Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen:

Intelligente Regulierung - Anpassung an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen COM (2013) 122 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 486/08 (PDF) = AE-Nr. 080511,
Drucksache 610/12 (PDF) = AE-Nr. 120805,
Drucksache 771/12 (PDF) = AE-Nr. 121050 und AE-Nr. 110973

Brüssel, den 7.3.2013
COM (2013) 122 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Intelligente Regulierung - Anpassung an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen

{SWD(2013) 60 final}

1. Einleitung

Kleine und mittlere Unternehmen bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zu Innovation, Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen. In der EU beschäftigen rund 20,7 Millionen KMU 67 % aller Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat ergeben, dass 85 % der in der EU zwischen 2002 und 2010 netto neu geschaffenen Arbeitsplätze bei KMU entstanden sind. Dies zeigt deutlich, wie wichtig diese für Wachstum und Beschäftigung in Europa sind1.

KMU gedeihen am besten in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem die Regulierung die konkreten Bedürfnisse von KMU berücksichtigt. Eine Regulierung braucht der Binnenmarkt, denn sie schafft gleiche Ausgangsbedingungen, indem sie einen fairen Wettbewerb gewährleistet, zu Gesundheit und Sicherheit der Menschen beiträgt und Umwelt, Arbeitnehmer und Verbraucher schützt. Einschlägige Regulierungsmaßnahmen dienen den Zielen der EU-Politik und damit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger Europas und müssen mit Blick auf die KMU konzipiert werden.

Seit Annahme des "Small Business Act" für Europa sind Bürokratieabbau und ein offenes Ohr für die Belange der KMU ein konstantes Anliegen der Kommission. Die Mitteilung der Kommission "Verringerung der Verwaltungslasten für KMU - Anpassung der EU-Rechtsvorschriften an die Bedürfnisse von Kleinstunternehmen" aus dem Jahr 2011 hat diese Arbeiten noch einen Schritt weiter gebracht. Ausgangspunkt der Mitteilung ist der im "Small Business Act" entwickelte Grundsatz "Vorfahrt für KMU", dem zufolge bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften berücksichtigt werden muss, welche Auswirkungen diese auf KMU haben, und das bestehende Regelungsumfeld vereinfacht werden muss2. Für Kleinstunternehmen ist die Möglichkeit einer - begründeten - Befreiung von Vorschriften3 und für KMU die Anwendung weniger strenger Vorschriften vorgesehen . Unlängst wurde in der Mitteilung zur Industriepolitik4 eine Vereinfachung des regulatorischen und administrativen Umfelds empfohlen, von der vor allem KMU profitieren sollen, und auf die Bedeutung hingewiesen, die einem unkomplizierten, stabilen und vorhersehbaren langfristigen Regulierungsrahmen mit Blick auf Investitionen in neue Technologien und Innovation zukommt. Schließlich macht das Programm von Eignungs- und Leistungsfähigkeitstests für Rechtsvorschriften (REFIT) die Ermittlung von Vereinfachungsmöglichkeiten, von unnötigen regulatorischen Kosten und von Bereichen, in denen die Leistung verbessert werden könnte, zu einem integralen, festen Bestandteil von5politischer Entscheidungsfindung und Programmplanung

In dieser Mitteilung werden die Fortschritte in folgenden Bereichen untersucht:

Ferner werden die nächsten KMU-freundlichen Maßnahmen in der Politikgestaltung und Programmplanung angekündigt.

2. Befreiung der Kleinstunternehmen von EU-Rechtsvorschriften

Die Europäische Kommission schlägt neue Initiativen oder Änderungen bestehender EU-Rechtsvorschriften erst nach sorgfältiger Vorbereitung vor. Dies beginnt mit der Veröffentlichung von "Fahrplänen" (Roadmaps) zur Unterrichtung der Interessenträger über mögliche Initiativen der Kommission, verfügbare Daten und Fakten sowie geplante vorbereitende und beratende Arbeiten. Diese Roadmaps enthalten Angaben zum Ausgangsproblem, Ziele und Optionen sowie eine vorläufige Einschätzung der Auswirkungen und den vorgesehenen Zeitplan. Es handelt sich hierbei um öffentlich zugängliche Dokumente, so dass ein breites Spektrum von Akteuren - von KMU bis hin zu den Sozialpartnern - sich äußern kann und dies auch tut. In den Roadmaps wird auch angegeben, wann und in welcher Form die Interessenträger konsultiert werden 6 . Die Kommission bewertet bei all ihren Vorschlägen mit signifikanten Auswirkungen die möglichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen in Form einer Folgenabschätzung. Darin werden verschiedene Optionen zur Lösung der Probleme geprüft, wobei eine immer die Beibehaltung des Status quo ist. Die Folgenabschätzungen werden, bevor die Kommission ihren Vorschlag annimmt, einer unabhängigen Qualitätskontrolle unterzogen.

Mit dem Prozess der Folgenabschätzung beabsichtigt die Kommission, unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Dabei wird auch geprüft, ob es möglich ist, Kleinstunternehmen vom Geltungsbereich der Initiative auszunehmen, ohne das Ziel des möglichen Vorschlags in Gefahr zu bringen.

Beispiel für eine Befreiung von KMU, die vom EU-Gesetzgeber bereits verabschiedet wurde und nun durch die Mitgliedstaaten umzusetzen ist:

o Kleine Geschäfte, die elektrische und elektronische Geräte verkaufen, müssen nicht eigens einen Raum vorsehen, um die Rücknahmeverpflichtungen der neuen Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte zu erfüllen. Die Rücknahmepflicht gilt für Einzelhandelsgeschäfte, deren Fläche 400 m 2 überschreitet.

Beispiele für KMU-Befreiungen, die von der Kommission vorgeschlagen wurden und nun das EU-Gesetzgebungsverfahren durchlaufen:

Folgenabschätzungen haben aber auch gezeigt, dass eine Befreiung von Kleinstunternehmen nicht immer möglich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Befreiung eindeutig dazu führen würde, dass dadurch die Ziele der Maßnahme - z.B. der Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern - nicht erreicht werden könnten. Auch bei Anforderungen des EU-Vertrags, die beispielsweise dem Schutz der Grundrechte dienen, sind keine Ausnahmen möglich. Schließlich können sie nicht freigestellt werden, wenn Rechtsvorschriften speziell auf kleine Unternehmen wie "Briefkastenfirmen" abgestimmt sind, die der Umgehung von Rechtsvorschriften in Bereichen wie Dienstleistungen und Wettbewerb dienen12. Wenn bei Legislativvorschlägen eine Befreiung von Kleinstunternehmen nicht möglich ist, muss die Folgenabschätzung die entsprechende Analyse enthalten und die Gründe angeben.

Grenzen für mögliche Befreiungen:

3. Weniger strenge Vorschriften für KMU

Sind Ausnahmen nicht möglich, wird versucht, Vorschläge für Rechtsvorschriften auf KMU abzustimmen, indem beispielsweise weniger strenge Anforderungen für kleinere Unternehmen formuliert oder niedrigere Gebühren vorgesehen werden14.

Beispiele weniger strenger Regelungen für KMU, die der EU-Gesetzgeber unlängst verabschiedet hat und die vor kurzem in Kraft getreten sind oder derzeit durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden:

Einige Rechtsvorschriften der EU lassen den Mitgliedstaaten darüber hinaus die Möglichkeit, für KMU weniger strenge Regelungen einzuführen (z.B. in den Bereichen Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer 16, Lebensmittelhygiene 17, Abfälle 18 und Jahresabschlüsse19).

4. Der KMU-Anzeiger

Die Kommission veröffentlicht einen jährlichen Anzeiger zur Mitteilung von Regulierungsinitiativen mit voraussichtlich erheblichen Auswirkungen auf KMU 20 . Dank dieses Anzeigers können alle Interessenträger einschließlich des Netzes der nationalen KMU-Beauftragten feststellen, wo und wie auf EU-Ebene Fortschritte bei KMU-relevanten Vorschriften erzielt werden. Zudem können dem Anzeiger die Fortschritte im Gesetzgebungsverfahren vom Kommissionsvorschlag bis zur Umsetzung in den Mitgliedstaaten und die wichtigsten Fragestellungen und vorgebrachten Standpunkte über den gesamten Gesetzgebungszyklus hinweg entnommen werden. Hinzu kommt eine Kennzeichnung, falls sich der Verwaltungsaufwand in den verschiedenen Phasen von der Annahme durch die Kommission bis zur Umsetzung der Vorschriften vermehrt oder verringert hat. Die Überwachung der Durchführung in den Mitgliedstaaten wird es ermöglichen, die Ergebnisse auf der Ebene, die direkte Auswirkungen auf die Unternehmen21hat, mit der besten Praxis zu vergleichen und zu bewerten . So wird gezeigt, wie unterschiedliche Umsetzungskonzepte das Gesamtergebnis beeinflussen.

Die wichtigsten, im KMU-Anzeiger verfolgten Rechtsakte und Legislativvorschläge wurden im Bericht "Verringerung der Verwaltungslasten für KMU - Anpassung der EU-Rechtsvorschriften an die Bedürfnisse von Kleinstunternehmen" vom November 2011 22 beschrieben. Von den 13 dort aufgeführten Initiativen hat die Kommission drei Vorschläge angenommen, die im KMU-Anzeiger diesen Jahres erscheinen werden 23 . Der Anzeiger gibt auch Aufschluss über andere Initiativen des Jahres 2012 mit signifikanten Auswirkungen auf KMU.

5. Unterstützung und Konsultierung von KMU

5.1 Konsultation von KMU - Allgemeine Aspekte

KMU und ihre Interessenverbände wollen wissen, welche neuen regulatorischen Initiativen von der Kommission geprüft werden, welche Auswirkungen diese haben können und zu welchem Zeitpunkt der Vorbereitungsphase sie sich dazu äußern können. Sie begrüßen die Veröffentlichung von "Fahrplänen", und viele KMU haben darum gebeten, früher über bevorstehende Konsultationen informiert zu werden. Die Kommission aktualisiert derzeit ihre Mindeststandards für Konsultationen und möchte auf der Website "Ihre Stimme in Europa" einen fortlaufenden Kalender geplanter Konsultationen veröffentlichen. Sie hat zudem im Rahmen des Transparenzregisters ein Frühwarnsystem eingerichtet, um die Interessenträger über Roadmaps und anstehende Konsultationen zu informieren.

Mit dem "Small Business Act" wurden starke Governance-Mechanismen geschaffen, die auf einer engen Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten und KMU-Akteuren basieren. Seine Umsetzung wird nun durch die KMU-Beauftragten, ein Netz hochrangiger Vertreter der Mitgliedstaaten, unterstützt. Die Benennung einer einzigen Anlaufstelle für Fragen zum "Small Business Act" in den Mitgliedstaaten hat zu einer besseren Anwendung von dessen Grundsätzen beigetragen und ermöglicht den Mitgliedstaaten den Austausch bewährter Verfahren. Um eine direkte Einbeziehung der Interessenträger zu erreichen, nehmen repräsentative KMU-Verbände auf europäischer Ebene als Beobachter an den Sitzungen des Netzes teil. Durch diese Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die Verringerung des Verwaltungsaufwands in den Mitgliedstaaten Priorität erhält und zu diesem Zweck bewährte Verfahren verstärkt ausgetauscht werden. So hat das Netz beispielsweise eine wichtige Rolle dabei gespielt, den Zeitraum, der in Europa für eine Unternehmensgründung nötig ist, zu verkürzen24. Ferner hat die Kommission vorgeschlagen, die Einsetzung eines KMU-Beauftragten und die Durchführung des KMU-Tests durch die Mitgliedstaaten als Kriterien für den Erhalt einer KMU-Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung einzuführen25.

Von nun an finden auch regelmäßige jährliche Treffen zwischen KMU-Verbänden und der Kommission statt, um KMU-relevante prioritäre Initiativen aus dem Arbeitsprogramm der Kommission (siehe Anhang II der dieser Mitteilung beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen) zu ermitteln und im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf KMU zu überwachen. Die Kommission nutzt das "Enterprise Europe Network", um KMU einschließlich Kleinstunternehmen auf direktem Wege zu künftigen Rechtsvorschriften zu befragen ("KMU-Panel-Konsultation") und um ihre Rückmeldungen zu bestehenden EU-Rechtsvorschriften zu erfassen ("KMU-Feedback-Datenbank"). Wirtschaftsverbände und Mitgliedstaaten haben diese Entwicklungen als wichtige Schritte der KMU-Politik begrüßt.

Darüber hinaus veranstaltete die Kommission im Jahr 2012 Konferenzen mit KMU aus Deutschland, den Niederlanden, Schweden, dem Vereinigten Königreich, Polen und Italien. Auf diesen Konferenzen konnten Unternehmer von KMU ihre Bedenken zu unterschiedlichen Themen äußern wie Arbeitsrecht, Regulierung der Produktvermarktung und die damit verbundene Festlegung europäischer Produktnormen zum Nachweis der Konformität der Produkte mit den rechtlichen Anforderungen, Gesundheit und Sicherheit, Umwelt, Mehrwertsteuer sowie Lebensmittelhygiene und Kennzeichnung. Gleichzeitig waren persönliche Gespräche und der Austausch detaillierter Informationen und Standpunkte möglich. Die gesammelten Informationen werden auch in die REFIT-Bestandsaufnahme und - Programmplanung einfließen.

Die Kommission konsultiert KMU-Arbeitgeberverbände regelmäßig im Rahmen von EU-Konsultationen der Sozialpartner und in den Ausschüssen für den europäischen sozialen Dialog. KMU-Verbände waren aktiv an der Ausarbeitung und Umsetzung des Arbeitsprogramms der europäischen Sozialpartner 2012-2014 beteiligt26.

Schließlich ist die KMU-Dimension auch ein Schwerpunkt der hochrangigen Gruppe für Bürokratieabbau, einer im Jahr 2007 geschaffenen Sachverständigengruppe, die die Kommission dahingehend berät, wie die aus EU-Rechtsvorschriften erwachsenden Verwaltungslasten verringert werden können. Die Kommission hat das Mandat der Gruppe kürzlich bis Oktober 2014 verlängert27 . Die Gruppe berät zu regulatorischen EU-Maßnahmen, die das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen des Programms zur Verringerung der Verwaltungslasten verabschieden, und prüft, wie die 27 Mitgliedstaaten diese Maßnahmen umsetzen. KMU werden befragt, inwieweit die ergriffenen Maßnahmen für sie tatsächlich einen Unterschied bewirkt haben. Diese Arbeiten werden den Informationsaustausch der Mitgliedstaaten über Möglichkeiten der Umsetzung des EU-Rechts vereinfachen und zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen beitragen.

5.2 Die" TOP 10-Konsultation"

In einer EU-weiten offenen Internet-Konsultation, die von Oktober bis Dezember 2012 lief, ersuchte die Kommission KMU und ihre Interessenverbände, die zehn Bereiche oder EU-Rechtsakte zu nennen, die ihrer Ansicht nach den größten Aufwand verursachen. Sie konnten dabei eine Auswahl aus einer nicht erschöpfenden Liste treffen oder Freitext eingeben. Eine Begründung oder Erklärung der Wahl wurde nicht verlangt, in einigen Fällen aber doch geliefert. Auch musste nicht im Detail angegeben werden, ob die Belastung aus dem EU-Recht oder aus nationalen Rechtsvorschriften resultierte. In dieser Konsultation konnten KMU ihre Bedenken direkt bei der Kommission geltend machen.

Die dieser Mitteilung beigefügte Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen fasst die Ergebnisse der Konsultation zusammen. Sämtliche Antworten werden geprüft; Folgemaßnahmen werden im Rahmen des Eignungs- und Leistungsprogramms der Kommission (siehe Punkt 6) formuliert28.

Auf die "TOP 10-Konsultation" gingen insgesamt 1000 Antworten ein29, darunter Antworten von einzelnen KMU (über 600 Antworten von KMU mit Sitz in der EU, davon 40 % Kleinstunternehmen) und von ihren Interessenverbänden auf verschiedenen Ebenen in der EU (knapp 150 Antworten). Reaktionen kamen aus nahezu allen EU-Mitgliedstaaten (wobei mehr als die Hälfte auf drei Mitgliedstaaten entfiel - BE, DE und IT) und aus einigen Drittländern, vor allem der Türkei.

In Anhang III (siehe dieser Mitteilung beigefügte Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen) sind sowohl die Bereiche als auch die Maßnahmen des EU-Rechts genannt, zu denen die meisten Reaktionen von einzelnen KMU und ihren Interessenverbänden eingingen.

Unter den EU-Maßnahmen wurde REACH (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe - Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) sowohl von einzelnen KMU als auch ihren Interessenverbänden am häufigsten genannt. Ferner nannten beide die MwSt.-Bestimmungen30, die Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit, die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und die Richtlinie 95/46/EG über den Schutz personenbezogener Daten. Auch wenn unterschiedliche Einzellegislativmaßnahmen angeführt wurden, verwiesen beide Kategorien von Befragten in diesem Zusammenhang auf das Abfallrecht31 und auf die Vorschriften über den Arbeitsmarkt32. Rechtsvorschriften über Ausrüstung für Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr (Verordnung (EWG) Nr. 3821/85/EWG), Verfahren für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (Richtlinie 2004/18/EG) und der modernisierte Zollkodex (Verordnung (EG) Nr. 450/2008) erscheinen ebenfalls in der TOP 10-Liste.

6. Reaktion auf die KMU-Konsultationen

Die Kommission betrachtet die Ergebnisse der Konsultation als wichtiges Signal für die Besorgnis der KMU und wird in mehrerer Hinsicht reagieren.

Erstens laufen bereits Arbeiten zu mehreren in der TOP 10-Konsultation genannten Rechtsvorschriften:

Zweitens werden die Ergebnisse bei der Bestandsaufnahme des EU-Rechts berücksichtigt, die im Rahmen des unlängst angekündigten Eignungs- und Leistungsfähigkeitstests für Rechtsvorschriften (REFIT)39 vorgenommen wird. Dabei werden in einem ersten Schritt legislative und politische Bereiche erfasst, um übermäßige Belastungen, Unvereinbarkeiten, Lücken, wirkungslose Maßnahmen und kumulative Auswirkungen zu ermitteln und möglichst effektiv vorgehen zu können. Dabei wird geprüft, welcher Verwaltungsaufwand aufgrund der Art der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften auf nationaler und subnationaler Ebene entstehen kann, wobei im Einklang mit der in zahlreichen KMU-Konsultationen geäußerten Forderung die Besonderheiten von KMU und die Bedeutung eines stabilen Regulierungsrahmens berücksichtigt werden.

In einigen Fällen wird diese Bestandsaufnahme es möglich machen, Vorschläge zur Überarbeitung von Rechtsvorschriften rasch einzuleiten, weil die Notwendigkeit der Verringerung von Verwaltungskosten bzw. einer Vereinfachung eindeutig nachgewiesen wurde. In anderen Fällen kann eine ausführliche Bewertung erforderlich sein, da das Potenzial für eine Vereinfachung der Rechtsvorschriften und eine Verringerung der bürokratischen Belastung generell zwar gegeben ist, aber erst weiter geprüft werden muss. Mitunter sind gar keine unmittelbaren Folgemaßnahmen nötig, wenn z.B. Rechtsvorschriften/Rechtsbereiche als kosteneffizient betrachtet werden oder es für eine Bewertung ihrer Ergebnisse/Kosteneffizienz noch zu früh ist.

Durch REFIT wird sichergestellt, dass das 2011 in Angriff genommene Screening des EU-Besitzstands koordiniert wird und Prioritäten so gesetzt werden, dass das Prinzip der "Vorfahrt für KMU" gestärkt wird und festgestellt werden kann, inwieweit weitere Ausnahmen oder eine Verringerung der Verwaltungslasten für KMU, insbesondere Kleinstunternehmen, möglich sind.

Die REFIT-Mehrjahrespläne werden veröffentlicht; Interessenträger und andere Beteiligte können sich dazu äußern. Dies wird dazu beitragen, dass Interessenträger, einschließlich KMU und Kleinstunternehmen, die Arbeit der Kommission besser verstehen und besser unterstützen können.

Bei der REFIT-Bestandsaufnahme und den Mehrjahresplänen werden Arbeiten berücksichtigt, die die Kommission bereits für Studien, Bewertungen und Berichte, die in bestehenden EU-Vorschriften verlangt werden, oder im Rahmen aktueller Bewertungsprogramme durchführen muss. Die Kommission hat sich generell dazu verpflichtet, regelmäßig zu bewerten, ob EU-Vorschriften ihre Ziele erreichen und ob es einfachere und kostengünstigere Möglichkeiten gibt, um die gleichen Vorteile und Ergebnisse zu erzielen40. Sie wird in diesem Zusammenhang auch der Frage nachgehen, ob eine Rechtsvorschrift für KMU leicht zu verstehen und anzuwenden ist und was diesbezüglich verbessert werden könnte. Wird bei diesen Bewertungen ein Potenzial für weniger strenge Regelungen ausgemacht, könnte dies zu einer Überarbeitung hin zu KMU-freundlicheren Rechtsvorschriften unter Wahrung der im Vertrag verankerten Konsultationspflichten in bestimmten Politikbereichen und unter gebührender Berücksichtigung der Standpunkte anderer einschlägiger Interessenträger führen.

7. Die nächsten Schritte

Die Kommission wird bei der Aus- und Überarbeitung politischer Maßnahmen den KMU weiterhin größte Aufmerksamkeit schenken. Das REFIT-Programm wird schrittweise umgesetzt, und die Ergebnisse, einschließlich des KMU-Anzeigers, werden jährlich veröffentlicht, damit die Interessenträger Stellung nehmen können. Konsultation und Dialog zwischen KMU und Kommission werden weiter verbessert durch die KMU-Beauftragten, den verstärkten Rückgriff auf das Enterprise Europe Network, durch KMU-Konferenzen und im Rahmen der Konsultationen der Sozialpartner. Die Kommission wird bei der Überarbeitung ihrer Leitlinien für Evaluierungen und Folgenabschätzungen in den Jahren 2013 bzw. 2014 ihre Möglichkeiten zur Einholung von Daten und Meinungen der KMU weiter stärken. Diese analytische Arbeit muss sich auf gute faktische Grundlagen und statistische Daten stützen können, damit Auswirkungen auf KMU im vollen Umfang berücksichtigt werden können.

Die Governance- und Konsultationsmechanismen des "Small Business Act" für Europa werden eine wichtige Rolle dabei spielen, den bürokratischen Aufwand für KMU möglichst gering zu halten und eine breit angelegte Konsultation und Beteiligung der KMU-Akteure unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Das Netz der nationalen KMU-Beauftragten wird weiterhin einen wichtigen Beitrag leisten, um das Arbeitsprogramm der Kommission im Hinblick auf Folgen für KMU zu überwachen und zu gewährleisten, dass die Verringerung der Verwaltungslasten in den Mitgliedstaaten durch einen verstärkten Austausch bewährter Verfahren Priorität erhält. Die regelmäßigen Sitzungen mit KMU-Verbänden, die dem Ziel dienen, die Anwendung des Prinzips "Vorfahrt für KMU" im Rahmen anstehender prioritärer Kommissionsinitiativen genau zu überwachen, werden fortgesetzt. Die Kommission wird das Enterprise Europe Network (EEN) weiter stärken, um dessen Kapazitäten zur Erläuterung des EU-Rechts auszubauen und um über KMU-Panels Stellungnahmen von KMU zu EU-Vorschriften einzuholen.

Die Berücksichtigung der KMU-Dimension ist eine gemeinsame Aufgabe. Das Europäische Parlament und der Rat werden ersucht, dafür zu sorgen, dass KMU in den Genuss der Vorteile von EU-Vorschriften kommen und ihnen durch den Legislativprozess der EU keine unnötigen zusätzlichen Belastungen entstehen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Möglichkeiten, die EU-Vorschriften bieten, im Sinne einer Verringerung jeglicher Belastung von KMU zu nutzen.

Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen KMU-Anzeiger

Vorrangige KMU-Dossiers im Arbeitsprogramm 2013 der Kommission Ergebnisse der Top 10-Konsultation