Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf dem Weg zu einer Weltraumstrategie der Europäischen Union im Dienst der Bürgerinnen und Bürger KOM (2011) 152 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144 und
Drucksache 694/10 (PDF) = AE-Nr. 100869

Brüssel, den 4.4.2011
KOM (2011) 152 endgültig
SEK(2011) 381 endgültig
SEK(2011) 380 endgültig

1. die Weltraumpolitik: eine Antwort auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen strategischen Herausforderungen, VOR denen WIR stehen

Weltraumaktivitäten und die sich daraus ergebenden Anwendungen sind für das Wachstum und die Entwicklung unserer Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung. Oft haben sie einen unmittelbaren Einfluss auf den Alltag der Menschen. Vor diesem Hintergrund ist die Weltraumpolitik ein Instrument im Dienste der Innen- und Außenpolitik der Union. Sie liefert Lösungen für Herausforderungen, mit denen wir in den folgenden drei Bereichen konfrontiert sind:

Damit leistet der Weltraumsektor einen direkten Beitrag zur Verwirklichung der mit der Strategie Europa 20201 verfolgten Ziele für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Die Weltraumpolitik ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Leitinitiative zur Industriepolitik und in der Strategie ist vorgesehen, dass die Kommission daraufhin arbeitet "eine wirkungsvolle Weltraumpolitik zu entwickeln und insbesondere die Projekte Galileo und GMES erfolgreich abzuschließen, um die Instrumente zur Bewältigung einiger der wichtigsten globalen Herausforderungen in die Hand zu bekommen". So hat die Kommission im Oktober 2010 eine Mitteilung zur Industriepolitik2 verabschiedet, in der vorgesehen ist, dass sie "2011 Maßnahmen vorschlagen [wird], mit denen auf der Grundlage von Artikel 189 AEUV die Prioritäten der Raumfahrtpolitik umgesetzt werden sollen [und dass sie] eine in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation und den Mitgliedstaaten entwickelte Industriepolitik für den Raumfahrtsektor durchführen [wird]". In seinen Schlussfolgerungen vom Dezember 2010 hat der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" diesen Ansatz bestätigt und "insbesondere die Bedeutung des Raumfahrtsektors für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in der EU" unterstrichen. Der Rat hat zur Kenntnis genommen, dass "die Kommission beabsichtigt, die erforderlichen weltraumpolitischen Maßnahmen vorzulegen und eine Raumfahrtindustriepolitik zu betreiben".

Europa verfügt im Raumfahrtsektor über ein wertvolles Erbe: die Erfolge und die Expertise, die sich die Mitgliedstaaten und die Europäische Weltraumorganisation (ESA3) erarbeitet haben. Die schrittweise Entwicklung der Zuständigkeit der Europäischen Union für die Weltraumpolitik stützt sich auf dieses Erbe.

Die Zusammenarbeit mit der ESA hat 2004 zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung geführt, in der unter anderem die Schaffung eines "Weltraumrats", d.h. die gemeinsame Sitzung des Rates "Wettbewerbsfähigkeit" der Europäischen Union und des Ministerrats der ESA, vorgesehen ist. Mit den Satellitenfunknavigationsprogrammen (EGNOS und Galileo) und mit GMES (Global Monitoring for Environment and Security = Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung) wird das Interesse der Union am Weltraum in die Praxis umgesetzt. Seitdem wurden in sieben Sitzungen des Weltraumrats Leitlinien für die europäischen Weltraumaktivitäten formuliert. Im Mai 2007 begrüßte dieser Rat auf seiner vierten Sitzung insbesondere die von der Europäischen Kommission und der ESA unternommenen Bemühungen um die Verwirklichung der benutzerorientierten Großprojekte sowie die Anstrengungen im Hinblick auf die intensivere Entwicklung und Nutzung von weltraumbezogenen integrierten Anwendungen4.

Auch das Europäische Parlament hat sich stets für eine ehrgeizige europäische Weltraumpolitik stark gemacht5. Demnach wirdwie bei den anderen großen Raumfahrtnationen die Weltraumpolitik von allen beteiligten Akteuren auf höchster politischer Ebene als ein bedeutender Faktor angesehen, der es ermöglicht, den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden.

Vor diesem Hintergrund wird der Union in Artikel 189 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine geteilte Zuständigkeit für die Weltraumpolitik übertragen, die sie parallel zu jener der Mitgliedstaaten ausübt. Damit hat die Union nunmehr das ausdrückliche Mandat, eine europäische Weltraumpolitik zu entwickeln, indem sie diesbezüglich gemeinsame Initiativen fördert, die Forschung und die technische Entwicklung unterstützt und die zur Erforschung und Nutzung des Weltraums erforderlichen Aktivitäten koordiniert.

Zu diesem Zweck erlassen das Parlament und der Rat die erforderlichen Maßnahmen, die die Form eines europäischen Raumfahrtprogramms annehmen können.

Innerhalb dieses neuen Rahmens werden mit der europäischen Raumfahrtpolitik die folgenden Ziele verfolgt: Förderung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts,

Begünstigung von Innovation und industrieller Wettbewerbsfähigkeit, Teilhabe der europäischen Bürgerinnen und Bürger am Nutzen der Raumfahrtanwendungen und, auf internationaler Ebene, Stärkung der Rolle Europas in der Weltraumpolitik. Um diese Ziele zu verwirklichen, muss Europa einen unabhängigen Zugang zum Weltraum behalten. Im folgenden Teil werden die vorrangigen Aktionen beschrieben, mit denen diese Ziele aller Voraussicht nach erreicht werden können.

