Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften "Bessere Rechtsetzung 2004" gemäß Artikel 9 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (12. Bericht)
KOM (2005) 98 endg.; Ratsdok. 7583/05

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 4. April 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 21. März 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.

Die Verpflichtung der Kommission, dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vorzulegen, ist im Dezember 1992 vom Europäischen Rat von Edinburg beschlossen worden. Diese Verpflichtung wurde in einem Protokoll wieder aufgenommen, das dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) durch den Vertrag von Amsterdam von 1997 beigefügt worden war. Seit 1995 bezieht dieser Jahresbericht auch Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und der Zugänglichkeit des Gemeinschaftsrechts ein.

Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und Verbesserung des Regelungsumfelds hängen in der Tat eng miteinander zusammen. Indem sie den Grundsatz der Subsidiarität beachtet, beschränkt die Union ihre Tätigkeit auf das Erforderliche und Wirksame. Hält sie sich an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, so entscheidet sie sich für möglichst unkomplizierte Verfahren. Darüber hinaus leisten die Maßnahmen zur Konsultation betroffener Parteien, zur Einholung von Expertenwissen und zur Folgenabschätzung, zur Entwicklung alternativer Verfahren und zum Austausch "bewährter Regelungsverfahren" einen Beitrag dazu, besser zu definieren und zu konzipieren, was erforderlich, wirksam und leicht durchzuführen ist. Auch die Bemühungen zur Überwachung der redaktionellen Qualität, zur Lieferung von Texten, zum Follow-up der Durchführung der Regeln und zur Vereinfachung des Acquis communautaire tragen dazu bei.

Der vorliegende Bericht ist der zwölfte seiner Art; er zieht die Bilanz des Jahres 2004. Eine detaillierte Analyse einschließlich von Verweisen auf einschlägige Unterlagen findet sich in dem begleitenden Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu dieser Mitteilung.

1. BESSERE Rechtsetzung

Der Verbesserung des Regelungsumfelds kommt absolute Priorität zu, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, das Wachstum zu erhöhen und die Beschäftigung wachsen zu lassen und auch darum, eine nachhaltige Entwicklung und höhere Lebensqualität für die europäischen Bürger zu befördern. Angesichts der Arbeitsteilung in der Union erfordert diese Verbesserung gemeinsame Bemühungen des Europäischen Parlaments, des Rats, der Kommission und der Mitgliedstaaten.

Die einschlägige Strategie der Union findet ihren Niederschlag im Wesentlichen in zwei Texten: zum einem in dem Aktionsplan der Kommission "Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds" vom Juni 20021 und zum anderen in der Interinstitutionellen Vereinbarung (AII) "Bessere Rechtsetzung", die vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission im Dezember 2003 geschlossen worden ist2. Eine vergleichbare und teilweise komplementäre Strategie wird auf der Ebene der Mitgliedstaaten verfolgt, und zwar über das zwischenstaatliche Programm, das im Mai 2002 von den Ministern für die öffentliche Verwaltung verabschiedet worden ist3.

Im Jahre 2004 ist die Umsetzung dieser drei Strategiebestandteile fortgesetzt worden, wobei in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Fortschritte erreicht wurden, die sich aber auch je nach Zuständigkeitsebene unterschieden. Eine umfassende Neubewertung der Bedürfnisse und der verfügbaren Ressourcen ist vonnöten. Es geht darum, gleichzeitig das bisher Erreichte zu konsolidieren, aber auch ergänzende Aktionen auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten drei Jahren festzulegen. Hier bietet sich die Bildung einer neuen Kommission mit einer neuen Agenda und neuen Prioritäten als ideale Konstellation an.

Auch wenn die Leistungen unterschiedlich ausfielen, so haben doch die betroffenen Parteien allesamt ein wachsendes Interesse an den Aktionen zu Gunsten der Qualität der Rechtsetzung bekundet. Zum Teil gerade wegen dieses gestiegenen Interesses haben sich die Probleme der Koordinierung der Initiativen und der Beachtung der Rechte aller Gemeinschaftsorgane jedoch verschärft. Daher ist die Kommission der Meinung, dass die Frage einer Rationalisierung der Strukturen und der Verfahren schnellstmöglich in Angriff genommen werden muss.

1.1. Maßnahmen der Kommission

Die Kommission möchte durchaus nicht als selbstzufrieden erscheinen, sie ist aber der Meinung, dass unbedingt festzuhalten ist, dass in der verhältnismäßig kurzen Zeit seit der Verabschiedung des Aktionsplans beträchtliche Fortschritte erreicht worden sind, größere als während des gleichen Zeitraums in vielen Mitgliedstaaten.

Konsultation betroffener Parteien

Im Jahre 2004 hat sich die Zahl der Konsultationen erheblich erhöht; dabei wurden die meisten der 2003 eingeführten Mindeststandards für die Konsultation eingehalten. Die Kommission muss sich noch weiter um Feedback an die Personen bemühen, die Beiträge geleistet haben, und, in geringerem Ausmaß, auch um Transparenz. Die Tatsache, dass einige der Interessengruppen sich von den Konsultationen etwas zu sehr in Anspruch genommen fühlen und dass man bei zu vielen Konsultierungen mit beschränkten Werbe- und Analyseressourcen auskommen muss, ist in einigen Bereichen zu einem echten Risiko geworden. Alle Organe sollten sich dessen für die Zukunft bewusst sein, wenn sie darüber entscheiden, wie viele Konsultationen stattfinden sollen und wie sehr man dabei ins Detail gehen muss. Auch ist ständig darauf zu achten, dass alle Teile der Gesellschaft in der Konsultationsphase einbezogen werden.

Folgenabschätzung

Eine Abschätzung der möglichen Folgen häufig äußerst komplexer Szenarios bei 25 Mitgliedstaaten und darüber hinaus ist äußerst schwierig. Trotzdem ist es der Kommission gelungen, die Zahl der 2004 fertig gestellten ausführlichen Folgenabschätzungen zu erhöhen (29 im Vergleich zu 21 in 2003) und ihre Qualität insgesamt zu verbessern. Die Quantität war allerdings weiterhin problematisch, da weniger Folgenabschätzungen abgeschlossen wurden als ursprünglich geplant. Zwar weisen die Anfangserfahrungen darauf hin, dass die Methodik solide ist, allerdings müssen die derzeitigen Methoden systematischer bei sämtlichen Kommissionsdienststellen angewendet und es muss größeres Gewicht auf Fragen der Wettbewerbsfähigkeit gelegt werden. Neue Leitlinien und technische Hilfen befinden sich in der Entwicklung, die zur Bewältigung dieser Probleme und zur qualitativen und quantitativen Verbesserung beitragen werden. Es werden auch zusätzliche Ressourcen benötigt, um dem wachsenden internen Ehrgeiz und den von außen herangetragenen Erwartungen zu entsprechen.

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

2004 konnte die Einholung von Expertenwissen in spezifischen Bereichen mit Hilfe des sechsten Rahmenprogramms für F&E systematischer gestaltet werden. Die technische Entwicklung einer Web-Anwendung, die eine stärkere Verbreitung und Nutzung wissenschaftlicher Beratungsergebnisse ermöglicht ((SINAPSE e-network - Scientific Information for Policy Support in Europe) das elektronische Netz SINAPSE (Wissenschaftliche Informationen zur Unterstützung der Politik in Europa)) wurde abgeschlossen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist aufgefordert worden, sich registrieren zu lassen; die offizielle Einführung ist für März 2005 vorgesehen. Es wurden auch Arbeiten in Angriff genommen, um die Transparenz bei den von der Kommission eingerichteten Expertengruppen zu verbessern. Dies wird dazu führen, dass Anfang 2005 eine Liste dieser Gruppen veröffentlicht und im weiteren Verlauf des Jahres ein Register eröffnet wird, welches das Parlament und die Öffentlichkeit mit Standardinformationen über sämtliche Expertengruppen versorgt.

Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire

Die Vereinfachung des Acquis communautaire hat nach wie vor höchste Priorität, insbesondere bei der Strategie von Lissabon. Die Kommission hat ihr fortlaufendes Programm zur Vereinfachung aktiv vorangetrieben. Desgleichen hat sie auch eine Untersuchung der vom Rat im November 2004 vorgelegten Prioritätenliste in Angriff genommen; sie wird im Laufe des Jahres 2005 über die angemessenen Folgemaßnamen entscheiden. Außerdem zieht die Kommission in Betracht, die Mechanismen zur Feststellung der Rechtsvorschriften zu verstärken, die für EU-Hersteller eine übermäßige Belastung darstellen, was die öffentlichen Interessen angeht, die sie zu gewährleisten beabsichtigen. Dies könnte dazu führen, dass eine neue Phase des Vereinfachungsprogramms der Kommission eingeleitet wird.

Die Verringerung des Umfangs des Gemeinschaftsrechts ist immer noch ein relativer Schwachpunkt (Kodifizierung und Eliminierung veralteter Rechtsvorschriften). Die Kommission muss auch originelle Lösungen finden, um die schwerwiegenden Verzögerungen bei der Übersetzung zu überwinden und einem erneuten Auftreten derartiger Situationen bei zukünftigen Erweiterungen vorzubeugen. Außerdem sollte eine Aktualisierung der Interinstitutionellen Vereinbarung von 1994 über die Kodifizierung in Erwägung gezogen werden.

Die Zugänglichkeit von Dokumenten wurde 2004 durch die Eröffnung der neuen Datenbank EUR-Lex erheblich verbessert. Sie bietet einen kostenlosen Zugang zu EU - und EG-Verträgen, für die Union verbindlichen internationalen Abkommen, den geltenden EG-Rechtsvorschriften (einschließlich der konsolidierten Texte), vorbereitenden Rechtsakten, parlamentarischen Anfragen, Rechtsprechung und Berichten des Europäischen Gerichtshofs sowie zu allen Serien des Amtsblatts.

Wahl der Instrumente

Die Kommission hat die Aufstellung eines Inventars der von der Union eingeführten Koregulierungsmechanismen sowie der Formen der Selbstregulierung mit Gemeinschaftsdimension eröffnet. Dieses Inventar soll als Grundlage für den ersten Bericht über die Möglichkeiten einer gesteigerten Nutzung dieser alternativen Regulierungsmöglichkeiten bilden, der 2005 vorgelegt werden soll.

Darüber hinaus hat die Kommission sich kontinuierlich für eine Dezentralisierung einiger äußerst detaillierter EU-Exekutivbefugnisse zu Gunsten europäischer Regulierungsagenturen ausgesprochen und auch entsprechend gehandelt. Die Zahl der Gemeinschafts-/EU-Agenturen belief sich Ende 2004 auf insgesamt 26. Ein wesentliches Ziel der Kommission im Jahre 2005 ist die Verabschiedung einer dreiseitigen Interinstitutionellen Vereinbarung über Rahmenbedingungen für europäische Regulierungsagenturen.

Schließlich wurden Fortschritte erreicht bei zielorientierten dreiseitigen Verträgen und Vereinbarungen zwischen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und deren regionalen und lokalen Gebietskörperschaften - es wurde die erste Vereinbarung von der Kommission, dem italienischen Stadt und der Region Lombardei unterzeichnet. Was die übrigen betroffenen zentralen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften betrifft, so ist die Kommission der Ansicht, dass ein nachhaltigeres Engagement von deren Seite wünschenswert wäre.

Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

Die neuen Mitgliedstaaten sind in das System zur Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts voll integriert worden (elektronische Übermittlung einzelstaatlicher Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien usw.). Desgleichen ist ein Verfahren eingerichtet worden, um eine Kontrolle und Überprüfung der Gesamtauswirkung der Erweiterung sicherzustellen.

Probleme, mit denen Bürger und Unternehmen bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu tun haben, sind mit Hilfe geeigneter Maßnahmen besser bewältigt worden, so zum Beispiel dank des Aufbaus von SOLVIT, des Problemlösungsnetzes für den Binnenmarkt. Außerdem hat die Kommission Vorarbeiten dafür geleistet, 2005 ein neues Internetgestütztes Instrument einzuführen, mit dem Beschwerden von Bürgern und Unternehmen über die Nichteinhaltung des Gemeinschaftsrechts erleichtert werden sollen.

