Antrag der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen - Antrag der Länder Bayern und Hessen - Punkt 10 der 932. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2015

Der Bundesrat möge den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes in folgender Fassung beim Deutschen Bundestag einbringen:

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

A. Problem und Ziel

Der Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 wurde durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22. März 2007 (BGBl. I S. 354), 40. StrÄndG, in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt und ist zum 31. März 2007 in Kraft getreten. Das Gesetz erging in Reaktion auf in der gesellschaftlichen Realität vermehrt zu beobachtende Verhaltensweisen, die allgemein unter dem englischen Begriff "Stalking" diskutiert werden. Gesetzgeberisches Ziel der Norm war es, durch die Aufnahme eines Straftatbestands in das Kernstrafrecht einen besseren Opferschutz gegenüber solchen Handlungen zu erreichen und Strafbarkeitslücken zu schließen.

Der Tatbestand wird dieser Zielsetzung jedoch nur bedingt gerecht. Die Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, dass er in einer nicht unerheblichen Zahl strafwürdiger Fälle eine Verurteilung nicht ermöglicht. Grund hierfür ist, dass der Tatbestand in Gestalt des Erfordernisses der Verursachung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung die Strafbarkeit nicht von der tatsächlich bewirkten Beeinträchtigung des Opfers abhängig macht, sondern allein von der Art und Weise, in der das Opfer versucht, dieser Beeinträchtigung zu entgehen. Missachtet wird dabei, dass als primäre Folge jeder Nachstellung bei dem Opfer erheblicher psychischer Druck verursacht wird, der häufig mit seelischen und sogar körperlichen Schädigungen verbunden ist. Missachtet wird ferner, dass allein das tatsächlich erfolgte Verhalten des Opfers häufig kein geeigneter Indikator für dessen psychische Belastung ist. Die Tat selbst ist nur einer von mehreren Faktoren, die auf dieses Verhalten einwirken. Daneben werden die Persönlichkeit des Opfers, seine Lebensumstände und seine Einschätzung des zukünftig noch zu erwartenden Verhaltens des Täters eine wesentliche Rolle spielen. Missachtet wird schließlich auch, dass als Strategie zu einer Beendigung der Nachstellung allgemein ein Verhalten empfohlen wird, das den Täter unter anderem im Unklaren über den Erfolg seiner Handlungen lässt, was durch äußerliche Reaktionen konterkariert wird. Wenn eine Strafbarkeit nach § 238 StGB gleichwohl als Taterfolg zwingend eine äußerliche Reaktion des Opfers erfordert, so hat dies die missliche Konsequenz, dass letztlich das Strafrecht gegenüber dem Opfer bewirkt, was dem Täter nicht gelungen ist: den Willen des Opfers zu beugen. Wenn sich das Opfer strafrechtliche Hilfe erhofft, so muss es sein Alltagsverhalten ändern. Ein Opfer, das standhaft bleiben und sich nicht beeindrucken lassen will, hierzu enorme psychische Belastungen auf sich nimmt und sich zugleich deeskalierend verhält, erfährt durch das Strafrecht keine Unterstützung.

Ist der Tatbestand der Nachstellung in seiner derzeitigen Ausgestaltung als Erfolgsdelikt damit einerseits zu eng geraten, weist er mit dem Auffangtatbestand in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB andererseits eine Regelung auf, die ob ihrer Unbestimmtheit und Weite vielfach auf rechtsstaatliche Bedenken gestoßen ist. Namentlich der Bundesgerichtshof hat die Regelung dahingehend kritisiert, sie öffne das Spektrum möglicher Tathandlungen "in kaum überschaubarer Weise" (BGHSt 54, 189, 193).

Auch auf der Ebene des Strafverfahrensrechts besteht Handlungsbedarf: So wird die Einordnung von Nachstellungen gemäß § 238 Absatz 1 StGB in den Kreis der Privatklagedelikte, § 374 der Strafprozessordnung (StPO), weder dem Unrechtsgehalt entsprechender Taten noch Belangen des Opferschutzes gerecht. Angesichts der erheblichen Strafbarkeitsvoraussetzungen und der regelmäßig mit der Tat verursachten gravierenden Folgen für das Opfer besteht kein Anlass, die Strafverfolgung von Amts wegen zusätzlich von einem öffentlichen Interesse (vgl. § 376 StPO) abhängig zu machen.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf sieht für § 238 Absatz 1 StGB zum einen die Umwandlung des Tatbestands von einem Erfolgsdelikt in ein Eignungsdelikt vor. Entscheidend ist nicht länger, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, sondern ob sie geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. An die Stelle einer expost-Betrachtung tritt eine exante zu stellende Prognose. Der Beurteilungsmaßstab bleibt dabei unverändert. Zum anderen wird der nicht näher eingegrenzte Auffangtatbestand in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB aufgehoben.

Für Taten der Nachstellung gemäß § 238 Absatz 1 StGB wird die bisherige Einordnung als Privatklagedelikt (§ 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO) aufgehoben.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

I. Bund

Für den Bund entstehen weder Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand noch nennenswerter Aufwand beim Vollzug.

II. Länder und Kommunen

Die Erweiterung eines Straftatbestands wird zu einem Mehraufwand bei der Strafjustiz und der Polizei führen, der allerdings nicht sicher abgeschätzt werden kann.

E. Sonstige Kosten

Der Wirtschaft und den sozialen Sicherungssystemen entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

§ 238 Absatz 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

In § 374 Absatz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, werden die Wörter "eine Nachstellung ( § 238 Absatz 1 des Strafgesetzbuches) oder" gestrichen.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung des Entwurfs

Der Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 wurde durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22. März 2007 (BGBl. I S. 354), 40. StrÄndG, in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt und ist zum 31. März 2007 in Kraft getreten. Das Gesetz erging in Reaktion auf in der gesellschaftlichen Realität vermehrt zu beobachtende Verhaltensweisen, die allgemein unter dem englischen Begriff "Stalking" diskutiert werden. Gesetzgeberisches Ziel der Norm war es, durch die Aufnahme eines Straftatbestands in das Kernstrafrecht einen besseren Opferschutz gegenüber solchen Handlungen zu erreichen und Strafbarkeitslücken zu schließen. Der Straftatbestand sollte dazu den typischen Unrechtsgehalt der Nachstellung wirklichkeitsgetreu abbilden und dem Gesamtbild einschlägiger Taten gerecht werden (vgl. BT-Drucksache 16/575, S. 1 f.). Notwendig war ein gesonderter Tatbestand hierzu nicht zuletzt deshalb, weil sich das Gesamtbild von als "Stalking" zu bezeichnenden Taten typischerweise aus einer Vielzahl einzelner und bei isolierter Betrachtung oft nicht als gravierend anzusehender Handlungen zusammensetzt. Gegen Grenzüberschreitungen strafrechtlich vorzugehen war zuvor nur insoweit möglich, als einzelne Handlungen z.B. Tatbestände der Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Beleidigung oder des Hausfriedensbruchs erfüllten. Hinzu kam seit 2002 die Möglichkeit der Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen vollstreckbare Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 4 GewSchG). Der spezifische Unrechtsgehalt der Nachstellung ergibt sich jedoch aus der gezielten und beharrlichen, von vornherein auf Wiederholung angelegten Vorgehensweise der Täter, die bei den Opfern zu einer sich ständig intensivierenden Bedrängungssituation führt und damit über die Summe von Einzelereignissen deutlich hinausgeht (vgl. auch BT-Drucksache 16/575, S. 6).

