Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine

2. Vollzugsaufwand

Kein Vollzugsaufwand

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 20. Februar 2009
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 03.04.09

Entwurf Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

Zu Artikel 1

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 39 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Die öffentlichen Haushalte werden durch die Ausführung des Gesetzes nicht mit Kosten belastet. Auch sonstige Kosten entstehen daraus nicht.

Es entsteht eine Verpflichtung für die Bundesregierung zur Berichterstattung gegenüber den Vereinten Nationen über die Umsetzung des Übereinkommens.

Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (Übersetzung)

Präambel

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens

- in der Erwägung, dass die Charta der Vereinten Nationen die Staaten verpflichtet, die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern, im Hinblick auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, eingedenk des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und der anderen einschlägigen internationalen Übereinkünfte auf dem Gebiet der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und des internationalen Strafrechts, eingedenk ferner der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 047/133 vom 18. Dezember 1992 angenommenen Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, in Anbetracht der außerordentlichen Schwere des Verschwindenlassens, das ein Verbrechen und unter bestimmten im Völkerrecht festgelegten Umständen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt, entschlossen Fälle von Verschwindenlassen zu verhüten und die Straflosigkeit des Verbrechens des Verschwindenlassens zu bekämpfen, in Anbetracht des Rechtes jeder Person, nicht dem Verschwindenlassen unterworfen zu werden, und des Rechtes der Opfer auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, in Bekräftigung des Rechtes jedes Opfers, die Wahrheit über die Umstände eines Verschwindenlassens und das Schicksal der verschwundenen Person zu erfahren, sowie des Rechtes auf die Freiheit, zu diesem Zweck Informationen einzuholen, zu erhalten und zu verbreiten - sind wie folgt übereingekommen:

Teil I

Artikel 1

Artikel 2

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 7

Artikel 8

Artikel 9

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 12

Artikel 13

Artikel 14

Artikel 15

Artikel 16

Artikel 17

Artikel 18

Artikel 19

Artikel 20

Artikel 21

Artikel 22

Artikel 23

Artikel 24

Artikel 25

Teil II

Artikel 26

Artikel 27

Artikel 28

Artikel 29

Artikel 30

Artikel 31

Artikel 32

Artikel 33

Artikel 34

Artikel 35

Artikel 36

Teil III

Artikel 37

Artikel 38

Artikel 39

Artikel 40

Artikel 41

Artikel 42

Artikel 43

Artikel 44

Artikel 45

Denkschrift

A. Allgemeines

Entstehungsgeschichte des Übereinkommens

Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ("International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance") wurde am 20. Dezember 2006 nach jahrzehntelangen Bemühungen von der 61. Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen.

Das Übereinkommen kriminalisiert das unfreiwillige, erzwungene Verschwinden von Menschen, das sogenannte Verschwindenlassen und trifft Regelungen zur staatenübergreifenden Verfolgung der Täter. Mit diesem internationalen Rechtsinstrument soll ein Phänomen bekämpft werden, das typischerweise wie folgt abläuft:

Eine Person, z.B. ein Regimekritiker, wird durch staatliche Akteure wie Polizei, Militär oder Geheimdienste festgenommen, die danach gleichwohl bestreiten, die Person in Gewahrsam zu haben. Die Person "verschwindet" gewissermaßen und wird anschließend nicht selten gefoltert und/oder getötet. Wenn die Familienangehörigen oder Freunde bei den zuständigen Behörden nachfragen, erhalten sie zur Antwort, man wisse nichts über den Verbleib der Person. Dies geschieht, obwohl manchmal anderslautende Indizien vorliegen oder eventuell sogar Zeugen beobachtet haben, dass Vertreter von staatlichen Sicherheitsorganisationen die Person festgenommen haben. Da die staatlichen Behörden die Verantwortung für Inhaftierungen in der Regel abstreiten, ist es für die betroffenen Familienangehörigen sehr schwer nachzuweisen, dass diese Behörden gleichwohl an der Entführung und Inhaftierung beteiligt waren, oder dass ihnen die verantwortlichen Stellen bekannt sind. Sehr oft gibt es in Ländern mit entsprechender Praxis ein systematisches Vorgehen mit entsprechenden Einsatztruppen, wodurch eine Beteiligung kaum mehr nachgewiesen werden kann.

Aus menschenrechtlicher Sicht ist das Verschwindenlassen ein schwer zu fassender Vorgang, um dessen Bekämpfung sich die Vereinten Nationen schon seit Jahrzehnten bemühen. Im Dezember 1978 kam es zu einer Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Resolution 033/173 vom 20. Dezember 1978), in der diese "ihre tiefe Betroffenheit über Berichte aus verschiedenen Teilen der Welt betreffend Akte des gewaltsamen Verschwindenlassens von Personen" zum Ausdruck brachten. Infolgedessen wurde auf Initiative Frankreichs eine Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden (WGEID) mit Resolution 20 (XXXVI) vom 29. Februar 1980 der VN-Menschenrechtskommission gegründet. Die WGEID war nicht nur mit einem bis dahin üblichen auf ein Land beschränkten Mandat ausgestattet, sondern mit einem universellen Mandat und wurde damit zum ersten sogenannten thematischen Mechanismus im Rahmen der Vereinten Nationen.

In ihrer Resolution 047/133 vom 18. Dezember 1992 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (Deklaration von 1992) an. Diese Erklärung enthielt einen Grundsatzkatalog für alle Staaten, hatte aber nur empfehlenden Charakter und war als sogenanntes Softlaw-Instrument rechtlich nicht verbindlich.

Daher unternahmen nur wenige Staaten Schritte, um die darin enthaltenen Standards zu erfüllen.

Aus diesem Grund erarbeitete die Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte der VN-Menschenrechtskommission in der Arbeitsgruppe zur "Administration of Justice" einen Entwurf für ein internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, den sogenannten 1998er Entwurf.1) Dieser Entwurf basierte auf der Deklaration von 1992 sowie auf dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (VN-Anti-Folter-Konvention, BGBl. 1990 II S. 246, 247), insbesondere was den Überwachungsmechanismus anbelangte. Es wurden aber auch andere Übereinkommen der Vereinten Nationen und das Interamerikanische Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen vom 9. Juni 1994 der Organisation Amerikanischer Staaten mitberücksichtigt. Die Unterkommission leitete den ersten Entwurf im Jahr 1998 an die Menschenrechtskommission zur Beratung weiter.

Drei Jahre später, im Jahr 2001, setzte die VN-Menschenrechtskommission auf ihrer 57. Tagung eine eigene Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Instruments zum Schutz vor dem Verschwindenlassen ein. Dies geschah auf Initiative Frankreichs und wurde von Deutschland unterstützt. Nach jahrelangen intensiven Beratungen gelang es der Arbeitsgruppe im September 2005, der VN-Menschenrechtskommission einen konsensfähigen Entwurf für ein Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen vorzulegen.

Mit seiner Resolution 1/1 vom 29. Juni 2006 nahm der neu errichtete VN-Menschenrechtsrat auf seiner ersten Sitzung dieses Übereinkommen im Konsens an und leitete es zur Annahme an die Generalversammlung weiter. Der dritte Ausschuss der Generalversammlung nahm den Text an, und die Generalversammlung verabschiedete ihn schließlich am 20. Dezember 2006 ohne Änderungen.

Das Übereinkommen war von über 100 Mitgliedstaaten eingebracht worden und wurde ohne formelle Abstimmung im Konsens angenommen.2) Bisher haben es 73 Staaten unterzeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich aktiv an den Verhandlungen zu diesem Übereinkommen beteiligt und es am 27. September 2007 in New York unterzeichnet. Bis jetzt haben das Übereinkommen sieben Staaten, nämlich Albanien, Argentinien, Bolivien, Frankreich, Honduras, Mexiko und Senegal, ratifiziert (Stand: 22. Dezember 2008).

Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen

Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen schließt eine bestehende Lücke in der Liste der international geächteten Taten, indem es die Vertragsstaaten u. a. verpflichtet, dieses Verbrechen unter Strafe zu stellen und die Lage der Opfer im Hinblick auf eine Wiedergutmachung und Entschädigung zu verbessern. Erstmalig in einem menschenrechtlichen Vertrag wird den Familien der Opfer ein eigenes Informationsrecht zugestanden. Außerdem wird, wie bei menschenrechtlichen Verträgen der VN üblich, ein Kontrollmechanismus durch einen Ausschuss über das Verschwindenlassen eingeführt.

Das Übereinkommen ist im Rahmen der Vereinten Nationen vorbereitet worden. Zu deren satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten im Rahmen internationaler Zusammenarbeit zu fördern und zu festigen (Artikel 1 Nummer 3 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945, BGBl. 1973 II S. 430, 431).

Es gibt kein "human right not to disappear" in den bestehenden Menschenrechtskatalogen, weder auf internationaler, noch auf regionaler Ebene. Ein spezifischer Schutz vor dem Verschwindenlassen existiert in den allgemeinen Menschenrechtskatalogen nicht, obwohl das Verschwindenlassen eine ganze Reihe von Menschenrechten verletzt: das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit der Person, auf Anerkennung der Rechtsfähigkeit, das Recht, nicht der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Kennzeichnend für das Verschwindenlassen ist, dass eine Person damit voll und ganz dem Schutz des Rechts entzogen ist.

Die Bundesrepublik Deutschland ist Partei von internationalen Übereinkommen, in denen die betroffenen Menschenrechte vereinzelt enthalten sind und die auch in der Präambel zu dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen erwähnt werden. Dazu gehören der internationale Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II S. 1533, 1534), der in Artikel 2 Absatz 3 allgemein das Recht auf effektive Durchsetzung der in dem Pakt enthaltenen Rechte und in Artikel 6 das Recht auf Leben enthält, in Artikel 7 das Folterverbot, in Artikel 9 das Recht auf persönliche Freiheit, in Artikel 10 das Recht von Häftlingen auf einen menschenwürdigen Freiheitsentzug, in Artikel 16 das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und der in Artikel 24 das Recht von Kindern auf speziellen Schutz statuiert.3)

Die VN-Anti-Folter-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zudem, Folter in jeder Form zu unterbinden und strafrechtlich zu verfolgen. Die Vertragsstaaten haben sich weiter auferlegt, dem Ausschuss gegen Folter (CAT) regelmäßig Berichte über die von ihnen getroffenen Maßnahmen vorzulegen. Daneben sieht das Folterübereinkommen ein Individualbeschwerdeverfahren, sowie Staatenbeschwerden und vertrauliche Untersuchungsverfahren vor. In dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 1973 II S. 1569, 1570) wird in Artikel 10 der Schutz der Familie anerkannt. Das Recht auf Achtung des Familien- als auch des Privatlebens ist darüber hinaus in der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 2002 II S. 1054, 1055) in Artikel 8 enthalten. Darin sind zudem in Artikel 1 die Verpflichtung der Staaten zur Achtung der Menschenrechte, in Artikel 2 das Recht auf Leben, in Artikel 3 das Folterverbot, in Artikel 5 das Recht auf Freiheit und Sicherheit, in Artikel 6 das Recht auf ein faires Verfahren, in Artikel 13 das Recht auf eine wirksame Beschwerde sowie in Artikel 41 das Recht auf eine gerechte Entschädigung kodifiziert.4)

Allen diesen Übereinkommen ist gemeinsam, dass sie lediglich Teilakte des Verschwindenlassens unter ihren Schutz stellen, aber nicht das Phänomen als Ganzes erfassen.

Als Ganzes erfasst und ausdrücklich unter Strafe gestellt wird das Verschwindenlassen mit dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (IStGH-Statut, BGBl. 2000 II S. 1393, 1394), das am 1. Juli 2002 in Kraft trat (BGBl. 2003 II S. 293). Unter den darin enthaltenen Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i und Absatz 2 Buchstabe i fällt explizit die Praxis des Verschwindenlassens von Personen. Der Tatbestand setzt jedoch voraus, dass die Tat im Rahmen eines groß angelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen worden ist. Außerdem verpflichtet das Statut die Vertragsstaaten nicht, das Verschwindenlassen auf nationaler Ebene strafbar zu machen.

Das interamerikanische Menschenrechtssystem kennt ein eigenständiges Instrument zum zwangsweisen Verschwindenlassen.

Das interamerikanische Übereinkommen zum Verschwindenlassen vom 9. Juni 1994 (in Kraft getreten am 28. März 1996) ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der den Schutz vor dem Verschwindenlassen verbindlich und umfassend in einem eigenen Übereinkommen normiert. Allerdings gilt das Übereinkommen als rein regionales Instrument in weiten Teilen der Welt nicht und nimmt selbst in der amerikanischen Region mit nur elf Ratifikationen keine herausragende Stellung ein.

Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist somit der erste überregionale, völkerrechtliche Vertrag der Vereinten Nationen, der dem spezifischen Schutz vor dem Verschwindenlassen dient.

Dem Übereinkommen ging die Deklaration von 1992 voran. In ihr wurde erstmals umfassend der Schutz vor dem Verschwindenlassen in einem eigenen Regelungswerk normiert. Auf den dort vorgesehenen Regelungen baut das Übereinkommen im Wesentlichen auf. Anders als die Deklaration von 1992 ist das Übereinkommen indes verbindlich für die Vertragsstaaten. Auch besteht eine wesentliche Neuerung in dem umfassenderen Opferbegriff des Übereinkommens, das nicht nur die verschwundene Person selbst, sondern auch jede Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist, also insbesondere Angehörige, als Opfer definiert. In der Deklaration von 1992 war auch noch kein eigener Überwachungsmechanismus vorgesehen.

Der 1998er Entwurf baute auf der Deklaration von 1992 auf und konkretisierte deren Forderungen.5) Dort wurde erstmals mit dem Ausschuss über das Verschwindenlassen ein Überwachungsmechanismus eingeführt. Der darin vorgesehene Überwachungsmechanismus ist für das Übereinkommen wieder aufgegriffen und in Anlehnung an die dortigen Maßnahmen und die VN-Anti-Folter-Konvention ausgestaltet worden.

Würdigung

Das Verschwindenlassen von Personen ist ein Mittel staatlicher Repression, das in den verschiedensten Erscheinungsformen auftritt und in der Regel eine Vielzahl von Menschenrechten verletzt. Das Übereinkommen dient dazu, diese Praxis sowohl präventiv als auch repressiv zu bekämpfen. Zum einen schließt es die auf internationaler Ebene bestehenden Strafbarkeitslücken und stärkt die Position der Familienangehörigen der Opfer, denen es Informations- und Wiedergutmachungsrechte zugesteht. Zum anderen sieht es einen eigenen Überwachungsmechanismus vor, womit Menschenrechtsverletzungen nicht nur angezeigt werden, sondern auch verhindert werden sollen. Mit dem Übereinkommen wurde erstmals ein verbindliches Instrument der Vereinten Nationen geschaffen, das diese Menschenrechtsverletzungen als umfassendes Phänomen begreift und bekämpft.

In Deutschland sind keine Fälle des Verschwindenlassens bekannt. Dies war nicht immer so. Als einer der ersten weltweit registrierten Vorfälle des Verschwindenlassens gilt der sogenannte "Nacht-und-Nebel-Erlass" zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Das Oberkommando der Wehrmacht gab am 7. Dezember 1941 diesen Erlass heraus, wonach in allen von Deutschland besetzten Gebieten gegen Zivilpersonen, die eines "Verbrechens des Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht" beschuldigt wurden, nur dann Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden sollten, wenn ein Todesurteil zu erwarten sei. Im anderen Falle sollten sie der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zum Transport nach Deutschland ausgeliefert werden. Dort wurden sie von Sondergerichten häufig zum Tode verurteilt und vielfach hingerichtet oder in Konzentrationslager deportiert, ohne dass ihre Familien von den Deportationen und dem weiteren Verbleib ihrer Angehörigen erfuhren.6)

In den lateinamerikanischen Staaten verbreitete sich das Verschwindenlassen in den 60er und 70er Jahren. Militär und Polizei benutzten Einsatzfahrzeuge ohne Nummernschilder sowie maskiertes Personal, um die Betroffenen an geheime Haftorte, häufig private Häuser, zu bringen.

Dort wurden sie dann gefoltert und/oder hingerichtet, und die Leichen der Opfer verschwanden. Oftmals wurden die suchenden Familienangehörigen erpresst, damit sie sich nicht an die Öffentlichkeit wendeten. Mehrere zehntausend Menschen verloren durch ein solches Verschwindenlassen ihr Leben; zuerst in Guatemala und Brasilien, dann in Staaten unter Militärdiktatur, wie beispielsweise Argentinien oder Chile.7)

Die Praxis des Verschwindenlassens ist nach wie vor weit verbreitet und hat insbesondere im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus und dem Umgang mit Terrorismusverdächtigen neue Aktualität gewonnen. Die VN-Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden hat seit ihrer Gründung im Jahr 1980 51 763 Beschwerden zu Fällen erhalten, die über 90 Staaten in allen Weltregionen betreffen. Aus ihrem letzten Bericht von Januar 2008 geht hervor, dass sie in dem Zeitraum November 2006 bis November 2007 629 Fälle an die Regierungen Algeriens, Bahrains, Tschads, Chinas, Kolumbiens, Kongos, Äquatorial Guineas, Äthiopiens, Gambias, Honduras", Indiens, Indonesiens, Irans, Japans, Libanons, Libyens, Mexikos, Birmas, Nepals, Pakistans, der Philippinen, der Russischen Föderation, Saudi-Arabiens, Sri Lankas, Sudans, Syriens, Thailands und der Vereinigten Arabischen Emirate zur Stellungnahme weitergeleitet hat.8)

In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die existierenden Rechtsgrundlagen und politischer Druck oftmals nicht ausreichen. Daher wurde ein weltweit verbindliches Rechtsinstrument geschaffen, um effektiv gegen das erzwungene und unfreiwillige Verschwinden von Menschen vorgehen zu können. Die Bundesregierung engagiert sich konsequent und kontinuierlich im Kampf gegen das Verschwindenlassen. Sie hat an der Erarbeitung des Übereinkommens maßgeblich mitgewirkt.

So unterstützte Deutschland auf der 57. Sitzung der Menschenrechtskommission 2001 eine Initiative Frankreichs zur Einsetzung der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Rechtsinstruments. In der Folgezeit wirkte Deutschland aktiv und konstruktiv an den Sitzungen der Arbeitsgruppe mit und befürwortete insbesondere die Erarbeitung eines eigenständigen Übereinkommens.

Im Vorfeld war umstritten, ob als Handlungsform ein Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte mit einer Überwachung durch den Menschenrechtssausschuss eingeführt werden sollte oder ein Fakultativprotokoll mit einem Unterausschuss des Menschenrechtsausschusses als Überwachungsorgan.

Ein dritter Vorschlag - auf den man sich auch einigte - war ein separates Übereinkommen mit einem eigenen Überwachungsorgan.9) Ein Grund hierfür war, dass der Menschenrechtssausschuss bereits mit seinen bestehenden Kompetenzen überlastet ist. Hinzu kam, dass das Übereinkommen humanitäre Aktionen mit konventionellen gerichtlichen Prozeduren verbindet und sich daher schwer in bestehende Organe integrieren lässt.10)

Die Bundesrepublik Deutschland will durch die Ratifikation der von ihr gemeinsam mit den anderen europäischen Staaten beanspruchten Vorreiterrolle im Rahmen des Menschenrechtsschutzes gerecht werden. Damit die Bundesrepublik Deutschland glaubhaft den Schutz vor dem Verschwindenlassen von Personen von anderen Staaten einfordern kann, muss sie selbst die internationalen Vorgaben erfüllen.

Mit der Ratifikation des Übereinkommens unterstützt die Bundesrepublik Deutschland die Ziele des Übereinkommens nachdrücklich. Die Bundesrepublik Deutschland folgt damit einer Reihe von anderen Staaten, die das Übereinkommen bereits unterzeichnet haben.

Die Länder sind beteiligt worden. Die Ständige Vertragskommission der Länder hat gegen die Zeichnung des Übereinkommens durch die Bundesregierung bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen keine Bedenken erhoben.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen

Präambel

In der Präambel des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen rufen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ihre Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte aufgrund verschiedener Übereinkommen, Erklärungen und Deklarationen ins Gedächtnis. Die Mitgliedstaaten haben in der Präambel zudem diejenigen Erwägungen niedergelegt, die sie veranlasst haben, das Übereinkommen abzuschließen.

Wesentliche Überlegungen waren dabei, dass das Verschwindenlassen ein Verbrechen darstellt, das unter bestimmten Umständen sogar zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden kann, und dass jede Person ein Recht darauf hat, nicht zu verschwinden, sowie dass Opfer des Verschwindenlassens einen Anspruch auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung haben. Ziel der Vereinten Nationen ist es, präventiv das Verschwindenlassen zu verhüten und repressiv mit Strafandrohungen zu bekämpfen. Die Vereinten Nationen bekräftigen außerdem das Recht eines jeden Opfers, die Wahrheit über die Umstände des Verschwindenlassens und das Schicksal der verschwundenen Person zu erfahren, sowie diesbezügliche Informationen einzuholen, zu erhalten und zu verbreiten.

Zu den einzelnen Artikeln

Das Übereinkommen besteht aus 45 Artikeln, die in drei Teile gegliedert sind. Teil I enthält vor allem materiellrechtliche Bestimmungen, die innerstaatlich umgesetzt werden müssen. Teil II regelt die Überwachung und Befolgung des Übereinkommens durch ein internationales Kontrollorgan ("Ausschuss über das Verschwindenlassen"), und Teil III enthält Schlussbestimmungen.

Zu Teil I

Teil I enthält Bestimmungen zur Ausgestaltung des nationalen Rechts bei der Verhütung und Bekämpfung des Verschwindenlassens. Dabei betrifft Teil I diverse Rechtsgebiete, wie etwa das Ausländerrecht, die Rechtshilfe oder das internationale Kindschaftsrecht; der Schwerpunkt liegt jedoch im Straf- und Strafprozessrecht.

Zu Artikel 1

Diese Vorschrift statuiert einleitend ein umfassendes Verbot des Verschwindenlassens.

Zu Absatz 1

Absatz 1 verbietet das Verschwindenlassen. Im Gegensatz zu Artikel 2 Absatz 1 der Deklaration von 1992 ist eine passive Formulierung gewählt worden, ohne die Täter und Handlungen aufzuzeichnen. Dies ist deshalb geschehen, weil das Verschwindenlassen in Artikel 2 des Übereinkommens eigens definiert wird.

Zu Absatz 2

Absatz 2 schließt eine Rechtfertigung des Verschwindenlassens explizit aus. So können außergewöhnliche Umstände - namentlich die dort genannten - nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Damit übernimmt das Übereinkommen Artikel 7 der Deklaration von 1992 nahezu wörtlich. Das deutsche Strafrecht sieht keine "außergewöhnlichen Umstände" vor, die eine Rechtfertigung für das Verschwindenlassen von Personen im Sinne von Artikel 2 des Übereinkommens gewähren. Fallkonstellationen, in denen ein Verschwindenlassen gemäß §§ 32 und 34 StGB durch außergewöhnliche bzw. die beispielhaft in Artikel 1 Absatz 2 genannten Umstände gerechtfertigt wäre, sind nicht ersichtlich. Strafrechtlicher Umsetzungsbedarf besteht folglich nicht.

Zu Artikel 2

Diese Vorschrift definiert das Verschwindenlassen.

Darunter versteht dieses Übereinkommen die Festnahme, den Entzug der Freiheit, die Entführung oder jede andere Form der Freiheitsberaubung durch den Staat oder durch dem Staat zuzurechnende Personen, gefolgt von der Weigerung, die Freiheitsberaubung anzuerkennen, oder eine Verschleierung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch die Person dem Schutz der Rechtsordnung entzogen wird.

Das Übereinkommen erfasst nach dieser Definition nicht nur die ausgedehnte und systematische Praxis des Verschwindenlassens, sondern auch Einzeltaten ohne systematischen Zusammenhang. Anders als im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe i bei der Definition des Verschwindenlassens auch politische Organisationen einbezieht, werden nichtstaatliche Akteure nicht erfasst.11) Die Ausklammerung nichtstaatlicher Akteure war auch schon in der Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen von 1992 vorgesehen (vgl. Artikel 2 der Deklaration von 1992). Die Frage, ob auch nichtstaatliche Akteure miteinbezogen werden sollten, war heftig umstritten.12) Man einigte sich schließlich darauf, dass Artikel 3 des Übereinkommens die Vertragsstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen gegen nichtstaatliche Akteure zu ergreifen.

Die betreffende Person muss weder für längere Zeit noch in der Absicht, sie dem Rechtsschutz zu entziehen, der Freiheit beraubt werden. Dies bringt der letzte Halbsatz zum Ausdruck. Darin liegt eine bewusste Erweiterung der Definition im Gegensatz zu Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe i des IStGH-Statuts, wonach eine Absicht und eine gewisse Dauer Voraussetzung des Verschwindenlassens sind.13)

Zu Artikel 3

In Artikel 3 werden die Vertragsstaaten verpflichtet, das Verschwindenlassen von Personen aufzuklären und die Verantwortlichen einem Gerichtsverfahren zu unterziehen, wenn entsprechende Handlungen von Personen begangen werden, die ohne Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates begangen werden. Diese Vorschrift soll Artikel 2 ergänzen, weil nichtstaatliche Akteure von der Definition des Verschwindenlassens dort nicht erfasst sind.

Zu Artikel 4

In dieser Vorschrift verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, das Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen.

Damit nimmt die Vorschrift die entsprechende Aufforderung aus Artikel 4 Absatz 1 der Deklaration von 1992 auf.

Bei der Erarbeitung des Übereinkommens war umstritten, ob das Verschwindenlassen selbst oder nur die damit einhergehenden Straftaten unter Strafe gestellt werden sollten.14) Die endgültige Formulierung lässt durch die Klausel "take the necessary measures" unterschiedliche Interpretationen zu.

Im deutschen Recht existiert zwar kein eigener Straftatbestand des "Verschwindenlassens", der die Definition des Artikels 2 umfassend aufgreift. Jedoch ist sichergestellt, dass die verschiedenen Begehungsformen strafrechtlich sanktioniert sind. Einschlägig sind insbesondere § 239 StGB (Freiheitsberaubung), § 257 StGB (Begünstigung), § 258 StGB (Strafvereitelung), § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung) und § 357 StGB (Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat).

Es gibt daher keine rechtliche Notwendigkeit, einen neuen Straftatbestand zu schaffen.

Zu Artikel 5

Dieser Artikel bestimmt, dass eine ausgedehnte oder systematische Praxis des Verschwindenlassens ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des anwendbaren Völkerrechts darstellt und die nach diesem Recht vorgesehenen Konsequenzen nach sich zieht. Damit nimmt das Übereinkommen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i des IStGH-Statuts auf, der eine ausgedehnte oder systematische Praxis des Verschwindenlassens den Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuordnet - allerdings mit einer leicht anderen Definition des Verschwindenlassens (siehe dazu Artikel 2 des Übereinkommens).

Dieser Artikel war umstritten, da darin eine implizite Anerkennung des IStGH gesehen wurde.15) So hatte man sich beispielsweise in der Präambel der Deklaration von 1992 nur auf den Kompromiss einigen können, dass das systematische Verschwindenlassen "of the nature of a crime against humanity" war.16) Im deutschen Recht ist Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i des IStGH-Statuts durch § 7 Absatz 1 Nummer 7 VStGB umgesetzt worden.

Zu Artikel 6

Artikel 6 bestimmt den persönlichen Anwendungsbereich auf der Täterseite und legt fest, dass die Täter von den Vertragsstaaten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müssen. Die Vorgaben des Übereinkommens sind durch die deutschen Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme sowie zu Versuchs- und Unterlassungstaten abgedeckt. Umsetzungsbedarf besteht nicht.

Zu Absatz 1

Absatz 1 normiert umfassend eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Täter17), wobei dort nur die Mindestvorgaben für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit festgelegt werden, es den Vertragsstaaten aber freisteht, den Täterbegriff noch weiter auszudehnen. Eine solch detaillierte und explizite Definition stellt eine Neuerung gegenüber der Deklaration von 1992 dar.

Zu Buchstabe a

Buchstabe a erfasst alle Begehungsvarianten (Mittäterschaft, Beihilfe usw.) sowie den Versuch als strafbares Verschwindenlassen.

Zu Buchstabe b

Dieser Buchstabe normiert die Strafbarkeit von Vorgesetzten wegen Unterlassens. Die Ziffern i, ii und iii sind dabei kumulativ zu verstehen. Vorbild für die Formulierung ist Artikel 28 Buchstabe b des IStGH-Statuts.18) Das deutsche Völkerstrafrecht behandelt die Vorgesetztenverantwortlichkeit für Straftaten von Untergebenen in § 4 sowie §§ 13, 14 VStGB. Darüber hinaus kommt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Unterlassen nach § 13 StGB oder auch § 323c StGB in Betracht.

Zu Buchstabe c

Hiernach wird eine strengere Verantwortlichkeit nach Völkerrecht für militärische Befehlshaber für unberührt erklärt. Diese Vorschrift entstand, um Diskrepanzen zwischen verschiedenen internationalen Übereinkommen zu verhindern - da insbesondere auch nicht der volle Wortlaut des Artikels 28 des IStGH-Statuts in das Übereinkommen aufgenommen wurde.19)

Zu Absatz 2

Dieser Absatz schließt die Rechtfertigung eines Täters aufgrund einer Anordnung oder Anweisung explizit aus.

Dies forderte auch schon Artikel 6 Absatz 1 der Deklaration von 1992. Schuldausschließungsgründe wie § 3 VStGB, § 5 WStG oder § 17 StGB bleiben hiervon unberührt.

Zu Artikel 7

Diese Vorschrift regelt die Strafandrohung. Dabei verpflichtet Artikel 7 die Vertragsstaaten nicht zu einem bestimmten Strafrahmen, sondern fordert - wie schon Artikel 4 Absatz 1 der Deklaration von 1992 - eine angemessene Strafe, die die außerordentliche Schwere der Straftat berücksichtigt. Dies ist in Deutschland insbesondere durch die Strafandrohung von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe bei einer qualifizierten Freiheitsberaubung gemäß § 239 Absatz 3 StGB, ggf. auch in Verbindung mit § 357 StGB, gewährleistet. Den Vertragsstaaten wird erlaubt, mildernde und erschwerende Umstände festzulegen.

Zu Artikel 8

Artikel 8 trifft Regelungen zur Verjährung. Die Vorschrift ist aus Artikel 17 der Deklaration von 1992 entwickelt worden.20) Eine wesentliche Neuerung besteht allerdings darin, dass eine Verjährung nach Artikel 8 nicht in Betracht kommt, wenn das Verschwindenlassen in ausgedehnter oder systematischer Praxis erfolgt und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Artikel 5 des Übereinkommens darstellt. Das ist in Deutschland bereits durch das Völkerstrafgesetzbuch (§ 5 VStGB) gewährleistet. In den anderen Fällen müssen die Vertragsstaaten nach Artikel 8 sicherstellen, dass die Verjährungsfrist zum einen von langer Dauer ist und zum anderen die Verjährungsfrist erst mit der Beendigung des Verschwindenlassens beginnen darf. Die §§ 78 ff. StGB entsprechen diesen Vorgaben. In Absatz 2 ist außerdem normiert, dass jeder Vertragsstaat das Recht der Opfer von Verschwindenlassen auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor Ablauf der Verjährungsfrist gewährleisten muss.

Zu Artikel 9

Dieser Artikel trifft Regelungen zum Strafanwendungsrecht.

Um eine effektive Verfolgung der Täter sicherzustellen, legt Artikel 9 relativ weite Zuständigkeiten der Vertragsstaaten für die Strafgewalt fest. Nach Absatz 1 gilt nicht nur das Territorialitätsprinzip (Buchstabe a), sondern auch das aktive (Buchstabe b) und passive (Buchstabe c) Personalitätsprinzip. Außerdem wird die Zuständigkeit im Rahmen der deutschen Hoheitsgewalt durch Absatz 2 auch nach dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege begründet. Die Geltung des deutschen Strafrechts ist insoweit durch §§ 3 ff. StGB gewährleistet. Für die im VStGB geregelten Verbrechen gilt das Weltrechtsprinzip (§ 1 VStGB). Das Übereinkommen will noch weiter gehende Zuständigkeiten der Vertragsstaaten, die nach innerstaatlichem Recht ausgeübt werden, nicht verbieten und enthält daher in Absatz 3 die Regelung, dass solche Zuständigkeiten durch das Übereinkommen nicht ausgeschlossen werden. Der Text dieses Artikels lehnt sich an Artikel 5 der VN-Anti-Folter-Konvention an.21)

Zu Artikel 10

Artikel 10 regelt die vorläufige Behandlung von Verdächtigen.

Die Vorgaben entsprechen den Prinzipien des deutschen Strafprozessrechts.

Zu Absatz 1

Dieser Absatz verpflichtet in Satz 1 die Vertragsstaaten, Verdächtige in Haft zu nehmen, oder ihre Anwesenheit anderweitig sicherzustellen. Satz 2 bestimmt, dass die Haft mit dem Recht des Vertragsstaates in Einklang stehen muss und nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden darf.

Zu Absatz 2

Hiermit werden die innerstaatlichen Behörden verpflichtet, unverzüglich eine vorläufige Untersuchung einzuleiten.

Sie müssen des Weiteren die Vertragsstaaten, die nach dem Territorialitätsprinzip oder/und dem aktiven bzw. passiven Personalitätsprinzip zuständig sind, umfassend über die Maßnahmen informieren.

Zu Absatz 3

Dieser Absatz regelt das Recht des Verdächtigen, mit einem Vertreter seines Staates bzw. bei staatenlosen Personen, mit einem Vertreter des Staates, in dem sich der Verdächtige gewöhnlich aufhält, zu verkehren.

Zu Artikel 11

Artikel 11 stellt Regelungen zur Behandlung von Verdächtigen auf, wenn der Staat seine Zuständigkeit ausübt.

Zu Absatz 1

Dieser Absatz bestimmt, dass der Vertragsstaat den Fall des Verschwindenlassens seinen zuständigen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung unterbreiten muss, wenn er den Verdächtigen nicht ausliefert oder an ein internationales Strafgericht überstellt. Damit nimmt die Vorschrift Artikel 14 der Deklaration von 1992 auf.

Zu Absatz 2

Hiermit werden die innerstaatlichen Behörden verpflichtet, den Verdächtigen keine Sonderbehandlung zukommen zu lassen. Insbesondere dürfen auch die nach Artikel 9 unterschiedlichen Möglichkeiten der Zuständigkeitsbegründung keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Auch Artikel 18 der Deklaration von 1992 sah schon vor, dass Verdächtige nicht von speziellen Amnestieregelungen profitieren durften.

Zu Absatz 3

Dieser Absatz regelt die Rechte des Verdächtigen. Es ist bestimmt, dass er ein Recht auf ein faires Verfahren hat.

Zu Artikel 12

Diese Vorschrift regelt die Einleitung und den Ablauf der Untersuchungen und verpflichtet die Vertragsstaaten, eine effektive Untersuchung ohne Behinderungen zu gewährleisten. Diese Vorschrift ist im Wesentlichen aus Artikel 13 der Deklaration von 1992 entwickelt worden.

Die Vorschriften des deutschen Strafprozessrechts erfüllen diese Vorgaben.

Zu Absatz 1

Damit wird jedermann das Recht eingeräumt, das mögliche Verschwindenlassen einer Person anzuzeigen.

Gleichzeitig unterwirft diese Vorschrift die innerstaatlichen Behörden dem Legalitätsprinzip. Des Weiteren wird für die Untersuchung selbst bestimmt, dass diese unparteiisch zu erfolgen hat. Die Beschwerdeführer und weitere Personen müssen außerdem durch geeignete Maßnahmen geschützt werden.

Zu Absatz 2

Hier ist der Amtsermittlungsgrundsatz niedergelegt.

Auch wenn keine förmliche Anzeige eingereicht wird, sind die Behörden bei hinreichenden Verdachtsmomenten gehalten, eine Untersuchung durchzuführen.

Zu Absatz 3

Die Vertragsstaaten werden durch Absatz 3 verpflichtet, die zuständigen Behörden mit den notwendigen Befugnissen und Mitteln für eine Untersuchung auszustatten und diesen Behörden Zugang zu jedem Ort, an dem sich verschwundene Personen befinden könnten, zu gewähren.

Zu Absatz 4

Damit die Durchführung der Untersuchungen nicht behindert wird, verpflichtet dieser Absatz die Vertragsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Behinderungen zu verhindern. Insbesondere müssen die Vertragsstaaten verhindern, dass Verdächtige Einschüchterungsversuche und Ähnliches unternehmen.

Zu Artikel 13

Artikel 13 legt eine umfassende Auslieferungspflicht für Verdächtige fest, um eine wirksame strafrechtliche Verfolgung zu gewährleisten.

Zu Absatz 1

Absatz 1 will verhindern, dass das Verschwindenlassen von Personen als politische Straftat oder Ähnliches beurteilt wird, damit ein Auslieferungsersuchen aus diesen Gründen nicht abgelehnt werden kann.

Zu den Absätzen 2 bis 6

Die Absätze 2 bis 6 wollen die Auslieferung von Verdächtigen beim Verschwindenlassen umfassend ermöglichen und bestimmen daher, dass das Verschwindenlassen in bestehenden Auslieferungsverträgen als eine der Auslieferung unterliegende Tat und damit als in den Vertrag einbezogen gilt. Zusätzlich verpflichtet Absatz 3 die Vertragsstaaten, das Verschwindenlassen in zukünftige Auslieferungsverträge aufzunehmen. Außerdem gilt dieses Abkommen als Auslieferungsvertrag, wenn kein spezieller Vertrag zwischen zwei Staaten besteht. Mit dieser Vorschrift erkennen alle Staaten das Verschwindenlassen als eine der Auslieferung unterliegende Straftat an.

Absatz 6 bestimmt, dass die Auslieferung den im Recht des ersuchten Vertragsstaats oder in den Auslieferungsverträgen vorgesehenen Bestimmungen unterliegt.

Zu Absatz 7

Absatz 7 enthält eine Einschränkung der Auslieferung.

Eine solche ist dann möglich, wenn stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass die verdächtige Person wegen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer politischen Anschauungen oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in dem ersuchenden Staat verfolgt oder bestraft werden soll oder dass der Person aus einem dieser Gründe Schaden zugefügt werden könnte, wenn dem Ersuchen stattgegeben würde.

Zu Artikel 14

Artikel 14 verpflichtet die Vertragsstaaten, einander Rechtshilfe zu gewähren. Dabei unterliegt die Rechtshilfe den innerstaatlichen Vorschriften bzw. den in den Rechtshilfeverträgen vorgesehenen Bedingungen.

Auch diese Vorschrift soll - wie schon Artikel 13 - zu einer wirksamen strafrechtlichen Verfolgung durch eine effektive Zusammenarbeit der Vertragsstaaten beitragen.

Zu Artikel 15

Diese Vorschrift regelt die gegenseitige Hilfe der Vertragsstaaten bei der Unterstützung der Opfer des Verschwindenlassens.

So müssen sich die Vertragsstaaten in größtmöglichem Umfang Hilfe bei der Unterstützung der Opfer, bei der Suche nach verschwundenen Personen, der Ermittlung ihres Aufenthaltsortes und ihrer Freilassung sowie im Falle ihres Todes bei der Exhumierung, Identifizierung und Überführung der sterblichen Überreste gewähren. Auf diese Weise soll eine wirksame Kooperation der Vertragsstaaten zur Unterstützung der Opfer begründet werden.

Zu Artikel 16

Artikel 16 verbietet die Ausweisung, Abschiebung, Übergabe oder Auslieferung an einen anderen Staat, wenn "stichhaltige Gründe" für die Annahme bestehen, dass die Person dort Opfer des Verschwindenlassens werden könnte. Absatz 2 enthält Vorgaben, wie die "stichhaltigen Gründe" ermittelt werden. Diese Vorschrift übernimmt im Wesentlichen Artikel 8 der Deklaration von 1992. Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland ist diese Vorschrift so zu interpretieren, dass eine konkrete Gefahr für die betroffene Person vorliegen muss.

Zu Artikel 17

In dieser Vorschrift werden die Voraussetzungen für eine legale Freiheitsentziehung der Person geregelt. Die Vorschrift ist unter anderem aus Artikel 10 der Deklaration von 1992 entwickelt worden.22)

Zu Absatz 1

Absatz 1 hält fest, dass niemand geheim in Haft gehalten werden darf. Dieser Absatz ist unter anderem als Reaktion auf die Debatten über geheime Gefangenenlager eingeführt worden.

Zu Absatz 2

Absatz 2 enthält Vorgaben für die Ausgestaltung der Freiheitsentziehung in den Vertragsstaaten im Einzelnen. Die Vertragsstaaten müssen insbesondere gewährleisten, dass die gefangene Person - vorbehaltlich der gesetzlich vorgesehenen Bedingungen - mit der Außenwelt verkehren und Besucher empfangen darf bzw. Ausländer mit den zuständigen Konsularbehörden verkehren dürfen.

Außerdem werden die Vertragsstaaten durch Buchstabe f verpflichtet, einen Rechtsbehelf für die verschwundene Person zur Verfügung zu stellen. Eine nach dem deutschen Strafprozessrecht inhaftierte Person kann gemäß § 117 StPO jederzeit die gerichtliche Haftprüfung beantragen. Auch die PsychKGs der Länder, die auf die §§ 70 ff. FGG verweisen, sehen Beschwerdemöglichkeiten vor, sodass das deutsche Recht insoweit die Vorgaben erfüllt. Darüber hinaus soll allen Personen mit einem berechtigten Interesse das Recht gewährleistet werden, ein Verfahren vor Gericht einzuleiten, um "im Fall eines mutmaßlichen Verschwindens" eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung herbeizuführen.

Nach dem deutschen Recht ist eine Freiheitsentziehung nur dann rechtmäßig, wenn sie durch ein Gericht angeordnet oder ausnahmsweise nachträglich genehmigt worden ist. Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich: "Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen."

Erfolgt eine vorläufige Festnahme wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung, ist die Person nach Artikel 104 Absatz 3 des Grundgesetzes "spätestens am Tag nach der Festnahme dem Richter vorzuführen". Der Fall, dass eine Person ohne Einhaltung des in Artikel 104 des Grundgesetzes vorgeschriebenen Verfahrens willkürlich festgehalten werden könnte, ist nicht ausdrücklich geregelt, da verfassungsgemäßes Verhalten der Staatsorgane bei der Normsetzung vorausgesetzt wird. In einem solchen Fall wäre es für jedermann möglich, eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Haft herbeizuführen. Dies würde über eine analoge Anwendung der entsprechenden strafprozessualen Vorschriften erreicht: Nach § 128 Absatz 2 StPO hat der Richter nach einer Vorführung einer festgenommenen Person nur die Alternative, einen Haftbefehl zu erlassen oder die sofortige Freilassung anzuordnen. Erfolgt aber keine Vorführung und wird die von einer strafprozessualen Festnahme betroffene Person unter Missachtung von § 128 Absatz 1 StPO (Artikel 104 Absatz 3 GG) über die vorgeschriebene Frist hinaus festgehalten, kann das Gericht analog § 128 Absatz 2 Satz 1 StPO nur von Amts wegen die Freilassung anordnen. Eine entsprechende Entscheidung könnte jeder bei dem Amtsgericht beantragen, in dessen Bezirk die Festnahme erfolgt ist.

Die Bundesregierung wird eine entsprechende Interpretationserklärung bei der Ratifikation abgeben.

Zu Absatz 3

Absatz 3 verpflichtet die Vertragsstaaten, Register/Akten über die Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu führen und diese Gerichten oder zuständigen Behörden oder Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Dabei gibt dieser Absatz detailliert den Mindeststandard an Informationen, den ein solches Register enthalten muss, vor.

Soweit die Freiheitsentziehung durch ein gerichtliches Urteil oder durch eine Behörde erfolgt, ist eine entsprechende Aktenführung in Deutschland sichergestellt. Im Falle der Unterbringung durch einen Betreuer oder Bevollmächtigten erhält das Gericht, das die Unterbringung genehmigt hat, die Informationen und kann diese auch im Verlauf der Unterbringung jederzeit zu den Akten nehmen.

Zu Artikel 18

Diese Vorschrift will allen Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, einen effektiven Zugang zu Informationen gewähren.

Dazu legt die Vorschrift in Absatz 1 einen Mindeststandard an Informationen fest, zu dem solche Personen bzw. ihre Vertreter oder Rechtsbeistände Zugang haben müssen. Um zu verhindern, dass dieses Recht auf Information wegen Einschüchterung o. Ä. von den Betreffenden nicht genutzt wird, legt Absatz 2 fest, dass geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um eine solche Einschüchterung o. Ä. zu verhindern.

Das deutsche Recht erfüllt die Anforderungen des Artikels 18. § 475 StPO erlaubt es Privatpersonen bei Nachweis eines berechtigten Interesses, Auskünfte aus den Akten zu erhalten. Die im deutschen Recht vorgesehene Abwägung mit den schutzbedürftigen Interessen des Betroffenen ist auch nach der Konvention über Artikel 20 Absatz 1 möglich; das Gleiche gilt für das in § 477 StPO vorgesehene Versagungsrecht zum Schutz des Strafverfahrens.

Im Betreuungsrecht ergibt sich ein entsprechendes Auskunftsrecht bei berechtigtem Interesse aus § 34 FGG; darüber hinaus bestehen zahlreiche Mitteilungs- und Übermittlungsverpflichtungen

Auch hierzu wird die Bundesregierung eine Interpretationserklärung abgeben.

Eine wichtige Einschränkung dieses Rechts enthält Artikel 20.

Zu Artikel 19

Artikel 19 enthält Vorgaben zur Behandlung von personenbezogenen Informationen. Zum einen dürfen nach Absatz 1 die Informationen nur dazu verwandt werden, nach der verschwundenen Person zu suchen. Explizit lässt Absatz 1 Satz 2 indes die Verwendung von Informationen im Strafverfahren wegen des Verschwindenlassens und bei der Ausübung des Rechts auf Entschädigung unberührt. Absatz 2 schränkt die Behandlung von Informationen außerdem dahin gehend ein, dass die Menschenrechte, die Grundfreiheiten und die Menschenwürde nicht unmittelbar oder mittelbar verletzt werden dürfen.

Zu Artikel 20

Diese Bestimmungen schränkt das in Artikel 18 enthaltene Recht auf Information ein. Die Formulierung dieses Artikels war sehr umstritten, da man einerseits die Privatsphäre schützen, andererseits aber verhindern wollte, dass das Verschwindenlassen auf diese Weise erleichtert werden könnte.23)

Letztendlich einigte man sich darauf, dass das Recht auf Information in engen Grenzen dann eingeschränkt werden darf, wenn die Person "unter dem Schutz des Gesetzes steht und die Freiheitsentziehung der Kontrolle durch ein Gericht unterliegt". In diesem Fall muss eine Abwägung zwischen dem Recht auf Information und den entgegenstehenden Interessen erfolgen, wobei die Vorschrift die zu gewichtenden Interessen genauer beschreibt und vorgibt, dass eine Einschränkung des Rechts auf Information nur ausnahmsweise erfolgen darf und nur, soweit dies unbedingt erforderlich und gesetzlich vorgesehen ist. Um einem Missbrauch - unter Berufung auf diese Vorschrift - vorzubeugen, verpflichtet Absatz 2 die Vertragsstaaten, einen diesbezüglichen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf einzurichten. Als zusätzliche Sicherung ist bestimmt, dass dieses Recht auf einen Rechtsbehelf unter keinen Umständen ausgesetzt oder eingeschränkt werden darf.

Nach dem deutschen Strafprozessrecht können Privatpersonen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen, Auskünfte aus den Akten erhalten. Hierüber entscheidet bis zur Erhebung der öffentlichen Klage die Staatsanwaltschaft; gegen deren Entscheidung ist wiederum ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung möglich ( § 478 Absatz 3 StPO). Auch im Rahmen der Unterbringung nach den Landesgesetzen über psychisch Kranke sind die erforderlichen Auskunftsrechte und Rechtsbehelfe vorgesehen.

Zu Artikel 21

Artikel 21 enthält Vorgaben zur Freilassung von inhaftierten Personen. Zum einen müssen die Vertragsstaaten ein Verfahren sicherstellen, das eine verlässliche Nachprüfung der tatsächlichen Freilassung erlaubt. Außerdem sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die körperliche Unversehrtheit der Person und ihre Fähigkeit, ihre Rechte uneingeschränkt auszuüben, zum Zeitpunkt der Freilassung sicherzustellen - allerdings unbeschadet der Pflichten, die den Personen nach innerstaatlichem Recht obliegen.

Zu Artikel 22

Nach dieser Vorschrift muss jeder Vertragsstaat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um präventiv und repressiv gegen Behinderungen oder Verschleppungen im Zusammenhang mit bestimmten der im Übereinkommen vorgesehenen Rechtsbehelfe, anderen Versäumnissen und Weigerungen vorzugehen. Artikel 22 soll vor allem sicherstellen, dass ein Verschwindenlassen nicht deshalb stattfindet, weil die Behörden nicht ordnungsgemäß funktionieren bzw. Fehler in den Behörden durch fahrlässiges Verhalten entstehen.24)

Buchstabe a

Die Rechtsbehelfe, auf die in Artikel 22 Buchstabe a Bezug genommen wird, sind unter den Artikeln 17 und 20 dargestellt.

Buchstabe b

Die Versäumnisse in Buchstabe b beziehen sich auf die ordnungsgemäße Führung der in Artikel 17 Absatz 3 genannten Register.

Buchstabe c

Die Weigerung, Auskünfte zu erteilen, oder das Erteilen unrichtiger Auskünfte beziehen sich auf Artikel 18 des Übereinkommens.

Zu Artikel 23

Diese Vorschrift verpflichtet in Absatz 1 die Vertragsstaaten, alle mit dem Verschwindenlassen potentiell in amtlicher Funktion in Berührung kommende Personen über die Regelungen dieses Übereinkommens aufzuklären und entsprechend zu schulen. Die Vertragsstaaten müssen nach Absatz 2 sicherstellen, dass Anordnungen, durch die das Verschwindenlassen gefördert wird, verboten werden und dass eine Person, die einer entsprechenden Anordnung keine Folge leistet, nicht bestraft wird.

Der Absatz lehnt sich damit an Artikel 6 der Deklaration von 1992 an. Außerdem müssen nach Absatz 3 Vorkehrungen geschaffen werden, dass die in Absatz 1 genannten Personen ein schon stattgefundenes oder geplantes Verschwindenlassen geeigneten Stellen mitteilen.

Nach Inkrafttreten des Übereinkommens wird sein Inhalt in angemessener Weise in die einschlägigen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in Deutschland integriert werden.

Zu Artikel 24

Artikel 24 trifft Regelungen zu den Opfern und setzt die Forderungen aus Artikel 19 der Deklaration von 1992 um.

Zu Absatz 1

Absatz 1 bestimmt den Opferbegriff. Die dort niedergelegte weite Definition ist ein wesentliches Element des Übereinkommens. Es wird nicht nur die verschwundene Person selbst, sondern vielmehr jede natürliche Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist, als Opfer definiert. Explizit entschied man sich gegen eine Differenzierung nach "direkten" und "indirekten" Opfern.25) Durch die Ausweitung des Opferbegriffs auf Personen, die durch das Verschwindenlassen einer anderen Person geschädigt sind, gelingt es, eine diesbezüglich bestehende Lücke im geltenden Völkerrecht - die insbesondere nahe Familienangehörige hart traf - zu schließen.26)

Zu den Absätzen 2 und 3

Absatz 2 gewährt allen Opfern erstmals ausdrücklich das Recht, die Wahrheit über das Verschwindenlassen zu erfahren, und verpflichtet die Vertragsstaaten, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um diesen Zweck zu erfüllen.

Außerdem enthält Absatz 3 eine Generalverpflichtung der Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen im Hinblick auf die Suche nach der verschwundenen Person, die Ermittlung ihres Aufenthaltsortes, ihre Freilassung und im Falle ihres Todes im Hinblick auf die Ermittlung, Achtung und Überführung ihrer sterblichen Überreste zu treffen. Im Gegensatz zu Artikel 15, der die Zusammenarbeit der Staaten betrifft, enthält Artikel 24 Absatz 3 Vorgaben für die Umsetzung innerhalb eines Staates.

Zu den Absätzen 4 und 5

Hiernach müssen die Vertragsstaaten den Opfern des Verschwindenlassens ein Recht auf Wiedergutmachung und auf Entschädigung gewährleisten, wobei Absatz 5 im Einzelnen den Umfang des Schadensersatzes und andere Arten der Wiedergutmachung regelt. Der Grundsatz der Staatenimmunität bleibt hierbei jedoch unberührt.

Das deutsche Recht sieht in diesen Fällen den Amtshaftungsanspruch des § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG vor, sodass die Vorgaben des Übereinkommens erfüllt sind.

Zu Absatz 6

Die Vertragsstaaten werden hiernach verpflichtet, in Bezug auf die Rechtsstellung der verschwundenen Person und ihrer Angehörigen - z.B. hinsichtlich der sozialen Sicherung - die geeigneten Maßnahmen zu treffen.

Zu Absatz 7

Nach diesem Absatz müssen die Vertragsstaaten das Recht auf Bildung von Organisationen und Vereinen gewährleisten, deren Ziel es ist, das Verschwindenlassen aufzuklären und Opfer zu unterstützen. Außerdem enthält dieser Absatz das freie Recht auf Beteiligung an solchen Vereinen und Organisationen.

Zu Artikel 25

Diese Bestimmung trifft spezielle Regelungen zum Schutz von Kindern, um eine Lücke im bestehenden verbindlichen Völkerrecht zu schließen.27) Mit dieser Regelung nimmt das Übereinkommen den Kinderschutzgedanken von Artikel 20 der Deklaration von 1992 auf. Da Kinder besonders schutzbedürftig sind, verpflichtet diese Regelung die Vertragsstaaten, nicht nur die unrechtmäßige Entziehung oder die Identitätsverschleierung von Kindern zu bestrafen, sondern auch eine aktive Familienzusammenführung zu betreiben. Dabei müssen sich die Vertragsstaaten gegenseitig unterstützen. Um Kinder umfassend vor dem Verschwindenlassen zu schützen, müssen die Vertragsstaaten Adoptions- bzw. Unterbringungsüberprüfungsverfahren vorsehen und gegebenenfalls jede Adoption oder Unterbringung, die auf einem Verschwindenlassen beruht, aufheben. Am Ende der Bestimmung ist festgehalten, dass das Wohl des Kindes bei allen Regelungen vorrangig zu berücksichtigen ist und dass die Meinung des Kindes unter Berücksichtigung von Alter und Reife bei der Entscheidung miteinbezogen werden muss. Das Wohl des Kindes ist dabei so zu verstehen wie im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention).28)

Zu Teil II

Dieser Teil des Übereinkommens enthält institutionellprozedurale Bestimmungen. So ist in den folgenden Bestimmungen die Errichtung eines Ausschusses als Instanz zur Überwachung von und Beschwerde über Verletzungen dieses Übereinkommens vorgesehen. Gleichzeitig werden die verschiedenen Verfahren vor dem Ausschuss und dessen Arbeitsweise geregelt.

Zu Artikel 26

Diese Bestimmung enthält Regelungen zur Errichtung eines Ausschusses über das Verschwindenlassen.

Zu Absatz 1

Absatz 1 ist die rechtliche Grundlage für die Errichtung des Ausschusses über das Verschwindenlassen, der die in dem Übereinkommen festgelegten Aufgaben wahrnehmen soll. Außerdem regelt dieser Absatz die Zusammensetzung des Ausschusses. Dieser soll aus zehn Personen bestehen. Des Weiteren sind die Anforderungen festgelegt, die die Mitglieder des Ausschusses erfüllen müssen. Zunächst verlangt die Vorschrift, dass die Mitglieder unabhängig und unparteiisch sind. Um dem Ausschuss die notwendige Autorität zu verleihen, müssen die Mitglieder über ein hohes sittliches Ansehen verfügen.

Zum anderen müssen sie eine anerkannte Sachkenntnis auf dem Gebiet der Menschenrechte aufweisen.

Zudem ist bei der Zusammensetzung die Zweckmäßigkeit der Beteiligung von Personen zu berücksichtigen, die einschlägige juristische Erfahrungen besitzen, und außerdem ist auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter Rücksicht zu nehmen. Zum Wahlverfahren bestimmt Absatz 1, dass die Mitglieder des Ausschusses von den Vertragsstaaten auf der Grundlage einer gerechten geographischen Verteilung gewählt werden. Nähere Bestimmungen dazu enthalten die folgenden Absätze.

Zu den Absätzen 2 und 3

In diesen Absätzen sind das Wahlverfahren im Einzelnen und der Zeitpunkt der ersten Wahl geregelt. Unter anderem ist dort bestimmt, dass eine Wahl alle zwei Jahre in einer von dem Generalsekretär der Vereinten Nationen einberufenen Versammlung stattfindet.

Zu Absatz 4

Hier werden Regelungen zur Amtszeit der Ausschussmitglieder getroffen. Danach werden die Ausschussmitglieder auf vier Jahre gewählt - mit einmaliger Wiederwahloption.

Die Amtszeit der Hälfte der bei der ersten Wahl gewählten Mitglieder endet allerdings schon nach zwei Jahren, was damit zusammenhängt, dass nach Absatz 2 eine Wahl alle zwei Jahre stattfindet. Durch die alle zwei Jahre stattfindende Wahl soll eine gewisse Kontinuität gewahrt und vermieden werden, dass erworbenes Spezialwissen durch den kompletten Austausch der Mitglieder verloren geht.

Zu Absatz 5

Dieser Absatz regelt die Fälle, in denen Mitglieder des Ausschusses versterben, zurücktreten oder ihre Aufgaben aus anderen Gründen nicht mehr wahrnehmen können.

Das Recht zur Benennung eines Ersatzmitglieds verbleibt bei dem Staat, der das ausgeschiedene Mitglied ursprünglich vorgeschlagen hat. Um dem Ausschuss letztlich anzugehören, bedarf das vorgeschlagene Ersatzmitglied der Zustimmung der Mehrheit der Vertragsstaaten, die unter den Voraussetzungen des Satzes 2 von Absatz 5 fingiert wird.

Zu Absatz 6

Diese Bestimmung enthält die Ermächtigung des Ausschusses, sich eine Geschäftsordnung zu geben.

Zu Absatz 7

Nach dieser Bestimmung wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen verpflichtet, dem Ausschuss die angemessenen Mittel zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wird bestimmt, dass der Generalsekretär die erste Sitzung des Ausschusses einberuft.

Zu Absatz 8

Dieser Absatz stellt die Ausschussmitglieder den sonstigen Sachverständigen, die im Auftrag der Vereinten Nationen tätig sind, in Bezug auf Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten gleich.

Zu Absatz 9

Dieser Absatz wendet sich an die Vertragsstaaten und verpflichtet sie, mit dem Ausschuss zusammenzuarbeiten und seine Mitglieder bei der Erfüllung ihres Mandates zu unterstützen.

Zu Artikel 27

Diese Bestimmung legt fest, dass eine Konferenz der Vertragsstaaten nach vier bis sechs Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens einberufen wird, um die Wirkungsweise des Ausschusses zu überprüfen und gegebenenfalls die Aufgaben einer anderen Stelle zu übertragen.

Die Bestimmung verweist für das Verfahren einer in diesem Falle erforderlichen Entscheidung auf Artikel 44 Absatz 2, wo bestimmt ist, dass eine Zweidrittelmehrheit der auf der Konferenz anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten erforderlich ist. Diese Nachprüfungsklausel ist eingefügt worden, da es im Vorfeld umstritten war, ob ein eigener Ausschuss eingerichtet werden sollte.29)

Zu Artikel 28

Diese Regelung bestimmt in Absatz 1 eine Kooperations- und in Absatz 2 eine Konsultationspflicht des Ausschusses bei der Ausübung seiner Befugnisse.

Zu Absatz 1

Absatz 1 sieht eine Zusammenarbeit des Ausschusses mit allen geeigneten Organen, Dienststellen, Sonderorganisation und Fonds der Vereinten Nationen, dem durch internationale Übereinkünfte errichteten Vertragsorganen, den Sonderverfahren der Vereinten Nationen, den einschlägigen regionalen zwischenstaatlichen Organisationen oder Einrichtungen sowie mit allen einschlägigen staatlichen Einrichtungen, Ämtern oder Dienststellen, die sich für den Schutz von Personen vor dem Verschwindenlassen einsetzen, vor.

Zu Absatz 2

In Absatz 2 ist die Beratung mit anderen Vertragsorganen, die durch einschlägige internationale Menschenrechtsübereinkünfte errichtet worden sind - insbesondere der Ausschuss für Menschenrechte nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, bestimmt. Diese Konsultationspflicht des Ausschusses ist deswegen vorgesehen, damit eine Einheitlichkeit der jeweiligen Stellungnahmen und Empfehlungen gewährleistet ist.

Zu Artikel 29

In Artikel 29 ist ein Überwachungsmechanismus vorgesehen.

So verpflichtet die Bestimmung die Vertragsstaaten, Staatenberichte über die Umsetzung des Übereinkommens zu erstellen. Die Vertragsstaaten müssen dem Ausschuss innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens einen solchen Bericht vorlegen.

Zum Verfahren ist vorgesehen, dass der jeweilige Bericht dem Ausschuss über den Generalsekretär der Vereinten Nationen vorzulegen ist, wobei der Generalsekretär den Bericht allen Vertragsstaaten zur Verfügung stellt. Der Ausschuss prüft den Bericht und leitet dem jeweiligen Vertragsstaat seine Stellungnahme und zu.

Zu den Artikeln 30 bis 34

Diese Bestimmungen enthalten Regelungen zu den verschiedenen Verfahren vor dem Ausschuss. Artikel 30 regelt das Suchverfahren nach verschwundenen Personen.

Die Artikel 31 bis 34 enthalten Beschwerdeverfahren wegen Verletzungen des Übereinkommens. Die Artikel 31 und 32 regeln Verfahren, die optional sind (d. h. eine zusätzliche Unterwerfungserklärung ist nötig), während die in den Artikeln 33 und 34 beschriebenen Verfahren obligatorisch sind.

Zu Artikel 30

Diese Bestimmung gewährt Individualpersonen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, das Recht, ein Suchverfahren nach einer verschwundenen Person beim Ausschuss einzuleiten. Der Ausschuss prüft den Antrag und ersucht gegebenenfalls den betreffenden Vertragsstaat um Auskunft. Nach Erteilung der Auskunft leitet der Ausschuss weitere Maßnahmen ein, wobei er lediglich Empfehlungen gegenüber dem Vertragsstaat aussprechen kann. Der Antragsteller wird in die Kommunikation zwischen Ausschuss und Vertragsstaat einbezogen.

Zu Artikel 31

Artikel 31 sieht eine optionale Individualbeschwerde vor.

Absatz 1 schafft die institutionellen Voraussetzungen. Die Absätze 2 bis 5 sehen Bestimmungen für das weitere Verfahren vor. Inspiriert ist die Bestimmung von dem Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1992 II S. 1246, 1247).30)

Die Bundesregierung wird die Abgabe einer entsprechenden Unterwerfungserklärung nach Inkrafttreten des Übereinkommens prüfen.

Zu Absatz 1

Jeder Vertragsstaat kann nach Absatz 1 erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen durch betroffene Individualpersonen anerkennt. Ohne eine solche Unterwerfungserklärung eines Vertragsstaats ist der Ausschuss nicht berechtigt, eine solche Individualbeschwerde entgegenzunehmen.

Zu Absatz 2

Vorab wird nach Absatz 2 eine Zulässigkeitsprüfung durchgeführt. Danach werden bestimmte Arten von Mitteilungen (z.B. anonyme Mitteilungen) für unzulässig erklärt. Wesentlich ist hierbei die Bestimmung, wonach zunächst der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft sein muss. Damit wären auch bei einer entsprechenden Erklärung der Bundesregierung Individualbeschwerden aus Deutschland nur zulässig, wenn zuvor erfolglos Verfassungsbeschwerde erhoben wurde. Außerdem können Individualbeschwerden nur erhoben werden, wenn der Sachverhalt nicht bereits in einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitschlichtungsverfahren geprüft wird.

Zu Absatz 3

Wenn die Beschwerde zulässig ist, übermittelt der Ausschuss die Mitteilung dem betreffenden Vertragsstaat mit Frist zur Stellungnahme. Das weitere Verfahren ist in Absatz 5 geregelt.

Zu Absatz 4

Absatz 4 sieht eine vorläufige Sicherung von Rechten der Opfer vor. Danach kann der Ausschuss jederzeit nach Eingang einer Mitteilung dem betreffenden Vertragsstaat ein Gesuch zur sofortigen Prüfung übermitteln. In diesem Gesuch wird der Vertragsstaat aufgefordert, die erforderlichen

Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um irreparable Schäden von den Opfern abzuwenden. Klarstellend ist in Satz 2 angefügt, dass mit einem solchen vorläufigen Vorgehen keine Entscheidung über die Zulässigkeit oder Begründetheit der Mitteilung verbunden ist.

Zu Absatz 5

Absatz 5 sieht Vorgaben für das inhaltliche Vorgehen des Ausschusses vor. So berät der Ausschuss in nicht öffentlicher Sitzung. Er unterrichtet auch den Beschwerdeführer über die Antwort des Vertragsstaats. Bei Beendigung des Verfahrens verpflichtet Absatz 5 den Ausschuss, seine Auffassung sowohl dem betreffenden Vertragsstaat als auch dem Beschwerdeführer mitzuteilen.

Zu Artikel 32

Diese Vorschrift sieht eine optionale Staatenbeschwerde vor. So kann nach dieser Vorschrift jeder Vertragsstaat erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses zur Prüfung von Mitteilungen anerkennt, in denen ein Vertragsstaat vorträgt, dass ein anderer Vertragsstaat seinen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen nicht nachkomme. Der Ausschuss ist nicht berechtigt, Mitteilungen entgegenzunehmen, die einen Vertragsstaat betreffen, der keine Erklärung nach Satz 1 abgegeben hat, oder die von einem Vertragsstaat kommen, der keine Erklärung nach Satz 1 abgegeben hat. Demnach müssen sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner eine Erklärung nach Artikel 32 Satz 1 abgegeben haben, damit das Beschwerdeverfahren durchgeführt wird.

Zu Artikel 33

Bei schwerwiegenden Verletzungen des Übereinkommens ist ein Besuchsverfahren des Ausschusses vor Ort obligatorisch in Artikel 33 vorgesehen; d. h. einer Unterwerfungserklärung bedarf es nicht. Dem Ausschuss ist allerdings bei seiner Entscheidung, ob er das Besuchsverfahren durchführt, Ermessen eingeräumt.

Zu Absatz 1

Absatz 1 enthält die Ermächtigung für den Ausschuss, bei schwerwiegenden Verletzungen gegen das Übereinkommen durch einen Vertragsstaat, einen Besuch eines oder mehrerer seiner Mitglieder in dem betreffenden Vertragstaat durchzuführen.

Zu den Absätzen 2 bis 5

Die Absätze 2 bis 5 regeln das weitere Verfahren. Wenn der Vertragsstaat einen begründeten Antrag stellt, sieht Absatz 3 vor, dass der Ausschuss seinen Besuch verschieben oder absagen kann. Dies soll die Idee der Kooperation zwischen Staat und Ausschuss unterstreichen. 31) Wenn der betreffende Vertragsstaat dem Besuch zustimmt, findet der Besuch statt, wobei sich der Vertragsstaat für diesen Fall nach Absatz 4 verpflichtet, alles zur erfolgreichen Durchführung des Besuchs Erforderliche dem oder den Besuchern zur Verfügung zu stellen. Nach Absatz 5 übermittelt der Ausschuss dem Vertragsstaat im Anschluss an den Besuch Stellungnahmen und Empfehlungen.

Zu Artikel 34

Im Falle des Verdachts einer ausgedehnten oder systematischen Praxis des Verschwindenlassens sieht Artikel 34 - auf den man sich nach einer kontroversen Debatte einigte32) - eine dringende Unterrichtung der Generalversammlung der Vereinten Nationen durch den Generalsekretär vor. Diese Bestimmung gilt ohne spezielle Unterwerfungserklärung Der Ausschuss selbst hat dabei ein Ermessen, ob er das Unterrichtungsverfahren durchführt. Das Verfahren sieht vor, dass - im Falle des Verdachts einer ausgedehnten oder systematischen Praxis des Verschwindenlassens in einem Vertragsstaat - der Ausschuss nach dieser Vorschrift die Angelegenheit der Generalversammlung der Vereinten Nationen als dringliche Angelegenheit zur Kenntnis bringen kann.

Zuvor verpflichtet Artikel 34 den Ausschuss, alle einschlägigen Informationen von dem betreffenden Vertragsstaat einzuholen.

Zu Artikel 35

Diese Bestimmung enthält ein Rückwirkungsverbot und grenzt damit die Zuständigkeit des Ausschusses zeitlich ein. Der Ausschuss ist nur für Fälle von Verschwindenlassen zuständig, die nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens begonnen haben. Das Inkrafttreten der Konvention ist in Artikel 39 Absatz 1 geregelt. Danach tritt das Übereinkommen am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der zwanzigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft. Wenn ein Vertragsstaat dem Übereinkommen nach Inkrafttreten desselben beitritt, so ist die zeitliche Zuständigkeit auf Fälle von Verschwindenlassen begrenzt, die nach Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Staat begonnen haben. Diese Form des Inkrafttretens regelt Artikel 39 Absatz 2. Danach tritt das Übereinkommen am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der Ratifikations-oder Beitrittsurkunde dieses Staates in Kraft.

Zu Artikel 36

Artikel 36 bestimmt, dass der Ausschuss den Vertragsstaaten und der Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Jahresbericht vorlegt. Falls Stellungnahmen von Vertragsstaaten in dem Bericht veröffentlicht werden sollen, ist gemäß Absatz 2 der Bestimmung der Vertragsstaat vorab darüber zu informieren und ihm eine angemessene Reaktionsfrist einzuräumen. Der Vertragsstaat kann die Veröffentlichung seiner Bemerkungen oder Stellungnahmen in dem Bericht beantragen.

Zu Teil III

Der letzte Teil des Übereinkommens enthält Schlussbestimmungen.

Zu Artikel 37

Dieser Artikel regelt das Verhältnis des Übereinkommens zu bestimmten innerstaatlichen bzw. völkerrechtlichen Vorschriften.

So beschränkt die Vorschrift den sachlichen Geltungsbereich des Übereinkommens dahin gehend, dass das Übereinkommen besser geeignete Bestimmungen zum Schutz vor dem Verschwindenlassen unberührt lässt, die in den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats bzw. in dem für diesen Staat geltenden Völkerrecht enthalten sind. Eine weitere Beschränkung des sachlichen Geltungsbereichs enthält Artikel 43.

Zu Artikel 38

Diese Bestimmung regelt die Modalitäten der Unterzeichnung und der Ratifikation des Übereinkommens sowie des Beitritts zu ihm.

Zu Absatz 1

Das Übereinkommen liegt seit dem 6. Februar 2007 zur Unterzeichnung auf. Deutschland hat das Übereinkommen am 27. September 2007 unterzeichnet.

Zu den Absätzen 2 bis 3

Das Übereinkommen bedarf der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Die entsprechenden Urkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Das Übereinkommen steht allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zum Beitritt offen. Ein Beitritt erfolgt durch Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Zu Artikel 39

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Übereinkommens.

Dabei lehnte man sich für die Zahl der nötigen Ratifikationen an andere Menschenrechtsübereinkommen an.33)

Zu Absatz 1

Absatz 1 sieht vor, dass das Übereinkommen am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der zwanzigsten Ratifikations-oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft tritt. Bis jetzt haben es sieben Staaten (Albanien, Argentinien, Bolivien, Frankreich, Honduras, Mexiko und Senegal) ratifiziert (Stand: 22. Dezember 2008).

Zu Absatz 2

Absatz 2 regelt das Inkrafttreten für Staaten, die nach dem generellen Inkrafttreten gemäß Absatz 1 das Übereinkommen ratifizieren bzw. ihm beitreten. Das Übereinkommen tritt in einem solchen Fall am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde dieses Staates in Kraft.

Zu Artikel 40

Artikel 40 bestimmt, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und allen Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, die in Artikel 38 und 39 bezeichneten Erklärungen bzw. Zeitpunkte notifiziert.

Zu Artikel 41

Diese Vorschrift betrifft föderalistisch strukturierte Vertragsstaaten und bestimmt, dass das Übereinkommen ohne Einschränkungen und Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaats gilt.

Zu Artikel 42

Die Bestimmung betrifft Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Übereinkommens.

Zu Absatz 1

Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht durch Verhandlungen oder ein in dem Übereinkommen vorgesehenes Verfahren beigelegt werden können, sind auf Verlangen eines der Staaten einem Schiedsverfahren zu unterwerfen. Falls die in Streit stehenden Staaten sich binnen sechs Monaten über die Ausgestaltung des Verfahrens nicht einigen können, kann jede Partei den Internationalen Gerichtshof anrufen.

Zu den Absätzen 2 und 3

Nach Absatz 2 sind Vorbehalte zu Absatz 1 möglich. In einem solchen Fall sind die anderen Vertragsstaaten gegenüber demjenigen Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt gemacht hat, durch Absatz 1 nicht gebunden.

Falls ein Vertragsstaat einen Vorbehalt zu Absatz 1 erklärt kann er diese Erklärung jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurücknehmen.

Zu Artikel 43

Artikel 43 regelt das Verhältnis zum humanitären Völkerrecht und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes.

Die Vorschrift bestimmt, dass die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts einschließlich der Verpflichtungen der Hohen Vertragsparteien aus den vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (BGBl. 1954 II S. 781, 783, 813, 838, 917; 1956 II S. 1586) und ihren zwei Zusatzprotokollen vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 IIS. 1550, 1551, 1637) sowie die Möglichkeit jedes Vertragsstaats, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz in Situationen, die nicht vom humanitären Völkerrecht erfasst werden, den Besuch an Orten der Freiheitsentziehung zu gestatten, unberührt bleiben.

Zu Artikel 44

Durch Artikel 44 wird die Möglichkeit nachträglicher Änderungen des Übereinkommens eröffnet und das hierzu vorgesehene Verfahren sowie die Konsequenzen von beschlossenen Änderungen näher beschrieben.

Zu Artikel 45

In Absatz 1 ist geregelt, dass der arabische, chinesische, englische französische, russische und spanische Wortlaut des Übereinkommens gleichermaßen verbindlich ist.

Nach Absatz 2 übermittelt der Generalsekretär der Vereinten Nationen allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine beglaubigte Abschrift dieses Übereinkommens.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 319:
Gesetz zu dem internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des Gesetzes auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetzentwurf wird eine Informationspflicht für die Verwaltung eingeführt. Informationspflichten der Wirtschaft und für Bürgerinnen und Bürger werden durch den Entwurf nicht berührt.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter