit aus § 406h Absatz 3 StPO folgende Hinweispflicht auf die Möglichkeit, Hilfe und Unterstützung auch durch Opferschutzverbände zu erhalten. Sie wird - dem berechtigten Anliegen der Opferschutzverbände entsprechend - wie alle anderen Hinweispflichten nunmehr zwingend ausgestaltet, weil (abgesehen von den in Satz 2 und 3 geregelten Ausnahmefällen) kein Grund ersichtlich ist, warum von einem Hinweis abgesehen werden sollte, zumal bei der den Regelfall darstellenden Aushändigung eines Merkblattes ein Mehraufwand nicht ersichtlich ist.

Damit sich Verletzte von den durch die Opferschutzverbände angebotenen Hilfsmöglichkeiten ein besseres Bild machen können, werden in Nummer 5 zwei Unterstützungsangebote beispielhaft erwähnt. Dabei handelt es sich zunächst um die Beratung, die in aller Regel am Beginn der Hilfeleistung steht und zudem der Erörterung dient, welche weiteren Maßnahmen sinnvoll sein könnten. Eine - im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Strafprozess stehende und deshalb in Nummer 5 ebenfalls beispielhaft angeführte - unterstützende Maßnahme verschiedener Opferschutzverbände ist dabei die psychosoziale Prozessbegleitung. Auch wenn eine abschließende Definition der hierunter fallenden Maßnahmen noch nicht gefunden ist, so ist sie jedoch dadurch gekennzeichnet, dass insbesondere Verletzte von schweren Sexual- oder sonstigen Gewalttaten unter anderem bei für sie häufig problematischen strafprozessualen Vernehmungen von besonders geschulten Mitarbeitern der Opferschutzverbände begleitet werden, die mit den üblichen Abläufen solcher Verhandlungen und den Möglichkeiten, sie für Verletzte möglichst schonend auszugestalten, vertraut sind. Hierdurch können u. a. sekundäre Viktimisierungen häufig vermieden werden. Dabei muss jedoch stets sichergestellt sein, dass eine (bewusste oder unbewusste) Beeinflussung des Inhalts der Aussage der Verletzten unterbleibt.

Satz 2

In aller Regel wird die Hinweispflicht nach Satz 1 in der Praxis mittels eines entsprechenden Merkblattes erfüllt werden. Damit jedoch insbesondere in den Fällen, in denen die Aushändigung eines umfassenden Merkblattes nicht möglich oder für das Verständnis der Verletzten nicht ausreichend ist, kein unnötiger formaler Aufwand entsteht, bestimmt Satz 2, dass Hinweise unterbleiben können, wenn von vornherein offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen einer bestimmten Befugnis nicht vorliegen (z.B. dann, wenn im Fall der Nummer 3 des Satzes 1 das Opfer keine für einen Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz erforderliche gesundheitliche Schädigung erlitten hat).

Satz 3

Der Inhalt des neuen Satz 3 entspricht demjenigen des bisherigen § 406h Absatz 4 StPO.

Um jedoch die Verständlichkeit der Norm zu erhöhen, wurde auf eine Verweisung verzichtet und der Regelungsgegenstand selbst dargestellt. Aus der Bestimmung ergibt sich, dass Satz 1 die Strafverfolgungsbehörden nicht verpflichtet, zum Zweck der Hinweiserteilung von sich aus mögliche Verletzte oder deren Anschriften zu ermitteln, was insbesondere in Massenverfahren (z.B. bei über das Internet begangenen Betrugstaten) von Relevanz sein kann.

Satz 4

Einige der von § 406h StPO-E erfassten Befugnisse stehen auch Angehörigen oder Erben von Verletzten zu. Dies betrifft insbesondere die Nebenklagebefugnis für Angehörige getöteter Personen nach § 395 Absatz 2 Nummer 2 StPO-E, die für Erben nach § 403 StPO bestehende Möglichkeit, das Adhäsionsverfahren zu betreiben sowie die Befugnis von Hinterbliebenen, Ansprüche nach § 1 Absatz 8 des Opferentschädigungsgesetzes geltend zu machen. Satz 4 dehnt die Hinweispflichten nach Satz 1 - mit den sich aus Satz 3 ergebenden Einschränkungen - auch auf diese Personen aus, weil sie als ebenso schutzwürdig wie die Verletzten selbst anzusehen sind.