2. die vorrangigen Massnahmen für eine Weltraumpolitik der Union

Die ersten vorrangigen Maßnahmen, die vom vierten Weltraumrat für die Weltraumpolitik festgelegt wurden, sind die richtungsweisenden Projekte Galileo und GMES. Der fünfte Weltraumrat hat diese Projekte bestätigt und weitere Prioritäten festgelegt: den Klimawandel, die Sicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erforschung des Weltraums, deren Priorität im Übrigen noch nie in Frage gestellt worden war. Jetzt müssen sie in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.

2.1. Satellitennavigation: die Programme Galileo und EGNOS

Galileo ist ein richtungsweisendes Projekt der Union und das erste weltweite Satellitennavigationssystem, das für zivile Zwecke geschaffen wurde. In einer Zeit, in der die Abhängigkeit von globalen Satellitennavigationssystemen ständig wächst, wird Galileo die Unabhängigkeit der Union in einem strategischen Bereich gewährleisten. Mit EGNOS macht die Europäische Union den ersten Schritt im Bereich der Satellitennavigationssysteme; das Ziel von EGNOS ist es, die Qualität der von globalen Satellitennavigationssystemen auf das Gebiet Europas übertragenen Signale zu verbessern. Die durch die Programme Galileo und EGNOS geschaffenen Systeme stellen die erste große Weltrauminfrastruktur dar, über die die Union selbst verfügt und die sie auch selbst betreibt.

Diese zwei Programme entsprechen insofern vollständig der Strategie Europa 2020, als sie es der Union ermöglichen dürften, in der Entwicklung innovativer Dienste auf Basis der Satellitennavigation weltweit einen Vorsprung zu erzielen, indem die Wirtschaftstätigkeit auf dem vorgelagerten Markt angeregt wird, neue Geschäftsmöglichkeiten geschaffen werden, die humanitäre Hilfe erleichtert und das Wohlergehen der Menschen in Europa verbessert wird (beispielsweise durch mehr Verkehrssicherheit, einen verbesserten Katastrophenschutz oder durch die Entwicklung sozialer Dienstleistungen für Ältere und Behinderte). Der Nutzen, den die Union aus diesen Programmen zieht, betrifft alle Wirtschaftsbereiche, z.B. Verkehr, Telekommunikation, Umwelt, Sicherheit usw.

Im Januar 2011 hat die Kommission die Halbzeitüberprüfung der europäischen Satellitennavigationsprogramme verabschiedet; darin wird festgestellt, dass die Märkte für Anwendungen auf der Grundlage von Ortungsdiensten stark wachsen und im Jahr 2020 ihr weltweiter Jahresumsatz rund 240 Mrd. EUR erreichen dürfte. Überdies dürften Galileo und EGNOS aufgrund ihrer Vorteile gegenüber den Systemen von Mitbewerbern in den nächsten 20 Jahren einen wirtschaftlichen und sozialen Nutzen in der Größenordnung von 60 bis 90 Mrd. EUR generieren.

2011 wird die Kommission einen Legislativvorschlag zur Anpassung des institutionellen Rahmens, der die Grundlage der Programme Galileo und EGNOS bildet, vorbereiten und darin die vom Europäischen Parlament und dem Rat formulierten Leitlinien berücksichtigen. Vor allem ist sicherzustellen, dass die zur Fortsetzung dieser Programme erforderliche Satellitenkonstellation innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens vorhanden ist und alle Maßnahmen getroffen werden, die für die schrittweise Inbetriebnahme der Galileo-Dienste notwendig sind.

2.2. Die Weltraumpolitik im Dienst der Umwelt und der Bekämpfung des Klimawandels: das Programm GMES

2.2.1. Gewährleistung der operativen Funktionsfähigkeit von GMES

Mit dem Programm GMES wird das Ziel verfolgt, die ständige Verfügbarkeit von Informationsdiensten im Bereich der Umwelt und der Sicherheit auf der Grundlage von dauerhaften weltraumgestützten und Vor-Ort-Beobachtungsinfrastrukturen zu gewährleisten. GMES spielt eine wesentliche Rolle in der Umweltüberwachung von Meer, Land und Atmosphäre; damit wird das Ziel verfolgt, die Umwelt sowohl in Europa als auch weltweit besser zu verstehen, um die erforderlichen politischen Maßnahmen bestimmen zu können. Auf diese Weise wird ein nachhaltiger Einsatz von Ressourcen ermöglicht und verbesserte Informationen über den Klimawandel werden zur Verfügung gestellt.

Es könnte so zur Unterstützung der politischen Maßnahmen im Bereich der Anpassung an den Klimawandel und der Sicherheit verwendet werden und zur Vermeidung bzw. der Bewältigung von Krisen beitragen, insbesondere in Bezug auf humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenschutz.

Neben der Verbesserung der für politische Entscheidungsträger und Bürger zur Verfügung stehenden Dienste bietet GMES gegebenenfalls auch dem privaten Sektor neuartige Anwendungsmöglichkeiten dieser Informationsquellen.

2010 wurde vom Europäischen Parlament und dem Rat eine Verordnung6 in Bezug auf die ersten operativen Tätigkeiten des Programms GMES 2011-2013 verabschiedet. Damit verfügt das Programm GMES über eine rechtliche Grundlage, mit der es nicht mehr auf den rein wissenschaftlichen Bereich beschränkt ist. Nun geht es darum, seine rasche und effiziente Umsetzung in Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten voranzutreiben und die uneingeschränkte Einsatzfähigkeit von GMES ab 2014 vorzubereiten.

