Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe
(Abwicklungsmechanismusgesetz - AbwMechG)

Der Bundesrat hat in seiner 934. Sitzung am 12. Juni 2015 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 16 (§ 60a Absatz 2 Nummer 1 SAG)

In Artikel 1 Nummer 16 sind in § 60a Absatz 2 Nummer 1 nach dem Wort "einbezogen" die Wörter ", die auch Verbindlichkeiten umfasst, die nach dem 1. Januar 2016 begründet wurden" einzufügen.

Begründung:

§ 60a Absatz 1 SAG verpflichtet Institute und gruppenangehörige Unternehmen in Finanzkontrakte, die dem Recht eines Drittstaates unterliegen oder für die ein Gerichtsstand in einem Drittstaat besteht, Vertragsklauseln über die Anerkennung der Aussetzung von Beendigungsrechten aufzunehmen. Dies gilt gem. § 60a Absatz 2 Nummer 1 SAG für alle Verbindlichkeiten, die ab dem 1. Januar 2016 begründet werden. Für Verbindlichkeiten, die in eine Saldierungsvereinbarung einbezogen sind, gilt dies auch für vor diesem Stichtag begründete Verbindlichkeiten.

Diese Ausnahme ist erforderlich, um die Einheitlichkeit von Saldierungsvereinbarungen zu gewährleisten. Denn alle unter derselben Saldierungsvereinbarung zu einem einheitlichen Vertragsverhältnis zusammengefassten Geschäfte müssen einheitlich behandelt werden, damit es im Fall von Abwicklungsmaßnahmen nicht zu einer Aufspaltung kommt.

Für den Fall, dass nach dem Stichtag keine weiteren Geschäfte mehr unter der betreffenden Saldierungsvereinbarung getätigt werden, führt die Ausnahme des § 60a Absatz 2 Nummer 1 SAG allerdings nicht zu einem sachgerechten Ergebnis. Zum einen ist in diesem Fall eine Aufspaltung nicht zu befürchten. Zum anderen wird es für die Institute in der Praxis voraussichtlich schwierig sein, die in § 60a Absatz 1 SAG vorgesehenen Vertragsklauseln mit der anderen Vertragspartei zu vereinbaren. Denn die Vertragspartner müssten hinsichtlich bereits abgeschlossener Geschäfte quasi rückwirkend in eine potentielle Verschlechterung ihrer Rechtsposition einwilligen.

Dieses nicht sachgerechte Ergebnis kann dadurch vermieden werden, dass die Ausnahme des § 60a Absatz 2 Nummer 1 SAG angepasst wird. Die Ausnahme sollte sich nur auf solche Verbindlichkeiten erstrecken, die in Saldierungsvereinbarungen einbezogen sind, die auch Verbindlichkeiten umfassen, die nach dem 31. Dezember 2015 begründet wurden.

2. Zu Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe d und f (§ 25d Absatz 8, 9, 11 und 12 KWG)

Artikel 2 Nummer 15 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Mit dem Verzicht auf die Streichung der Wörter "unter Berücksichtigung der Kriterien nach Absatz 7 Satz 1" in § 25d Absatz 8, 9, 11 und 12 KWG wird die Rechtlage wieder hergestellt, die nach dem CRD IV-Umsetzungsgesetz galt. Dies ist notwendig, denn die geplante Regelung entspricht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und geht über die Vorgaben der CRD IV-Richtlinie hinaus.

Die CRD IV-Richtlinie sieht vor, dass das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan von Instituten, die aufgrund ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte von erheblicher Bedeutung sind, aus seiner Mitte die entsprechenden Ausschüsse (z.B. Risikoausschuss) einsetzen muss. Diesen Anforderungen entspricht auch die derzeitige Regelung im KWG. Würden nun - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - die Wörter "unter Berücksichtigung der Kriterien nach Absatz 7 Satz 1" in § 25d Absatz 8, 9, 11 und 12 KWG gestrichen, wäre für die Frage, wann ein Institut von erheblicher Bedeutung ist, über den Verweis auf § 25d Absatz 3 Satz 1 und 2 KWG ausschließlich die in diesen Sätzen vorgenommene Pauschalierung des deutschen Gesetzgebers maßgeblich. Diese Pauschalierung bildet jedoch die Kriterien der CRD IV-Richtlinie nur unzureichend ab, weil ausschließlich auf die Bilanzsumme, die Aufsicht durch die EZB, die Einstufung als potentiell systemgefährdend im Sinne des § 20 Absatz 1 Satz 3 des SAG bzw. die Eigenschaft als Finanzhandelsinstitut im Sinne des § 25f Absatz 1 KWG abgestellt wird. Daher geht die deutsche Regelung in den Fällen, in denen Institute zwar aufgrund der Pauschalierung des § 25d Absatz 3 Satz 7 als Institute von erheblicher Bedeutung eingestuft werden, aber anhand der Kriterien der CRD IV-Richtlinie (Größe, interne Organisation und Art, Umfang und Komplexität der Geschäfte) nicht als solche einzustufen wären, über die europäischen Vorgaben hinaus (sog. goldplating).

Da die bisherige deutsche Regelung nicht über die europäischen Vorgaben hinausging und nicht ersichtlich ist, warum dies nunmehr erforderlich sein soll, ist auf diese Änderung zu verzichten. Vielmehr sollte es dabei bleiben, alle Institute bei der Anwendung dieser Vorgaben der CRD IV-Richtlinie gleich zu behandeln.