Zu Nummer 30 (§ 473a StPO-E)

Nach Maßgabe von § 98 Absatz 2 Satz 2 StPO in unmittelbarer oder analoger Anwendung sowie von § 101 Absatz 7 Satz 2 StPO können die von Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. Eine entsprechende Antragsbefugnis sieht das Gesetz auch in § 81g Absatz 5 Satz 4 StPO vor. Bislang regelt das Gesetz indes nicht ausdrücklich, dass die zu treffende gerichtliche Entscheidung eine Bestimmung über die Kostentragung und Auslagenerstattung enthalten muss. Dies ist insbesondere dann unbefriedigend, wenn das Gericht zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme oder ihres Vollzugs gelangt, mangels zu treffender Kostenentscheidung der von der rechtswidrigen Maßnahme Betroffene aber keine Erstattung seiner Auslagen - etwa des ihm von seinem Anwalt in Rechnung gestellten Honorars - erhält.

Die Neuregelung in § 473a Satz 1 StPO-E schafft hier Abhilfe: Das Gericht hat künftig entsprechende Entscheidungen mit einem Kostenausspruch zu versehen. § 473a Satz 2 StPO-E bestimmt, dass die Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen sind, soweit die Maßnahme oder ihr Vollzug für rechtswidrig erachtet werden. Im Übrigen sind etwaige Kosten und Auslagen dem Antragsteller aufzuerlegen.

Die Formulierung "soweit" macht deutlich, dass auch eine angemessene Verteilung der Kosten und notwendigen Auslagen möglich ist, insbesondere wenn die Maßnahme nur teilweise für rechtswidrig erklärt wird. Gebührenrechtliche Änderungen sind mit der Neuregelung nicht verbunden. Die Bestimmung wird voraussichtlich mit gewissen Mehrkosten für die Haushalte der Länder verbunden sein, weil die nunmehr eingeführte Pflicht zur Erstattung der notwendigen Auslagen des von einer rechtswidrigen Maßnahme betroffenen Antragstellers so bisher nicht bestand. Die Mehrkosten dürften sich jedoch in Grenzen halten, weil die Erstattungspflicht nur bei rechtswidrigem Handeln besteht, das die absolute Ausnahme darstellen dürfte.

§ 473a Satz 3 StPO-E schreibt die entsprechende Anwendung von § 304 Absatz 3 und § 464 Absatz 3 Satz 1 StPO vor. Damit unterliegt die Kostenentscheidung der sofortigen Beschwerde, wenn auch gegen die Hauptentscheidung über die Rechtsmäßigkeit der Maßnahme oder ihres Vollzuges die Anfechtung statthaft ist und der Wert des Beschwerdegegenstands200 Euro übersteigt.

Die Neuregelung des § 473a StPO-E greift mangels "gesonderter Entscheidung" dann nicht ein, wenn das Gericht wie im Fall des § 101 Absatz 7 Satz 4 StPO über den Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit in der das Verfahren abschließenden Entscheidung befindet; insoweit geltend die allgemeinen Kostenregelungen der §§ 464 ff. StPO.

Zu Nummer 31 (§ 478 Absatz 3 StPO-E)

Satz 1

Es handelt sich um eine weitere Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 478 Absatz 3 Satz 1 StPO verweist bisher für die Fälle, in denen eine Privatperson eine gerichtliche Entscheidung über eine durch die Staatsanwaltschaft nach § 478 Absatz 1 StPO versagte Akteneinsicht oder Auskunftserteilung beantragt, auf die Bestimmungen des § 161a Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO. Letztere sollen nunmehr entfallen und durch einen Verweis auf die Regelungen des § 162 StPO ersetzt werden.

Dementsprechend ist beabsichtigt, auch für die nach § 478 Absatz 3 Satz 1 StPO zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen auf die Regelungen des § 162 StPO zu verweisen.

Für diese Änderung sprechen letztlich die gleichen Erwägungen wie diejenigen, die für die Reform des § 161a Absatz 3 StPO-E gelten, so dass wegen der Einzelheiten auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Satz 2

Mit dem neuen Satz 2 wird der Inhalt der bisherigen Verweisung aus § 478 Absatz 3 Satz 1 StPO auf § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO mit den geringfügigen, bereits in der Begründung zu § 161a Absatz 3 Satz 3 StPO-E erläuterten Modifikationen in die Neufassung übernommen.

