Unterrichtung durch die Bundesregierung
Initiative der Tschechischen Republik, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und des Königreichs Schweden für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren Ratsdok5208/09 EUDISYS-AE-Nr. 090073

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 23. Januar 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 319/08 (PDF) = AE-Nr. 080078.

Auf Verlangen des Beauftragten (Bayern) in der Expertengruppe des Rates "Strafrechtliche Zusammenarbeit" (Justiz) vom 18. Februar 2009 erscheint die Vorlage als Drucksache des Bundesrates.

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss 2009/.../JI des Rates vom zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren

Der Rat der europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstaben c und d und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b, auf Initiative der Tschechischen Republik, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und des Königreichs Schweden, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1, in Erwägung nachstehender Gründe:

Hat folgenden Rahmenbeschluss angenommen:

Kapitel 1
Allgemeine Grundsätze

Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Bestimmung der unterrichtenden und der antwortenden Behörden

Artikel 4
Möglichkeit zur Übertragung der Aufgaben einer benannten Behörde auf eine andere nationale Behörde

Kapitel 2
Informationsaustausch

Artikel 5
Unterrichtung

Artikel 6
Maßgebliche Verbindung

Artikel 7
Verfahren für die Unterrichtung

Artikel 8
Form und Inhalt der Unterrichtung

Artikel 9
Form und Inhalt der Antwort

Artikel 10
Fristen und zusätzliche Informationen

Artikel 11
Nichtbeantwortung

Kapitel 3
Direkte Konsultationen

Artikel 12
Direkte Konsultationen

Artikel 13
Übermittlung von Informationen über wichtige Verfahrenshandlungen oder -maßnahmen

Kapitel 4
Bestimmung des am besten geeigneten Staates

Artikel 14
Ziel der Konsultationen

Artikel 15
Kriterien zur Bestimmung des am besten geeigneten Staates

Artikel 16
Zusammenarbeit mit Eurojust

Artikel 17
Fälle, in denen keine Einigung erzielt wurde

Kapitel 5
Verschiedenes

Artikel 18
Sonstiger Informationsaustausch

Kapitel 6
Allgemeine und Schlussbestimmungen

Artikel 19
Sprachen

Artikel 20
Verhältnis zu Rechtsinstrumenten und anderen Vereinbarungen

Artikel 21
Umsetzung

Artikel 22
Bericht

Artikel 23
Inkrafttreten


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Der Präsident

Addendum 1

Unterrichtung
über ein laufendes Strafverfahren gemäß Art. 8 (Formblatt A)


Unterrichtender Staat:
Antwortender Staat:
Antwortende Behörde:
Unterrichtende Behörde (oder zuständige Behörde gemäß Art. 4) - Kontaktdaten:
Bezeichnung:
Anschrift:

Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)

Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n):
Name:
Funktion (Titel/Dienstgrad):
Aktenzeichen:
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Email (sofern vorhanden):

Sprachen, in denen verkehrt werden kann:



Beschreibung des Sachverhalts, der Gegenstand des mitgeteilten laufenden Verfahrens ist: (einschließlich Tatzeit, Tatort und Hergang der mutmaßlichen Straftat):

Maßgebliche Verbindung / Gründe, die die unterrichtende Behörde zu der Auffassung veranlasst haben, dass in dem antwortenden Staat ein Verfahren anhängig sein könnte (bezieht sich die Verbindung auf einen bestimmten Ort in dem antwortenden Staat, diesen Ort bitte so genau wie möglich angeben):

Erreichte Verfahrensphase:



Ggf. Angaben zu dem (den) Verdächtigen:

Name:
Staatsangehörigkeit:
Geburtsdatum:
Anschrift:

Ggf. Angaben zu den Opfern:


Zusätzliche Informationen:


Unterschrift und amtlicher Stempel:





ANTWORT
auf die Unterrichtung gemäß Art. 9 (Formblatt B)

Antwortender Staat:
Unterrichtender Staat:
Unterrichtende Behörde:
Antwort auf die Unterrichtung (Aktenzeichen):


Antwortende Behörde (oder zuständige Behörde gemäß Art. 4) - Kontaktdaten:

Bezeichnung:
Anschrift:

Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)

Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n):
Name:
Funktion (Titel/Dienstgrad):
Aktenzeichen:
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Email (sofern vorhanden):

Sprachen, in denen verkehrt werden kann:



Ja, es ist ein Verfahren in dem antwortenden Staat anhängig

zu einigen oder allen Teilen des in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalts, die die gleiche Person betreffen

Name:
Staatsangehörigkeit:
Geburtsdatum:
Anschrift:

zu einigen oder allen Teilen des in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalts

zu einem Sachverhalt, der mit dem in der Unterrichtung beschriebenen in Zusammenhang steht

Erreichte Verfahrensphase:


Ja, zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts, der Gegenstand der Unterrichtung ist, wurde im antwortenden Staat ein Verfahren durchgeführt

Art der rechtskräftigen Entscheidung:


Nein, es ist kein Strafverfahren zu dem in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalt anhängig


Nein, es ist kein Strafverfahren zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts anhängig, die zuständigen Behörden des antwortenden Staates beabsichtigen jedoch, ein Verfahren zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts durchzuführen, der Gegenstand der Unterrichtung ist

Ggf. Kontaktdaten der zuständigen Behörde:
Bezeichnung:
Anschrift:
 
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
 
Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n):
Name:
Funktion (Titel/Dienstgrad):
Aktenzeichen:
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Email (sofern vorhanden):
Sprachen, in denen verkehrt werden kann:

Zusätzliche Informationen:


Unterschrift und amtlicher Stempel:





Addendum 2
Erläuternder Bericht

Rahmenbeschluss des Rates zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren

Hintergrund und Ziele des Vorschlags

Aufgrund der Zunahme des Verkehrs von Personen und Kapital in der Europäischen Union ("EU"), aufgrund des technologischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten und aufgrund der extraterritorialen Anwendung einzelstaatlicher Gerichtsbarkeiten in einer Reihe von Mitgliedstaaten sind die Strafrechtssysteme der EU-Mitgliedstaaten zunehmend mit Fällen konfrontiert, in denen mehrere Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, wegen desselben Sachverhalts im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten strafrechtlich zu ermitteln und ein Strafverfahren einzuleiten.

So kann es beispielsweise dazu kommen, dass sich zwei oder mehr Mitgliedstaaten für denselben Sachverhalt in Fällen zuständig erklären, in denen die Begehung einer Straftat sich auf das Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erstreckt oder eine Straftat Auswirkungen im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten hat. Wird in diesen Fällen festgestellt, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren wegen derselben Tat und gegen dieselben Personen führen, so kann dies einen Kompetenzkonflikt zur Folge haben, da die jeweiligen Behörden ihre jeweilige Zuständigkeit parallel ausüben. Zudem wird in solchen Fällen möglicherweise auch festgestellt, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren nicht etwa gegen dieselbe Person führen, sondern wegen derselben Tat oder wegen zusammenhängender Taten, an denen unterschiedliche Personen beteiligt waren. Auch wenn solche Fälle nicht zwangsweise zu einem Konflikt führen, so kann es doch angezeigt sein, für eine enge Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Behörden zu sorgen, um die Effizienz der Strafverfahren zu verbessern und somit die ordnungsgemäße Rechtspflege zu fördern.

