Antrag des Landes Baden-Württemberg
Entschließung des Bundesrates zur Überarbeitung der Richtlinie 2001/43/EG zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG des Rates über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 23. März 2007
Der Staatssekretär

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage mit Begründung beigefügte


zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 30. März 2007 aufzunehmen. Nach Vorstellung im Plenum soll die Entschließung den Ausschüssen zur weiteren Beratung überwiesen werden.


Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Böhmler

Entschließung des Bundesrates zur Überarbeitung der Richtlinie 2001/43/EG zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG des Rates über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine Überarbeitung der Richtlinie 2001/43/EG zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage mit folgenden Eckpunkten einzusetzen:

1) PKW-Reifen:

2) Nutzfahrzeug-Reifen:

Die Bundesregierung wird gebeten, den Bundesrat über die Ergebnisse dieser Bemühungen bis zum 1. Dezember 2007 zu unterrichten.

Begründung:

Straßenverkehrslärm wird von der Bevölkerung im Vergleich aller Lärmarten als stärkste Belastungsquelle wahrgenommen. Oberhalb einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h dominiert das Rollgeräusch den Straßenverkehrslärm. Eine Senkung des Reifen-Fahrbahngeräuschs ist daher ein wirksamer Ansatzpunkt zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm. Die Reduzierung der Geräuschemissionen von Reifen ist ein flächendeckend wirksames Mittel zur Absenkung des Reifen-Fahrbahngeräuschs.

Die derzeit geltenden Grenzwerte der Richtlinie 2001/43/EG zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage haben bezogen auf die aktuelle Lärmbelastungssituation keinerlei Lärmminderung im Bereich des Reifen-Fahrbahngeräusches zur Folge, da die derzeit am Markt verfügbaren Reifen diese Grenzwerte einhalten oder sogar deutlich unterschreiten. Deshalb besteht zurzeit kein Anreiz zur weiteren Entwicklung lärmärmerer Reifen.

Nach Auffassung des Bundesrates kann dies nur durch eine europaweite Verschärfung der Lärmgrenzwerte für Reifen erreicht werden, da eine Regelung des nationalen Gesetzgebers in einem europäischen Binnenmarkt wirkungslos wäre und die EU deshalb auf diesem Gebiet von ihrer Rechtsetzungskompetenz Gebrauch gemacht hat.

Eine im Auftrag der EU-Kommission erstellte aktuelle Studie zum Reifen-Fahrbahngeräusch ("Final Report S12.408210 Tyre/Road Noise" vom Mai 2006) nennt

bei Reifen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge Reduktionspotenziale zwischen 2,5 bis 5,5 dB(A) und
bei Reifen für schwere Nutzfahrzeuge Reduktionspotenziale zwischen 5,5 und 6,5 dB(A) je nach Reifenkategorie.

Darüber hinaus wird in der EU-Studie festgestellt, dass

differenzierte Anforderungen an Lärmgrenzwerte für die unterschiedlichen Reifenkategorien und Reifenbreiten notwendig sind,
kein signifikanter Zusammenhang zwischen Reifenlärm und Sicherheitsanforderungen an Reifen sowie
kein Zusammenhang zwischen Reifenlärm und Rollwiderstand, der für den Energieverbrauch und damit die CO₂-Emissionen bedeutenden Einflussgröße bei Reifen, gefunden werden konnte.

Die in dieser Initiative vorgeschlagene Absenkung der ab 2009 geltenden Grenzwerte in einer ersten Stufe (ab 2012) um 3 dB(A) bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bzw. um 4 dB(A) bei schweren Nutzfahrzeugen führt zu einer Halbierung der durch Reifen zulässigen Schallpegel.

Allerdings wird damit noch keine Halbierung der in der Praxis emittierten Schallpegel erreicht da die heute auf dem Markt angebotenen Reifen auch die ab 2009 geltenden Grenzwerte bereits unterschreiten. Um eine wirksame Reduzierung der durch das Reifen-Fahrbahn-Geräusch verursachten Lärmbelastung zu erreichen, ist daher eine weitere Absenkung der Reifenlärmgrenzwerte auf ein technisch mögliches und im Blick auf andere Anforderungen an die Eigenschaften von Reifen sinnvolles Maß erforderlich. Eine Entwicklungszeit von 8 Jahren, ab heute gerechnet, dürfte hierfür ausreichend sein, so dass eine zweite Stufe der Absenkung der Grenzwerte ab 2015 wirksam werden könnte.

Die vorgeschlagene Absenkung ist technisch machbar, wie die EU-Studie belegt. Sie ist den Herstellern und Verbrauchern zumutbar, da bereits jetzt kein Zusammenhang zwischen Geräuschemissionen und Anschaffungskosten der Reifen feststellbar ist.

Lärmarme Reifen verursachen bei Ersatzbeschaffungen keine oder allenfalls geringfügige Mehrkosten.

Obwohl im Sinne einer schnelleren Reduzierung der Lärmbelastung wünschenswert, wird auf eine noch stärkere Absenkung der Lärmgrenzwerte in der ersten Stufe oder in nur einer Stufe verzichtet, da neben der Lärmemission gleichzeitig auch andere Anforderungen an die Reifen (Sicherheitsaspekte, Abrieb, Rollwiderstand) berücksichtigt werden müssen und die für eine Optimierung aller Reifeneigenschaften erforderliche Entwicklungszeit eingeräumt werden muss.

Ergänzend wird zu den einzelnen Forderungen wie folgt ausgeführt:

Zu 1a)

Die um 3 dB(A) abgesenkten, spätestens ab 2009 geltenden Grenzwerte werden derzeit praktisch in allen Reifenklassen im Mittelwert erreicht bzw. von den leisesten Reifen sogar deutlich unterschritten. Eine weitere Absenkung der Grenzwerte ab 2015 soll die Hersteller zu weiteren Anstrengungen in der Entwicklung motivieren.

Zu 2a) und 2b)

Die um 4 dB(A) abgesenkten Grenzwerte werden derzeit im Mittelwert auch in verschiedenen Nennbreiten erreicht und von den leisesten Reifen sogar deutlich unterschritten. Auch hier gilt: Eine weitere Absenkung ab 2015 soll die Hersteller zu weiteren Anstrengungen in der Entwicklung motivieren.

Zu 1b) und 2c)

Die Einbeziehung runderneuerter Reifen ist notwendig, da ansonsten die Wirksamkeit strengerer Grenzwerte stark eingeschränkt wäre und die Ziele der Richtlinie unterlaufen werden könnten. Bei großen Nutzfahrzeugen liegt der Anteil der runderneuerten Reifen bei bis zu 50 %. In Anbetracht des hohen LKW-Anteils am Straßenverkehrsaufkommen ist hier ein besonders großes Lärmminderungspotenzial zu verzeichnen.

Die unterschiedlichen Grenzwerte für die verschiedenen Reifenarten (normal, M&S, spezial) sollten beibehalten werden. Auf Grund der unterschiedlichen Einsatzfelder sind die Anforderungen an diese Reifenarten und dem entsprechend die Bauweise verschieden. Diese Unterschiede sind auch in den Messwerten feststellbar.