Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gedenken an den Holocaust sowie zu Antisemitismus und Rassismus

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 303271 - vom 7. März 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 27. Januar 2005 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gedenken an den Holocaust sowie zu Antisemitismus und Rassismus

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der 27. Januar 2005, der 60. Jahrestag der Befreiung des Todeslagers Auschwitz-Birkenau, das von Nazi-Deutschland eingerichtet wurde und in dem insgesamt bis zu 1,5 Millionen Juden, Roma, Polen, Russen und Gefangene verschiedener anderer Nationalitäten und Homosexuelle ermordet worden sind, für die europäischen Bürger nicht nur ein wichtiger Anlass ist, um des ungeheuren Schreckens und der Tragödie des Holocaust zu gedenken und sie zu verurteilen, sondern auch um das besorgniserregende Anwachsen des Antisemitismus und insbesondere antisemitischer Zwischenfälle in Europa anzusprechen und sich erneut bewusst zu machen, wie gefährlich es ist, wenn Menschen aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, sozialer Zuordnung sowie politischer oder sexueller Ausrichtung unterdrückt und gequält werden,

B. in der Erwägung, dass Europa seine Geschichte nicht vergessen darf, nämlich dass die von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrations- und Vernichtungslager zu den abscheulichsten und schmerzlichsten Seiten der Geschichte unseres Kontinents gehören; in der Erwägung, dass die in Auschwitz begangenen Verbrechen im Gedächtnis künftiger Generationen weiterleben müssen, als Warnung vor einem solchen Völkermord, der seine Wurzeln in der Verachtung anderer Menschen, in Hass, Antisemitismus, Rassismus und Totalitarismus hat,

C. in der Erwägung, dass es ungeachtet der wichtigen Maßnahmen, die die Europäische Union in Anwendung von Artikel 13 des EG-Vertrags eingeleitet hat, auf unterschiedlichen Ebenen immer noch zu Diskriminierungen aus religiösen und ethnischen Gründen kommt,

D. in der Erwägung, dass sich Juden in Europa zunehmend gefährdet fühlen, da Antisemitismus über das Internet verbreitet wird und sich durch die Schändung von Synagogen, Friedhöfen und anderen religiösen Stätten, durch Anschläge auf jüdische Schulen und Kulturzentren sowie durch Angriffe auf Juden in Europa, bei denen viele Menschen verletzt werden, manifestiert,

E. in der Erwägung, dass der Holocaust im Bewusstsein Europas eingebrannt ist, insbesondere wegen seines mörderischen Hasses auf Juden und Roma aufgrund ihrer rassischen oder religiösen Identität, und dass Antisemitismus sowie rassistische und religiöse Vorurteile dennoch nach wie vor eine sehr ernste Gefahr für ihre, Opfer und die europäischen und internationalen Werte der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit und damit für die gesamte Sicherheit in Europa und der Welt darstellen,

F. in der Erwägung, dass es einen ständigen Dialog mit den Medien darüber geben muss, wie ihre Berichte und Kommentare die Wahrnehmung und das Verständnis von religiösen sowie ethnischen und rassischen Fragen sowie die Darstellung der historischen Wahrheit sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können,

1. gedenkt aller Opfer des Nationalsozialismus und ist überzeugt, dass ein dauerhafter Frieden in Europa nur möglich ist, wenn seine Geschichte nicht in Vergessenheit gerät; lehnt revisionistische Auffassungen sowie die Leugnung des Holocaust als schändlich und historisch unwahr ab und verurteilt sie; ist besorgt über den Zulauf zu extremistischen und ausländerfeindlichen Parteien sowie über die wachsende Akzeptanz ihrer Auffassungen in der Öffentlichkeit;

2. fordert die Institutionen der Europäischen Union, die Mitgliedstaaten und alle demokratischen politischen Parteien Europas auf, jegliche Form von Intoleranz und Aufwiegelung zum Rassenhass sowie alle Belästigungen und rassistischen Gewalttaten zu verurteilen,

3. fordert den Rat und die Kommission sowie die einzelnen lokalen, regionalen und nationalen Entscheidungsebenen der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus und von Anschlägen auf Minderheiten, einschließlich Roma und Drittstaatsangehörige, in den Mitgliedstaaten zu koordinieren, um den Grundsätzen der Toleranz und Nichtdiskriminierung Geltung zu verschaffen und die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Integration zu fördern;

4. ist überzeugt, dass dazu auch die Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen auf lokaler und nationaler Ebene gehören sollte, einschließlich des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kulturellen, ethnischen und religiösen Gemeinschaften;

5. bekräftigt seine Überzeugung, dass Gedenken und Aufklärung wesentliche Elemente sind, um Intoleranz, Diskriminierung und Rassismus auszumerzen, und fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Antisemitismus und Rassismus verstärkt zu bekämpfen, indem insbesondere bei jungen Menschen das Bewusstsein für die Geschichte und die Lehren aus dem Holocaust geschärft wird, indem

6. begrüßt die erklärte Absicht des Luxemburger Ratsvorsitzes, die festgefahrenen Diskussionen über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeiti wieder in Gang zu bringen, und fordert den Rat nachdrücklich auf, sich auf ein europaweites Verbot der Aufstachelung zum Rassenhass und zum religiösen Hass unter Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu einigen,

7. fordert die Kommission auf, zu überprüfen, inwieweit die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunfti umgesetzt wird, die der Stärkung der EU-Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung dient, und eine große Konferenz mit allen betroffenen Akteuren zu organisieren, vor allem Politikern, öffentlichen Einrichtungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie nichtstaatlichen Organisationen und Verbänden, die sich in diesem Bereich engagieren;

8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer zu übermitteln.