1.2. Maßnahmen auf der Ebene der sonstigen Gemeinschaftsorgane

2004 sind der Rat und seine Präsidentschaft bei einer Reihe von Problemen der besseren Rechtsetzung proaktiv tätig geworden. In der Gemeinsamen Initiative vom Januar 2004 der Mitgliedstaaten, die 2004-2005 die Präsidentschaft innehaben (Irland, die Niederlande, Luxemburg und das Vereinigte Königreich ) und ihrer aktualisierten Neufassung vom Dezember 2004 (die auch von Finnland und Österreich bekräftigt worden ist, die die Präsidentschaft 2006 innehaben werden), sind besondere Anstrengungen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands, zur Folgenabschätzung, zur Vereinfachung und zur stärkeren Nutzung alternativer Regulierungsmöglichkeiten (wie zum Beispiel Selbst- und Koregulierung) gefordert worden. Eine bemerkenswerte Errungenschaft bestand darin, dass der Rat eine Liste von 15 Vereinfachungsprioritäten bestätigt hat, zu deren Berücksichtigung die Kommission aufgefordert wurde, und dass er zum allerersten Mal eine Folgenabschätzung vor der Verabschiedung wesentlicher Abänderungen (im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Richtlinie über Batterien und Akkumulatoren) eingeleitet hat. Allerdings ist es bedauerlich, dass von 30 von der Kommission vorgelegten Vereinfachungsvorschlägen der Rat nur 10 angenommen hat und dass bei zu vielen Abänderungen die Analyse nicht transparent erschien.

Die Umsetzung der Interinstitutionellen Vereinbarung "Bessere Rechtsetzung" hat man 2004 in Angriff genommen, sie sollte jedoch beschleunigt werden. Besonders dringend ist die Anpassung der Arbeitsmethoden des Europäischen Parlaments und des Rates, um die Verabschiedung anhängiger Vereinfachungsvorschläge zu beschleunigen.

1.3. Maßnahmen der Mitgliedstaaten

Die Verwaltungsbelastung der europäischen Unternehmen geht im Wesentlichen immer noch auf nationale Rechtsvorschriften zurück. Daher sind auf einzelstaatlicher Ebene weitere Fortschritte erforderlich. Allerdings begrüßt die Kommission die Anstrengungen der Mitgliedstaaten, die sie im Hinblick auf die Empfehlungen der Kommission und der Mandelkern-Gruppe erbracht haben. Wohl haben die meisten Mitgliedstaaten inzwischen Initiativen zur Verbesserung ihres Regelungsumfelds eingeleitet, die Umsetzung ist jedoch nach wie vor uneinheitlich.

Insbesondere ruft die Kommission die Mitgliedstaaten auf, Konsultierungs- und Folgenabschätzungsverfahren durchzuführen, bevor sie nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung von EU-Rechtsakten verabschieden. Entsprechend betont die Kommission, im Hinblick auf die Anforderungen an EU-Organe, dass genauso vorgegangen werden muss, bevor man EU-Legislativvorschläge vorlegt. Schließlich empfiehlt sie, vergleichbare, oder zumindest kompatible, Indikatoren zwecks Feststellung der Qualität von Rechtsvorschriften auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten einzuführen, um Fortschritte zu überwachen und die Feststellung vorbildlicher Verfahren zu erleichtern.

2. Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

Die Kommission hat ihre verfahrensmäßigen Verpflichtungen hinsichtlich Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sehr ernst genommen. Die Bemühungen um umfassende Konsultierung vor der Vorlage von Vorschlägen für Rechtsvorschriften haben ein nie dagewesenes Maß erreicht4. Außerdem ist die Tatsache, dass die Anzahl der Verordnungen und Richtlinien im Vergleich zu der Anzahl der Beschlüsse/Entscheidungen und Empfehlungen - sowohl absolut als auch relativ gesehen - zurückgegangen ist, ein Anzeichen dafür, wie sorgfältig die Kommission jeweils das am wenigsten verbindliche Rechtsinstrument gewählt hat5.