Im Interesse einer wirksamen Rechtspflege und unter Berücksichtigung des Ziels der EU, einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, in dem in erster Linie die Rechtssicherheit für die Bürger zu wahren ist, indem Situationen vermieden werden, die zu Fällen von doppelter Strafverfolgung führen können ("nebisinidem"-Prinzip), und um die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Behörden, die eine parallele Zuständigkeit ausüben, zu verbessern, muss sichergestellt werden, dass Strafverfahren in Situationen, in denen der zur Begehung einer Straftat führende Sachverhalt in die Zuständigkeit von mehr als einem Mitgliedstaat fällt, von dem am besten geeigneten Staat durchgeführt werden und dass dieser Staat auf transparente und objektive Weise ausgewählt wird.

Daher sollte das oberste Ziel für die Behörden der Mitgliedstaaten, die Strafverfahren wegen derselben Tat gegen dieselbe Person führen, darin bestehen übereinzukommen, dass die Verfahren in einem einzigen Staat zusammengelegt werden, wobei die spezifischen Umstände jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen sind. Um sicherzustellen, dass der ausgewählte Staat am besten geeignet ist, das Verfahren zu führen, müssen die jeweiligen Behörden unbedingt in der Lage sein, Informationen untereinander auszutauschen, damit sie rasch und frühzeitig Kenntnis von einzelstaatlichen Verfahren erlangen, die in einem anderen Staat geführt werden. Werden in zwei oder mehr Mitgliedstaaten Verfahren wegen derselben Tat oder zusammenhängender Taten gegen verschiedene Personen geführt, so muss ein angemessener und frühzeitiger Austausch von Informationen im Rahmen des Mechanismus der direkten Konsultationen sichergestellt werden, damit erörtert werden kann, ob die Zusammenlegung der Verfahren in einem einzigen Staat angemessen und wirksam ist, oder um eine andere wirksame Lösung zur Vermeidung der negativen Aspekte einer parallelen Kompetenzausübung zu finden.

Derzeit kann der Umfang des Informationsaustauschs im Zusammenhang mit Fällen, die zu den oben dargelegten Situationen führen, nicht als zufriedenstellend betrachtet werden. Einzelstaatliche Behörden können derzeit wegen Taten, die eine maßgebliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen, ermitteln und ein Strafverfahren einleiten, ohne die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu informieren. Es könnte argumentiert werden, dass die Behörden des Mitgliedstaats, der eine Verbindung zu einem laufenden Verfahren eines anderen Mitgliedstaats hat, letztendlich über dieses Verfahren informiert werden, da sie zu irgendeinem Zeitpunkt um Unterstützung gebeten werden, z.B. in Form eines Antrags auf Übertragung des Verfahrens, Erhebung von Beweismitteln oder Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls, oder weil die beschuldigte bzw. angeklagte Person diese Frage während des Verfahrens vorbringen würde.

Dies kann jedoch aus mehreren Gründen nicht als ausreichend erachtet werden.

Erstens ist eine solche Unterstützung nicht immer erforderlich, da bei grenzüberschreitenden Straftaten manchmal ausreichend Beweismittel vorliegen, um den Fall in dem Staat, in dem die Straftat aufgedeckt oder eine Person festgenommen wurde, zu verfolgen. Zweitens geht ein Rechtshilfeersuchen eines anderen Mitgliedstaats nicht notwendigerweise in einer frühen Phase des Verfahrens ein. Drittens sind Kompetenzfragen normalerweise nicht Teil solcher Ersuchen und, wichtiger noch, die zuständigen Behörden, die solche Ersuchen bearbeiten, sind nicht verpflichtet, die Frage des am besten geeigneten Staats zur Sprache zu bringen oder auch nur zu erörtern.

Aufgrund des unzureichenden Umfangs des Informationsaustauschs und aufgrund der fehlenden Verpflichtung zur Aufnahme von Konsultationen über den am besten geeigneten Staat in Fällen, in denen parallel laufende Verfahren in zwei oder mehr Mitgliedstaaten wegen derselben Tat gegen dieselben Personen oder wegen derselben oder zusammenhängender Taten gegen unterschiedliche Personen geführt werden, erfolgt die Wahl des Staates bisweilen ohne jegliche Transparenz oder ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der Gerichte der verschiedenen Mitgliedstaaten, die mit dem Fall befasst sind. Dies kann zu Situationen führen, in denen der Staat, in dem das Verfahren tatsächlich anhängig ist, nicht der am besten geeignete ist. Nach dem derzeitigen Rechtsrahmen könnte angeführt werden, dass die Wahl des Staates für bestimmte Taten, die Gegenstand von Strafverfahren in mehreren Mitgliedstaaten sein könnten, dem Zufall überlassen ist und der Regel "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" unterliegt. Im Übrigen sind parallele Verfahren ineffizient, da sie den doppelten Aufwand an Zeit, Geld und Energie seitens der Justizbehörden erfordern. Dieser Umstand ist umso wichtiger im Lichte der breiten Anwendbarkeit des EU-weiten grenzüberschreitenden "nebisinidem"-Prinzips, das in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens verankert ist und vom Europäischen Gerichtshof unlängst in mehreren Fällen ausgelegt wurde 1. Im Rahmen der Anwendbarkeit dieses Prinzips ist es mehr als offensichtlich, dass parallele Verfahren wegen derselben Taten gegen dieselben Personen letztendlich zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit für den Einzelnen führen und eines der Verfahren in der Tat unweigerlich eine Verschwendung von Ressourcen darstellt.

Somit trägt die derzeitige Rechtslage nicht dazu bei, die nationalen Behörden stärker für tatsächliche Kompetenzkonflikte zu sensibilisieren oder ihre Fähigkeit zu verbessern, solche Konflikte wirksam zu lösen. Dies wäre nicht so, wenn die betroffenen nationalen Behörden die Initiative ergreifen würden, andere Mitgliedstaaten über ihre Verfahren zu unterrichten.

Im Einklang mit dem Ziel, einen gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, ist es daher erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um die Mängel des derzeitigen Rechtsrahmens zu beseitigen.

Mit der vorgeschlagenen Maßnahme sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden:

Diese Ziele sollten mit den folgenden Mitteln erreicht werden:

Diese Verbesserungen des Informationsaustauschs und die Schaffung eines Verfahrensrahmens für direkte Konsultationen sowie von Regeln für die Erzielung von Vereinbarungen könnten vielfältige Vorteile für die justizielle Zusammenarbeit in der EU bieten. Zusätzlich zu der wirksameren Vermeidung der negativen Aspekte von Kompetenzkonflikten, der stärkeren Sensibilisierung für die Verfahren der anderen Mitgliedstaaten, der besseren Bestimmung des Orts des Strafverfahrens und der größeren Transparenz und Objektivität bei der Wahl des Gerichtsorts sind folgende weitere Vorzüge zu erwarten:

Es kommt in der Europäischen Union immer öfter vor, dass Strafverfahren wegen derselben Taten gegen dieselben Personen oder wegen derselben oder zusammenhängender Taten gegen verschiedene Personen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten parallel geführt werden. Diese Beobachtung wird empirisch untermauert durch die Ergebnisse einer Studie auf der Grundlage eines von der Tschechischen Republik erstellten Fragebogens, der den Mitgliedstaaten und Eurojust im Oktober 2008 vorgelegt wurde.

Bei den Fragen des an die Mitgliedstaaten gesandten Fragebogens ging es darum, zu ermitteln, wie viele parallele Strafverfahren wegen derselben Taten in den Mitgliedstaaten in den letzten Jahren in etwa festgestellt wurden, zu welchem Zeitpunkt der Kompetenzkonflikt festgestellt wurde, wie er gelöst wurde und ob Eurojust beteiligt war oder ein Bericht über die besonderen Probleme bei der Kommunikation mit den Behörden anderer Mitgliedstaaten erstellt wurde. Der Fragebogen enthielt ferner Fragen über die voraussichtliche Zunahme solcher Fälle und darüber, ob es auch solche Fälle geben könnte, von denen die Behörden keine Kenntnis haben.

In dem an Eurojust gesandten Fragebogen ging es um die Anzahl der Fälle von Kompetenzkonflikten, die an Eurojust verwiesen wurden, die Art dieser Fälle, den Zeitpunkt der Verweisung und die Methoden zur Lösung dieser Konflikte. Offiziell wurden 52 Fälle als Kompetenzkonflikte im Fallbearbeitungssystem von Eurojust registriert, davon rund zwei Drittel bilaterale Fälle und der Rest multilaterale Fälle. Eurojust berichtete, dass solche Fälle oft durch Rechtshilfeersuchen oder konkurrierende Europäische Haftbefehle aufgedeckt werden. Manchmal werden sie jedoch auch von Eurojust selbst bei Gegenkontrollen und im Rahmen von Koordinierungssitzungen entdeckt. Eine weitere Frage betraf die Dauer der Kompetenzkonflikte, die Eurojust mit durchschnittlich rund zehn Monaten ab der Registrierung des Falls bis zur Beilegung bezifferte; diese Information bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Dauer der Registrierung der Fälle im Fallbearbeitungssystem und steht nicht im Zusammenhang mit der Lösung der Kompetenzkonflikte.

Die Antworten auf die Fragen (21 Mitgliedstaaten sowie Eurojust) sind in einem separaten Dokument des Generalsekretariats des Rates dargelegt (Dok. 17308/08 COPEN 254 + ADD 1; eine Zusammenfassung ist in Dok. 17553/08 COPEN 263 enthalten).

Diesem erläuternden Bericht ist ferner ein Anhang beigefügt, in dem die Sachverhalte in einigen Fällen von Kompetenzkonflikten, die von tschechischen Justizbehörden ermittelt bzw. von Eurojust behandelt wurden, näher erläutert und beschrieben werden.

Hintergrund und geltende Bestimmungen in dem von dem Vorschlag erfassten Bereich

Wie oben dargelegt, kann mit dem derzeitigen EU-Rechtsrahmen nicht gewährleistet werden, dass die Behörden der Mitgliedstaaten Kenntnis von laufenden Verfahren in anderen Mitgliedstaaten erlangen, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt eines Falles zu einem Kompetenzkonflikt führen könnte oder zusammenhängende Taten vorliegen. Außerdem gibt es kein EU-weites verbindliches Verfahren, das gemeinsame Beratungen über den für das Strafverfahren in solchen Fällen am besten geeigneten Staat erleichtern würde.

Die Kommission hat im Jahr 2000 in ihrer Mitteilung über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen 1 vorgeschlagen, Zuständigkeitsregeln festzulegen, die einem einzigen Mitgliedstaat die ausschließliche Zuständigkeit zugeteilt hätten. Die Durchführbarkeit dieses Konzepts wurde in einer Expertensitzung im Dezember 2001 geprüft. Eine große Mehrheit der Experten und Rechtspraktiker war skeptisch gegenüber einem solchen System; sie betonten, dass Flexibilität erforderlich sei und gewährleistet werden müsse, dass die zuständigen einzelstaatlichen Behörden in der Lage sind, die spezifischen Umstände jedes einzelnen Falls bei der Auswahl des am besten geeigneten Gerichtsstands für ein Verfahren zu berücksichtigen.

Diese Ergebnisse wurden durch ein Projekt im Rahmen des EU-Grotius-Programms 1 und durch ein von Eurojust im November 2003 veranstaltetes Seminar über die Zuständigkeit von Eurojust für die Ausstellung von Ersuchen zur Bestimmung des zuständigen Staates untermauert. Dabei sei darauf hingewiesen, dass in den von Eurojust im Anschluss an das Seminar - bei dem Praktiker und Akademiker einer breiten Palette von Rechtssystemen zusammenkamen - erstellten Leitlinien festgehalten ist, dass jeder Fall einzigartig ist und folglich jede Entscheidung darüber, welcher Staat am besten für die Strafverfolgung geeignet ist, auf der Grundlage des Sachverhalt im Einzelfall erfolgen muss.

Ferner sei auf die Initiative der Hellenischen Republik vom Februar 2003 im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Anwendung des "nebisinidem"-Prinzips 2 hingewiesen. Neben dem "nebisinidem"-Prinzip enthielt diese Initiative Bestimmungen hinsichtlich der Lösung von Kompetenzkonflikten. Der Vorschlag enthielt ferner einige Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Staates. Es wurden dieselben Bestimmungsfaktoren aufgeführt wie in Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses über die Terrorismusbekämpfung, ohne jedoch wie in dem genannten Rahmenbeschluss oder in dem Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme 3 eine Rangfolge festzulegen. Die Mitgliedstaaten konnten kein Einvernehmen über diese Initiative erzielen; insbesondere waren einige Fragen bezüglich des "nebisinidem"-Prinzips strittig, weshalb die Beratungen eingestellt wurden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der derzeitige Vorschlag sich wesentlich von dem Vorschlag der Hellenischen Republik unterscheidet, da er sich nicht mit dem "nebisinidem"-Prinzip als solchem befasst, sondern sich in erster Linie auf den Informationsaustausch zu laufenden Strafverfahren und auf Regeln zur Lösung von Kompetenzkonflikten konzentriert. Wie oben angeführt ist jedoch die bloße Existenz des "nebisinidem"-Prinzips eine grundlegende Rechtfertigung für die Erstellung eines Mechanismus wie in diesem Vorschlag, der als eine Art vorbeugende Maßnahme die Wahrscheinlichkeit von "nebisinidem"-Situationen verringert.

Zudem hat sie darin die Möglichkeiten für die Einführung eines Verfahrens skizziert, das die Bestimmung des am besten geeigneten Staates erleichtern würde, und Vorschläge unterbreitet, die darauf abzielen, genau festzulegen, in welchen Fällen das in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens verankerte EU-weite grenzüberschreitende Verbot der doppelten Strafverfolgung ("nebisinidem") anzuwenden ist. Im vorliegenden Vorschlag wird das "nebisinidem"-Konzept weder aufgegriffen noch definiert, und auch die anderen Vorschläge des Grünbuchs wurden nicht weiterverfolgt; beispielsweise wurde von der Einrichtung einer Stelle, die verbindliche Entscheidungen treffen würde, abgesehen. Anders als im Grünbuch wurde bei dem vorliegenden Vorschlag zudem auf eine hinreichende Verbindung zum Eurojust-Beschluss geachtet, um ein ergänzendes Verfahren zu erhalten.

Derzeit gibt es verschiedene EU-Instrumente für bestimmte Arten der Kriminalität, nach denen die Mitgliedstaaten gehalten sind, bei bestimmten Straftaten vom Territorialitätsprinzip abzuweichen und die Zuständigkeit ihrer nationalen Gerichte auszudehnen - beispielsweise mit Hilfe des aktiven bzw. des passiven Personalitätsprinzips. Nach diesen Vorschriften sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht verpflichtet, in bestimmten Fällen ihre gerichtliche Zuständigkeit auszuüben. Derartige Vorschriften finden sich im Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der EG (Artikel 4) und in dem dazugehörigen Protokoll vom 27. September 1996 (Artikel 6)2, im Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung (Artikel 7)3 sowie in den Rahmenbeschlüssen über die Verstärkung des Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro (Artikel 7)4, zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (Artikel 9)5, zur Terrorismusbekämpfung (Artikel 9)6, zur Bekämpfung des Menschenhandels (Artikel 6)7, betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (Artikel 4)8, zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (Artikel 7)9, zur 1 KOM (2005) 696 endg.

Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (Artikel 8)1, zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (Artikel 9)2 und über Angriffe auf Informationssysteme3.

Wohlgemerkt dienen diese Vorschriften dazu, negativen Kompetenzkonflikten vorzubeugen, nicht aber Konflikte überhaupt zu vermeiden oder beizulegen.

Unter den geltenden Rechtsinstrumenten, die geeignet sind, die Vermeidung oder Beilegung von Kompetenzkonflikten oder die Bestimmung des zuständigen Staates zu erleichtern, ist in erster Linie das im Europarat ausgearbeitete Europäische Übereinkommen vom 15. Mai 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung 4 zu nennen; darin ist in mehreren Artikeln festgelegt, wie das Problem paralleler Strafverfahren zu vermeiden oder zu regeln ist. Dieses Übereinkommen ist jedoch erst in 13 Mitgliedstaaten in Kraft und sieht kein gemeinsames, umfassendes und multilaterales Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates vor.

Das zweite wichtige Instrument, das die Vermeidung oder Beilegung von Kompetenzkonflikten erleichtern könnte, ist der Beschluss des Rates über Eurojust5 . Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a kann Eurojust die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ersuchen, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen oder sich damit einverstanden zu erklären, dass eine andere zuständige Behörde gegebenenfalls besser in der Lage ist, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen. Wird Eurojust mit einem Kompetenzkonflikt befasst und können sich zwei oder mehr nationale Mitglieder nicht einig darüber werden, wie er gelöst werden kann, so ist das Kollegium zu ersuchen, eine unverbindliche schriftliche Stellungnahme zu dem Fall abzugeben, sofern die Angelegenheit nicht in gegenseitigem Einvernehmen zwischen den betroffenen zuständigen nationalen Behörden geregelt werden kann.

Zwar gilt Artikel 7 für das gesamte Eurojust-Kollegium, doch können auch die nationalen Eurojust-Mitglieder die zuständigen Behörden ersuchen, die genannten Maßnahmen "in Erwägung zu ziehen" (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a). Grundsätzlich müssen es die zuständigen Behörden begründen, wenn sie einem begründeten Ersuchen des Kollegiums nicht nachkommen (Artikel 8). Mit diesen beiden Artikeln ist das Problem der Kompetenzkonflikte gelöst, sobald der Fall an Eurojust verwiesen wird. Allerdings besteht keine Verpflichtung, Eurojust mit solchen Fällen zu befassen.

Andererseits sollen nach dem neuen Artikel 13 Absatz 7 Buchstabe a des Beschlusses zur Stärkung von Eurojust die nationalen Mitglieder über Fälle, in denen Kompetenzkonflikte aufgetreten sind oder wahrscheinlich auftreten werden, informiert werden. Damit wurde eine Verpflichtung zur Unterrichtung von Eurojust neu eingeführt. Allerdings beschränkt sich dies auf die reine Informationspflicht, während im vorliegenden Vorschlag ein umfassender Verfahrensrahmen für die Beilegung von Kompetenzkonflikten festgelegt wird.

Nach dem EU-Strafrecht müssen die Mitgliedstaaten oder ihre Behörden bei bestimmten Arten der Kriminalität zusammenarbeiten, um darüber zu entscheiden, welcher Staat am besten mit dem Fall befasst werden sollte. Entsprechendes ist festgelegt in Artikel 6 Absatz 2 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Artikel 9 Absatz 2 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung1, Artikel 4 Absatz 2 der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung2, Artikel 7 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses über den Schutz gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro, Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und Artikel 10 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme3. Nach diesen Bestimmungen "arbeiten die betreffenden Mitgliedstaaten zusammen, um darüber zu entscheiden, welcher von ihnen den oder die Straftäter verfolgt, um die Strafverfolgung nach Möglichkeit in einem einzigen Mitgliedstaat zu konzentrieren". Erstens sehen diese Vorschriften kein spezielles Verfahren zur Vermeidung und - erforderlichenfalls - Beilegung von Kompetenzkonflikten vor; vielmehr sind sie allgemein und abstrakt.

Zweitens gelten sie nur für bestimmte Arten der Kriminalität. Auch ist zu bedenken, dass die Mitgliedstaaten nach den betreffenden Bestimmungen des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme dabei "auf jedes Gremium oder jeden Mechanismus auf Ebene der Europäischen Union zurückgreifen" können, "um die Zusammenarbeit zwischen ihren Justizbehörden und die Koordinierung ihrer Maßnahmen zu erleichtern". Diese Formulierung impliziert den Rückgriff auf Eurojust. Doch obwohl mit dem Eurojust-Beschluss entsprechende Rechtsvorschriften erlassen wurden, begründen diese Bestimmungen keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Eurojust mit einem Fall zu befassen.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Europäischen Justiziellen Netzes zu erwähnen. Das Netz wurde in erster Linie errichtet, um die Beziehungen zwischen den zuständigen Behörden in Bezug auf den Informationsaustausch zu verbessern. Mit diesem effizienten und informellen Instrument für den schnellen Informationsaustausch lässt sich zudem oft besser in Erfahrung bringen, ob in zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren zu ein und demselben Sachverhalt oder zu miteinander zusammenhängenden Sachverhalten geführt werden.

Rechtsrahmen

Der vorgeschlagene Rechtsakt soll u.a. auf Grundlage von Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe d des Vertrags über die Europäische Union ("EUV") erlassen werden; danach schließt das gemeinsame Vorgehen der Justizbehörden und sonstigen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten ein.

Ferner soll mit diesem Vorschlag dem Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union ("Haager Programm"), das der Europäische Rat am 5. November 2004 gebilligt hat, Wirkung verliehen werden. Darin heißt es in Nummer 3.3, dass "im Hinblick auf eine effizientere Strafverfolgung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer adäquaten Rechtspflege den Möglichkeiten der Konzentration der Strafverfolgung in grenzüberschreitenden multilateralen Fällen in einem Mitgliedstaat besondere Aufmerksamkeit gelten" sollte, und in Nummer 3.3.1, dass zusätzlichen Vorschlägen in diesem Zusammenhang weitere Beachtung geschenkt werden sollte, unter anderem auch zu Kompetenzkonflikten, damit das umfassende Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen abgeschlossen wird.

Zusammenfassung des vorliegenden Vorschlag und Erläuterungen zu den wichtigsten Artikeln

Mit dem vorgeschlagenen Rahmenbeschluss soll ein Mechanismus eingeführt werden, mit dem mögliche Konflikte bei gleichzeitiger Ausübung der Zuständigkeit durch die Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten vermieden werden, sowie ein Mechanismus, mit dem sich besser in Erfahrung bringen lässt, welche laufenden Strafverfahren miteinander in Zusammenhang stehen könnten.

Mit ihm wird ein Verfahrensrahmen festgelegt, innerhalb dessen die nationalen Behörden Informationen über laufende Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts austauschen müssen, um festzustellen, ob in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten parallele Verfahren wegen desselben Sachverhalts und derselben Personen geführt werden, und innerhalb dessen ihre nationalen Behörden direkte Konsultationen aufnehmen müssen, um sich darüber zu einigen, welcher Staat für ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts, für dessen Verfolgung zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zuständig waren, am besten geeignet ist. Zudem sollen mit ihm die Situationen geregelt werden, in denen ein paralleles Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts oder wegen eines damit zusammenhängenden Sachverhalts, der von anderen Personen begangen wurde, geführt wird, soweit in solchen Fällen direkte Konsultationen die Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Behörden verbessern würden. Außerdem werden in dem Rahmenbeschluss die Regeln und gemeinsamen Kriterien festgelegt, die die nationalen Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten berücksichtigen müssen, wenn sie sich darüber einigen wollen, welcher Staat bei einer spezifischen Tat am besten für die Durchführung des Strafverfahrens geeignet ist.

Mit dem Instrument wird ein Verfahren für den Informationsaustausch in den Fällen eingeführt, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts führen und in Erfahrung bringen müssen, ob in anderen Mitgliedstaaten gegen dieselbe Person ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts anhängig ist. Dies gilt auch, wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts führen und bereits auf anderem Wege als durch das Unterrichtungsverfahren Kenntnis davon erlangt haben, dass die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten bereits ein Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts gegen dieselbe Person oder aber wegen desselben Sachverhalts oder eines damit zusammenhängenden Sachverhalts gegen andere Personen führen. In diesen Fällen findet das Unterrichtungsverfahren (Artikel 5 bis 11) keine Anwendung, und die betreffenden Staaten sollten umgehend direkte Konsultationen aufnehmen.

Der vorgeschlagene Rahmenbeschluss dient nicht der Beilegung negativer Kompetenzkonflikte, wobei mit einem negativen Konflikt gemeint ist, dass kein Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die begangene Straftat begründet hat. Auch ist nicht beabsichtigt, die einzelstaatlichen Zuständigkeitsregeln zu harmonisieren.

Eine der zentralen Vorschriften ist Artikel 5, der vorschreibt, dass eine zuständige Behörde die Behörde(n) des anderen Mitgliedstaats bzw. der anderen Mitgliedstaaten unterrichten muss. Die Unterrichtung dient dazu, in Erfahrung zu bringen, ob in einem anderen Mitgliedstaat bzw. anderen Mitgliedstaaten gegen dieselbe(n) Person(en) ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts geführt wird. Die Informationspflicht würde in den Fällen bestehen, in denen die Behörden eines Mitgliedstaats feststellen, dass die Tat, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens ist, eine maßgebliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist. Dann müsste die zuständige unterrichtende Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren geführt wird, die antwortende Behörde des Mitgliedstaats, zu dem die Tat eine maßgebliche Verbindung aufweist, über das Bestehen des Verfahrens unterrichten.

In Artikel 6 wird der Begriff "maßgebliche Verbindung" definiert. Eine Verbindung gilt immer dann als "maßgeblich", wenn die Handlung oder der wesentliche Teil der Handlung, die die Straftat begründet, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begangen wurde. Gibt es eine andere Verbindung, beispielsweise den Ort, an dem sich wichtige Beweismittel befinden, oder die Staatsangehörigkeit der beschuldigten Person, so ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die Verbindung als so maßgeblich anzusehen ist, dass davon auszugehen ist, dass in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts geführt wird. I Bei der Entscheidung ist insbesondere auf die in Artikel 15 aufgeführten gemeinsamen Kriterien Bezug zu nehmen. Das Unterrichtungsverfahren gilt nicht bei Straftaten, die im unterrichtenden Staat mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung von höchstens einem Jahr bedroht sind, d.h. nicht bei geringfügigen Taten, da sonst ein übermäßiger Verwaltungsaufwand entstehen könnte. Der antwortende Mitgliedstaat muss so rasch wie möglich unterrichtet werden, d.h. zu keinem festgelegten Zeitpunkt, sondern dann, wenn es in Anbetracht der jeweiligen besonderen Umstände, die nicht immer eine umgehende Unterrichtung erlauben, zweckmäßig ist. Außerdem wird der Justizbehörde durch die Formulierung "so rasch wie möglich" in Verbindung mit Artikel 20 betreffend das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten und Vereinbarungen in Bezug auf die Entscheidung, ob sie unterrichtet oder nicht, ein gewisser Spielraum eingeräumt. In Fällen, in denen einem anderen Mitgliedstaat ein Europäischer Haftbefehl oder ein Ersuchen um Übertragung der Strafverfolgung übermittelt wurde, dürfte eine Unterrichtung nämlich nicht immer praktikabel erscheinen.

Ein weiterer wichtiger Teil des Vorschlags sind die Artikel 9 und 10, nach denen die antwortende Behörde verpflichtet ist, die Mitteilung zu beantworten. Die Antwort sollte grundlegende Informationen enthalten, beispielsweise sollte angegeben werden, ob zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand des laufenden Verfahrens im unterrichtenden Mitgliedstaat ist, im antwortenden Staat ein Verfahren geführt wird oder in der Vergangenheit geführt wurde. In Artikel 10 ist festgelegt, binnen welcher Frist diese Informationen der unterrichtenden Behörde zu übermitteln sind.

Diese Fristen sind besonders wichtig, damit Verzögerungen bei Strafverfahren in den Fällen vermieden werden, in denen im antwortenden Staat keine Verfahren anhängig sind. Die vorgeschlagenen obligatorischen Elemente in Artikel 9 und 10 erlauben es der unterrichtenden Behörde, eine qualitative Bewertung der Umstände der jeweiligen Straftat, die Gegenstand der Strafverfolgung ist, vorzunehmen.

Mit Artikel 12 beginnt das Kapitel 3 über direkte Konsultationen, die ein weiterer Schritt zur Beilegung von Kompetenzkonflikten sind. Die betreffenden Behörden müssen direkte Konsultationen aufnehmen. Die Pflicht zur Aufnahme direkter Konsultationen besteht dann, wenn die antwortende Behörde bestätigt, dass zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, ein Verfahren gegen die selben Personen läuft anhängig ist oder dass sie beabsichtigt, ein solches Verfahren zu eröffnen. In diesem Fall hängt die Aufnahme der direkten Konsultationen unmittelbar mit dem Unterrichtungsverfahren zusammen und bezieht sich auf den Inhalt der Antwort. Die Konsultationen können von jeder betroffenen Behörde eingeleitet werden, jedoch sollte die Antwort in jedem Falle an die unterrichtende Behörde gerichtet werden. Direkte Konsultationen sind zweitens dann vorgeschrieben, wenn eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats - auf welchem Wege auf immer - Kenntnis davon erhalten hat, dass wegen der spezifischen Tat gegen dieselben Personen in einem anderen Mitgliedstaat bzw. anderen Mitgliedstaaten parallele Strafverfahren entweder bereits anhängig oder geplant sind. In diesem Fall erübrigt sich das Unterrichtungsverfahren, da der Kompetenzkonflikt bereits bekannt ist. Natürlich ist die Konsultationsphase nicht vorgeschrieben, wenn der Konflikt bereits während des Unterrichtungs-/Antwortverfahrens beigelegt wurde. Der Artikel hindert die Behörden nicht daran, direkte Konsultationen aufzunehmen, wenn dies ihrer Auffassung nach erforderlich ist, um zu einer Einigung darüber zu gelangen, welcher Staat am besten geeignet ist, oder um sonstige Probleme im Zusammenhang mit parallel geführten Strafverfahren zu lösen, die denselben Sachverhalt oder einen damit zusammenhängenden Sachverhalt, der von anderen Personen begangen wurde, betreffen.

Im Rahmen der direkten Konsultationen sollen die zuständigen Behörden, welche die Strafverfahren in zwei oder mehr Mitgliedstaaten führen, effektiv enger zusammenarbeiten und auf diese Weise zu einer Einigung darüber gelangen, welcher Staat am besten geeignet ist. Soweit dies zweckmäßig und praktikabel ist, sollten sie sich darauf verständigen, dass die Strafverfahren in einem einzigen Mitgliedstaat zusammengelegt werden. In diesem Fall sollte das Strafverfahren - beispielsweise durch Übertragung der Strafverfolgung - möglichst in einem einzigen Mitgliedstaat geführt werden; anderenfalls sollten die Behörden nach einer anderen effizienten Lösung in Bezug auf die negativen Aspekte einer parallelen Ausübung der Zuständigkeit suchen und den Zeitrahmen und die Modalitäten hierfür festgelegen. In Artikel 15 ist festgelegt, nach welchen Regeln der am besten geeignete Staat bestimmt werden muss. Es besteht die widerlegliche Vermutung, dass das Verfahren im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaat geführt werden sollte, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde; dieses ist der Ort, an dem die Beteiligten den wesentlichen Teil der Tat begangen haben. Diese allgemeine Annahme stützt sich auf die Tatsache, dass sich vermutlich die meisten wichtigen Beweisstücke sowie die Geschädigten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats befinden, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde. Zudem wurde das Territorialitätsprinzip gewählt, weil es sich um einen wichtigen Grundsatz der Strafverfolgung handelt, den alle Mitgliedstaaten kennen. Findet jedoch die allgemeine Vermutung nach Absatz 1 keine Anwendung, weil es andere ausreichend wichtige Faktoren für die Durchführung des Strafverfahrens gibt, die nachdrücklich für die Zuständigkeit eines anderen Staates sprechen, so tragen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten diesen zusätzlichen Faktoren Rechnung, um zu einer Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat zu gelangen. In Artikel 15 Absatz 2 sind diese Faktoren in einer nicht erschöpfenden Liste ohne besondere Rangfolge aufgeführt. Die Kriterienauswahl hat sich vor allem an den Leitlinien orientiert, die Eurojust im Jahresbericht 2004 empfohlen hat, sowie am Übereinkommen von 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung.

In Artikel 16 geht es um die sehr wichtige Verbindung zu Eurojust und dessen Mechanismen zur Beilegung von Kompetenzkonflikten. Ganz allgemein steht es den zuständigen Behörden in jeder Phase eines Verfahrens frei, Eurojust zu konsultieren oder mit einem Fall zu befassen; dies steht mit dem Eurojust-Beschluss im Einklang. Artikel 16 Absatz 2 geht auf die Situation vor der Befassung von Eurojust ein. Demnach muss in Fällen, die in die Zuständigkeit von Eurojust fallen und in denen keine Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens wegen eines spezifischen Sachverhalts am besten geeigneten Mitgliedstaat erzielt wird, sowie in Fällen, in denen innerhalb von 10 Monaten nach Aufnahme der direkten Konsultationen keine Einigung erzielt wurde, Eurojust befasst werden.

Artikel 17 geht auf die Fälle ein, in denen sogar Eurojust nicht weiter tätig werden kann und in denen eine Einigung entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig erzielt wurde. Er erfasst Fälle, die nicht in die Zuständigkeit von Eurojust fallen, und Fälle, in denen nach der Einschaltung von Eurojust keine Einigung erzielt wurde. Die Mitgliedstaaten müssen Eurojust in diesen Fällen mitteilen, dass und weshalb keine Einigung zustande gekommen ist. Mit diesem Artikel wird bezweckt, dass Informationen gesammelt werden und daraus ein Fazit für mögliche künftige Verbesserungen des Mechanismus zur Beilegung von Kompetenzkonflikten gezogen wird.

Artikel 18 ist etwas anders gelagert, bezieht sich aber auf den Austausch von Informationen über parallel geführte Verfahren. Er bezieht sich auf Fälle, in denen entweder anhand einer Mitteilung oder auf anderem Wege Kenntnis darüber erlangt wird, dass die Tat, die in einem Mitgliedstaat Gegenstand eines laufenden oder bevorstehenden Verfahrens ist, in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war. Dies bedeutet in der Regel, dass eine "nebisinidem"-Situation vorliegt, in der nur die Behörden des Staates, in dem ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, sich weiter mit dem Fall befassen und das Verfahren wiederaufnehmen dürfen, sofern dies nach innerstaatlichem Recht zulässig ist. Mit diesem Artikel wird der Austausch von Informationen und Beweisen gefördert, mit dem es den jeweiligen Behörden erleichtert werden sollte, die etwaige Wiederaufnahme gebührend zu prüfen und gegebenenfalls die entsprechenden Schritte zu unternehmen.

Artikel 20 geht auf das Verhältnis zu Rechtsinstrumenten und anderen Vereinbarungen ein, die Bestimmungen zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten beinhalten. Grundsätzlich wird erklärt, dass alle Rechtsinstrumente oder Vereinbarungen, mit denen effizienter zu den Zielen des Rahmenbeschlusses beigetragen wird oder die Ziele des Rahmenbeschlusses erreicht werden, Vorrang vor dem Rahmenbeschluss haben müssen.

Rechtsgrundlage und Wahl des Rechtsakts

Der Vorschlag ist auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstaben c und d und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Europäische Union gestützt und hat die Form eines Rahmenbeschlusses nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EUV.

Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

In den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Strafverfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten ist gegenwärtig nicht die Pflicht vorgesehen, in Fällen, in denen ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat gegeben ist, Informationen oder Standpunkte auszutauschen und/oder zusammen auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien zu erörtern, welcher Staat am besten geeignet ist, ein Strafverfahren wegen einer Tat zu führen, die von mehreren Mitgliedstaaten verfolgt werden könnte. In Ermangelung eines gemeinsamen Vorgehens müssten die Mitgliedstaaten deshalb, wenn es Fortschritte bei einem besseren Austausch von Informationen über Verfahren wegen Taten, die zu einem Kompetenzkonflikt führen können, und bei der Einführung einer Pflicht zur Erörterung von Kompetenzfragen auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien geben soll, einseitig nationale Vorschriften erlassen, um ein solches Vorgehen zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen dürfte kaum Erfolg versprechen, da die 27 EU-Mitgliedstaaten hierzu einzeln identische Vorschriften erlassen müssten. Solche identische Vorschriften sind leichter durch ein gemeinsames Vorgehen in Form eines Rahmenbeschlusses des Rates zu erreichen. Dieser Rahmenbeschluss geht nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Artikel 33 EUV bleibt hiervon unberührt.

Auswirkungen auf den Haushalt

Es ist davon auszugehen, dass die Umsetzung des vorgeschlagenen Rahmenbeschlusses die Haushalte der Mitgliedstaaten oder den Haushalt der Europäischen Union nicht mit größeren zusätzlichen operativen Ausgaben belasten wird. Darüber hinaus ist langfristig davon auszugehen, dass es zu Einsparungen kommt, da die Kosten eines vollständigen Verfahrens in mehreren Mitgliedstaaten in vielen Fällen wohl vermieden werden.

Anhang
Beispiele von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten der EU, die bei Justizbehörden der Tschechischen Republik und bei Eurojust festgestellt wurden

Zur Verdeutlichung der Problematik, wie sie sich in der Praxis darstellt, folgt eine kurze Illustration einiger echter Fälle von Kompetenzkonflikten, die sich

(I) Tschechische Republik

Die tschechischen Behörden haben ein Strafverfahren gegen einen deutschen Staatsangehörigen geführt. Der Fall ist im Jahr 2004 zur Verhandlung gelangt; der Beschuldigte hat sich jedoch dem Verfahren entzogen. Daraufhin ist ein Haftbefehl ausgestellt und an Deutschland übermittelt worden, aber die deutschen Behörden haben die Vollstreckung des Haftbefehls verweigert und entschieden, das Verfahren selbst zu führen. Das Verfahren in der Tschechischen Republik ist daraufhin ausgesetzt worden (im Jahr 2005), und nach etwa zwei Jahren teilte die deutsche Verfolgungsbehörde die Entscheidung mit, das Verfahren nicht weiter zu betreiben, da sich alle maßgeblichen Zeugen und wichtigen Beweise im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik befänden. Die deutschen Behörden haben letzten Endes die frühere Entscheidung aufgehoben, als sie zu der Auffassung gelangten, dass die Tschechische Republik für die Durchführung dieses konkreten Verfahrens besser geeignet ist. Das Verfahren ist längst noch nicht abgeschlossen.

Der tschechische Richter hat erklärt, dass der Fall, wäre er bereits im Jahr 2004 mit den deutschen Behörden ausführlich erörtert worden, bereits geklärt und das Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossen sein könnte. Die fehlende Einigung hat zu einer mehr als zweijährigen Verzögerung und nicht eben zur Einsparung von Verfahrenskosten geführt.

Ein deutscher Staatsangehöriger ist im Jahr 2007 von einem tschechischen Gericht wegen Rauschgiftschmuggels verurteilt worden; er hatte Rauschgift in den Niederlanden erworben und durch Deutschland verbracht, um es in der Tschechischen Republik in Pilsen zu veräußern. Diese strafbaren Handlungen hat er von 2001 bis 2006 begangen. Die deutschen Behörden hatten einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt, um ein Strafverfahren wegen der Einfuhr von Heroin aus den Niederlanden zwecks Weiterverkaufs im Februar 2006 zu führen; dabei handelte es sich um eine der strafbaren Handlungen, die in der Tschechischen Republik zu der Verurteilung geführt hatten. Der Europäische Haftbefehl war in etwa zum gleichen Zeitpunkt ergangen wie das Urteil des tschechischen Gerichts. Daraus wird deutlich, dass den deutschen und den tschechischen Behörden ohne den Europäischen Haftbefehl nicht bekannt gewesen wäre, dass sie wegen des gleichen Sachverhalts parallele Strafverfahren geführt haben. Wären darüber hinaus die wichtigen Tatumstände bereits in einer sehr frühen Phase bekannt gewesen, so hätten die deutschen Behörden das Verfahren höchstwahrscheinlich nicht eingeleitet; sie hätten außerdem eng mit den tschechischen Behörden zusammenarbeiten und dabei entweder weitere wichtige Tatumstände feststellen können, die sie in die Lage versetzt hätten, den Fall an die tschechischen Behörden abzugeben, oder aber zusammen mit den tschechischen Behörden entscheiden können, dass die deutschen Behörden für die Durchführung des Strafverfahrens besser geeignet gewesen wären.

Die genannten Fälle sind lediglich Beispiele für zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle, die in den vergangenen Jahren in der Tschechischen Republik vorgekommen sind, und wir waren froh, von ihnen zu erfahren. Die Tschechische Republik verfügt wie einige andere Mitgliedstaaten nicht über eine zentrale Datenbank mit Angaben zur Zahl solcher Kompetenzkonflikte, aber aus den Angaben von Richtern und Staatsanwälten oder den ausgestellten oder abgelehnten Europäischen Haftbefehlen geht deutlich hervor, dass sich solche Fälle ereignen und ihre Zahl nicht unerheblich ist. Parallel geführte Verfahren sind beispielsweise durch die Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls der deutschen, der österreichischen oder der slowakischen Behörden oder durch die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen festgestellt worden. In vielen Fällen, in denen es um Rauschgiftschmuggel oder Schleusung geht, sind ein Staat oder mehrere Staaten für die Durchführung eines Strafverfahrens zuständig.

Die maßgebliche Verbindung zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten ist in solchen Fällen in der Regel deutlich, beispielsweise der erlittene Schaden oder die Staatsangehörigkeit des Täters, aber gegenwärtig sind die Justizbehörden nicht verpflichtet, den anderen Staat zu unterrichten. Wenn der Europäische Haftbefehl die jeweilige Behörde erreicht, befindet sich das Verfahren in der Regel bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, und es ist nicht mehr effizient, zu vereinbaren, dass die Behörde, die den Europäischen Haftbefehl ausgestellt hat, das Verfahren fortsetzt. Würden die jeweiligen Behörden bereits in einer frühen Phase des Verfahrens beginnen, Informationen zum Sachverhalt auszutauschen, so könnte effizienter bestimmt werden, welcher Staat am besten für die Durchführung des Strafverfahrens geeignet ist.

(II) EUROJUST

Es folgt eine Beschreibung von Kompetenzkonflikten, bei denen Eurojust eingeschaltet wurde und mit denen sich Eurojust befasst hat:

Portugal/Frankreich

Die französischen Behörden haben im Jahr 2005 im französischen Hoheitsgebiet einen portugiesischen Lastkraftwagen, der von einem portugiesischen Fahrer geführt wurde, sichergestellt; in dem Lastkraftwagen wurden unter anderem große Mengen von Zigaretten unterschiedlicher Marken befördert. Da keine rechtmäßigen Dokumente für diese Ladung vorgelegt wurden, sind die Ermittlungsbeamten davon ausgegangen, dass hier ein Fall von Zigarettenschmuggel und Steuerhinterziehung vorlag. In Portugal und in Frankreich sind zwei verschiedene Ermittlungsverfahren zum Teil wegen des gleichen Sachverhalts eingeleitet worden. Aufgrund einiger Erkenntnisse kann der Schluss gezogen werden, dass das gesamte Verfahren ausschließlich in Portugal geführt werden sollte, und zwar auch wegen des Sachverhalts, der in Frankreich Gegenstand von Ermittlungen ist.

Spanien/Vereinigtes Königreich

Im Jahr 2001 ist der britische Staatsangehörige "A" in Alicante/Spanien verstorben. Die britischen Verfolgungsbehörden beantragten Unterstützung bei der Koordinierung von Ermittlungen wegen der Aktivitäten eines anderen britischen Staatsangehörigen "B" im Zusammenhang mit der Fälschung einiger Dokumente, die "A" gehört hatten. Im Rahmen der Ermittlungen, die 2001 aufgenommen wurden, bestand der Verdacht, dass "B" mit dem Tod von "A" in Zusammenhang steht, jedoch wurde entschieden, dass die Beweise nicht für eine Verfolgung wegen Mordes ausreichten. Im Jahr 2006 haben Angehörige des Opfers den Betrugsbekämpfungsdiensten des Vereinigten Königreichs neue Beweise für Urkundenfälschung und Betrug vorgelegt. Es wurde entschieden, dass die spanischen Behörden eine Reihe weiterer Ermittlungshandlungen durchführen sollten, damit das im Jahr 2001 eingeleitete Strafverfahren wieder aufgenommen wird.

Portugal/Spanien

Eine von Spanien aus operierende kriminelle Vereinigung hat portugiesische Arbeitskräfte angeworben, die zunächst in Portugal festgehalten und später nach Spanien verbracht wurden, wo sie unter sklavenähnlichen Bedingungen zu arbeiten hatten. Die Straftat selbst wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft in Porto/Portugal, die ein Strafverfahren eingeleitet hat, festgestellt. Es wurde vereinbart, dass in beiden Ländern gut koordinierte, parallele Ermittlungen zu führen waren. Diese Koordinierung führte zu einer Konzentration des Verfahrens in Portugal, da Portugal als für die Verfolgung am besten geeignet betrachtet wurde.

Deutschland/Frankreich/Spanien

Von 1978 bis 2006 sind in verschiedenen Ländern (Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Tschechische Republik) 19 Morde begangen worden. Ein deutscher Staatsangehöriger war verdächtig, die Taten begangen zu haben, und ist in Untersuchungshaft genommen worden. Die spanischen Behörden übermittelten einen Europäischen Haftbefehl an Deutschland und beantragten die Übergabe des Verdächtigen, aber als alle Ermittlungsverfahren abgeglichen wurden, erklärten die deutschen Behörden, der Europäische Haftbefehl könne wegen des in Deutschland anhängigen Ermittlungsverfahrens nicht vollstreckt werden. Die französischen und die spanischen Gerichte sind jedoch nicht für Tötungsdelikte zuständig, wenn sie im Ausland von ausländischen Staatsangehörigen begangen wurden. Im Jahr 2006 galt es somit, einen positiven Kompetenzkonflikt zwischen Deutschland, Spanien und Frankreich beizulegen.

Aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz des fairen Prozesses sollte der Verdächtige im Rechtssystem seines Landes und in seiner Muttersprache vor Gericht gestellt werden können, und die Angehörigen der Opfer aus anderen Ländern sollten als Nebenkläger an dem Verfahren teilnehmen können. Es bestand die Auffassung, dass die deutschen Justizbehörden besser in der Lage waren, die Gesamtheit der von dem Beschuldigten mutmaßlich begangenen Straftaten zu behandeln.

Portugal/Deutschland

Die deutschen Behörden haben Portugal einen Europäischen Haftbefehl übermittelt, in dem sie die Übergabe eines deutschen Staatsangehörigen beantragt haben, der des Rauschgiftschmuggels beschuldigt war. Der Verdächtige befand sich in Portugal in Untersuchungshaft. Ein anderes, portugiesisches Ermittlungsverfahren wegen der gleichen strafbaren Handlung und des gleichen Sachverhalts war noch anhängig. In der Zwischenzeit ist die Frist für die Erledigung des Europäischen Haftbefehls aufgrund der noch andauernden Koordinierung zwischen den beiden Behörden überschritten worden. In diesem Fall war schließlich das Ergebnis, dass das portugiesische Verfahren an Deutschland abgegeben wurde, und das portugiesische Berufungsgericht, das in diesem Fall die vollstreckende Behörde war, hat nach Aussetzung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls entschieden, dass der Verdächtige an Deutschland übergeben wird.

Luxemburg/Frankreich

Ein in Luxemburg ansässiger französischer Staatsangehöriger hat eine komplexe Firmen- und Rechnungsführungsstruktur in Luxemburg, Österreich, Spanien, im Vereinigten Königreich, auf den Kanalinseln, in Monaco, in der Schweiz, in Belgien und in Liechtenstein benutzt, um Betrug zum Nachteil zahlreicher Personen in Frankreich und in französischen Überseedepartements und -gebieten zu begehen. Über 400 Personen wurden Opfer des Betrugs. Der Verdächtige ist in Luxemburg festgenommen worden, und die Ermittlungen und die Strafverfolgung sind in diesem Land eingeleitet worden. Zugleich hat Frankreich die Zuständigkeit für den gleichen Verdächtigen und den gleichen Sachverhalt beansprucht und geltend gemacht, dass mehrere der wichtigsten Mittäter sowie die Mehrheit der Geschädigten in Frankreich wohnten. Es wurde in beiderseitigem Einvernehmen entschieden, dass Frankreich die Ermittlungen und das noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren weiterführen sollte. Der Staatsanwalt in Marseille ist von den luxemburgischen Behörden unterrichtet worden, dass sie dem Grundsatz nach damit einverstanden waren, das Verfahren nicht fortzusetzen, wenn die französischen Behörden ihnen bescheinigten, dass sie die in Luxemburg "abgeleistete" Untersuchungshaft bei der Verbüßung der Strafe anrechnen würden.

Spanien/Niederlande

Spanische und kolumbianische Mitglieder einer kriminellen Vereinigung sind in den Niederlanden wegen Rauschgiftschmuggels festgenommen worden. Das Rauschgift wurde aus Kolumbien und Venezuela über Rotterdam zum Vertrieb in Europa eingeführt. Das Rauschgift ist in Rotterdam sichergestellt worden, und mehrere spanische und kolumbianische Staatsangehörige sind festgenommen worden. Die niederländischen Behörden haben in den Niederlanden ein Strafverfahren eingeleitet und einen Europäischen Haftbefehl gegen einen Verdächtigen spanischer Staatsangehörigkeit, der sich noch in Spanien befand, ausgestellt. In Spanien ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, da die Tatbegehung teilweise in Spanien erfolgte. Die niederländischen Behörden waren besser imstande, die erforderlichen Ermittlungen und das weitere Gerichtsverfahren zu führen.