2.2.2. Berücksichtigung der gesellschaftlichen Herausforderung "Klimawandel"

Mit GMES steht der Union ein wirksames Instrument in Bezug auf die Herausforderung durch den Klimawandel zur Verfügung. Tatsächlich liefert die weltraumgestützte Erdbeobachtung - in Verbindung mit anderen Beobachtungsdaten unterschiedlicher Herkunft - Informationen, die es ermöglichen, das Verständnis hinsichtlich der Klimaentwicklung zu verbessern und politische Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu entwerfen.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten könnten von der dauerhaften und systematischen Bereitstellung zusätzlicher Informationen, die für die Anpassung zahlreicher politischer Maßnahmen nützlich wären, profitieren, insbesondere, um die Wirksamkeit der als Reaktion auf den Klimawandel und zu seiner Verhinderung ergriffenen Maßnahmen zu verbessern. Ferner würde die Position der Europäischen Union bei der Überwachung der Einhaltung internationaler Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels gestärkt werden, wenn sie über verlässliche und unabhängige Informationsquellen verfügen würde. Diese unionseigene Fähigkeit zur Überwachung stellt auch einen Mehrwert dar, denn sie könnte diesbezügliche, bisher auf nationaler oder regionaler Ebene vorhandene Fähigkeiten ergänzen oder ersetzen.

Dazu ist es notwendig, die bestehende Beobachtungsinfrastruktur im Weltraum zu vervollständigen und dabei die Dauerhaftigkeit jener Teile sicherzustellen, die für die Umsetzung und fortgesetzte Durchführung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und der Anpassung an denselben erforderlich sind; dies muss in einer Weise geschehen, die es ermöglicht, den GMES-Dienst "Klimawandel" zu stärken. Als Betreiberin und Nutzerin von GMES obliegt es der Europäischen Union, die Entwicklung dieses europäischen Dienstes - und damit auch die erforderlichen Infrastrukturen - festzulegen und zu fördern.

2.3. Ein gesicherter Bereich im Dienst von Sicherheit und Verteidigung

Die weltraumgestützte Infrastruktur hat, was den Bereich der Sicherheit anbelangt, sowohl die Funktion eines Instruments als auch die eines Objektes. Als Instrument kann sie für Sicherheits- und Verteidigungszwecke der Europäischen Union eingesetzt werden. Als Objekt muss sie selbst geschützt werden.

2.3.1. Die Komponente "S" (Sicherheit) von GMES

Der 7. Weltraumrat von November 2010 empfiehlt, "im Rahmen dieses Programms auch zu prüfen, wie der besondere Bedarf der Sicherheitspolitik und insbesondere der für die Überwachung des Schiffsverkehrs, den Grenzschutz und die Unterstützung der auswärtigen Maßnahmen der EU zuständigen Dienste gedeckt werden kann".

Folglich soll die Komponente "S" für "Sicherheit" von GMES gestärkt werden. Derzeit wird analysiert, wie die neuen, die Weltraumtechnologien betreffenden Entwicklungen zu wirksamen Lösungen für die Überwachung der Grenzen, die Unterstützung des außenpolitischen Handelns der EU, die Meeresüberwachung, komplexe Notsituationen, humanitäre Hilfe, den Katastrophenschutz usw. beitragen können.

Zwar handelt es sich bei GMES um ein Programm für ausschließlich zivile Zwecke, gleichwohl gilt es festzustellen, wie die bestehenden dualen, d.h. militärischen und zivilen Beobachtungskapazitäten zu GMES beitragen können, vor allem, was die systematische Überwachung großer geographischer Räume oder die taktische Überwachung begrenzter Räume anbelangt Die Integration der verschiedenen Raumfahrttechnologien zusammen mit zweckmäßigen Lösungen sowie eine verbesserte Reaktionszeit sind notwendig, um den Anforderungen von Sicherheitsaufgaben besser gerecht zu werden.

2.3.2. Die Sicherheitsdimension der Weltraumpolitik

Der 7. Weltraumrat stellt fest, "dass der Lissabonner Vertrag und der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) ein verstärktes Engagement der EU in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen bedeuten...". Er ersucht die Europäische Kommission sowie den Rat der EU, mit Unterstützung der Europäischen Verteidigungsagentur und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der ESA zu sondieren, "wie der derzeitige und der künftige Bedarf an Krisenbewältigungsfähigkeiten durch einen kostengünstigen Zugang zu robusten, sicheren und reaktionsbereiten weltraumgestützten Mitteln und Diensten [...] gedeckt werden kann, wobei gegebenenfalls Synergien zwischen zivilen und militärischen Verwendungen in vollem Umfang genutzt werden sollten". Er ersucht zudem "die Europäische Kommission und den Rat der EU, erforderlichenfalls politische Lösungen vorzuschlagen".

Die Mitgliedstaaten verfügen über wertvolle Kapazitäten. Sie haben ferner die europäische Dimension des Weltraums für die Sicherheit und die Verteidigung erkannt und das Projekt MUSIS (Multinationales weltraumbasiertes Bildgebungssystem für militärische Beobachtungszwecke) gestartet. Im Geiste der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnten die Bedürfnisse der Europäischen Union im Bereich der Sicherheit entweder durch den koordinierten Einsatz dieser nationalen Fähigkeiten oder durch den Aufbau gemeinsamer Fähigkeiten abgedeckt werden.

Damit die Union, ohne von der Infrastruktur und den Diensten von Drittländern abhängig zu sein, sowohl ihren Sicherheitsaufgaben nachkommen als auch die Fortsetzung der von den Mitgliedstaaten entworfenen Aufträge gewährleisten kann, muss sie Gespräche mit den Mitgliedstaaten beginnen, um die möglichen Optionen auszuloten. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte die Union insbesondere die nationalen Infrastrukturen zu Bedingungen koordinieren, die mit den Mitgliedstaaten, die Infrastrukturen besitzen, abzustimmen wären, und sie könnte die zusätzlichen Bedürfnisse ermitteln, um den operativen Bedarf bei der Krisenbewältigung und bei Interventionen im Außenbereich besser bedienen zu können.

Zu diesem Zweck könnte die Union eine Rolle bei der Entwicklung neuer Infrastrukturen übernehmen. Die Nutzung kommerzieller Infrastruktur für Sicherheitsaufgaben muss ebenfalls Teil dieser Überlegungen sein.

Dieser Ansatz ist weiter zu verfolgen und es sind dabei verwandte, von der Union und den Mitgliedstaaten abgedeckte Politikbereiche wie die Sicherheitspolitik und die Meeresüberwachung zu berücksichtigen.

2.3.3. Absicherung der weltraumgestützten Infrastrukturen

Weltraumgestützte Infrastrukturen sind kritische Infrastrukturen. Von ihnen hängen Dienste ab, die für das reibungslose Funktionieren unserer Gesellschaften und unserer Volkswirtschaften sowie für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger von wesentlicher Bedeutung sind. Sie müssen geschützt werden, und für die Europäische Union ist dieser Schutz von zentraler Bedeutung, da er über die partikularen Interessen der Eigentümer der Satelliten hinausreicht.

Diese Infrastrukturen sind dem Risiko der Beschädigung oder Zerstörung durch natürliche Phänomene wie Sonnenstrahlung und Asteroiden oder durch andere Weltraumobjekte bzw. deren Trümmer ausgesetzt. Auch beabsichtigte und unbeabsichtigte elektromagnetische Störungen stellen eine Gefährdung dar.

Einige Mitgliedstaaten verfügen über die Kapazitäten, um diesen Risiken teilweise begegnen zu können. Gleichwohl reichen diese nicht aus, da sie in technischer Hinsicht begrenzt sind und keine geeigneten Koordinierungsmechanismen existieren. Aus diesem Grund ist die Europäische Union für den Schutz ihrer weltraumgestützten Infrastruktur weitgehend auf die Kapazitäten und den guten Willen von Drittländern angewiesen.

Bereits im Jahr 2008 hat der 5. Weltraumrat bekräftigt, dass Europa "auf europäischer Ebene eine Fähigkeit zur Überwachung und Kontrolle seiner Raumfahrtinfrastruktur und des Weltraummülls entwickeln muss...". Er hat ferner die Notwendigkeit einer aktiven Rolle der Union bei der Einrichtung dieses Systems zur Weltraumlageerfassung (SSA = Space Situational Awareness) und seiner Lenkungsmechanismen hervorgehoben.

Die Einrichtung dieses Systems umfasst die Bündelung bestehender und die Beschaffung fehlender Kapazitäten sowie seine Wartung und Steuerung. In der Mitteilung zur Industriepolitik wird diesbezüglich festgestellt: "Die Europäische Union sollte die Organisationsform und die Verwaltungsart eines solchen Systems festlegen und dabei dessen doppeltem Verwendungszweck sowie der Notwendigkeit, seine nachhaltige Verwendung zu gewährleisten, Rechnung tragen". Die Organisation des Systems SSA könnte auf einer noch festzulegenden Struktur gründen, die den Anteil und den Grad der Beteiligung jedes einzelnen Mitgliedstaates und der anderen an dem System zur Weltraumlageerfassung beteiligten Einrichtungen je nach zu erfüllendem Auftrag und der zu beachtenden Bedingungen berücksichtigt.

2.4. Weltraumforschung

Bereits im Jahr 2008 wurde in der Entschließung des Weltraumrats festgestellt, "dass Europa eine gemeinsame Vision und eine langfristige strategische Planung für die Weltraumerforschung entwickeln muss, wobei für Europa Schlüsselpositionen zu gewährleisten sind und somit von den Bereichen ausgegangen werden sollte, in denen Europa führend ist". Die Einbindung der Europäischen Union würde es ermöglichen, die Weltraumforschung, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen enger miteinander zu verknüpfen, indem die Interessen der verschiedenen Mitgliedstaaten gebündelt werden, um auf diese Weise eine effektivere interne Verwendung der Ressourcen zu gewährleisten. Die Weltraumforschung umfasst eine politische Dimension, die über die typischen Interessen von Forschung und Entwicklung hinausreicht.

Zwar ist Europa wegen seiner Kompetenz und Verlässlichkeit in diesem Bereich ein anerkannter Partner, jedoch gelingt es nicht, sein Potenzial zufriedenstellend auszuschöpfen, da die europäischen Maßnahmen insgesamt durch eine gewisse Streuung sowie durch eine unzureichende Verbindung zwischen den Forschungsaktivitäten und den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen gekennzeichnet sind.

Durch eine Konsultation unter Beteiligung der Union, der ESA, ihrer Mitgliedstaaten und internationaler Partner konnten die folgenden vier vorrangigen Themenbereiche ermittelt werden: kritische Technologien, die Internationale Raumstation ISS, der Zugang zum Weltraum und die Gründung eines internationalen Forums auf hohem Niveau.

Konkret würde dies für die Union bedeuten, die Entwicklung jener Technologien zu ermitteln und zu fördern, die vor allem für die Erforschung in den Bereichen Energie, Gesundheit und stoffliche Wiederverwertung (Lebenserhaltung in isolierter Umgebung) wesentlich sind. Diese Themenbereiche werden nicht notwendigerweise im Raumfahrtsektor selbst, sondern in Nicht-Raumfahrtsektoren erforscht und es wäre daher zweckmäßig, die gegenseitige Bereicherung dieser Sektoren zu fördern, um den Bürgerinnen und Bürgern einen unmittelbaren Nutzen zu bieten.

Die Union könnte ferner Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Bezug auf die Internationale Raumstation ausloten, um die Beteiligung aller Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Ein autonomer Zugang der Europäischen Union zum Weltraum bedeutet, dass eine gestärkte europäische Kapazität zur Verfügung stehen muss, um selbständige Raumfahrtmissionen vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou aus durchführen zu können.

Wichtig ist schließlich auch die Schaffung eines hochrangigen internationalen Forums, um die Bereiche der Weltraumforschung zu ermitteln, die für eine internationale Zusammenarbeit geeignet sind, um die politische Dimension der internationalen Diskussionen über die Weltraumforschung zu stärken und um Synergieeffekte aus der Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu erzielen; die Europäische Union könnte darin eine Koordinierungsfunktion in Bezug auf die verschiedenen europäischen Aktivitäten übernehmen.

3. Wettbewerbsfähigkeit: der Weltraum als integraler Bestandteil der Strategie Europa 2020

3.1. Die Raumfahrtindustriepolitik im Dienst der Wettbewerbsfähigkeit

Gemäß Artikel 189 AEUV arbeitet die Union u.a. zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie eine europäische Raumfahrtpolitik aus. Die Raumfahrtindustrie - mit den Teilbereichen Herstellung, Start, Flugbetrieb, Anwendungen und Dienste - ist ein Wachstums- und Innovationsmotor: Durch sie werden sowohl hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen als auch Marktchancen für innovative Produkte und Dienstleistungen, die weit über den Raumfahrtsektor hinausreichen.

Bei der Raumfahrtindustrie handelt es sich um einen strategischen Sektor, da die Gesellschaft sowohl für zivile als auch militärische Zwecke in zunehmendem Maße von Weltrauminfrastruktur und Raumfahrtanwendungen abhängig wird. Dieser Industriezweig ist durch eine starke Konzentration und durch eine begrenzte Anzahl an KMU gekennzeichnet. Wie in anderen großen Raumfahrtnationen hängt die Branche sehr stark von öffentlichen Aufträgen ab. Sie ist mit einem scharfen Wettbewerb auf dem Weltmarkt konfrontiert.

Auf diesem Markt nimmt die Satellitenkommunikation (Satcom) einen bedeutenden Platz ein: Aufträge aus diesem Bereich sichern der Raumfähren und Trägerraketen produzierenden Sparte eine anhaltende Auslastung und tragen so zum Ziel eines unabhängigen Weltraumzugangs für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bei, die von Trägerkapazitäten abhängen, deren Kosten mit ihren Programmen vereinbar sind.

Die Kommission ist der Ansicht, dass es unerlässlich ist, kurzfristig und in enger Zusammenarbeit mit der ESA und den Mitgliedstaaten eine teilsektorspezifische Raumfahrtindustriepolitik festzulegen, um den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Teilsektoren gerecht zu werden. Deren Hauptziele wären die folgenden: eine solide und ausgewogene Entwicklung der gesamten industriellen Basis einschließlich der KMU, eine stärkere globale Wettbewerbsfähigkeit, Unabhängigkeit bei strategischen Teilsektoren beispielsweise den Trägerraketen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, sowie die Weiterentwicklung des Marktes für Weltraumerzeugnisse und -dienstleistungen.

Zu diesem Zweck sollten die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die ESA die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente in aufeinander abgestimmter Weise einsetzen.

Im Rahmen der Weltraumprogramme der Union wäre es zweckmäßig, sowohl den europäischen Rechtsrahmen insbesondere in Bezug auf den Handel als auch die Finanzinstrumente zur Unterstützung von Forschung und Innovation besser zu nutzen sowie die geeignetste Art des Vergabeverfahrens und die anzuwendenden Vergabekriterien festzulegen, wenn die Europäische Union zur Finanzierung beiträgt. Auch die Möglichkeit, spezifische Bestimmungen im Rahmen von besonderen Rechtsakten festzulegen, könnte geprüft werden.

3.2. Förderung von Forschung und Innovation

Europa braucht eine solide technologische Basis, wenn es autonom handeln und über eine wettbewerbsfähige Weltraumindustrie verfügen möchte. Europa muss außerdem die für den langfristigen Bedarf erforderlichen Kapazitäten entwickeln, indem es Weltraumgrundlagenforschung betreibt. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung von Schlüsseltechnologien, vor allem fortschrittlicher Materialien und der Nanotechnologie, von wesentlicher Bedeutung.

Mit den Investitionen muss das Ziel verfolgt werden, das Qualitätsniveau der europäischen Forschung weiter zu steigern. Um die bestehenden Schwächen zu beheben, sollte die Forschung im Bereich kritischer Technologien (wesentlich für die strategische Unabhängigkeit des Sektors) und die Forschung im Bereich bahnbrechender Technologien (die tatsächliche technologische Durchbrüche darstellen) gefördert werden; dies schließt die Weltraumforschung ein. Die diesen Herausforderungen zugrunde liegenden Forschungsanstrengungen der Union werden Teil des Vorschlags für den gemeinsamen strategischen Rahmen für die Finanzierung der Forschung und Innovation sein.

Ein großer Teil der aus den Investitionen in die Raumfahrt erwarteten Gewinne, sowohl in Bezug auf den Sektor als auch darüber hinaus, steht im Zusammenhang mit deren Effekt auf die Innovation. Die Weltraumpolitik kann entscheidend zur Verwirklichung einer Innovationsunion beitragen. Der 6. Weltraumrat betonte im Mai 2009, dass "die bestehenden Mechanismen zur Unterstützung von Innovationen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene mobilisiert und neue Unterstützungsinstrumente [...] in Betracht gezogen werden müssen". Die Mobilisierung dieser Mechanismen wird es ermöglichen, die sich in Entwicklung befindende Infrastruktur aufzuwerten, indem ein Markt für die von Galileo/EGNOS und GMES abgeleiteten Anwendungen und Dienste sowie für den Sektor Telekommunikation gefördert wird. Die Festlegung von ehrgeizigen Zielen in der Weltraumpolitik wird dann auch einen Anreiz für Innovationen zur Folge haben.

3.3. Die Telekommunikationssatelliten im Dienst der Innovation

Telekommunikationssatelliten stellen einen Schlüsselsektor für die Raumfahrtindustrie dar. Durch sie wird ein Großteil des Gewinns in der Raumfahrtindustrie sowohl in Europa als auch weltweit erzielt7.

Diese Satelliten ermöglichen sowohl einen breiten Zugang zu einer Vielzahl an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dienstleistungen, z.B. HochgeschwindigkeitsInternet, Fernsehen und Radio, verkehrstechnische Verbesserungen, als auch die Entwicklung von Dienstleistungen für die Bürger im Bereich der öffentlichen Sicherheit, der Notdienste, Gesundheitsdienste und häuslichen Dienstleistungen. Damit kommt den Kommunikationssatelliten eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung der "Digitalen Agenda für Europa" zu, deren Ziel der Zugang zu grundlegenden Breitbanddiensten für alle EU-Bürger bis 2013 ist; sie tragen ferner zu der Zielsetzung bei, den Zugang zu Breitbanddiensten mit mindestens 30 Mbit/s für alle EU-Bürger bis 2020 herzustellen. Die Satellitenkommunikation kann sich als ausgesprochen nützlich für Zugänge zu Hochgeschwindigkeitsverbindungen in den ländlichen oder schlecht zugänglichen Gebieten Europas erweisen. Diese Entwicklungen erfolgen ergänzend zur Inbetriebnahme von GMES und Galileo.

Die neuen, für die Kommunikationssatelliten entwickelten Technologien eignen sich auch zur Integration in Navigations- und Erdbeobachtungsanwendungen. Vor allem die Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors hat sich als Schlüsselfaktor für die Förderung des Angebots neuer Dienste für die Bürgerinnen und Bürger erwiesen. Beispielsweise hängt im Bereich der Sicherheit das europaweite automatische Notrufsystem in Fahrzeugen (eCall) von einer genauen Standortbestimmung ab und wird zu einer Verringerung der Zahl der Unfalltoten und zu einer Minderung den Bürgern durch Verkehrsunfälle entstandener Schäden führen. Wenn Europa seinen technologischen Vorsprung in der Satellitenkommunikation aufrechterhalten möchte, müssen die Forschungsanstrengungen in diesem Bereich auf europäischer Ebene fortgesetzt werden, gerade auch vor dem Hintergrund der positiven Auswirkungen in anderen Anwendungsbereichen. Die Verfügbarkeit von geeigneten Frequenzen wird erforderlich sein, um die operativen Fähigkeiten der Weltrauminfrastruktur zu gewährleisten und zur Verwirklichung der mit der Digitalen Agenda und der europäischen Weltraumpolitik verfolgten Ziele beizutragen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, diesen Umständen im Rahmen der bestehenden Programme und bei der Festlegung neuer europäischer Weltrauminitiativen Rechnung zu tragen.

4. die internationale Dimension der EU-Weltraumpolitik

In der Weltraumpolitik ist die internationale Zusammenarbeit unumgänglich. Es wird für einzelne Staaten zunehmend schwieriger, Weltraumaktivitäten allein durchzuführen und in vielen Fällen gelingt dies nur, wenn technologische und finanzielle Kapazitäten gemeinsam eingesetzt werden. Die internationale Zusammenarbeit sollte außerdem als Plattform zur Förderung europäischer Technologien und der Weltraumdienste dienen und so diesen strategischen Industriesektor stärken. Des Weiteren sollten durch die internationale Zusammenarbeit bei Raumfahrtprojekten auch europäische Werte gefördert werden; dies betrifft die Bereiche Umweltschutz, Klimawandel, nachhaltige Entwicklung und humanitäre Maßnahmen. Die Europäische Union wird im Übrigen in enger Zusammenarbeit mit der ESA ihre "Weltraumdialoge" mit den strategischen Partnern USA und Russland im Hinblick auf noch intensivere Kooperationen fortsetzen und stärken. Bei diesen Gesprächen geht es darum, festzustellen, in welchen Bereichen ein gemeinsames Kooperationsinteresse besteht; dabei reicht die Bandbreite von der Erdbeobachtung, über die weltweiten Satellitennavigationssysteme (GNSS) und die Weltraumwissenschaft bis zur Weltraumerforschung. Die Europäische Union wird vorschlagen, auch mit anderen bestehenden und sich entwickelnden Raumfahrtnationen Weltraumgespräche zu führen - deren Themen und Ziele in auf den jeweiligen Fall bezogenen bilateralen Vereinbarungen festgelegt werden -, insbesondere mit der Volksrepublik China, mit der sie außerdem konstruktiv die bisher zurückgestellten Fragen der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Frequenznutzung im Bereich der Satellitennavigation zu lösen beabsichtigt.

Die Europäische Union wird darauf achten müssen, dass der Aspekt der Raumfahrt besser in ihre Außenpolitik der Union integriert wird. Insbesondere beabsichtigt die Europäische Union, ihr Fachwissen und ihre Infrastruktur zum Nutzen Afrikas einzusetzen und die bereits bestehende Zusammenarbeit zu intensivieren. Die aus der Erdbeobachtung und anderen Satellitensystemen gewonnenen Daten sind für diesen Kontinent von größter Bedeutung, vor allem für die Verkehrssicherheit, die Kartografie, die Bewirtschaftung von Wasser, Nahrungsmittelressourcen und Rohstoffen, die Artenvielfalt, die Bodennutzung, die Entwaldung und die Bekämpfung der Wüstenbildung. Eine aktive Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika im Bereich der Weltraumanwendungen erfolgt bereits im Rahmen der gemeinsamen Partnerschaft für Wissenschaft, Informationsgesellschaft und Weltraum. Der 7. Weltraumrat hat betont, "dass die Beschlüsse zur Umsetzung der diesbezüglichen Prioritäten des Aktionsplans " GMES und Afrika" umgehend gefasst werden müssen". Er hat ferner die Europäische Kommission darum ersucht, "gemeinsam mit der Kommission der Afrikanischen Union den Kapazitätenaufbau [...] voranzutreiben und zu sondieren, wie eine Infrastruktur ähnlich der für EGNOS in Afrika eingerichtet werden könnte". In Bezug auf das letztgenannte Programm wurde auf dem Gipfeltreffen Europa-Afrika vom November 2010 ein Aktionsplan gebilligt, mit dem insbesondere vorgesehen ist, die Abteilung Management des afrikanischen GNSS mit Personal auszustatten, afrikanische Experten auszubilden sowie erste Infrastruktureinheiten und erste operative Tätigkeiten zu entwickeln.

Die Europäische Union wird die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Stärkung der Sicherheit, des Schutzes vor äußeren Gefahren und der Nachhaltigkeit in Bezug auf Aktivitäten im Weltraum weiter unterstützen, insbesondere durch den Vorschlag der Europäischen Union für einen "Verhaltenskodex für die Durchführung von Weltraumaktivitäten" .

Aufgrund ihrer Fachkompetenz im Bereich der Raumfahrt wird die Union ihre Teilnahme an multilateralen Foren verstärken. Hinsichtlich der Erdbeobachtung engagiert sich Europa stark in der Entwicklung der internationalen Initiative GEOSS (Globales Überwachungssystem für Erdbeobachtungssysteme). Die Kommission setzt daher die Anstrengungen fort, die erforderlich sind, um in Europa die von den GEOSS-Mitgliedern akzeptierten Bedingungen für einen Austausch von Erdbeobachtungsdaten herzustellen.

5. Anpassung der Verwaltung

Die zunehmende Beteiligung der Union an der europäischen Weltraumpolitik geht mit einer verstärkten Interaktion zwischen den verschiedenen Akteuren in diesem Bereich einher. Deshalb sollte die Union vor allem ihre Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten stärken, die Beziehungen mit der ESA neu gestalten und auf eine möglichst optimale Verwaltung der Programme achten.

5.1. Stärkung der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten

Die geteilte Zuständigkeit für die Weltraumpolitik, die der Union durch den AEUV übertragen wurde, geht einher mit einer Stärkung der Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten in Form von Gesprächen über die durchzuführenden politischen Maßnahmen sowie in Form von gegenseitiger Abstimmung. Dies ist umso wichtiger, als die Zuständigkeit der Europäischen Union es nicht ausschließt, dass die Mitgliedstaaten ihre eigene Zuständigkeit wahrnehmen.

Die Mitgliedstaaten unterscheiden sich im Grad ihrer Beteiligung, in ihren Haushaltsmitteln und den technischen Kapazitäten. Für die meisten Mitgliedstaaten handelt es sich bei Weltraumaktivitäten vor allem um Forschungsaktivitäten. Auch wenn Anstrengungen in Bezug auf Komplementarität und Synergie erfolgen, so sind deren tatsächliche Effekte begrenzt.

Die Europäische Union fühlt sich berufen, die politische Dimension der Raumfahrt zu stärken. Auf der Grundlage von Artikel 189 des Vertrags hat die Union den Auftrag und die Fähigkeit, die Tätigkeiten ihrer Mitgliedstaaten zu koordinieren und eine solche Komplementarität wirksamer zu gewährleisten. Dazu ist eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten unverzichtbar. Ferner ist es von Bedeutung, sicherzustellen, dass sich jede neue Maßnahme auf die bestehenden Kapazitäten stützt und der Bedarf an neuen Kapazitäten gemeinsam ermittelt wird.

Die zuletzt erfolgten institutionellen Entwicklungen stellen eine erste konkrete Umsetzung des Konzepts der verstärkten Zusammenarbeit dar, wodurch die Kohärenz der politischen Ziele unter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten begünstigt werden dürfte. Diese Zusammenarbeit wird zu verstärkten Synergieeffekten zwischen der EU-Weltraumpolitik und den anderen Politikbereichen, in denen die Weltraumkapazitäten der Union oder der Mitgliedstaaten genutzt werden (z.B. Verkehr, Umwelt, Forschung und Innovation) führen.

5.2. Ausbau der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der ESA

Gemäß Artikel 189 AEUV stellt die Union "die zweckdienlichen Verbindungen zur Europäischen Weltraumorganisation her". Das zunehmende Engagement der Europäischen Union in der Weltraumpolitik erfordert eine Neubewertung ihrer Beziehungen zur ESA und eine schrittweise Anpassung der Funktionsweise der ESA, um von den Stärken beider Organisationen profitieren zu können.

Die politische Dimension der Raumfahrt macht es notwendig, dass europäische Maßnahmen nicht ausschließlich an technischen oder wissenschaftlichen Erwägungen ausgerichtet sein dürfen. Die Union trägt dafür Sorge, die Bedürfnisse der Nutzer zu ermitteln und zu bündeln, um zu gewährleisten, dass die Weltraumkapazitäten vollständig den Bedürfnissen der Menschen in Europa gerecht werden. Die Kommission trägt ihren Teil dazu bei, insbesondere durch die regelmäßigen Kontakte, die ihre Dienststellen mit den verschiedenen Akteuren unterhalten.

Um den Bedürfnissen von Nutzern gerecht zu werden, wurden in verschiedenen Bereichen, z.B. in der operativen Meteorologie (EUMETSAT - ein ESA-Ableger) Betreiber-Einrichtungen geschaffen. Die Kommission muss die Schnittstelle zu diesen Einrichtungen stärken und könnte sich für die Umsetzung der Programme Galileo und GMES teilweise auf diese stützen.

Die ESA, die Programme für ihre Mitgliedstaaten und für die Union durchführt, verfügt ihrerseits über umfangreiche technische und verwaltungstechnische Kompetenz und könnte die Entwicklung neuer Raumfahrtinfrastrukturen sowohl im Rahmen zwischenstaatlicher Programme als auch innerhalb unionsfinanzierter Programme unterstützen.

Innerhalb der ESA sind derzeit Überlegungen im Gange hinsichtlich ihrer Zukunft als Organisation. Ohne den Schlussfolgerungen dieser Überlegungen vorgreifen zu wollen, vertritt die Europäische Kommission die Auffassung, dass die Weiterentwicklung der Rolle der europäischen Akteure im Raumfahrtbereich auch zu einer pragmatischen Weiterentwicklung der ESA führen sollte, in welcher die jeweiligen Rollen der Weltraumorganisation und der Union in Bezug auf Forschung, Finanzierung und operative Kapazitäten berücksichtigt sind.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die ESA ihre Entwicklung hin zu einer Organisationsform fortsetzen sollte, die es ermöglicht, innerhalb einer einzigen Struktur nebeneinander sowohl die militärischen und zivilen Programme als auch einen zwischenstaatlichen und einen die Union betreffenden Bereich zu integrieren. In Bezug auf die Umsetzung von Galileo und GMES muss die ESA jetzt bereits die Rechtsvorschriften der Europäischen Union beachten. Sie sollte ihre Annäherung an die Union fortsetzen und sich je nach Bedarf Strukturen schaffen, die ausschließlich dem Management der Unionsprogramme dienen.

Diese Organisationsform sollte so flexibel sein, dass sie an die Finanzmittel angepasst werden kann, die die Akteure für die verschiedenen künftigen Programme bereitstellen. Ferner sollte eine variable Geometrie es der Schweiz und Norwegen ermöglichen, an bestimmten Programmen teilzunehmen und gleichzeitig die Möglichkeit einer begrenzten Beteiligung einiger Mitgliedstaaten bieten.

Letztlich führen diese Änderungen zu einer Neufassung des Rahmenabkommens zwischen der Union und der ESA. Auf jeden Fall sollten diese Entwicklungen in Betracht gezogen werden, wobei ihren Auswirkungen auf den geltenden Rechtsrahmen und insbesondere den internationalen Verpflichtungen der Union Rechnung zu tragen sein wird.

5.3. Verbesserte Koordinierung und Verwaltung der Weltraumprogramme

Die Verwaltung der Weltraumprogramme ist weiterhin fragmentiert und die institutionellen Investitionen erfolgen getrennt. Die Vielzahl an Akteuren - Mitgliedstaaten in den verschiedenen Raumfahrtorganisationen, ESA, EUMETSAT, Europäische Union - erleichtert weder die Optimierung der Entscheidungsprozesse noch eine effiziente Umsetzung.

Um in kohärenter Weise auf die Bedürfnisse der Nutzer sowie der Bürgerinnen und Bürger eingehen zu können und eine solide und leistungsfähige Verwaltung der öffentlichen Mittel zu gewährleisten, beabsichtigt die Kommission, eine verbesserte Programmplanung in Bezug auf die Weltraumpolitik vorzuschlagen; diese soll durch eine engere Abstimmung in der Arbeit der Programmausschüsse (z.B. Galileo oder GMES) und, allgemeiner, durch eine verbesserte Koordinierung der Aktivitäten der verschiedenen Akteure erreicht werden.

6. Für ein Europäisches Weltraumprogramm

Durch Artikel 189 des Vertrags von Lissabon erhält die Union einen erweiterten Rechtsrahmen, der es ihr ermöglicht, eine eigenständige europäische Raumfahrtpolitik zu entwerfen, das durch sektorbezogene Maßnahmen, die sich auf andere Artikel des Vertrags bzw. andere Rechtsakte stützen, ergänzt wird.

Die Kommission untersucht die Möglichkeit, einen Vorschlag für ein derartiges Programm im Jahr 2011 vorzulegen. Unter Berücksichtigung der Reaktionen auf diese Mitteilung wird sie ihre Strategie abschließend festlegen; diese wird in ihrem für Juni geplanten Vorschlag für einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen enthalten sein.

7. Schlussfolgerung

Der Artikel 189 AEUV eröffnet neue Perspektiven für die Ausarbeitung einer Weltraumstrategie der Europäischen Union. Diesbezüglich stellt die Kommission in dieser Mitteilung konkrete Optionen vor. Die Kommission erachtet diese Mitteilung als notwendigen Schritt bei der Festlegung einer solchen Strategie und legt sie dem Rat, dem Europäischen Parlament sowie den beratenden Einrichtungen der Union zur Stellungnahme vor.