In einigen Fällen wurde jedoch an der Kommission Kritik geübt, weil sie auf die Grundsätze nicht genauer eingegangen war und auch wegen der Art, in der sie die Belastung bestimmter interessierter Kreise bewertete6. Um die Gründe für eine Schlussfolgerung, dass ihre Vorschläge mit diesen Grundsätzen übereinstimmen, besser zu erläutern und um die Überwachung von deren Einhaltung zu erleichtern, hat die Kommission eine neue Softwareanwendung für die Ausarbeitung von Begründungen entwickelt und erprobt7. Mit dieser Anwendung wird sichergestellt, dass alle erforderlichen Informationen zu den Grundsätzen systematisch geboten werden. Im Jahre 2005 soll sie von sämtlichen Dienststellen genutzt werden. Was die Bewertung der Belastung betrifft, möchte die Kommission betonen, dass es sich dabei in einer so großen und vielfältigen Union um eine verhältnismäßig komplexe Angelegenheit handelt. Es ist nicht immer möglich, genaue Voraussagen zu allen denkbaren Folgen zu machen; ist dies überhaupt durchführbar, so ist es sehr kostspielig und langwierig. Wollte man Alles erfassen, so könnte dies zu einer Lähmung der Rechtsetzung in genau dem Augenblick führen, in dem die Union mit dringenden Herausforderungen konfrontiert wird. Daher ist die Kommission der Meinung, dass weiterhin der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Analyse gelten sollte. Eingedenk dieser

Erwägungen wird die Kommission ihre Vorschläge überarbeiten oder sogar zurückziehen, sobald sich herausstellt, dass wesentliche Elemente übersehen worden sind, oder bedeutsame Entwicklungen berücksichtigen, die nach der Vorlage ihrer Vorschläge eingetreten sind.

Insgesamt haben das Europäische Parlament und der Rat relativ wenige Abänderungen vorgeschlagen, die sich ausdrücklich auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bezogen. Diese Konsens orientierte Vorgehensweise überrascht nicht, angesichts der Tatsache, dass die Konsultierungen ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreichten, aber auch deshalb nicht, weil ein sehr großer Anteil der Kommissionsvorschläge ja Reaktionen auf Aufforderungen des Europäischen Rats, des Rates und des Europäischen Parlaments darstellten.

Wohl hat das Parlament gewöhnlich eine Rechtfertigung für seine Abänderungen geboten, es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass dies bei den Abänderungen des Rates nur selten der Fall war. Wenn die Mitgliedstaaten ihr Initiativrecht im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ausübten und förmliche Vorschläge unterbreiteten, wurde die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eher behauptet als tatsächlich nachgewiesen. Bei einer Betrachtung der Inhalte der wichtigsten einschlägigen Debatten werden eingefahrene Trends bestätigt. Meist hat das Parlament in seinen Abänderungen umfassendere Maßnahmen der EU gefordert und angeführt, dass verbindlichere Rechtsinstrumente erforderlich seien, um einen Erfolg zu gewährleisten, während in den Abänderungen des Rates gefordert wurde, den Anwendungsbereich der in Aussicht genommenen Maßnahme zu beschränken oder eine weniger verbindliche Maßnahme zu wählen. In den meisten Fällen sind die drei Organe letzten Endes zu einer gemeinsamen Auslegung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gelangt.

Die EU-Organe müssen sich des Risikos bewusst sein, bei ihren Verhandlungen auf Formen des reinen Feilschens zurück zu greifen. Dabei würden nämlich die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit häufig in Mitleidenschaft gezogen, was auch die Kohärenz, Akzeptanz und Wirksamkeit der Politik beeinträchtigt. Andererseits dürfen diese Grundsätze auch nicht als Vorwand benutzt werden, um der Union verliehene Zuständigkeiten außer Acht zu lassen oder die von den Verträgen festgelegten Prinzipien und Regelungen zurecht zu biegen, um sich der politischen Stimmung des Augenblicks anzupassen oder eine besonders heikle Angelegenheit voranzubringen. In einer Union der fünfundzwanzig kommt einer auf Fakten und vernünftige Argumente gegründeten Erörterung größere Bedeutung zu als je zuvor.

Was nun die dem Legislativprozess der Union sich anschließenden politischen Nachfolgearbeiten betrifft, so hat der Ausschuss der Regionen in der überwiegenden Mehrheit seiner Stellungnahmen die Legitimität des Vorgehens der Union anerkannt. Zweimal jedoch hat er die Europäische Kommission aufgefordert, die Wahl ihrer Rechtsinstrumente zu überdenken, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besser gerecht zu werden. Diese Empfehlungen haben dazu geführt, dass eine Vorgehensweise gewählt wurde, die eine engere Einbeziehung der lokalen und regionalen Körperschaften bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ermöglichte. Im Übrigen hat der Ausschuss der Regionen seine Absicht bekannt gegeben, seine Bewertung der Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität im Laufe des Jahres 2005 systematisch durchzuführen, wobei zum einen ein Bewertungsmuster für die Subsidiarität als Anhang zu seinen Stellungnahmen ausgearbeitet werden und zum anderen schrittweise ein Netz lokaler und regionaler Behörden eingerichtet werden soll, das die Überwachung der Subsidiarität gewährleisten soll. Ihrerseits haben die

COSAC8 und bestimmte nationale Parlamente die Untersuchung der neuen Modelle zur Überwachung der Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität in Angriff genommen, und zwar im Hinblick auf das zukünftige Inkrafttreten des Verfassungsvertrags9.

Was die vorgelagerte gerichtliche Kontrolle anbelangt, so ist der Grundsatz der Subsidiarität vom Europäischen Gerichtshof sechsmal angeführt worden. In keinem Urteil ist eine inkorrekte Anwendung der entsprechenden Regeln der Verträge beanstandet worden.

Die Kommission begrüßt diese Entwicklungen, da Wachsamkeit jederzeit erforderlich ist, um sicherzustellen, dass eine Maßnahme der Union tatsächlich erforderlich ist und dass sie dabei in der angemessensten Weise vorgeht.

Hinweis: vgl. Drucksache 950/93 = AE-Nr. 933556, Drucksache 1090/94 = AE-Nr. 944069, Drucksache 904/95 = AE-Nr. 953791, Drucksache 978/96 = AE-Nr. 964135, Drucksache 1025/97 = AE-Nr. 973910, Drucksache 1003/98 = AE-Nr. 984165, Drucksache 721/99 = AE-Nr. 993623, Drucksache 837/00 = AE-Nr. 003718, Drucksache 054/02 = AE-Nr. 020295, Drucksache 081/03 (PDF) = AE-Nr. 030419, Drucksache 023/04 (PDF) = AE-Nr. 040078 sowie Drucksache 054/05 (PDF) Bericht der Bundesregierung über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 2003
1 (KOM (2002) 278, 5. Juni 2002). Der Aktionsplan schließt sich an das Weißbuch "Europäisches Regieren" (KOM (2001) 727 vom 25. Juni 2001) an. Er berücksichtigt auch die Empfehlungen der Gruppe für die Qualität der Rechtsetzung, die im November 2000 von den Ministern für die öffentliche Verwaltung eingesetzt wurde und deren Vorsitz D. Mandelkern führte (der Mandelkern-Bericht ist im November 2001 angenommen worden). Eine Darstellung der acht gezielten Mitteilungen, in denen seine Zielsetzungen im Einzelnen erläutert worden sind, findet sich in dem Jahresbericht "Bessere Rechtsetzung" 2003, KOM (2003) 770 vom 12. Dezember 2003.
2 ABl. C 321 vom 31. Dezember 2003, S.l.
3 Auch dieses Aktionsprogramm beruht zum Teil auf dem erwähnten Mandelkern-Bericht.
4 Siehe Unterabschnitt 2.l.l des beigefügten Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen.
5 Siehe Anhang 1 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen.
6 Abschnitt 3.2 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen führt beispielhafte Fälle der Entwicklung bei der Anwendung der Grundsätze im Jahre 2004 an.
7 Siehe Unterabschnitt 2.l.4 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen.
8 "Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union".
9 Zu den neuen, im Verfassungsvertrag zur Subsidiarität vorgeschlagenen Rahmenbedingungen siehe Unterabschnitt 3.l.3 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen.