Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

A. Problem und Ziel

Die Bundesrepublik Deutschland erfährt aktuell einen Zustrom von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht in seiner jüngsten Prognose für das Jahr 2015 von 300.000 Asylanträgen aus. Besonders ausgeprägt ist der Zustrom aus den Westbalkanstaaten, unter den ersten fünf Herkunftsländern befinden sich aktuell (März 2015) vier Staaten aus dem Westbalkan. Die humanitäre Verpflichtung Deutschlands gebietet es, die asylsuchenden Menschen aufzunehmen und zu versorgen.

Die Voraussetzungen für die letztliche Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz liegen jedoch nur in einer vergleichsweise geringen Zahl von Einzelfällen vor. Durch die zahlreichen, zumeist aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge werden Bund, Länder und Kommunen mit erheblichen Kosten für die Durchführung der Verfahren und für die Versorgung der sich in Deutschland aufhaltenden Asylsuchenden belastet. Dies geht im Ergebnis zu Lasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden.

B. Lösung

Mit der Änderung des § 1a Asylbewerberleistungsgesetz werden die bereits vorhandenen Möglichkeiten einer Einschränkung von Leistungen ausgeweitet. Nach bisherigem Recht erhalten geduldete und vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, sowie deren Familienangehörige, wenn sie sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder wenn aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Insbesondere die erste Alternative macht eine umfassende Einzelfallprüfung erforderlich, ob ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen besteht. Diese ist aufgrund der großen Mengen an Asylbewerbern eine zunehmende Belastung für die Verwaltungen.

Aus diesem Grunde wird § 1a um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung erweitert, dass Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen zu erlangen. Dasselbe gilt ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Asylantrages durch das Bundesamt für Personen, die aus sonstigen Staaten stammen und bei denen das Asylverfahren als "offensichtlich unbegründet" im Sinne von § 30 AsylVfG abgelehnt wurde.

Um Zuzugsanreize, insbesondere aus sicheren Herkunftsländern (Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina) sowie dem Kosovo und Albanien zu begrenzen, wird eine "Missbrauchsklausel" eingeführt, die an sichere Herkunftsländer i.S.d. § 29a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) oder an eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet anknüpft. Ziel dieser Regelung ist es, in diesen Fällen regelhaft nur gekürzte Leistungen vorzusehen. Dies wird dadurch erreicht, indem man für o.g. Personengruppe eine gesetzliche Vermutung (Beweislastumkehr) dahingehend einführt, dass sie sich nach Deutschland begeben haben, um Leistungen nach AsylbLG zu erhalten.

Eine solche Ausweitung des § 1a AsylbLG bezieht sich auf Personen aus Staaten, die bislang schon als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden. Zudem bezieht sich die Regelung auch auf Personen, die aus sonstigen Staaten stammen, bei denen Asylverfahren als "offensichtlich unbegründet" im Sinne von § 30 AsylVfG abgelehnt wurden.

Im Rahmen der Beweislastumkehr bleibt es dem Asylbewerber unbenommen, diese gesetzliche Vermutung durch entsprechende Beweise zu erschüttern.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für den Bund, die Länder und die Kommunen entstehen keine finanziellen Auswirkungen, die über den Erfüllungsaufwand hinausreichen.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht und entfällt kein Erfüllungsaufwand. Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten haben einen höheren Aufwand, ihre Gründe in der Anhörung darzulegen.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht und entfällt kein Erfüllungsaufwand. Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten.

Für die Wirtschaft werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Durch die zu erwartenden Einschränkungen der Ansprüche werden Länder und Kommunen um Aufwendungen für die Gewährung von Leistungen entlastet. Dem gegenüber steht ein geringfügig höherer Aufwand bei denjenigen Stellen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligen, da mehr Kürzungsbescheide erlassen werden.

Wie stark der insofern zu erwartende Rückgang bei der Leistungsgewährung ausfällt, lässt sich nicht prognostizieren. Die Zunahme des konkreten Verwaltungsmehraufwandes lässt sich derzeit ebenfalls nicht beziffern.

F. Weitere Kosten

Den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft entstehen keine sonstigen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Der Bayerische Ministerpräsident München, 28. April 2015

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier

Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GOBR auf die Tagesordnung der 933. Sitzung am 8. Mai 2015 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

§ 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der anhaltend hohe Zustrom von Asylbewerbern bringt Bund, Länder und Kommunen an die Grenze ihrer Kapazitäten. Dies wird dadurch verstärkt, dass eine Vielzahl von Asylbewerbern (rund zwei Drittel) kaum Aussichten auf ein dauerhaftes Bleiberecht hat.

Daher ist es geboten, die vorhandenen Kapazitäten auf diejenigen Asylbewerber zu konzentrieren, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Aussichten auf einen gesicherten Bleibestatus haben.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf werden die bereits vorhandenen Möglichkeiten einer Einschränkung von Leistungen ausgeweitet.

§ 1a wird um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung erweitert, dass Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen zu erlangen. Dasselbe gilt ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags für Ausländer, deren Asylantrag nach § 30 des Asylverfahrensgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher nicht über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1a AsylbLG entschieden. Die Entscheidung vom 18.07.2012 (1 BvL 10/ 10) bezieht sich (Nr. 1 der Entscheidung) auf die Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 und Abs. 2 Satz 3 AsylbLG. Im Übrigen wird (Nr. 2 der Entscheidung) der Gesetzgeber verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich des AsylbLG eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat es als nicht zulässig erachtet, dass bei Regelungen allgemeine migrationspolitische Erwägungen im Vordergrund stehen, die alle Leistungsberechtigten gleichermaßen betreffen. Bei der vorgesehenen Regelung zu § 1a AsylbLG stehen aber gerade keine derartigen migrationspolitischen Erwägungen im Vordergrund. Vielmehr geht es um Sanktionen im Einzelfall, die dem Sozialrecht grundsätzlich nicht fremd sind (vgl. z.B. § 31a SGB II) . Mit der Aufnahme von Regelbeispielen für die Beweislastumkehr wird die Rechtssicherheit und Transparenz der Sanktionsregelung gestärkt. Für den Betroffenen besteht weiterhin das Recht, sich durch Vorlage geeigneter Beweismittel gegen eine Sanktion zur Wehr zu setzen.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Artikel 1 dieses Gesetzes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes (GG) - öffentliche Fürsorge sowie aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 4 GG - Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer, jeweils in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Anforderungen der Richtlinie 2013/32/EU wurden beachtet.

VI. Gesetzesfolgen

Die zu erwartenden Entscheidungen über die Einschränkung der Leistungen werden zu einem kurzzeitigen Anstieg der Belastung bei den zuständigen Leistungsträgern führen, da aufgrund der kürzeren Bearbeitungszeiten mehr Bescheide erlassen werden können.

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Die bislang im Gesetz vorgesehene aufwändige Einzelfallentscheidung bezüglich des Zusammenhangs zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen entfällt in den vom Gesetz bestimmten Fällen.

2. Erfüllungsaufwand

Für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft entsteht und entfällt kein Erfüllungsaufwand.

3. Weitere Kosten

Den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft entstehen keine sonstigen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

4. Weitere Gesetzesfolgen

Auswirkungen der Regelungen für Verbraucherinnen und Verbraucher und gleichstellungspolitische Auswirkungen sowie Auswirkungen auf die demographische Entwicklung sind nicht zu erwarten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes)

Nach bisherigem Recht erhalten geduldete und vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, sowie deren Familienangehörige, wenn sie sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder wenn aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Insbesondere die erste Alternative macht eine umfassende Einzelfallprüfung erforderlich, ob ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen besteht.

Aus diesem Grund wird § 1a um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung erweitert, dass Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen zu erlangen. Dasselbe gilt ab dem Zeitpunkt der Antragsablehnung auch für Ausländer, deren Asylantrag nach § 30 des Asylverfahrensgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. In diesen Fällen werden die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf das im Einzelfall unabweisbar gebotene Maß beschränkt. Der Asylbewerber hat im Einzelfall das Recht, diese Vermutung durch Vorlage geeigneter Beweise zu erschüttern.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Regelung soll schnellstmöglich in Kraft treten, um die gewünschten Beschleunigungseffekte zu erzielen