Satz 3

Zum Inhalt und zur Begründung der mit Satz 3 vorgesehenen Neuregelung der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen zur Akteneinsicht (die die bisherige Regelung des § 478 Absatz 3 Satz 2 StPO ablöst) gelten die Ausführungen zu § 406e Absatz 4 Satz 4 StPO-E sinngemäß, so dass auf die dortige Begründung verwiesen wird.

Zu Nummer 32 (§ 241a Absatz 1, §§ 247, 255 Absatz 2 StPO-E)

Im Strafverfahren sind kindliche Opfer und Zeugen als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft vor Belastungssituationen besonders zu schützen. Die Strafprozessordnung enthält daher eine Reihe von Vorschriften zum Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen, die oft zugleich Opfer einer Straftat sind. Vernehmungen kindlicher Opferzeugen sollen auf Bild-Ton-Träger aufgezeichnet werden, um ihnen Mehrfachvernehmungen möglichst zu ersparen. Ihre Vernehmung in der Hauptverhandlung wird allein vom Vorsitzenden durchgeführt. Eine Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer ist während der Vernehmung kindlicher und jugendlicher Zeugen unter erleichterten Voraussetzungen möglich und es besteht die Möglichkeit der Videovernehmung. All diese Maßnahmen werden in der Praxis zum Schutz der Kinder und Jugendlichen angewandt und sind von Betroffenen als richtig und wichtig anerkannt worden. Bislang legt die Strafprozessordnung die Schutzaltersgrenze für die jugendlichen Zeugen allerdings auf 16 Jahre fest. Diese Grenze soll mit dem vorliegenden Regelungsvorschlägen auf 18 Jahre angehoben werden.

Dies ist u. a. Erfahrungsberichten aus der Praxis geschuldet. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Schutzaltersgrenze von 16 Jahren als nicht ausreichend erscheint, insbesondere bei Jugendlichen, die Opfer von Sexualdelikten geworden sind. Die Belastungssituation einer 16-Jährigen während des Strafprozesses, die Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, unterscheidet sich nicht wesentlich von der Belastungssituation einer 15-Jährigen. Dieser Befund trifft auch auf jugendliche Opfer anderer Delikte zu.

Zudem kann mit der Anhebung der Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre zahlreichen internationalen Abkommen, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, besser Rechnung getragen werden. In Hinblick auf deren hier interessierenden Anwendungsbereich wird häufig die UN-Kinderrechtskonvention zugrunde gelegt, die eine Definition des Begriffs "Kind" enthält. Nach Artikel 1 der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1990, in Deutschland in Kraft getreten am 5. April 1992, ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.

Speziell für das Strafverfahren haben die Vereinten Nationen in diesem Sinne am 22. Juli 2005 eine Resolution für eine Richtlinie für den Schutz kindlicher Opfer und Zeugen im Strafverfahren verabschiedet (Resolution 2005/20).

In der Europäischen Union sind die Rechte der Kinder vor allem durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18. Dezember 2000 (ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 13) verankert. Nach deren Artikel 24 Absatz 2 soll bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Auch verschiedene strafrechtliche Rahmenbeschlüsse, etwa der Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates vom 22. Dezember 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie oder der Rahmenbeschluss 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels, die neben Regelungen zum materiellen Strafrecht auch verfahrensrechtliche Schutzbestimmungen enthalten, legen insoweit eine Schutzaltersgrenze von 18 Jahren fest.

Auch auf Ebene des Europarats gibt es eine Reihe von Abkommen und Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung vom 31. Oktober 2001, die Empfehlung 1985/11 zur Stellung des Opfers im Rahmen des Strafrechts und im Strafverfahren vom 28. Juni 1985, die Empfehlung 1987/21 zur Unterstützung von Opfern und der Prävention von Viktimisierung vom 17. September 1987 und die Empfehlung 2006/8 zur Unterstützung von Opfern von Straftaten vom 14. Juni 2006.

Des Weiteren haben sich kürzlich mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter Deutschland, mit dem in Portoroz verabschiedeten Papier der Hochrangigen Gruppe zur Zukunft der Europäischen Justizpolitik dem Ziel verschrieben, insbesondere für die kindlichen und jugendlichen Opfer von Straftaten weitere Verbesserungen zu erreichen.

Daher sollte im deutschen Strafprozessrecht ein noch stärkeres Augenmerk auf den Schutz der noch nicht volljährigen jugendlichen Opfer und Zeugen von Straftaten gerichtet werden. In Strafverfahren gegen jugendliche Beschuldigte sind der Gedanke der besonderen Ansprache dieser Zielgruppe und das Erfordernis jugendgerechter Spezialregelungen seit langem zu Recht anerkannt. Junge Täter werden, sofern sie zur Tatzeit noch nicht volljährig sind, nach Jugendstrafrecht bestraft, das den Entwicklungsprozessen Jugendlicher Rechnung trägt und dem Erziehungsgedanken verpflichtet ist. Insofern besteht hinsichtlich der altersgemäßen Behandlung jugendlicher Beschuldigter und jugendlicher Opfer und Zeugen ein "Ungleichgewicht", das im Interesse der jugendlichen Opferzeugen zu beseitigen ist.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 73 Absatz 1 GVG-E)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E, der derzeit in seinen Sätzen 2 bis 4 noch besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über bestimmte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft enthält. § 73 Absatz 1 GVG weist bisher die Zuständigkeit für derartige Entscheidungen innerhalb der Landgerichte den Strafkammern zu. Da die Sonderregelungen des § 161a Absatz 3 StPO nunmehr entfallen sollen, ist auch die entsprechende Zuständigkeitsbestimmung aufzuheben.

In Verfahren, die nach § 120 Absatz 1 und 2 GVG in die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte fallen, ergibt sich deren Zuständigkeit für die Entscheidung über gegen staatsanwaltschaftliche Entscheidungen gerichtete Anträge nach § 161a Absatz 3 StPO-E in Zukunft nicht mehr aus dem in § 120 Absatz 3 Satz 1 GVG enthaltenen Verweis auf § 73 Absatz 1 GVG. Zukünftig leitet sich im Ermittlungsverfahren die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters beim Oberlandesgericht (die dann neben derjenigen des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht besteht) aus § 161a Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 162 Absatz 1 Satz 1, § 169 Absatz 1 Satz 1 StPO-E ab. Nach Erhebung der öffentlichen Klage ergibt sich die Zuständigkeit der Strafsenate des Oberlandesgerichts aus § 161a Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 162 Absatz 3 Satz 1 StPO-E.

Zu Nummer 2 (§ 135 Absatz 2 GVG-E)

Es handelt sich um eine weitere Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E mit dessen bisherigen besonderen Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über Entscheidungen der Staatsanwaltschaft. § 135 Absatz 2 GVG bestimmt bisher, dass dann, wenn die im Rahmen des § 161a Absatz 3 StPO angefochtene Entscheidung durch den Generalbundesanwalt ergangen ist, über deren Rechtmäßigkeit der Bundesgerichtshof zu entscheiden hat. Da die Sonderregelungen des § 161a Absatz 3 StPO nunmehr entfallen sollen, ist auch die bezeichnete Zuständigkeitsbestimmung aufzuheben. Zuständig ist zukünftig im vorbereitenden Verfahren gemäß § 161a Absatz 3 Satz 1 StPO-E in Verbindung mit §§ 162, 169 Absatz 1 StPO (neben dem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht) der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs.

Im Hauptverfahren sind nach § 161a Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 162 Absatz 3 Satz 1 StPO-E die Strafsenate der Oberlandesgerichte zuständig.

Zu Nummer 3 (§ 139 Absatz 2 GVG-E)

Auch hier handelt es sich um eine Folgeänderung zur Neuregelung des § 161a Absatz 3 StPO-E mit dessen derzeitigen besonderen Zuständigkeits- und Verfahrensregeln für gerichtliche Entscheidungen über Entscheidungen der Staatsanwaltschaft. § 139 Absatz 2 Satz 1 GVG bestimmt bisher für die Besetzung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs, dass diese bei Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nach § 161a Absatz 3 StPO in der Besetzung von drei Mitgliedern entscheiden. Da die Sonderregelungen des § 161a Absatz 3 StPO nunmehr entfallen sollen, ist auch die betreffende Besetzungsregelung aufzuheben.

Zu Nummer 4 (§ 172 GVG-E)

Wie in den verschiedenen Vorschriften der Strafprozessordnung, die dem Schutz minderjähriger Zeugen dienen, soll auch in § 172 Nummer 4 GVG die Altersgrenze, bis zu der bei der Vernehmung minderjähriger Zeugen die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen werden kann, von 16 auf 18 Jahre angehoben werden. Die Anhebung der Schutzaltersgrenze trägt dem Ziel eines verbesserten Schutzes dieser Altersgruppe Rechnung. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen zur Anhebung der Schutzaltersgrenze zu Artikel 1 Nummer 32 verwiesen.

Zu Artikel 3 (Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung)

§ 49 Absatz 1 BRAO sieht seinem Wortlaut nach in Bezug auf Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Strafverfahren lediglich vor, dass dieser verpflichtet ist, als Verteidiger tätig zu werden, wenn er als solcher bestellt wurde. Ein Rechtsanwalt kann im Strafverfahren jedoch auch als Beistand beigeordnet oder bestellt werden, und zwar für einen Zeugen ( § 68b StPO), einen Nebenkläger (§ 397a StPO) oder einen Nebenklagebefugten (§ 406g StPO). Auch in diesen Fällen ist es für die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens erforderlich, dass gewährleistet ist, dass in jedem Fall ein Rechtsanwalt als Beistand zur Verfügung steht. Deshalb wird die - für vergleichbare Beistandsleistungen schon bisher in den §§ 48, 49 BRAO festgeschriebene - Pflicht des Rechtsanwalts, als Organ der Rechtspflege eine Beistandsleistung zu übernehmen, auf diese Fälle ausgedehnt.

Zu Artikel 4 (Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 53 Absatz 2 RVG-E)

Regelungsgegenstand von § 53 Absatz 2 RVG ist die Anspruchsberechtigung des dem Nebenkläger oder dem nebenklageberechtigten Verletzten als Beistand bestellten Rechtsanwalts, der nach Satz 1 die gesetzlichen Gebühren nicht vom Nebenkläger oder dem nebenklageberechtigten Verletzten, sondern nur vom Verurteilten verlangen kann.

Nach Satz 2 entfällt der Anspruch insoweit, als die Staatskasse die Gebühren bezahlt hat.

Die vorgeschlagene Ergänzung auf den einem Zeugen bestellten Beistand ist eine Folgeänderung der Einführung der gesetzlichen Regelung zur Beiordnung eines Zeugenbeistands in § 68b StPO. Die kostenrechtliche Gleichstellung des dem Zeugen als Beistand bestellten Rechtsanwalts mit dem bestellten Beistand des Nebenklägers oder des nebenklageberechtigten Verletzten ist schon deshalb erforderlich, weil in allen Fällen der Rechtsanwalt nicht selbst vom Betroffenen hinzugezogen wurde, sondern eine Bestellung erfolgt ist.

Zu Nummer 2 (§ 53 Absatz 3 RVG-E)

In Fällen einer Beiordnung eines Rechtsanwalts über Prozesskostenhilfe nach § 397a Absatz 2 StPO werden bedürftige Opfer durch § 3a Absatz 3 RVG davor geschützt, dass der Rechtsanwalt neben den gesetzlichen Gebühren auch solche aus einer Vergütungsvereinbarung zwischen ihm und dem Nebenkläger oder dem nebenklageberechtigten Verletzen einfordern kann; eine solche Vereinbarung ist nichtig. Dagegen sind bisher Nebenkläger und nebenklageberechtigte Verletzte, denen unabhängig von ihren wirtschaftlichen Voraussetzungen nach § 397a Absatz 1 StPO ein Opferanwalt beigeordnet wird, ebenso wie Zeugen, denen nach § 68b StPO ein Beistand bestellt wird, nicht davor geschützt, dass ein Rechtsanwalt ihnen gegenüber Forderungen aus einer Vergütungsvereinbarung geltend macht, selbst wenn diese Personen bedürftig sind und die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllen würden. Dies bedeutet im Ergebnis, dass gerade besonders schwer betroffene bedürftige Opfer einer Straftat, denen nach § 397a Absatz 1 StPO wegen ihrer schweren Betroffenheit unabhängig von einer Überprüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und unabhängig davon, ob bei ihnen die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehen, ein Opferanwalt beigeordnet wird, in Bezug auf die Kostenfolge schlechter gestellt sind als solche Opfer, bei denen die Voraussetzungen des § 397a Absatz 1 StPO nicht vorliegen. Eine solche kostenrechtliche Benachteiligung ist nicht sachgerecht. Im Gegenteil ist kein Grund dafür ersichtlich, warum bedürftige Opfer in diesen Fällen im Ergebnis kostenrechtlich nicht gleich gestellt sein sollten. Gleiches gilt für den bedürftigen Zeugen: Wenn ihm von Amts wegen ein Beistand bestellt wird, so muss er im Fall seiner Bedürftigkeit ebenso vor Forderungen aus Vergütungsvereinbarungen geschützt werden wie eine Person, die Prozesskostenhilfe erhalten hätte - unbeschadet der Tatsache, dass Zeugen keine Prozesskostenhilfe beantragen können. Ein bedürftiger Nebenkläger, nebenklageberechtigter Verletzter oder Zeuge, der dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt, darf in keinem Fall mit Honorarforderungen aus Vergütungsvereinbarungen belastet werden.

Der neu eingefügte § 53 Absatz 3 RVG-E enthält daher eine Regelung, wonach ein Rechtsanwalt Honorarforderungen aus einer zwischen ihm und dem Nebenkläger, nebenklageberechtigten Verletzten oder Zeugen geschlossenen Vergütungsvereinbarung nur geltend machen kann, wenn das Gericht vorher festgestellt hat, dass der Vertragspartner nicht bedürftig ist, d. h., dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe gehabt hätte. Die Vorschrift bezieht sich auf den Anspruch des Rechtsanwalts aus einer "Vergütungsvereinbarung". Dieser Anspruch kann nur gegen den Vertragspartner (also den Nebenkläger, den Nebenklageberechtigten oder den Zeugen) geltend gemacht werden. Ansprüche gegen Dritte (wie z.B. den Verurteilten oder die Staatskasse) können aus einer Vergütungsvereinbarung nicht originär erwachsen, da die Dritten nicht Vertragspartner des Rechtsanwalts sind. Mit der Vorschrift werden die bedürftigen Vertragspartner des Rechtsanwalts im Ergebnis kostenrechtlich denjenigen gleichgestellt, die für die Kosten der Beiordnung eines Opferanwalts Prozesskostenhilfe nach § 397a Absatz 2 StPO erhalten und bei denen eine Vergütungsvereinbarung nach § 3a Absatz 3 RVG nichtig ist.

Die Lösung lehnt sich an die Regelung des § 52 Absatz 2 RVG an und hat den Vorteil, dass das Gericht nicht von vornherein bei jeder Bestellung eines Opferanwalts oder eines Beistands unabhängig von den wirtschaftlichen Voraussetzungen des Betroffenen vorsorglich auch prüfen muss, ob dem Nebenkläger, dem nebenklageberechtigten Verletzten oder dem Zeugen dem Grunde nach Prozesskostenhilfe zu gewähren wäre oder nicht, sondern dass diese Prüfung nur in den Fällen zu erfolgen hat, in denen der Rechtsanwalt Forderungen aus einer Vergütungsvereinbarung geltend machen möchte. Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarung beim Vertragspartner des Rechtsanwalts allein aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und ohne Rücksicht auf sonstige Voraussetzungen ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe bestanden hätte, kann die Forderung nicht geltend gemacht werden.

Die vom Gericht vorzunehmende Prüfung betrifft ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie ist nach den Vorschriften für bürgerliche Rechtstreitigkeiten durchzuführen, die - unter dieser Beschränkung - entsprechend anwendbar sind.

Zu Artikel 5 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes)

§ 80 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) regelt die Nebenklage im Verfahren gegen Jugendliche. Durch § 80 Absatz 3 Satz 2 JGG werden dabei mehrere Regelungen der Strafprozessordnung zur Nebenklage für entsprechend anwendbar erklärt. In Bezug genommen wird u. a. auch der derzeitige § 397 Absatz 2 StPO, dessen Inhalt nach der Neuregelung in § 395 Absatz 5 StPO-E geregelt wird. Als Folgeänderung erklärt deshalb § 80 Absatz 3 Satz 2 JGG-E nunmehr auch § 395 Absatz 5 StPO-E für entsprechend anwendbar.

Dadurch, dass die Neufassung des § 80 Absatz 3 Satz 2 JGG-E zudem noch § 395 Absatz 4 StPO in Bezug nimmt, wird klargestellt, dass der Anschluss als Nebenkläger auch im Verfahren gegen Jugendliche in jeder Lage des Verfahrens zulässig ist.

Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 799:
Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des Gesetzes auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetzentwurf wird eine Informationspflicht für die Verwaltung geändert. Die Änderung dürfte allenfalls zu einer marginalen Erhöhung der Bürokratiekosten der Verwaltung führen. Informationspflichten der Wirtschaft und für Bürgerinnen und Bürger werden durch den Entwurf nicht berührt.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

gez. gez.
Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter