Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist

C(2016) 1416 final siehe Drucksache 406/15(B) HTML PDF

Brüssel, den 25.4.2016
Herrn Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (COM (2015) 450 final).

Dieser Vorschlag ist Teil eines umfangreicheren Pakets ehrgeiziger Maßnahmen. die die Kommission bereits vorgeschlagen hat bzw. noch vorschlagen wird um im Einklang mit der Europäischen Migrationsagendaf die derzeitige Flüchtlingskrise zu bewältigen und sich für künftige Herausforderungen zu rüsten.

Die Kommission hat eine Studie zur Bewertung des Dublin-Systems in Auftrag gegeben. Diese Studie sowie die bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung der befristeten NotfallUrmsiedlungsregelung bilden die Grundlage des Vorschlags der Kommission zur Überarbeitung der Dublin-Verordnung. Die Kommission prüft derzeit, ob das Gemeinsame Europäische Asylsystem umfassender reformiert werden muss, und hat jetzt die Mitteilung (COM (2016) 197 final) vom 6. April 2016 vorgelegt, in der sie Maßnahmen und Optionen für eine solche Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beschreibt.

Die Kommission begrüßt die breite Unterstützung des Bundesrates für andere EU-Maßnahmen zur Bewältigung der Migrations- und Flüchtlingskrise. wie die verstärkte Kontrolle der EU-Außengrenzen, die Einrichtung voll einsatzfähiger Hotspots, die Zusammenarbeit mit Drittländern und die humanitäre Hilfe in den am stärksten betroffenen Gebieten. Der Vorschlag der Kommission enthält bereits Maßnahmen zur Verhinderung irregulärer Sekundärmigration, und wir prüfen derzeit Möglichkeiten für eine weitere Stärkung dieser Maßnahmen vor dem Hintergrund der in der Mitteilung vom 6. April 2016 beschriebenen umfassenden Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.

Die Stellungnahme des Bundesrates ist sehr hilfreich und wird in die weiteren Arbeiten zur Reform der Dublin-Verordnung einfließen. Informelle Konsultationen zwischen der Kommission und den Interessentägern, einschließlich der gesetzgebenden Organe, wurden bereits eingeleitet und werden auf der Grundlage der Mitteilung vom 6. April 2016 fortgeführt. Hinsichtlich der in der Stellungnahme geäußerten Bedenken gibt die Kommission im beigefügten Anhang einige Erläuterungen zu den eher technischen Anmerkungen. Im Anhang werden insbesondere die Maßnahmen dargelegt, die die Kommission vorgeschlagen hat, um die irreguläre Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben oder genießen, zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern und zu bekämpfen. Der Anhang gibt ferner einen Überblick über die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung stehenden Instrumente zur Bewältigung der irregulären Sekundärmigration.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen mit den vorliegenden Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Anhang

Die Kommission hat diesen in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkt sorgfältig geprüft und möchte hierzu folgende Anmerkungen machen.

Verhinderung von Sekundärmigration

Die jüngsten Initiativen der Kommission zur Umsiedlung und Neuansiedlung haben mehrere Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, veranlasst, eine Stärkung des Instrumentariums zur Bewältigung der innereuropäischen Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben oder genießen, zu fordern. Dies wird in der Tat als entscheidende zusätzliche Bedingung für die Zustimmung zu diesen Initiativen angesehen.

Der Vorschlag zielt darauf ab, die ordnungsgemäße Anwendung der Dublin-Verordnung in Krisensituationen sicherzustellen und die irreguläre Sekundärmigration von Drittstaatsangehörigen, die einen Asylantrag gestellt haben, zwischen den Mitgliedstaaten zu bekämpfen. Die Kommission verweist zu diesem Zweck auf die geltenden Vorschriften, die die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schulz beantragt haben oder genießen, verhindern und bekämpfen sollen, und schlägt neue Vorschriften für die Sekundärmigration von Personen vor, die internationalen Schutz genießen und sich nach ihrer Umsiedlung unrechtmäßig auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten.

Die Bandbreite der vorgeschlagenen Maßnahmen deckt die verschiedenen Stadien des Asylverfahrens in den Mitgliedstaaten ab.

1. Im Rahmen des von der Kommission vorgeschlagenen "Hotspot"-Konzepts leisten die EU-Agenturen umfassende und gezielte Unterstützung für Mitgliedstaaten, die einem unverhältnismäßigen Migrationsdruck an den Außengrenzen ausgesetzt sind Die operative Unterstützung, die im Rahmen dieses Konzepts geleistet werden kann, umfasst unter anderem die Verstärkung des Informationsaustausches und die Zusammenarbeit bei Ermittlungen über kriminelle Netze, die Beihilfe zur irregulären Migration in die EU sowie zur Sekundärmigration innerhalb der EU leisten.

Im Kommissionsvorschlag wird gefordert, dass die Antragsteller über die Folgen einer irregulären Weiterreise (z.B. Rückführung im Rahmen der Dublin-Verordnung, Reduzierung materieller Leistungen, Inhaftierung unter bestimmten Umständen, Einreiseverbote, negative Auswirkungen auf die Möglichkeit der Erlangung des Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten) sowie darüber informiert werden sollten, dass sie, wenn ihnen der Umsiedlungsmitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, grundsätzlich nur Anspruch auf die in diesem Mitgliedstaat mit dem internationalen Schutz verbundenen Rechte haben.

Dieser Pflicht zur Information von Personen, die internationalen Schutz beantragen, könnte z.B. in Form eines Informationsblatts nachgekommen werden, das unmittelbar nach Ankunft im Umsiedlungsmitgliedstaat oder sogar vor der Überstellung (in den "Notspots") verteilt werden könnte.

Im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, könnte die Harmonisierung der Aufnahmebedingungen zwischen den Mitgliedstaaten auch dazu beitragen, die auf unterschiedliche Aufnahmebedingungen zurückzuführende Sekundarmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zu verringern. Gemäß dem Vorschlag könnten die Mitgliedstaaten auch Meldepflichten einführen und gegebenenfalls sicherstellen, dass die Antragsteller auf direktem Weg an den Umsiedlungsmitgliedstaat überstellt werden.

Die Mitgliedstaaten sollten während der Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz, wie dies in den Asylvorschriften der Union und im Schengen-Besitzstand vorgesehen ist, außer aus schwerwiegenden humanitären Gründen den Antragstellern weder nationale Reisedokumente ausstellen noch ihnen andere Anreize, etwa finanzieller Art, bieten, die ihre irreguläre Weiterreise in andere Mitgliedstaaten begünstigen könnten. Unterkunft, Verpflegung und Kleidung sollten in Form von Sachleistungen gewährt werden.

Im Falle irregulärer Weiterreisen in andere Mitgliedstaaten sollten die Antragsteller in den Umsiedlungsmitgliedstaat zurückgeschickt werden.

Um die Sekundärmigration von Personen zu verhindern, die schließlich internationalen Schutz im Umsiedlungsmitgliedstaat genießen, sollten die Mitgliedstaaten diese Personen zudem über die Bedingungen informieren, unter denen sie rechtmäßig in einen anderen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten dürfen. Hierzu könnten die Umsiedlungsmitgliedstaaten auch Meldepflichten einführen. Um sicherzustellen, dass internationalen Schutz genießende Personen, die in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem Umsiedlungsmitgliedstaat eingereist sind, ohne die dortigen Aufenthaltsbedingungen zu erfüllen, vom Umsiedlungsmitgliedstaat wieder aufgenommen werden, sieht der Vorschlag vor, dass internationalen Schutz genießende Personen, die umgesiedelt wurden, in den Geltungsbereich der Dublin-Verordnung einbezogen werden.

Im Einklang mit der Europäischen Migrationsagenda wird das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) ein Dublin-Netz einrichten, um die Umsetzung der Überstellungen im Rahmen der Dublin-Verordnung zu erleichtern.

Wie bereits erwähnt, zielt der Kommissionsvorschlag auch darauf ab, die " Sichtbarkeit " der vorhandenen rechtlichen Instrumente zu verbessern, indem die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, diese ordnungsgemäß einzusetzen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen.