Antrag des Landes Niedersachsen
Entschließung des Bundesrates zur Zukunft der Offshore-Windenergie

Punkt 61 der 882. Sitzung des Bundesrates am 15. April 2011

Im Falle einer sofortigen Sachentscheidung wird der Entschließungsantrag der Freien Hansestadt Bremen ersetzt durch folgende Fassung:

Der Bundesrat möge beschließen:

1. Kreditprogramm "Offshore-Windenergie"

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um eine unverzügliche Verabschiedung des geplanten Offshore-Windenergie-Kreditprogramms. Mit dem Sofortprogramm der Bundesregierung zum Energiekonzept vom 28.09.2010 wurde bereits das 5-Milliarden-Kreditprogramm "Offshore-Windenergie" grundsätzlich beschlossen. Der Baubeginn verschiedener Offshore-Projekte und weitere Investitionen in der maritimen Wirtschaft hängen von der schnellen Umsetzung dieses Sonderprogramms ab. Das Programm sollte auch geeignet sein, um die Investitionsprobleme im Offshore-Spezialschiffbau zu lösen.

2. Netzanbindungsverpflichtung für Offshore-Windparks

Auf Grund der mehrjährigen Planungszeiträume für Offshore-Windparks muss eine langfristige Planungssicherheit gewährleistet werden. Insbesondere die bestehende befristete Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber zur Herstellung der Netzanschlüsse für Offshore-Windparks bis zum 31.12.2015 (§ 17 Abs. 2 a i.V.m. 118 Abs. 3 EnWG), wird dieser Anforderung nicht gerecht. Nur mit einer Entfristung ist auch zukünftig frühzeitig die notwendige Planungssicherheit gewährleistet. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung um eine entsprechende kurzfristige Änderung des EnWG, um eine langfristige Planungssicherheit für die Projekte und Investoren zu schaffen.

3. Anpassung der EEG-Vergütung für Offshore-Windenergie

Auf Grund verschiedenster Probleme hat sich der prognostizierte Beginn des Ausbaus der Offshore-Windenergie verzögert. Damit sind auch die Annahmen, die im Rahmen der letzten Novellierung des EEG getroffen wurden, nicht mehr zutreffend.

Die Regelungen zur Offshore-Windenergie im EEG sind diesen Entwicklungen anzupassen. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung um ein Verschieben des Beginns der Degressionsregelung (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Buchstabe a) EEG) und eine Verlängerung des sogenannten Frühstarterbonus (§ 31 Abs. 2 Satz 2 EEG).

Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben gezeigt, wie schwierig die Finanzierung von Offshore-Windparks ist. Als Ergänzung zu der bisher geltenden Vergütungsstruktur wird die Einführung eines optionalen Stauchungsmodells, das alternativ zur bisherigen Regelung gewählt werden kann, gefordert. Gemäß diesem Modell, das nicht zu einer Vergütungsanhebung insgesamt führen soll, wird für einen kürzeren Zeitraum eine höhere Anfangsvergütung gewährt. Das vorgeschlagene "Stauchungsmodell" verbessert die Finanzierbarkeit der Projekte deutlich und könnte so der Entwicklung der Offshore-Windenergie in Deutschland die notwendigen Impulse geben. Der Bundesrat erwartet, dass die erst im Frühjahr 2012 vorgesehene EEG-Novelle möglichst noch vor der Sommerpause realisiert werden kann.

4. Verbesserung der Rahmenbedingungen für Onshore-Windenergie

Windenergieanlagen ab einer Gesamthöhe von 100 m müssen auf Grund von bundesrechtlichen Flugsicherheitsvorschriften nachts mit einem roten Blinklicht kennzeichnet werden. Diese Befeuerung wird von den Anwohnern häufig als störend empfunden und führt dadurch regelmäßig zu einer Reduzierung der Anlagenhöhe und so zu einer erheblichen Minderung des Stromertrages. An weniger ertragreichen Standorten werden Windenergieanlagen durch die Höhenbegrenzung und die damit verbundene geringere Wirtschaftlichkeit ganz verhindert. Die Einführung einer bedarfsgerechten Befeuerung - bei Annäherung von Flugobjekten - kann Abhilfe schaffen. Hier gibt es bereits technisch ausgereifte Konzepte, für deren Umsetzung politische Rahmenbedingungen auf Bundesebene geschaffen werden müssen.

Ein weiteres Hemmnis bei der Realisierung von Windparkprojekten, insbesondere von Repoweringprojekten, sind sich häufende ablehnende Stellungnahmen der Bundeswehr wegen Störung der Radarsicht. Zur Lösung des Konflikts hat die Bundesregierung das Projekt "Windenergieanlagen und Radaranlagen der Bundeswehr" gefördert. Innerhalb des Projekts wurde ein technisches Konzept für digitale Radargeräte sowie technische Bewertungskriterien für die Genehmigung von Windenergieanlagen entwickelt.

Die vollständige Anerkennung und Anwendung der entwickelten technischen Bewertungskriterien sowie die Aufrüstung der vorhandenen Radaranlagen mit neuster Technik kann zur Lösung des Konfliktes beitragen. Der Bundesrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, die vorhandenen Lösungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um den weitern Ausbau der Windenergie an diesen Standorten nicht zu behindern.

5. Intensivierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten

Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien müssen ausgebaut werden. Von besonderer Bedeutung sind die Entwicklung und der Ausbau von intelligenten Netzen und Speicherkapazitäten, um den Schwankungen beim Stromanfall aus erneuerbaren Energien gerecht zu werden. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Stärkung der Energieeffizienz konsequent weiterzuverfolgen und umzusetzen.

6. Stärkung der Länderkompetenzen beim Netzausbau

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um Vorlage eines Netzausbaubeschleunigungsgesetzes, in dem die Rechte der Länder beim Stromnetzausbau deutlich gestärkt werden. Den Ländern muss darin die Möglichkeit gegeben werden, die Übertragungsnetzbetreiber zur zeitnahen Antragstellung für die notwendigen Netzausbaumaßnahmen nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) anweisen zu können.

Im Hochspannungsnetz der 110 KV Ebene sind sowohl Freileitungen als auch Erdkabel gleichberechtigt zuzulassen. Erdkabeltechnik entspricht auf dieser Spannungsebene dem Stand der Technik und kann verstärkt auch zur Konfliktverminderung eingesetzt werden.

Im Höchstspannungsnetz der 380 KV-Ebene sind zukünftig Teilverkabelungen zur Vermeidung von Wohnbereichsannäherungen auf allen Ausbaustrecken zuzulassen. Den Ländern muss wie bei den Pilotstrecken des EnLAG generell das Recht eingeräumt werden, Teilverkabelungen in den Genehmigungsverfahren anzuordnen.

7. Neue Übertragungstechnologien wie Overlayleitungen erproben

Für die weiteren Netzausbauaufgaben nach dem Jahr 2015 sind neue Übertragungstechnologien zu erproben. Dazu könnten mindestens zwei in der Gleichstromtechnik geplante Offshore-Windkraftsammelanschlüsse von Nord nach Süd abzweigfrei in Richtung der Lastschwerpunkte in West- und Süddeutschland weiter geführt und hierzu geeignete Trassen vorgesehen werden. Für diese Leitungen soll durchgängig Erdverkabelung zum Einsatz kommen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

8. Investitionsbedingungen beim Netzausbau verbessern

Die bisherigen regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland führen dazu, dass sich zunehmend Investoren aus dem Bereich der Übertragungsstromnetze zurück ziehen. Diese Entwicklung sollte gestoppt werden. Für die großen Netzausbauaufgaben sind durch Änderung der Anreizregulierungsverordnung erhöhte Realerträge aus dem Netzgeschäft zuzulassen. Die Unternehmen müssen die zulässige Eigenkapitalverzinsung von ca. 9 % real erreichen können. Für neue Technologien, wie dem Einsatz von Erdkabeln, sollten Risikozuschläge zugelassen werden.

9. Ausgleichszahlungen zur Akzeptanzverbesserung

Um die Akzeptanz für den Netzausbau zu verbessern könnten den Kommunen, die von neuen Freileitungstrassen betroffen sind, nach deren Inbetriebnahme regelmäßige Ausgleichszahlungen entsprechend der jeweiligen Trassenlänge gezahlt werden. Diese Ausgleichszahlungen sind von den Übertragungsnetzbetreibern aufzubringen und werden den jeweiligen Netzausbaukosten hinzugerechnet. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um Schaffung der rechtlich notwendigen Rahmenbedingungen, um die Akzeptanz für den Netzausbau grundsätzlich zu verbessern.

10. Ausbau Stromhandelsleitungen und Grenzkuppelstellen

Dem Ausbau von internationalen Verbindungsleitungen wie den geplanten Seekabelverbindungen zwischen Deutschland und Norwegen, kommt zukünftig eine verstärkte Bedeutung zu. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für ein Förderprogramm zum Ausbau von zusätzlichen Stromhandelsverbindungen einzusetzen. Dabei sollten die Investoren, die zu schnellen Realisierungsmaßnahmen bereit sind, besonders gefördert werden.