Empfehlungen der Ausschüsse 810. Sitzung des Bundesrates am 29. April 2005
Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen



Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat,zu dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nr. . 11, 1la - neu - ( § 23 GWB)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Zu Buchstabe a:

Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung einer "europafreundlichen Anwendung" der nationalen Kartellvorschriften nicht erforderlich ist und gravierende Nachteile für die Praxis der Kartellbehörden hätte. Die Gegenäußerung der Bundesregierung vermag die fundamentalen Einwände des Bundesrates nicht zu entkräften.

Die Vorschrift führt zu einer unnötigen Komplizierung der künftigen Anwendung des nationalen Kartellrechts. Sie verpflichtet die deutschen Kartellbehörden und Gerichte bei Fällen ohne zwischenstaatlichen Bezug in unangemessener Weise zur "maßgeblichen Zugrundelegung" der Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts; damit sind nicht nur die einschlägigen normativen Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts, sondern auch die ständige Spruchpraxis der europäischen Gerichte und die gefestigte Verwaltungspraxis der Kommission gemeint, die sich unter anderem in deren umfangreichen Bekanntmachungen und Leitlinien wieder findet (so jedenfalls die Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drs. 441/04 (PDF), Seite 81). Dass das künftig eng an das europäische Recht angepasste nationale Kartellgesetz im Lichte eben dieser europäischen Regeln auszulegen sein wird, ist eine methodische Selbstverständlichkeit, aber auch nur soweit die Verwaltungspraxis und die Spruchpraxis der Gerichte übereinstimmt. Die vorgesehene gesetzliche Regelung setzt hingegen alle Entscheidungen der Kartellbehörden und Gerichte der Gefahr der Rechtswidrigkeit aus, wenn in den Gründen der jeweiligen Entscheidung nicht oder nicht hinreichend dargelegt würde, dass die genannten europäischen Grundsätze als für den Einzelfall relevant erkannt, entsprechend gewürdigt und schließlich "maßgeblich zugrunde gelegt" wurden; das heißt, sie müssten sich als zielführende Prinzipien in der nationalen Einzelfallentscheidung wieder finden und deren Grundlage bilden, soweit nicht spezielle nationale Vorschriften existieren. In Anbetracht des Umfanges der Rechtsprechung sowie vor allem der Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission würde dies die Arbeitseffektivität der Kartellbehörden mit vor allem in den Ländern schon sehr begrenzten Kapazitäten gravierend beschränken. Obwohl man in vielen Fällen auch ohne Zugrundelegung der europäischen Grundsätze zu dem selben Ergebnis kommen dürfte, würde sich ohne sachlichen Grund voraussichtlich auch die Zahl der gerichtlichen Anfechtungen von kartellbehördlichen Entscheidungen erhöhen.

Die vorgesehene, gewissermaßen normative Festschreibung der europäischen Grundsätze lässt auch befürchten, dass das Bemühen der nationalen Kartellbehörden und Gerichte um eine optimierte wettbewerbsorientierte Auslegung der europäischen Regelungen erstarrt. Insbesondere birgt die Vorschrift die Gefahr, dass künftig die bisherige deutsche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Unrecht bei der Entscheidungsfindung vernachlässigt wird. Der Kasuistik des nationalen Rechts kann vor allem in Bereichen, in denen es auf europäischer Ebene keine oder nur wenig Entscheidungspraxis gibt, zielführende Bedeutung zukommen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Auslegung der europäischen Regeln immer unbesehen auch für Sachverhalte mit lediglich regionaler oder lokaler

Bedeutung geeignet ist. Zudem ist ein letztlich fruchtloser Streit um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Grundsätze" vorprogrammiert. Es ist durchaus nicht sicher, dass die Gerichte den Begriff im Sinn der Regierungsbegründung umfassend auslegen. Vielmehr läge es nach dem Wortlaut der Norm zunächst nahe, als "Grundsätze" nur die Grundprinzipien des europäischen Rechts anzusehen, deren Tragweite im Einzelnen zweifelhaft sein mag. § 23 GWB hat somit nicht die angestrebte Rechtsklarheit und Einheitlichkeit der Rechtsordnungen, sondern vielmehr eine Begriffsverwirrung zur Folge.

Schließlich würde - worauf in der Literatur (vgl. Dreher WuW 2005, 251) zu Recht hingewiesen wird - der Verweis auf das europäische Recht die Zuständigkeit zur Lösung von Zweifelsfragen im nationalen Recht über Artikel 234 EGV von den deutschen Gerichten zum EuGH verschieben. Der EuGH hat sich wiederholt bei Vorabentscheidungsersuchen für zuständig erklärt, wenn nationales Recht auf Gemeinschaftsrecht verwiesen hat.

Zu Buchstabe b:

Als Folgeänderung muss die derzeit geltende Fassung des § 23 GWB aufgehoben werden. Auf Grund der entsprechenden Geltung europäischer Vorschriften (§ 2 Abs. 2 GWB n. F.) ist künftig für eine gesetzliche Regelung der "unverbindlichen Preisempfehlung" kein Raum mehr.

2. Die pressespezifischen Änderungen des Kartellrechts sind zu überarbeiten. Ein systemwidriges materielles Sonderkartellrecht für den Pressebereich sollte weitgehend vermieden werden.

Begründung

3. a) Im Rahmen der nötigen Angleichung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an die neue europäische Kartellverordnung (VO (EG) Nr. 1/2003) sind Änderungen des pressespezifischen Kartellrechts nicht veranlasst. Der Bundesrat erachtet es grundsätzlich als ein ordnungspolitisch falsches Signal, auf wirtschaftliche Probleme einer Branche mit einer Lockerung des Kartellrechts zu reagieren. Der Bundesrat ist sich aber der Besonderheiten des Pressemarktes bewusst und würde daher moderate Lockerungen bzw. Sonderregelungen im Bereich des pressespezifischen Kartellrechts mittragen. Die in § 31 GWB vorgesehenen Regelungen gehen jedoch auch nach der Abkehr von der so genannten Altverlegerlösung über das Vertretbare hinaus. Die Vorschrift des § 31 Abs. 3 GWB - wie vom Deutschen Bundestag verabschiedet - betrifft die Pressehilfsunternehmen und begründet materielles Sonderrecht in der Fusionskontrolle. Diese gesetzliche Gestaltung erlaubt wie die Altverlegerlösung die Abkopplung der Redaktionen von ihrer wirtschaftlichen Basis. Die Voraussetzungen für die Legalisierung der Zusammenarbeit sind insgesamt unzureichend und nicht justiziabel; eine wirkliche Größenbegrenzung fehlt nach wie vor. Die vorgesehene Beteiligung der Wettbewerbsbehörden ist zudem in Gesetzeswortlaut (Verweis auf § 32c GWB n.F.) und -begründung (Verweis auf die §§ 2 bis 4 GWB a.F.) widersprüchlich.

Überdies führte die Ungleichbehandlung von Zeitungen und Zeitschriften zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs.

4. b) Insbesondere werden die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen des Pressekartellrechts, um den konjunkturellen bzw. strukturellen Problemen der Printmedien abzuhelfen, nicht geteilt. Um dennoch Kooperationen von Zeitschriften- und Zeitungsverlagen zu ermöglichen, sollten die Kooperationsmöglichkeiten nur in einem fest umrissenen Rahmen über die jetzige Rechtslage hinausgehen.

5. c) Zum einen ist die Abgrenzung zwischen dem Begriff "Zeitung" und "Zeitschrift" rechtlich schwer durchführbar. Es gibt zwar Abgrenzungsversuche, die auf den ersten Blick zweckmäßig erscheinen: Danach fehle bei der Zeitschrift die tagebuchartige Berichterstattung über aktuelle Vorgänge. Für die Zeitschrift sei im Vergleich zur Zeitung vielmehr charakteristisch, dass sie sich nur mit bestimmten besonderen Fragen oder Stoffen beschäftige (vgl. Löffler, Presserecht, 4. Auflage 1997 Einl., Rn. 14 bis 16). Als schwierig gestaltet sich eine derartige pauschalisierende Abgrenzung aber dann, wenn sich Teile einer "Zeitung" mit Teilen einer "Zeitschrift" - wie in der publizistischen Praxis meistens - überschneiden, etwa wenn eine "Zeitung" auch das Charakteristische einer "Zeitschrift" enthält und sich nicht auf die tagebuchartige Berichterstattung beschränkt. So enthalten "Zeitungen" heutzutage oft einen Magazinteil. Umgekehrt ist ein fortlaufender Bericht über aktuelle Vorgänge bei vielen "Zeitschriften"festzustellen.

Derartige Vermischungen treten zunehmend bei Wochenzeitungen auf.

6. d) Zum andern ist auch kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von "Zeitschriften" ersichtlich.

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es zwar, innerhalb des Zeitraums 1994 bis 2003 sei der Anteil der Zeitungen am gesamten Werbeaufkommen in Deutschland um 7,4 Prozentpunkte zurückgegangen, während der Anteil der Zeitschriften konstant geblieben sei. Das Anzeigengeschäft im Zeitschriftenbereich habe sich in jüngster Zeit wieder positiv entwickelt und - anders als im Zeitungsbereich - im Jahr 2004 erstmals seit 2001 wieder einen Zuwachs von 3,6 % gezeigt.

Tatsächlich ist es so, dass die Zeitschriftenverlage keinen derartigen Zuwachs haben verzeichnen können. Es handelt sich bei diesem Wert um eine von Nielsen Media-Research ermittelte Bruttoumsatzzahl für das Anzeigengeschäft der Publikumszeitschriften. Dabei werden die veröffentlichten Anzeigenseiten unter Einschluss der unbezahlten Eigenwerbung etc. gezählt und mit dem nicht rabattierten Bruttoseitenpreis der Preisliste multipliziert. Die realen Werbeeinnahmen sind also niedriger. Tatsächlich sind diese Einnahmen der Publikumszeitschriften im Jahr 2004gegenüber dem Vorjahr um 1,2 % gesunken.

Die Gesetzesbegründung verschweigt darüber hinaus, dass die Zeitungen bei den oben genannten Nielsen-Brutto-Werbeeinnahmen mit einem Zuwachs von 10,1 % im Jahr 2004 überdurchschnittlich zulegen konnten. Dieser Bruttowert erfasst nicht die Rubrikenanzeigen (es handelt sich also nur um einen Teil der Werbeeinnahmen der Zeitungen), sondern den Marken- und Handelsmarkenwerbung umfassenden Anzeigenmarkt, dem die Zeitungen neuerdings - gerade angesichts der Probleme im Bereich der Rubrikenanzeigen - verstärkte Aufmerksamkeit und Akquisitionsanstrengungen widmen. Die Zeitungen profitieren also in diesem von ihnen nun offensiver angegangenen und für wichtiger erachteten Anzeigenmarktsegment von einer Werbekonjunkturerholung offenbar stärker als die Publikumszeitschriften.

Für das Jahr 2005 zeichnet sich bei den Publikumszeitschriften ein noch unerfreulicherer Trend ab. Die Zahl der veröffentlichten Anzeigenseiten ist zum Ende des ersten Quartals bei den Publikumszeitschriften um 4,4 % gegenüber dem ersten Quartal 2004 zurückgegangen. Es ist außerdem so, dass bei den für Januar und Februar vorliegenden Brutto-Werbeeinnahmen die klassischen Medien im Durchschnitt um 5,5 % gewonnen haben. Die Publikumszeitschriften haben als einziges Medium Verluste hinnehmen müssen. Die Zeitungen hingegen verzeichneten für Januar und Februar 2005 einen Zuwachs von 7,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum, während die Publikumszeitschriften im gleichen Zeitraum Einbußen in Höhe von 1,2 % erlitten.

7. e) Um den Anliegen des Mittelstandes gerecht zu werden, soll in § 31 Abs. 1 Nr. 4 GWB eine Gesamtumsatzgrenze bei den beteiligten Unternehmen von 100 Mio. Euro und für das einzelne Unternehmen von 50 Mio. Euro eingeführt werden.

Nach der jetzt im Deutschen Bundestag beschlossenen Regelung wäre es zukünftig möglich, dass zur vorgeblichen Rettung eines kleineren, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Verlages eine Kooperation von wirtschaftlich gesunden Verlagen erlaubt werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen zu verbessern und die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage sowie die Fortführung zumindest eines der beteiligten Zeitungen gegeben sein muss. Eine Begrenzung bezogen auf den Gesamtumsatz der kooperationswilligen Verlage auf 100 Mio. Euro und auf 50 Mio. Euro eines einzelnen Verlages erscheint sachgerecht und geboten.

Eine Erleichterung von Fusionen von Verlagen wird abgelehnt.

8. f) Deshalb wird vorgeschlagen, § 31 Abs. 3 GWB zu streichen. Durch die vom Deutschen Bundestag beschlossene Konstellation würde eine Konzentration auf den verschiedenen Anzeigenmärkten und in den Bereichen Druck und Abonnementvertrieb in Deutschland ermöglicht und begünstigt. Es wäre ein Novum, einer Branche im Rahmen der Ausnahmebereiche der §§ 28 ff. GWB, die sich bislang nur auf Ausnahmen vom Verbot vertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen beziehen, eine grundsätzliche Ausnahme von der Fusionskontrolle einzuräumen.

9. g) Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Widerspruchslösung des § 31 Abs. 2 GWB ist unklar. Weder Voraussetzungen noch Rechtsfolgen des Widerspruchs sind geregelt.

Hier ist eine Klarstellung notwendig. Die gebotene Ergänzung sollte als Satz 2a in § 31 Abs. 2 GWB eingefügt werden.

10. h) Die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen der Aufgreifschwellen für Fusionen im Pressebereich werden abgelehnt. Durch die Anwendbarkeit der deminimis-Klausel auf Presseunternehmen mit Umsätzen von unter 2 Mio. Euro ( § 35 Abs. 2 GWB) sowie die Halbierung des Umsatzberechnungsfaktors auf das Zehnfache (§ 38 Abs. 3 GWB) wird die Zahl der kontrollfreien Zusammenschlüsse mit kleineren Zeitungs- und Anzeigenblattverlagen steigen. Auch Großverlage könnten demnach kleinere Zeitungs- oder Anzeigenblattverlage im Rahmen der deminimis-Klausel kontrollfrei erwerben. Die Streichung der Bagatellklausel von 2 Mio. Euro dient dazu, einer Konzentrationswelle vorzubeugen.

Die Halbierung des Umsatzberechnungsfaktors führt dazu, dass mittelgroße bzw. kleinere Verlage die Aufgreifschwellen der Fusionskontrolle nicht mehr erreichen und deshalb kontrollfrei fusionieren können. Dies trifft auch auf eine Zahl von Unternehmen des derzeit noch mittelständisch strukturierten Pressegrosso zu.

Zusätzlich würde durch die Halbierung des Umsatzberechnungsfaktors der Anwendungsbereich der Bagatellmarktklausel gerade für den Bereich der Abo-Tageszeitungen ausgeweitet, da diese überwiegend auf Märkten tätig sind, die regional oder auf Landkreise bezogen abzugrenzen sind. Die Schutzfunktion der bisherigen Regelungen für kleinere und mittlere Verlage würde durch die Änderungen beeinträchtigt.

11. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 32e Abs. 1, Abs. 2 Satz l, Abs. 3 GWB)

In Artikel 1 Nr. 19 sind in § 32e Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Absatz 3 die Wörter "das Bundeskartellamt" jeweils durch die Wörter "die Kartellbehörde" zu ersetzen.

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nr. 19 ist in § 32e Abs. 2 Satz 2 das Wort "Es" durch das Wort "Sie" zu ersetzen.

Begründung

Bisher ist vorgesehen, nur dem Bundeskartellamt ein Enqueterechteinzuräumen. Dies sollte auf alle Kartellbehörden ausgedehnt werden. Das Gesetz nennt zwei tragende Gesichtspunkte für das neue Enqueterecht. Es dient dem Ausgleich für den Transparenzverlust nach Wegfall des Administrativfreistellungsverfahrens. Daneben soll es eine zusätzliche Abhilfe bei der Ross- und-Reiter-Problematik schaffen. Beide Gesichtspunkte gelten nicht nur für Verfahren des Bundeskartellamtes, sondern auch für die der Landeskartellbehörden. Die Kartellbehörden der Länder ermitteln in vielen Fällen wegen verbotener Preis- und Konditionenabsprachen. Besserer Schutz von Insidern (Ross- und-Reiter-Problematik) ist daher für alle Kartellbehörden wichtig. Freistellungsverfahren wurden nicht nur beim Bundeskartellamt, sondern auch bei den Länderbehörden durchgeführt. Auch diese haben somit ein berechtigtes Interesse an einem Informationsrecht über die Auskunftsbefugnis nach § 59 GWB hinaus.

Die Gleichstellung aller Kartellbehörden ist notwendig, weil auch künftig zahlreiche wettbewerbsbehindernde Praktiken lokal oder regional begrenzt bleiben werden und damit in die Zuständigkeit der Landeskartellbehörden fallen. Die Nutzung wesentlicher Einrichtungen im Sinne von §19 Abs. 4 GWB gehört ebenfalls zu diesem Bereich. Es ist an Hafenbahnen ebenso wie an örtliche Fernwärme- oder Abwassernetze zu denken. Dasselbe gilt für die Wasserversorgung sowie - in eingeschränktem Maße - für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen. Dienstleistungen der Abfallentsorgung zählen ebenfalls hierzu.

Daneben gibt es einen weiteren Grund, allen Kartellbehörden ein Enqueterecht einzuräumen. Die neue Vorschrift des § 49 Abs. 4 GWB erlaubt eine Veränderung der Zuständigkeit der Kartellbehörden im Einzelfall. Bundeskartellamt und eine Landeskartellbehörde können vereinbaren, dass ein Land anstelle des Bundes tätig wird. Damit erhält eine Landeskartellbehörde die Befugnis, in mehreren Ländern tätig zu werden. Um dies mit Leben zu erfüllen, sollte die handelnde Kartellbehörde des Landes die vollen Rechte des Bundeskartellamtes erhalten. Dazu gehört auch die Einräumung des - bundesweiten - Enqueterechtes. Schließlich macht die Einräumung des Enqueterechts an alle Kartellbehörden die in der Verfahrenspraxis der Landeskartellbehörden bereits rituellen Diskussionen um Anfangsverdacht und Erforderlichkeit eines Auskunftsverlangens obsolet. Diese Diskussionen gehen in der Regel zwar letztlich zu Gunsten der Kartellbehörden aus, führen jedoch zu einer Verzögerung der Kartellverwaltungsverfahren (instruktiv OLG München, Beschluss vom 23. Juni 1997 Gaspreisermittlungen, WuW/E OLG 5859). Dies ist bei den von Landeskartellbehörden häufig geführten Missbrauchsverfahren besonders misslich, da Verfügungen der Kartellbehörden in der Hauptsache erst ab ihrem Erlass wirken und somit ein missbräuchliches Verhalten während der Dauer des Verwaltungsverfahrens weiter praktiziert werden kann. Dem ökonomischen Interesse an einer Verfahrensverzögerung kann durch das Enqueterecht auch für die Landeskartellbehörden das Wasser abgegraben werden.

12. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 34a Abs. 1, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 GWB)

In Artikel 1 Nr. 19 ist § 34a wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Herausgabe des wirtschaftlichen Vorteils an den Bundeshaushalt ist abzulehnen. Die gerechte Verteilung von Vorteilen und Lasten gebietet vielmehr die Abführung des durch die Verbände und Einrichtungen abgeschöpften Vorteils an die Landeshaushalte.

Die Verbraucherverbände und qualifizierten Einrichtungen werden institutionell mit Mitteln der jeweiligen Landeshaushalte gefördert. Mittelbar tragen daher die Länder das Prozessrisiko bei gerichtlichen Verfahren gemäß § 34a GWB mit, so dass auch die Vorteilsabschöpfung dem jeweiligen Landeshaushalt zufließen muss.

Darüber hinaus wird die Ermittlung des erzielten Vorteils regelmäßig komplizierte Beweisaufnahmen erfordern und so zu erheblichen Mehrbelastungen der Kartellgerichte führen. Diese Mehrbelastungen müssen ebenfalls durch die Landeshaushalte getragen werden.

13. Zu Artikel 1 Nr. 49 ( § 82a Abs. 2 GWB)

In Artikel 1 Nr. 49 ist § 82a Abs. 2 zu streichen.

Folgeänderungen:

Die beabsichtigte Einführung des § 82a Abs. 2 GWB ist abzulehnen. Die Vorschrift regelt die Frage, ob eine gerichtlich verhängte Geldbuße dem Landes- oder dem Bundeshaushalt zufließen soll. Nach geltendem Recht wird die Vollstreckung der Bußgelder nach einem gerichtlichen Verfahren durch die Vollstreckungsorgane der Länder durchgesetzt; die Vereinnahmung der Gelder erfolgt durch die jeweilige Landeskasse. Dies ist gerechtfertigt, weil dies den allgemeinen Regeln des Ordnungswidrigkeitenrechts entspricht und eine gerechte Verteilung von Lasten und Vorteilen zwischen Bund und Land darstellt. Die Arbeitskraft des Kartellsenats des Oberlandesgerichts wird zu einem wesentlichen Teil von den Kartellverwaltungssachen und Bußgeldverfahren des Bundeskartellamtes in Anspruch genommen. Ebenso wird die Generalstaatsanwaltschaft, die für diese Verfahren weiterhin zuständig sein wird, belastet. Der hiermit verbundene Personal- und Sachaufwand wird durch die gerichtlichen Gebühreneinnahmen bei weitem nicht abgegolten. Nach Teil 4 Nr. 4110 der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) zu § 3 Abs. 2 GKG fallen für eine Hauptverhandlung mit Urteil Gebühren in Höhe von 10 % des Betrages der Geldbuße, höchstens aber 15.000 Euro (Kappungsgrenze) an.

Auch in sachlicher Hinsicht ist eine Vereinnahmung der gerichtlich verhängten Bußgelder durch die Landeskasse gerechtfertigt. Im Bußgeldverfahren wird das Verwaltungsverfahren (hier: durch das Bundeskartellamt) mit dem zulässigen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid beendet. Das Gericht trifft eine eigenständige Entscheidung, bei der nicht die Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheides überprüft wird. Der Bußgeldbescheid erhält stattdessen die Funktion einer Anklageschrift im strafrechtlichen Verfahren. Hierzu kann das Gericht eigene Ermittlungen vornehmen. Sind somit in diesen Verfahren die Justizbehörden des betreffenden Landes "Herren des Verfahrens" und werden mit dieser Aufgabe belastet, so ist es nur folgerichtig, wenn die vom Kartellsenat verhängten Geldbußen der Landeskasse belassen werden.

Für eine Vollstreckung der Bußgelder durch eine Bundesoberbehörde ist ein sachlicher Grund - außer das fiskalische Interesse des Bundes - nicht zu erkennen. Fehlen aber besondere Gründe, sollten die gerichtlichen Entscheidungen ohne Ausnahme nach den allgemein geltenden Regeln durch die zuständigen Organe des Landes vollstreckt werden. Eine Sonderregel im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum Zwecke der Verbesserung der Finanzsituation des Bundes auf Kosten der Länder ist abzulehnen. Sie könnte auch als "Einfallstor" für eine Neuregelung auch auf anderen Rechtsgebieten verstanden werden, in denen eine Bundesbehörde Verfolgungsbehörde ist (z.B. §§ 31, 31a ZollVG, §§ 33 ff. AWG, §§ 13 ff. PTSG).

Die gerechte Verteilung von Lasten und Vorteilen gebietet es vielmehr, dass die von den Kartellsenaten verhängten Bußgelder von den Vollstreckungsorganen des Landes zu Gunsten der Landeskasse eingezogen werden.

14. Zu Artikel 1 Nr. 63 (§ 131 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3, Abs. 3 GWB) In Artikel 1 Nr. 63 ist § 131 wie folgt zu ändern:

Begründung

Oftmals haben Unternehmen im Vertrauen auf in Verwaltungsverfahren legalisierte Kartelle Investitions- und andere langfristig wirkende Entscheidungen unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel getroffen, zumal insbesondere die Legalisierung von Spezialisierungs- und Mittelstandskartellen nach geltendem Recht keiner Befristung unterliegt. Gleiches gilt für die gemäß § 10 Abs. 1 GWB einer Genehmigungspflicht unterliegenden Kooperationsvorhaben, wie z.B. Rationalisierungskartelle.

Vor diesem Hintergrund ist die in § 131 Abs. 1 und 2 GWB insbesondere auch für diese freigestellten Kartelle vorgesehene Übergangsfrist von einem Jahr zu kurz bemessen. Im Hinblick auf den für solche Kooperationen gebotenen Bestands- und Vertrauensschutz erscheint insoweit eine längere Übergangsfrist angebracht und angemessen. Dementsprechend sollte die in Absatz 1 und 2 der Vorschrift hierfür vorgesehene Jahresfrist jeweils verlängert werden.

In den übrigen Freistellungsfällen kann es hingegen bei der vorgesehenen Jahresfrist bleiben.

Durch die Herausnahme des § 3 GWB (Mittelstandskartelle) aus dem Anwendungsbereich des § 23 GWB wird zwar ermöglicht, dass Mittelstandskartelle (bisher: § 4 Abs. 1 GWB a. F.) künftig unter den gleichen materiellen Voraussetzungen wie bisher zulässig sein werden; dies gilt jedoch nicht unbedingt für alle anderen bisher anzeige- oder genehmigungspflichtigen Kartelle, wie z.B. Rationalisierungskartelle mit Preisabreden.

Als Folgeänderung wird die Regelung des § 131 Abs. 3 GWB materiell unverändert in Absatz 2 integriert, so dass Absatz 3 entfallen kann.

15. Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 - neu - (§ 50 Abs. 1 Satz 1 - neu - GKG)

Artikel 2 Abs. 1 ist wie folgt zu fassen:

(1) § 50 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Satz 1 werden nach den Wörtern '§ 3 der Zivilprozessordnung' die Wörter 'nicht jedoch über l.000.000 Euro' angefügt.

2. Satz 2 wird wie folgt gefasst:

... wie Vorlage ...".

Begründung

Bei der Kartell- und Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes und der Landeskartellbehörden, wie auch bei der Fusionskontrolle des Bundeskartellamtes sind nach gegenwärtiger Rechtslage Streitwerte in vielfacher Millionenhöhe möglich, was bereits bei Beschwerdeverfahren in erster Instanz zu Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von mehreren 100.000 Euro führen kann. Derart hohe Rechtsanwaltsgebühren entsprechen nicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hat den Gesetzgeber bereits in anderen Fällen bewogen, den Streitwert gesetzlich zu begrenzen. Als Beispiele sind zu nennen Zivil-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsprozesse wie z.B. in § 48 Abs. 1 Satz 2 (250.000 Euro), § 48 Abs. 2 Satz 2 (1 Mio. Euro), § 50 Abs. 2, § 52 Abs. 4 (500.000 Euro bzw. 2,5 Mio. Euro) GKG. Es gibt im Gesetz also bereits Parallelfälle, in denen der Gesetzgeber Höchststreitwerte für erforderlich hält. Auch diese Streitwertbegrenzungen haben zumindest teilweise den Schutz öffentlicher Haushalte zum Ziel. So ist die Streitwertbegrenzung bei Verfahren über

Ansprüche nach dem Vermögensgesetz gemäß § 52 Abs. 4 GKG vorwiegend im Interesse der öffentlichen Hand im Falle ihres Unterliegens eingeführt worden (vgl. Materialien: Regierungsentwurf, BT-Drs. 012/4801, S. 49, Hartmann, Kostengesetz, GKG § 13 Rn. 21).

Der Schutz entfaltet sich ebenfalls zu Gunsten des Mittelstandes.