Durch die Justizpraxis wird § 238 StGB seit seiner Einführung in einem Umfang angewandt, der einerseits den Bedarf für den neuen Tatbestand belegt (so aus Sicht der Praxis auch Peters, NStZ 2009, 238, 239) und andererseits erkennen lässt, dass die Gerichte bei der Subsumtion auch die limitierende Funktion der verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen im Blick behalten haben. Laut der Strafverfolgungsstatistik gab es bundesweit im Jahr

einer Straftat gemäß § 238 StGB (vgl. jeweils Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflege, Strafverfolgung, Tabelle 2.1). Diese niedrige Zahl an Verurteilten erscheint bemerkenswert, nachdem empirische Studien trotz Unterschieden in der jeweils zugrunde gelegten Definition auf eine weite Verbreitung des Phänomens "Stalking" hindeuten (vgl. z.B. Gallas/Klein/Dreßing, Beratung und Therapie von Stalkingopfern, Bern 2010, zur Studie des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim aus dem Jahr 2005: 11,6 Prozent der Befragten aus der Allgemeinbevölkerung gaben an, mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Stalking geworden zu sein. Siehe dort auch zu vergleichbaren außerdeutschen Studien). Bezieht man die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in die Betrachtung mit ein, so zeigt sich im Vergleich zu anderen Delikten ein "außergewöhnlich hoher Schwund" (vgl. Schöch, NStZ 2013, 221, 222) hinsichtlich der Gesamtzahl der ermittelten Tatverdächtigen und den tatsächlich Verurteilten. So stehen ausweislich der PKS (Tabellenanhang, Tabelle 01, Schlüsselzahl 232400) den 414 im Jahr 2010 Verurteilten im gleichen Jahr 21.698 ermittelte Tatverdächtige, den 378 im Jahr 2011 Verurteilten 20 492 ermittelte Tatverdächtige und den 302 im Jahr 2012 Verurteilten 20 079 Tatverdächtige gegenüber. Das heißt: Bei nicht einmal 2 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen ist es zu einer Verurteilung gekommen. Bei der klassischen Kriminalität ohne Verkehrsdelikte ist die Verurteilungsquote etwa 15-mal so hoch wie bei der Nachstellung (vgl. Schöch, NStZ 2013, 221, 222; Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882-2010, Internet-Publikation, Konstanzer Inventar Sanktionsforschung, Version 1/2012, S. 50 f.). Die vergleichsweise niedrige Zahl der Verurteilungen legt nahe, dass nur gravierende Fälle zu einer Ahndung führen und Staatsanwaltschaften und Gerichte restriktiv vorgehen.

Nach den Erfahrungen der Praxis wird eine Verurteilung sehr häufig allein durch ein Tatbestandsmerkmal des § 238 StGB ausgeschlossen, nämlich durch das Erfordernis der Verursachung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung (vgl. auch Peters, NStZ 2009, 238, 241; Krüger, NStZ 2010, 546, 551). Verbunden ist mit dieser Voraussetzung gegenwärtig die Struktur des Tatbestands als Erfolgsdelikt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Merkmal die Strafbarkeit beschränken auf Taten, die beim Opfer zu objektivierbaren Beeinträchtigungen geführt haben (BT-Drucksache 16/575, S. 8). Erfasst werden sollen nur im konkreten Kontext ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Beeinträchtigungen, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigungen erheblich und objektivierbar hinausgehen (BT-Drucksache 016/3641, S. 14). Die Gesetzesmaterialien legen dabei den Schluss nahe, dass es hier allein auf eine Veränderung der Lebensführung ankommen soll, das heißt auf die äußerliche Reaktion des Opfers auf die Tat. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt als Beispiele einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung nur solche auf, die äußere Verhaltensweisen des Opfers zum Gegenstand haben, etwa im Bereich der Nutzung von Kommunikationsmitteln, der Vornahme von Schutzmaßnahmen für die eigene Wohnung, des Aufsuchens oder Meidens bestimmter Orte, der Beschränkung sozialer Kontakte sowie des Wechsels von Wohnung bzw. Arbeitsplatz (BT-Drucksache 16/575, S. 8). In diesem Sinne wird der Tatbestand auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgelegt, der zufolge der Tatbestand voraussetzt, dass das Opfer veranlasst wird, ein Verhalten an den Tag zu legen, das es ohne Zutun des Täters nicht gezeigt hätte (vgl. BGHSt 54, 189, 196; BGH, NStZ-RR 2013, 145, 146; in diesem Sinne ausdrücklich auch Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 238 Rn. 22; Beck, GA 2012, 722, 725; vgl. ferner die Übersicht zur einschlägigen Rechtsprechung bei Krüger, NStZ 2010, 546, 551 ff.). Nicht durchgesetzt haben sich damit Stimmen aus dem strafrechtlichen Schrifttum, die auch den durch die Tat erlittenen psychischen Druck auf die bisherige Art der Lebensgestaltung als ausreichenden Taterfolg ansehen wollen (vgl. z.B. Seher, JZ 2010, 582, 583).

Tatsächlich führt die Gestaltung des Tatbestands als Erfolgsdelikt in Verbindung mit der durch den Gesetzgeber intendierten Beschränkung auf Fälle einer äußerlichen Reaktion des Opfers dazu, dass in nicht unbeträchtlichem Maß strafwürdige Fälle von der Strafbarkeit ausgenommen werden (zur rechtspolitischen Kritik des strafrechtlichen Schrifttums an der Ausgestaltung als Erfolgsdelikt vgl. auch Schöch, NStZ 2013, 221, 222 ff.; Mitsch, NStZ 2010, 513, 514; ders., NJW 2007, 1238, 1240; Seher, JZ 2010, 582, 583; Mosbacher, NStZ 2007, 665, 666; Sommerfeld/Voß SchlHA 2005, 326, 328; im Ansatz auch Schönke/Schröder-Eisele, StGB, 29. Aufl. 2014, § 238 StGB Rn. 29). Grund hierfür ist, dass sich der Tatbestand in seiner geltenden Fassung nicht unmittelbar am begangenen Tatunrecht orientiert. Mit dem Tatbestand sollten strafwürdige Eingriffe in den individuellen Lebensbereich der Betroffenen erfasst werden (BT-Drucksache 16/575, S. 6). In seiner geltenden Gestalt macht § 238 StGB die Strafbarkeit aber gerade nicht von der tatsächlich bewirkten Beeinträchtigung des Opfers abhängig, sondern allein von der Art und Weise, in der das Opfer versucht, dieser Beeinträchtigung zu entgehen (ebenso Schöch, NStZ 2013, 221, 224).

Primär erzeugt der Täter einer Nachstellung psychischen Druck. Schon der Gesetzgeber hat dies gesehen (BT-Drucksache 16/575, S. 6). Allein hierin liegt zunächst die Belastung des Opfers. Laut Forschungsergebnissen entsteht bei Opfern als häufigste Folge von "Stalking" eine chronische Stresssituation. Das gilt umso mehr, als sich in einem hohen Anteil der Fälle die Tathandlungen auf einen Zeitraum von bis zu einem Jahr oder sogar noch länger erstrecken. Des Weiteren kommt es bei Opfern vielfach zu psychischen und sogar körperlichen Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Depressionen und Panikattacken. Da manche Verhaltensweisen von Tätern sehr unvermittelt über die Opfer hereinbrechen, sind auch psychotraumatische Wirkungen und die Auslösung körperlicher und psychischer Krankheitszustände möglich. So hat sich ergeben, dass Stalkingopfer signifikant häufiger als andere nicht von Stalking betroffene Personen Symptome gesundheitlicher Beeinträchtigungen aufweisen, etwa posttraumatischer Belastungsstörungen, Depressionen, Angststörungen etc. (vgl. zum Vorstehenden Dreßing, Der aktuelle Forschungsstand zum Stalking, in: Dölling/Jehle [Hrsg.], Täter, Taten, Opfer, 2013, S. 290, 292; Gallas/Klein/ Dreßing, Beratung und Therapie von Stalkingopfern, 2010, S. 31 f.; Dreßing/Maul-Backer/Gass, NStZ 2007, 253; ferner Voß/Hoffmann/Wondrak, Stalking in Deutschland, 2006, S. 59 f., 144; Fiedler, Stalking. Opfer, Täter, Prävention, Behandlung, 2006, S. 33 ff.). Dieser psychischen und oft sogar körperlichen Belastung kommt ein wesentliches und eigenständiges Gewicht zu, das eine Strafwürdigkeit unabhängig von der Erzwingung eines bestimmten Opferverhaltens begründet (vgl. auch F. Knauer, Der Schutz der Psyche im Strafrecht, 2013, S. 239). Das gilt umso mehr, als der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB aufgrund der dort vorausgesetzten somatischen Effekte selbst bei gravierenden psychischen Beeinträchtigungen nicht zwingend erfüllt sein muss.

Die Fokussierung des Nachstellungstatbestandes auf eine Veränderung der äußeren Lebensumstände verfehlt das psychologische Phänomen, verschleiert das strafwürdige Unrecht und läuft auch einem effektiven Opferschutz zuwider. Sie erweist sich bisweilen auch für Strafgerichte als Stolperstein. So musste der BGH (Beschluss v. 19.12.2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145) trotz massiver Beeinträchtigungen des Nachstellungsopfers ein Urteil des Landgerichts unter anderem deshalb aufheben, weil dieses in erster Linie auf die außerordentlichen psychischen Beeinträchtigungen des Opfers und deren psychosomatische Auswirkungen, nicht aber auf gravierende, nicht mehr hinzunehmende Veränderungen seiner äußeren Lebensgestaltung abgehoben hatte (vgl. auch den Fall des OLG Hamm, Beschluss v. 20.11.2008 - 3 Ss 469/ 08, insbesondere Rn. 16, zit. nach juris).

Das nach außen hin tatsächlich erfolgte Verhalten des Betroffenen, wie es durch § 238 StGB in den Blick genommen wird, ist allein kein geeigneter und ausreichender Indikator für Maß und Intensität der erlittenen psychischen Belastung. Wie das individuelle Opfer mit dem psychischen Druck umgeht, welche Wege es geht, um ihm durch Änderungen seiner Lebensführung auszuweichen oder aber ihm standzuhalten, ist Gegenstand seiner Entscheidung (krit. auch Beck, GA 2012, 722, 724 f.: "Weil es in erheblichem Ausmaß vom Opfer abhängt, ob dieses aufgrund der Nachstellungen seine Lebensumstände verändert, wird der Erfolgseintritt zufällig."). Die Intensität der Tat stellt nur einen von mehreren Faktoren für diese Entscheidung dar. Sie wird vor allem abhängen von der Persönlichkeit des Opfers, seinen konkreten Lebensumständen und davon, wie es das zukünftig noch zu erwartende Verhalten des Täters einschätzt. So wird von Seiten der Justizpraxis darauf hingewiesen, dass nicht wenige Opfer aufgrund äußerer (sozialer, ökonomischer oder beruflicher) Zwänge kaum Chancen haben, dem Täter durch Änderung der Lebensführung auszuweichen. In besonders hohem Maß betrifft dies Frauen, die zugleich weitaus häufiger Opfer von "Stalking" werden als Männer. Sie tragen häufig Verantwortung für die Lebensführung anderer Familienangehöriger und sind so gezwungen, ihren "Alltag zu meistern". Sie haben vielfach nicht nur einem Beruf nachzugehen, sondern sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Dies schließt Wohnungswechsel, sozialen Rückzug oder massive Einschränkungen des Kommunikationsverhaltens, wie sie durch den Gesetzgeber (BT-Drucksache 16/575, S. 8) und die Rechtsprechung (vgl. BGHSt 54, 189, 197; BGH, NStZ-RR 2013, 145, 146; OLG Brandenburg, NStZ 2010, 519, 520) als Beispiele einer ausreichenden Verhaltensänderung angesehen werden, oft nahezu aus (ebenso Schöch, NStZ 2013, 221, 223). Generell ist auch zu beobachten, dass Reaktionen zumeist erst dann erfolgen, wenn die Situation für das Opfer gänzlich unerträglich geworden ist und das Opfer sich nicht anders zu helfen weiß.

Außerdem unterscheiden sich Opfer individuell in ihrer Wahrnehmung wie in ihrem Umgang mit äußerem Druck. Der Bundesgerichtshof hat zum geltenden Recht festgestellt, dass der Tatbestand "weder Überängstliche noch besonders Hartgesottene [schützt], die sich durch das Nachstellen nicht beeindrucken lassen" (vgl. BGHSt 54, 189, 197 unter Bezugnahme insbesondere auf Mitsch, NJW 2007, 1238, 1240). Hinsichtlich "überempfindlicher" Opfer folgt dies aus den Anforderungen der Kausalität und gründet letztlich auf dem Schuldprinzip. Warum Opfer von Übergriffen jedoch nur deshalb nicht geschützt werden sollen, weil sie "hartgesotten" sind, also - oft auch nur vorübergehend (vgl. Seher JZ 2010, 582, 583) - eine höhere Belastung zu ertragen fähig sind, ist nicht einzusehen (vgl. auch Dessecker, FS Maiwald, 2010, S. 103, 111). Das gilt umso mehr, als ein nach außen unbeeindrucktes Verhalten des Opfers in vielen Fällen am ehesten geeignet sein wird, zu einer Deeskalation beizutragen. In der wissenschaftlichen Fachliteratur wird es unter Hinweis auf den lerntheoretischen Ansatz der operanten Konditionierung sogar als zentrales Mittel zur Beendigung des "Stalkings" angesehen, nicht nur alle Belästigungen und Kontaktaufnahmeversuche des Täters konsequent zu ignorieren, sondern ihn zudem auch im Unklaren darüber zu lassen, ob seine Aktionen beim Opfer "ankommen" oder nicht (vgl. Gallas/Klein/Dreßing, Beratung und Therapie von Stalkingopfern, 2010, S. 57, 59; vgl. ferner Gallas, in: Stalking. Wissenschaft, Gesetzgebung und Opferhilfe. Dokumentation des 20. Mai nzer Opferforums 2009, 2010, S. 55).

Wenn eine Strafbarkeit nach § 238 StGB gleichwohl als Taterfolg zwingend eine äußerliche Reaktion des Opfers erfordert, so hat dies die missliche Konsequenz, dass letztlich oft das Strafrecht bewirkt, was der Täter allein nicht zu bewirken vermochte: den Willen des Opfers zu beugen. Wenn das Opfer sich strafrechtliche Hilfe erhofft, so muss es sein Alltagsverhalten ändern. Ein Opfer, das standhaft bleiben und sich nicht beeindrucken lassen will, hierzu enorme psychische Belastungen auf sich nimmt und sich zugleich deeskalierend verhält, erfährt durch das Strafrecht keine Unterstützung. Nach Berichten aus der Justizpraxis kann dies den opferschützenden Zweck eines strafrechtlichen Eingreifens geradezu vereiteln: Opfer wenden sich an die Strafverfolgungsbehörden in der Hoffnung, mit Hilfe eines strafrechtlichen Vorgehens eine Änderung der Lebensführung vermeiden zu können. Ihnen muss dort jedoch die Auskunft erteilt werden, dass genau eine solche Änderung überhaupt erst die Möglichkeit strafrechtlichen Einschreitens eröffnet. Überdies besteht in Fällen, in denen das Opfer trotz gravierender Nachstellungshandlungen eine Veränderung der äußeren Lebensumstände nicht vorgenommen hat, die Gefahr, dass der Täter durch die Verfahrenseinstellung geradezu zu einer Fortsetzung seiner Handlungen veranlasst wird, wenn ihm durch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft die Straflosigkeit seines Tuns bestätigt wird.

Damit § 238 StGB seiner durch den Gesetzgeber intendierten Funktion besser gerecht werden kann, den Opferschutz effektiv zu verbessern und damit insbesondere ein frühzeitigeres Eingreifen in eskalierenden Situationen zu ermöglichen (vgl. auch BT-Drucksache 016/3641, S. 14 zur Intention der Änderung des § 112a StPO), bedarf es folglich einer Änderung der Struktur des Tatbestands. Die Strafbarkeit darf nicht länger von einem gerade aus Opferschutzperspektive unzureichenden Maßstab abhängen. Sie darf bei diesem Delikt, für das mit Recht keine Versuchsstrafbarkeit angeordnet ist, nicht länger erst dann eintreten, wenn sich das Opfer zu einer schwerwiegenden Änderung seiner Lebensgestaltung gezwungen gesehen hat. Eine strafwürdige Beeinträchtigung des individuellen Lebensbereichs der Betroffenen liegt vielmehr bereits dann vor, wenn der Täter durch sein Verhalten so hohen Druck auf das Opfer erzeugt, dass ein objektivierbarer Anlass für eine solche Verhaltensänderung besteht. Entscheidend ist damit nicht, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, sondern ob sie geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Diese Eignung soll gegenüber der Umschreibung der Tathandlung weiterhin eine zusätzliche Voraussetzung der Strafbarkeit bilden, die mit der Annahme einer unberechtigten beharrlichen Nachstellung nicht generell verbunden ist, sondern der Feststellung im konkreten Einzelfall bedarf. Dem entspricht die Umwandlung des Tatbestands von einem Erfolgsdelikt in ein Eignungsdelikt bzw. potentielles Gefährdungsdelikt (vgl. zu dieser Deliktskategorie z.B. BGH, NJW 2011, 3591; BGH, NJW 1999, 2129; Schönke/Schröder-Heine/Bosch, StGB, 29. Aufl. 2014, Vor § 306 Rn. 4 m.w. N.).

Eine solche Struktur hatte bereits der Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Stalking-Bekämpfungsgesetz aus dem Jahr 2005 vorgesehen (BR-Drucksache 551/04(B) HTML PDF BT-Drucksache 015/5410, neu eingebracht als BR-Drucksache 048/06(B) HTML PDF BT-Drucksache 016/1030). Sie liegt ferner dem im Jahr 2006 geschaffenen parallelen Tatbestand in § 107a des österreichischen Strafgesetzbuchs zugrunde.

Gegenüber der geltenden Fassung besitzt sie zusätzliche Vorteile: So entfällt bei einer bereits bewirkten Beeinträchtigung der Lebensgestaltung die Notwendigkeit einer Beurteilung der Kausalität. Diese kann bisher z.B. dann problematisch sein, wenn zur Entscheidung des Opfers für eine bestimmte Maßnahme neben dem Verhalten des Täters eventuell auch andere Faktoren beigetragen haben (vgl. z.B. Schönke/Schröder-Eisele, StGB, 29. Aufl. 2014, § 238 Rn. 32). Gerade in Trennungssituationen kann das Opfer bereits durch die Trennung an sich in seiner äußeren Lebensgestaltung beeinträchtigt sein. Andererseits könnte sich ein Opfer im Extremfall gezwungen sehen, seine Lebensführung umzustellen, nur um im Falle nachstellender Handlungen die Strafbarkeit des Täters herbeizuführen. Unabhängig von diesen bislang mitunter schwierigen Kausalitäts- und Zurechnungsfragen können eingetretene Beeinträchtigungen auf der Basis der hier vorgeschlagenen Fassung als Auswirkung der Tat bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (§ 46 Absatz 2 StGB), ohne dass dies durch das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Absatz 3 StGB ausgeschlossen werden würde (vgl. Mitsch, NJW 2007, 1237, 1240).

Mit einer solchen Struktur wird weiterhin sichergestellt, dass eine Strafbarkeit nicht schon durch die "Überempfindlichkeit" eines Opfer ausgelöst werden kann, sondern Tathandlungen voraussetzt, die objektivierbar schwere Beeinträchtigungen hervorrufen können. Im geltenden Recht wird dies über die allgemeinen Anforderungen der Kausalität und des auf sie bezogenen Vorsatzes bzw. der objektiven Zurechnung bewirkt (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 238 Rn. 25; kritisch Beck, GA 2012, 722, 726 ff.): Das Gericht hat hierbei Verhaltensänderungen des Opfers auszuscheiden, die sich nicht als Verwirklichung eines vom Täter geschaffenen Risikos begreifen lassen bzw. mit diesem nicht durch einen objektiv vorhersehbaren Kausalverlauf verknüpft sind, sondern sich etwa als willkürliche Überreaktion des Opfers darstellen. Mit der vorgeschlagenen Änderung tritt insoweit lediglich eine exante zu stellende Prognose an die Stelle einer expostBetrachtung (vgl. BT-Drucksache 015/5410, S. 7). Der objektivierende Beurteilungsmaßstab bleibt dagegen unverändert. Dabei ist zu beachten, dass die Kategorie der Eignungsdelikte bzw. potentiellen Gefährdungsdelikte als solche lange etabliert ist (vgl. z.B. BGH, NJW 2011, 3591; BGH, NJW 1999, 2129; Schönke/Schröder-Heine/Bosch, StGB, 29. Aufl. 2014, Vor § 306 Rn. 4; kritisch Zieschang, FS Wolter, 2013, S. 557 ff., insbesondere zur von der Rechtsprechung geforderten "generellen Betrachtung"). Die limitierende Funktion des Merkmals der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung wird somit erhalten, soweit sie berechtigt ist, genauso wie der Beitrag, den es zur Verdeutlichung der Zielrichtung des Tatbestands leistet.

Entsprechend ist die vorgeschlagene Änderung des Wortlauts auch mit den Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetzes vereinbar. Die in Teilen des strafrechtlichen Schrifttums (vgl. die Nachweise bei Krüger, NStZ 2010, 546, 551, Fußnote 39) geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des Merkmals der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung sind in der Rechtsprechung bislang nicht geteilt worden. Vielmehr hat sich der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit der Begründung des Gesetzentwurfs die auf eine Begrenzung der Strafbarkeit zielende Intention dieses Kriteriums zu eigen gemacht (vgl. BGHSt 54, 189, 196 f.). Dass der Gesetzgeber nicht nur das Merkmal an sich, sondern speziell seine Einbindung als Taterfolg statt als Merkmal eines Eignungsdelikts als bedeutsam für die Wahrung des Bestimmtheitsprinzips angesehen hätte, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht. Sehr wohl ist den Materialien im Gegenteil zu entnehmen, dass die Gestaltung als Erfolgsdelikt schon im damaligen Gesetzgebungsverfahren Gegenstand von Kritik gewesen ist (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucksache 16/575, S. 9, den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, wiedergegeben in BT-Drucksache 016/3641, S. 7, sowie die Stellungnahme des Sachverständigen Thomas Janovsky zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Protokoll der

30. Sitzung am 18. Oktober 2006, S. 93; a.A. die Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl a.a. O. S. 102 f.).

Der Tatbestand steht auch in der vorgeschlagenen Neufassung mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang:

Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes verpflichtet den Gesetzgeber zunächst, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen. Das Grundgesetz will auf diese Weise sicherstellen, dass jedermann sein Verhalten auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten kann und keine unvorhersehbaren staatlichen Reaktionen befürchten muss (vgl. BVerfGE 105, 135, 152 f.). Wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen ist es dabei unvermeidlich, dass in Grenzfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten schon oder noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Dann genügt, wenn sich deren Sinn im Regelfall mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden ermitteln lässt und in Grenzfällen dem Adressaten zumindest das Risiko der Bestrafung erkennbar wird (vgl. beispielsweise BVerfGE 124, 300, 339).

Die Neugestaltung des Tatbestandes als Eignungsdelikt erschwert es dem Normadressaten nicht, staatliche Reaktionen auf sein Verhalten vorherzusehen bzw. zumindest das Risiko einer Bestrafung zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. Ein potentiell verhaltensleitendes Vorhersehen in diesem Sinne erfolgt denknotwendig vor bzw. spätestens bei der Tatbegehung, d.h. auch bevor der Normadressat ersehen kann, ob bestimmte Tatfolgen auch tatsächlich eintreten. Will ein Normadressat sein Verhalten danach ausrichten, ob eine bestimmte Tat strafrechtlich verboten ist, muss er sich daher auch beim Erfolgsdelikt vor oder spätestens während der Tat darüber Gedanken machen, ob das in Betracht gezogene Verhalten geeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Insofern ändert sich durch die Ausgestaltung als Eignungsdelikt für potentielle Täter unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Sanktionen nichts, so dass § 238 StGB auch in der vorgeschlagenen Fassung weiterhin hinreichend bestimmt ist - ebenso, wie auch andere zum Teil seit langem etablierte Straftatbestände, die auf die bloße Eignung des Täterverhaltens, eines Tatmittels oder eines durch die Tat geschaffenen Zustandes zum Hervorrufen eines bestimmten Erfolgs abstellen (beispielsweise § 109d Absatz 1, § 126, § 130 Absatz 1 und 3, § 130a Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1, § 140 Nummer 2, § 164 Absatz 2, § 166, § 186, § 187, § 188, § 201 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit Satz 2, § 309 Absatz 1 und 6 Nummer 3, § 311 Absatz 1 und 3 Nummer 1, § 324a Absatz 1 Nummer 1, § 325 Absatz 1 und 6, § 325a Absatz 1, § 326 Absatz 1 Nummer 4, § 327 Absatz 2 Satz 2, § 328 Absatz 1 Nummer 2 StGB).

Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes gebietet ferner, dass nur der Gesetzgeber abstraktgenerell über die Strafbarkeit entscheidet (vgl. BVerfGE 75, 329, 341; 78, 374, 382; 95, 96, 131; 105, 135, 153) und verpflichtet somit die Legislative, die Grenzen der Strafbarkeit selber zu bestimmen und diese Entscheidung nicht anderen staatlichen Gewalten, etwa der Strafjustiz, zu überlassen (vgl. BVerfGE 105, 135, 153), wobei das Gebot der Bestimmtheit des Gesetzes nicht übersteigert werden darf, da die Gesetze sonst zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten (vgl. BVerfGE 75, 329, 342 f.). Auch mit Blick auf diesen Regelungsgehalt des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetzes begegnet die vorgeschlagene Neuregelung keinen durchgreifenden Bedenken:

Während bei der bisherigen Ausgestaltung als Erfolgsdelikt in der Auslegung durch die Rechtsprechung für die Strafbarkeit an eine äußere Änderung der Lebensgestaltung angeknüpft wurde, soll es nunmehr auf die Eignung des Täterverhaltens ankommen, derartige Folgen zu zeitigen. Damit wird primär der durch das Nachstellungsverhalten erzeugte psychische Druck in den Vordergrund gerückt, auch wenn dieser sich (noch) nicht in einer Änderung der Lebensgestaltung durch das Opfer manifestiert hat. Dies begründet aber keine durchgreifenden Bedenken mit Blick auf verfassungsrechtliche Vorgaben. Die Grenze zur Strafbarkeit gibt der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung vor. Die Frage, ob dieses gesetzgeberisch vorgegebene Merkmal vorliegt, kann anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Falles beantwortet werden (siehe dazu unten).

Der Umwandlung in ein Eignungs- und damit in ein potentielles Gefährdungsdelikt kann auch nicht entgegengehalten werden, dass hierdurch die Strafbarkeit in zeitlicher Hinsicht zu sehr ausgedehnt wird und bloße Vorbereitungstaten strafrechtlich erfasst werden (vgl. die Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Protokoll der

30. Sitzung am 18. Oktober 2006, S. 102 f.):

Ein zeitlich früher einsetzender strafrechtlicher Schutz ist zum einen gewollt. Es ist gerade das Manko der bestehenden Fassung als Erfolgsdelikt, dass eine Strafbarkeit in strafwürdigen Fallkonstellationen entweder gar nicht oder zumindest erst dann eintritt, wenn es bereits zu einer erheblichen Belastung des Opfers gekommen ist (kritisch auch Schönke/Schröder-Eisele, StGB, 29. Aufl. 2014, § 238 Rn. 29). Opfer werden nicht selten erst dann eine bedeutsame Veränderung der äußeren Lebensumstände vornehmen, wenn die Situation für diese unerträglich geworden ist. Gleichzeitig eskaliert Nachstellungsverhalten mitunter schnell. Zwischen relativ harmlosen Handlungen und gefährlichen Verhaltensweisen kann ein bloß kurzer Zeitraum liegen. Durch die Ausgestaltung als Eignungsdelikt kann hierauf früher mit den Mitteln des Strafrechts reagiert werden.

Zum anderen ist eine Ausdehnung der Strafbarkeit auf nicht strafwürdige Vorbereitungshandlungen nicht zu befürchten: Für § 238 StGB ist keine Versuchsstrafbarkeit angeordnet, was durch die vorgeschlagene Änderung nicht tangiert wird, so dass nicht nur das Vorbereitungs-, sondern sogar das Versuchsstadium straffrei gestellt bleibt. In ähnlicher Weise wirkt sich zusätzlich noch die Voraussetzung eines "beharrlichen" Handelns aus, die zur Folge hat, dass erst ein wiederholtes Verhalten den Tatbestand erfüllt. Dieser ähnelt daher einem Dauerdelikt (vgl. BGHSt 54, 189, 197, 200; Mitsch, NStZ 2010, 513, 514) und setzt jedenfalls eine sukzessive Begehung voraus, bei der sich der Täter der Tatvollendung durch mehrfaches Handeln nach und nach annähert (vgl. Seher, JZ 2010, 582, 584). Diese Struktur, die bezogen auf das Eignungselement beibehalten bleibt, hat schon jetzt zur Folge, dass der Übergang aus dem straflosen Versuchsstadium in das Ausführungsstadium nur schrittweise erfolgt und mindestens die erste Tathandlung straflos bleibt - unabhängig von der bereits durch sie bewirkten Belastung des Opfers. Hinzu kommt, dass für die Feststellung der erforderlichen Eignung nicht nur das beharrliche Täterverhalten zu berücksichtigen ist, sondern auch Folgen und Reaktionen beim Opfer in den Blick zu nehmen sind.

Ist der Tatbestand der Nachstellung in seiner derzeitigen Ausgestaltung als Erfolgsdelikt damit einerseits zu eng geraten, weist er mit dem Auffangtatbestand in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB andererseits eine Regelung auf, die ob ihrer Unbestimmtheit und Weite vielfach auf rechtsstaatliche Bedenken gestoßen ist. Namentlich der Bundesgerichtshof hat die Regelung dahingehend kritisiert, sie öffne das Spektrum möglicher Tathandlungen "in kaum überschaubarer Weise" (vgl. BGHSt 54, 189, 193).

Auch auf der Ebene des Strafverfahrensrechts besteht Handlungsbedarf: So wird die Einordnung von Nachstellungen gemäß § 238 Absatz 1 StGB in den Kreis der Privatklagedelikte ( § 374 StPO) weder dem Unrechtsgehalt entsprechender Taten noch Belangen des Opferschutzes gerecht. Angesichts der erheblichen Strafbarkeitsvoraussetzungen und der regelmäßig mit der Tat verursachten gravierenden Folgen für das Opfer besteht kein Anlass, die Strafverfolgung von Amts wegen zusätzlich von einem öffentlichen Interesse (vgl. § 376 StPO) abhängig zu machen.

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht, gerichtliches Verfahren).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

III. Auswirkungen

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind durch den Gesetzentwurf nicht zu erwarten. Durch die Erweiterung eines Straftatbestands wird in den Ländern Mehraufwand bei den Strafgerichten und Strafverfolgungsbehörden entstehen. Die für die Länderhaushalte zu erwartenden Mehrausgaben lassen sich nicht konkret beziffern.

Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind nicht zu erwarten.

Der Gesetzentwurf unterscheidet rechtlich nicht zwischen dem Schutz von Frauen und Männern.

Mit dem Gesetzentwurf werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger eingeführt.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (§ 238 Absatz 1 StGB)

Zu Nummer 1 und 5 (§ 238 Absatz 1 Satzteil vor Nummer 1 und Satzteil nach Nummer 5 StGB)

Mit der vorgeschlagenen Modifikation wird die Struktur des Grundtatbestands der Nachstellung nach § 238 Absatz 1 StGB unter Beibehaltung aller Tatbestandselemente von einem Erfolgsdelikt in ein Eignungsdelikt geändert. Die Anforderung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, die bisher einen Taterfolg markiert, der durch das Täterverhalten kausal bewirkt werden muss, soll danach nur mehr ein vorausgesetztes Potential der Tathandlung umschreiben. Diese muss geeignet sein, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers herbeizuführen.

Die Strafbarkeit hängt danach nicht mehr von der expost zu treffenden Bewertung ab, ob sich das Opfer durch die Tat gezwungen gesehen hat, seine Lebensumstände in bestimmter Weise zu ändern. Vielmehr kommt es nun darauf an, ob die Tat bei einer Beurteilung exante die Gefahr einer solchen Bedrängung des Opfers in sich trägt (vgl. bereits BT-Drucksache 015/5410, S. 7), was im Einzelfall festzustellen ist. Entscheidend für die Strafbarkeit ist mithin, dass ein objektiver Betrachter im Zeitpunkt der Tat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das Täterhandeln eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung beim Opfer möglich ist. Bedeutsam ist dabei in erster Linie der Grad des psychischen Drucks, den der Täter mit seinem Verhalten erzeugt.

Zu bewerten sind insbesondere Art, Anzahl und Schwere der Nachstellungshandlungen, ihr zeitlicher Zusammenhang und die beim Opfer gegebenenfalls bereits zutage getretenen Auswirkungen. Insoweit bleibt auch das äußere Verhalten des Tatopfers weiterhin von Bedeutung. Denn darin kann ein Indiz für die Frage gesehen werden, ob das Täterverhalten geeignet ist, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers herbeizuführen. Dies gilt beispielsweise für Fälle, in denen beim Opfer bereits Verhaltensänderungen eingetreten sind, die zwar noch unterhalb der bislang von der Rechtsprechung als für die Feststellung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung maßgeblich angesehenen Schwelle liegen, aus der sich jedoch Rückschlüsse auf die Eignung des Täterverhaltens zur Herbeiführung weitergehender Verhaltensänderungen ziehen lassen. Als wesentliche Indizien können aber auch - allein oder neben einer solchen Verhaltensänderung - die durch das Täterverhalten hervorgerufenen unmittelbaren psychischen und körperlichen Folgen beim Opfer berücksichtigt werden. Die Frage der Eignung ist auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung insbesondere der genannten Umstände zu beantworten.

Dabei ist die schon bisher mit dem Merkmal der "schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung" verbundene Zielsetzung einer Objektivierung der Opferperspektive zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucksache 16/575, S. 8). Dem wurde bisher über die Anforderungen der Kausalität und Zurechnung sowie des auf sie bezogenen Vorsatzes Rechnung getragen. Auch nach der Umgestaltung ist für die Feststellung der Eignung im Einzelfall weiterhin von einem objektivierenden Maßstab auszugehen (vgl. allgemein zur Beurteilung der Eignung nach generalisierendem Maßstab BGH, NJW 2011, 3591; BGH, NJW 1999, 2129; Schönke/SchröderHeine/Bosch, StGB, 29. Aufl. 2014, Vor § 306 Rn. 4; kritisch Zieschang, FS Wolter, 2013, 557). Die Prognose wird sich daher an der Art und Weise zu orientieren haben, in der ein durchschnittlicher Betroffener typischerweise auf die konkreten Handlungen des Täters reagieren würde (vgl. zur Objektivierung und dem dadurch bedingten Ausschluss der Strafbarkeit bei Überempfindlichkeit des konkret betroffenen Opfers auch Schöch, NStZ 2013, 221, 224). Der Maßstab wird hierbei wie bisher auch die individuelle Lebenssituation des Opfers miteinbeziehen müssen, d.h. das "Durchschnittsopfer" ist in die Lebenssituation des individuellen Geschädigten zu stellen. Insbesondere kann eine Eignung zur Bewirkung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung nicht deshalb verneint werden, weil das konkrete Opfer aufgrund seiner individuellen äußeren Lebensumstände, etwa seiner Einbindung in Kindererziehung und Berufsausübung, kaum Möglichkeiten zu einer Änderung seiner Lebensführung besitzt. Gleiches gilt für das Opfer, das trotz nachstellungsbedingter erheblicher Ängste und gesundheitlicher Probleme sich dem Willen des Täters widersetzt und seine (äußere) Lebensgestaltung nicht ändert.

Bei der Beurteilung der Frage, wann eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung vorliegt und ob zu befürchtende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung als "schwerwiegend" anzusehen sind, kann an die bisher in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze angeknüpft werden. Maßgebend ist daher vor allem, ob das Täterverhalten geeignet ist, beim Opfer eine gravierende, nicht mehr hinzunehmende negative Veränderung der Lebensgestaltung zu bewirken (vgl. BGHSt 54, 189, 196 f.; BGH, NStZ-RR 2013, 145, 146; Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 238 Rn. 23). Auch hinsichtlich der Schwere der Beeinträchtigung ist zu berücksichtigen, dass für die Feststellung der Eignung im Einzelfall ein objektivierender Maßstab anzuwenden ist, der freilich die konkrete Lebenssituation des individuellen Geschädigten miteinzubeziehen hat.

Die konkurrenzrechtliche Einordnung einer Mehrzahl von Tathandlungen wird durch die vorgeschlagene Änderung nicht berührt. An die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze kann angeknüpft werden. Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass die verschiedenen Angriffe des Täters, welche den zur Vollendung des Delikts nach § 238 Absatz 1 StGB bislang erforderlichen Beeinträchtigungserfolg herbeiführen, eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden. Sie stellen daher eine Handlung im Rechtssinne dar. Im Wege der "Klammerwirkung" werden zudem auch andere, mit einzelnen Teilakten ideal konkurrierend verwirklichte Straftatbestände einbezogen, die damit zueinander in Tateinheit stehen (zu den Grenzen der "Klammerwirkung" siehe Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 238 Rn. 39). Der Bundesgerichtshof hat dies mit der Tatbestandsstruktur des § 238 Absatz 1 StGB begründet, die zwar keine Einordnung als Dauerdelikt erlaube, gleichwohl aber regelmäßig eine sukzessive Tatbegehung voraussetze, bei der der Täter sich dem tatbestandlichen Erfolg nach und nach nähert. Dabei werden diejenigen einzelnen Handlungen des Täters, die erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen, unter rechtlichen Gesichtspunkten im Wege einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu einer Tat im materiellen Sinne zusammengefasst, wenn sie einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen Willen des Täters getragen sind (vgl. BGHSt 54, 189, 201 unter Verweis auf LK-Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 36; zustimmend Seher, JZ 2010, 582, 584; vgl. ferner BGH, NJW 2013, 3383, 3384). Maßgebend für diese Einordnung sind zum einen das Merkmal der Beharrlichkeit, das zwingend ein wiederholtes, d.h. mindestens zweifaches Nachstellen erfordert (vgl. BGHSt 54, 189, 198, Rn. 25), und zum anderen der Umstand, dass eine ausreichende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung regelmäßig nicht bereits durch den ersten Angriff des Täters herbeigeführt wird (BGHSt 54, 189, 200, Rn. 29). Das Merkmal der Beharrlichkeit wird durch den Gesetzentwurf nicht berührt. Die Wandlung des Merkmals der Beeinträchtigung der Lebensgestaltung vom Inhalt eines Taterfolgs zum Gegenstand eines Eignungselements bedeutet hier gleichfalls keine Änderung, denn auch die bloße Eignung zur Beeinträchtigung der Lebensgestaltung wird typischerweise nicht schon die erste Nachstellung des Täters aufweisen. Vielmehr wird sie in aller Regel erst weiteren Handlungen zukommen, welche die Wirkung der vorangehenden erneuern und intensivieren (vgl. Valerius, JuS 2007, 319, 324).

Zu Nummer 2 und 3 (§ 238 Absatz 1 Nummer 3 und 4 StGB)

Es handelt sich um lediglich redaktionelle Folgeänderungen, die durch die vorgesehenen materiellen Änderungen des Nachstellungstatbestandes gemäß der Nummern 1, 4 und 5 bedingt sind.

Zu Nummer 4 (§ 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB)

Vorgesehen ist hier die Streichung des Auffangtatbestandes in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB. Die Regelung hat ob ihrer Weite und Unbestimmtheit vielfach Kritik erfahren (vgl. nur Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 238 Rn. 6 ff. m.w. N.). Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit zwar offen gelassen, aber seinen erheblichen Zweifeln an der Bestimmtheit der Regelung in seinem Urteil vom 19. November 2009 deutlich Ausdruck verliehen:

"Während allerdings § 238 Absatz 1 StGB in seinen Nummern 1 bis 4 näher konkretisierte Tatvarianten umschreibt, öffnet § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB das Spektrum möglicher Tathandlungen in kaum überschaubarer Weise, indem er ohne nähere Eingrenzungen jegliches Tätigwerden in die Strafbarkeit einbezieht, das den von § 238 Absatz 1 Nummern 1 bis 4 StGB erfassten Handlungen "vergleichbar" ist" (vgl. BGHSt 54, 189, 193 f., Rn. 16).

Wie die Vergleichbarkeit im Einzelnen zu bestimmen ist, lässt sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien hinreichend sicher entnehmen (vgl. auch LKKrehl, StGB, 12. Aufl. 2015, § 238 Rn. 56). Nachdem der Auffangtatbestand auch in der Strafverfolgungspraxis eine relevante Bedeutung nicht erlangt hat (vgl. Schöch, NStZ 2013, 221, 224) und sich damit eine die Bestimmtheit fördernde konstante Kasuistik hierzu nicht hat herausbilden können, erscheint ein Verzicht auf die generalklauselartige Umschreibung geboten.

Zu Artikel 2 (§ 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO)

In Artikel 2 ist eine Änderung der Strafprozessordnung dergestalt vorgesehen, dass der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 Absatz 1 StGB) aus dem Katalog der Privatklagedelikte gemäß § 374 StPO gestrichen wird.

Mit der Einstufung eines Delikts als Privatklagedelikt ist die gesetzgeberische Wertung verbunden, dass es sich üblicherweise um ein leichteres Vergehen handelt, welches die Allgemeinheit in der Regel wenig berührt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl. 2014, Vor § 374 Rn. 1). Aus diesem Grund werden diese Taten nach § 376 StPO von den Staatsanwaltschaften auch nur dann verfolgt, wenn hieran ein öffentliches Interesse besteht, unabhängig davon, ob das Opfer - dokumentiert durch einen entsprechenden Strafantrag - die Strafverfolgung wünscht.

Diese grundsätzliche gesetzgeberische Wertung erscheint für Fälle der Nachstellung gemäß § 238 StGB angesichts der regelmäßig hierdurch verursachten erheblichen Folgen für das Opfer und des damit einhergehenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung nicht angebracht (kritisch auch Mosbacher NStZ 2007, 665, 670 f.; Buettner, ZRP 2008, 124 ff.; Dessecker, FS Maiwald, 2010, S. 103, 117; vgl. ferner LK-Krehl, StGB, 12. Aufl. 2015, § 238 Rn. 19: "Die Ausgestaltung als Privatklagedelikt schränkt die strafrechtliche Effizienz des § 238 StGB nicht unerheblich ein."). Fälle, in denen sich ein psychisch erheblich angegriffenes Opfer hilfesuchend an die Strafverfolgungsbehörden wendet, ihm jedoch von dort bedeutet wird, dass der Staat nicht gewillt ist, den Täter zu verfolgen, sondern es dem Opfer selbst überlassen bleiben soll, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen, sollten unbedingt vermieden werden.

Um zu dokumentieren, dass der Gesetzgeber diese Art der Kriminalität in keinem Fall "auf die leichte Schulter" nimmt, die Not vieler "Stalking"-Opfer erkennt und sie nicht - durch eine Verweisung auf den Privatklageweg - mit dieser Not allein lassen will, erscheint es geboten, § 238 StGB aus dem Katalog der Privatklagedelikte zu streichen.

Hinzu kommt, dass das Privatklageverfahren für Fälle der Nachstellung schon grundsätzlich nicht geeignet erscheint. Die Beweisführung ist hier regelmäßig äußerst diffizil, da aus einer Mehrzahl einzelner Handlungen auf ein Gesamtverhalten des Täters im Sinne des § 238 StGB geschlossen werden muss. Entscheidendes Beweismittel ist hierbei in der Regel die Aussage des Opfers. Im Privatklageverfahren hat das Opfer als Privatkläger jedoch - anders als in einem von der Staatsanwaltschaft zur Anklage gebrachten Verfahren - nicht die Stellung eines Zeugen inne (vgl. Meyer-Goßner, a.a. O., Rn. 6 m.w. N.). Dies kann für das Opfer zu Beweisnachteilen führen, da es keine Gelegenheit bekommt, seine Vorwürfe als Zeuge vorzutragen, aber vor allem auch keine Gelegenheit bekommt, diese durch einen Eid zu bekräftigen. Darüber hinaus ist die Durchführung eines Privatklageverfahrens für das Opfer mit weiteren Belastungen (vor allem Last der Verfahrensdurchführung) und Kostenrisiken verbunden.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.'

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Ziel der Neufassung des Gesetzentwurfs ist es, im Interesse einer Verbesserung des Opferschutzes gegen Nachstellungen zeitnah eine konsensfähige Lösung zu erreichen.

Zu diesem Zweck wird mit der Neufassung zum einen der im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit des Tatbestands der Nachstellung geäußerten Kritik Rechnung getragen:

Angesichts der vor allem vom Bundesgerichtshof geäußerten Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des derzeit geltenden § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB sieht die Neufassung des Gesetzentwurfs die Streichung dieser Bestimmung vor. Nachdem der Auffangtatbestand auch in der Strafverfolgungspraxis keine relevante Bedeutung erlangt hat und sich damit eine bestimmtheitsfördernde Kasuistik hierzu nicht herausbilden konnte, erscheint - zumal vor dem Hintergrund der geänderten Tatbestandsstruktur - ein Verzicht auf die generalklauselartige Umschreibung geboten.

Zum andern wird ergänzenden opferschutzrechtlichen Erwägungen auf der Ebene des Strafverfahrensrechts Rechnung getragen. Diesen Erwägungen liegt zugrunde, dass die Einordnung von Nachstellungen gemäß § 238 Absatz 1 StGB in den Kreis der Privatklagedelikte (§ 374 StPO) weder dem Unrechtsgehalt entsprechender Taten noch den Belangen des Opferschutzes gerecht wird; angesichts der erheblichen Strafbarkeitsvoraussetzungen und der regelmäßig mit der Tat verursachten gravierenden Folgen für das Opfer bestehe kein Anlass, die Strafverfolgung von Amts wegen zusätzlich von einem öffentlichen Interesse (vgl. § 376 StPO) abhängig zu machen.

Vor diesem Hintergrund sieht die Neufassung des Gesetzentwurfs zur Steigerung der Effizienz des § 238 StGB im Interesse der Opfer vor, für Taten der Nachstellung gemäß § 238 Absatz 1 StGB die bisherige Einordnung als Privatklagedelikt (§ 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO) aufzuheben. Damit soll dokumentiert werden, dass der Gesetzgeber diese Art der Kriminalität in keinem Fall "auf die leichte Schulter" nimmt, sondern die Not vieler "Stalking"-Opfer erkennt und diese nicht - durch eine Verweisung auf den Privatklageweg - in ihrer Situation alleine lässt.