3. Zu Artikel 2 Nummer 23 (§ 46f Absatz 5, 6, 7 und 8 KWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie die Regelung des § 46f Absatz 5 bis 8 KWG-E durch eine Regelung ersetzt werden kann, die nicht das Investmentbanking fördert, sondern den Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen, der kleinen und mittleren Banken und der Personen in den unteren und mittleren Einkommensgruppen Rechnung trägt.

Begründung:

Die Ergänzung des § 46f KWG soll bei der Insolvenz bzw. Abwicklung von Kreditinstituten bestimmte unbesicherte Schuldtitel nachrangig gegenüber anderen Verbindlichkeiten behandeln. Von der Schlechterstellung betroffen sind

Die geplante Regelung benachteiligt in den Absätzen 5 und 7 Schuldtitel mit festen Konditionen wie etwa Schuldverschreibungen von kleinen und mittleren Unternehmen oder kleinen und mittleren Banken. Privilegiert werden dagegen in Absatz 6 Schuldtitel, bei denen die Rückzahlung und/oder Zinszahlung vom Eintritt oder Nichteintritt ungewisser Ereignisse abhängt. In diese Gruppe fallen notwendige Absicherungsgeschäfte etwa für Währungsrisiken im Exportgeschäft. In diese Gruppe fallen aber auch Wetten aller Art bis hin zu Wetten auf die Lebenserwartung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder die Preisentwicklung von Grundnahrungsmitteln. Die damit verbundene Privilegierung von Spekulationsgeschäften bei gleichzeitiger Benachteiligung bewährter Instrumente der Unternehmensfinanzierung würde das Gegenteil dessen bedeuten, das seit der Finanzkrise das Ziel war: Eine Rückkehr zu einem Bankensektor, der der Realwirtschaft dient.

Die privilegierten Finanzprodukte wie Derivate und strukturierte Schuldtitel werden im Investmentbanking generiert. Damit fördert die Regelung genau den Bankensektor, der die Finanzkrise maßgeblich ausgelöst hat, während solides Bankgeschäft benachteiligt wird. Außerdem sind diese Papiere ein wichtiger Baustein in der Investitionsstrategie, mit der die Versicherungen ihnen anvertraute Gelder zukunftssicher anlegen.

Besonders problematisch ist unter verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten die vorgesehene Rückwirkung. Bei Neuemissionen könnten kleine und mittlere Unternehmen und Banken auf besicherte Schuldtitel ausweichen. Die vorhandenen Titel dagegen verlieren durch die vorgesehene Regelung an Marktwert. Dies bedeutet nicht nur einen Eingriff in Rechtspositionen, die im Vertrauen auf die geltende Rechtslage erworben wurden. Es bedeutet auch einen Eingriff in die Vermögensbestände der durch die Niedrigzinsphase ohnehin stark belasteten Versicherungen, kleinen und mittleren Banken sowie Pensionsfonds. Letztlich geht dies zu Lasten der Kunden. Geschont werden also die Investmentbankprodukte, benachteiligt die Personen in den unteren und mittleren Einkommensgruppen als Kunden der Lebensversicherungen, Genossenschaftsbanken und Sparkassen.

4. Zu Artikel 3 Nummer 27 Buchstabe e - neu - (§ 12j Absatz 4 - neu RStruktFG)

In Artikel 3 Nummer 27 ist nach Buchstabe d folgender Buchstabe e einzufügen:

"e) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:

(4) Innerhalb von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abwicklungsmechanismusgesetzes und danach jeweils alle drei Jahre bis zum Ablauf des Übergangszeitraums nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens legt die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Verwendung der für die Beitragsjahre 2011, 2012, 2013 und 2014 angesammelten und verfügbaren Mittel nach § 12j Absatz 1 und Absatz 1a vor.""

Begründung:

§ 12j RStruktFG sieht vor, dass die Altmittel des Restrukturierungsfonds aus den Beitragsjahren 2011 bis 2014 als sog. Brückenfinanzierung zum einen der deutschen Kammer als Darlehen im Sinne des Artikels 73 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 und zum anderen vorübergehend zur Finanzierung von Maßnahmen nach § 3a RStruktFG als Darlehen zur Verfügung gestellt werden können. Eine Regelung, was nach Ende des Übergangszeitraums nach Artikel 1 Absatz 1 Buchst. b des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (BGBl. 2014, 1298, 1316) mit den Altmitteln passieren soll, enthält das AbwMechG nicht.

Artikel 16 des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge sieht eine Berichtspflicht der Europäischen Abwicklungsbehörde an das Europäische Parlament und den Rat vor. Im Rahmen dieses Berichts soll über die ordnungsgemäße Funktionsweise der gemeinsamen Nutzung des Fonds sowie dessen Auswirkungen auf die Finanzstabilität und den Binnenmarkt berichtet werden.

In Anlehnung daran sollte dem Deutschen Bundestag möglichst in einem ähnlichen Turnus über den Einsatz der Altmittel während der Aufbauphase des Einheitlichen Abwicklungsfonds berichtet werden. Nur so wird er - zusammen mit dem Bericht nach Artikel 16 des o.g. Übereinkommens - in die Lage versetzt, sich ein umfassendes Bild über die Mittelverwendung zu verschaffen und damit auch über Zeitpunkt, Art und Umfang der endgültigen Mittelverwendung bis zum Ablauf des Übergangszeitraums nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens zu entscheiden.