Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine Strategie für die e-Vergabe - COM (2012) 179 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 306/10 (PDF) = AE-Nr. 100375,
Drucksache 829/10 (PDF) = AE-Nr. 101067,
Drucksache 874/11 (PDF) = AE-Nr. 111163,
Drucksache 015/12 (PDF) = AE-Nr. 120018 und
Drucksache 016/12 (PDF) = AE-Nr. 120020

Brüssel, den 20.4.2012
COM (2012) 179 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss den Ausschuss der Regionen: Eine Strategie für die e-Vergabe

1. Einleitung

In dieser Mitteilung erläutert die Kommission die strategische Bedeutung der elektronischen Vergabe (e-Vergabe)1 und stellt die wichtigsten Maßnahmen vor, mit denen sie die volle Umstellung auf e-Vergabe in der EU unterstützen will.

Die e-Vergabe kann durch Förderung des Wettbewerbs im Binnenmarkt wesentlich zur Vereinfachung der Vergabeverfahren, zu weniger Verschwendung und zur Verbesserung des Beschaffungsergebnisses (niedrigere Preise, bessere Qualität) beitragen. Sie kann ferner zur Bewältigung der beiden wichtigsten Herausforderungen beitragen, vor denen die europäische Wirtschaft heute steht: die Notwendigkeit, die öffentlichen Ausgaben in einem Kontext fiskalischer Zwänge möglichst effizient zu gestalten und neue Wachstumsquellen zu erschließen.

Auftraggeber bei Behörden und anderen Stellen, die bereits auf e-Vergabe umgestellt haben, berichten von Einsparungen zwischen 5 und 20%, die Erfahrung zeigt außerdem, dass die Investitionskosten rasch wieder hereingeholt werden können. Angesichts der Größe des gesamten Vergabemarktes in der EU könnten je 5 % an Einsparungen etwa 100 Mrd. EUR in die öffentlichen Kassen zurückfließen. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten bietet die e-Vergabe erhebliche Vorteile durch Reduzierung des Papierverbrauchs und des Transportbedarfs sowie des Bedarfs an teuren Archivräumen mit ihrem unvermeidlichen Energieverbrauch. Die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile der e-Vergabe ergänzen sich also und tragen auch zur Erreichung des angestrebten nachhaltigen Wachstums im Rahmen der Strategie Europa 2020 bei. In der Digitalen Agenda für Europa2 und im eGovernment-Aktionsplan 2011-20153 wird außerdem die Bedeutung der Vernetzung von eVergabe-Kapazitäten im gesamten Binnenmarkt hervorgehoben.

Trotz dieser unbestreitbaren Vorteile macht die EU sowohl im Hinblick auf ihre eigenen Ziele als auch im internationalen Vergleich nur unzureichende Fortschritte. Die e-Vergabe kommt trotz ehrgeiziger politischer Ziele4 immer noch bei lediglich 5-10 % aller in der EU durchgeführten Vergabeverfahren zum Einsatz. Im Vergleich dazu besteht in Korea bereits ein voll entwickelter Online-Vergabemarkt, der bis 2007 jährliche Einsparungen im Umfang von 4,5 Mrd. USD ermöglicht hat5 (etwa 8 % der gesamten jährlichen Beschaffungsausgaben); in Brasilien werden 80 % der öffentlichen Vergabeverfahren elektronisch abgewickelt. Die EU sollte jetzt handeln, um die Vorteile der e-Vergabe zu nutzen und einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu verhindern.

Die Kommission hat einen ehrgeizigen, aber dennoch realistischen Vorschlag zur Modernisierung des Rechtsrahmens für die öffentliche Auftragsvergabe in der EU vorgelegt6, wie es in der 2011 verabschiedeten Binnenmarktakte vorgesehen war 7. Ein Ziel dieser Vorschläge ist es, bis Mitte 2016 in der EU die volle Umstellung auf e-Vergabe zu erreichen8. Letztendlich wird die "durchgängig elektronische Vergabe" angestrebt, bei der alle Phasen des Verfahrens von der Bekanntmachung (e-Bekanntmachung) bis zur Bezahlung (eBezahlung) elektronisch abgewickelt werden9. Diese Konfiguration ermöglicht es, die Effizienzgewinne der e-Vergabe für den öffentlichen Sektor zu maximieren und gestattet es den europäischen Unternehmen - insbesondere den KMU - die Vorteile des digitalen Binnenmarktes voll auszuschöpfen.

2. Ein Wandel zum besseren - die wirtschaftlichen Argumente für die E-Vergabe

Der Markt für öffentliche Aufträge in der EU hat ein beachtliches Volumen: Die derzeitigen Richtlinien decken Verträge mit einem Auftragswert von rund 447 Mrd. EUR ab, und der Markt für die Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen in der EU wird insgesamt auf über 2,4 Billionen EUR10 geschätzt. Durch die e-Vergabe lassen sich in diesem enormen Markt erhebliche Effizienzgewinne erzielen:

Wirtschaftliche Modellierungen der Europäischen Kommission zeigen, dass Preisreduzierungen im öffentlichen Auftragswesen 11 erhebliche makroökonomische Effekte haben können. Die in dieser Modellierung angenommenen Preisreduzierungen liegen voll in dem von bestehenden e-Vergabesystemen realisierten Bereich und könnten nach fünf Jahren zu einer Steigerung des BIP um bis zu 0,1-0,2 % führen 12. Eine konservative Überschlagsrechnung aus einer anderen Studie ergibt, dass eine volle Umstellung auf e-Vergabe Einsparungen zwischen 50 und 75 Mrd. EUR jährlich ermöglichen könnte13.

Es gibt bereits zahlreiche Beispiele für erfolgreiche e-Vergabe-Lösungen in ganz Europa: 14 - Nach Einführung der e-Vergabe konnten portugiesische Krankenhäuser bei ihren Beschaffungsverträgen Preisreduzierungen von 18 % erzielen. Insgesamt werden die Einsparungen durch die Umstellung auf e-Vergabe in Portugal bereits im ersten Jahr auf etwa 650 Mio. EUR geschätzt, und sie könnten 1,2 Mrd. EUR erreichen, wenn alle Vergabebehörden voll auf e-Vergabe umgestellt haben. Die potenziellen Einsparungen betragen damit 6-12 % der gesamten Beschaffungsausgaben. Die meisten Einsparungen entstanden durch niedrigere Preise aufgrund des stärkeren Wettbewerbs (mehr Angebote je Verfahren), obwohl auch im Verwaltungsbereich Einsparungen möglich waren.

Die Einführung von e-Vergabe-Lösungen ist zwar mit gewissen unvermeidlichen Vorlaufkosten verbunden, die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese bereits nach relativ kurzer Zeit wieder hereingeholt werden. Die bestehenden Systeme erweisen sich ferner als äußerst wirksames Instrument zur Förderung der Beteiligung von KMU, auch aus dem Ausland, da es für KMU auf elektronischen Weg einfacher ist, Kenntnis von Ausschreibungen zu erhalten und sich an ihnen zu beteiligen als im traditionellen Umfeld mit Papierunterlagen.

3. Überwindung der Hindernisse - der Weg nach Vorn

Die wirtschaftlichen Argumente für die e-Vergabe sind zwingend, darüber hinaus sind die Schlüsseltechnologien für die e-Vergabe inzwischen weitgehend verfügbar. Dennoch bestehen in der EU offenbar noch immer eine Reihe von Hindernissen für die volle Umstellung auf die e-Vergabe. Bei den Kommentaren zum Grünbuch von 2010 zur eBeschaffung15 wurden zwei Hauptgründe für die langsame Umstellung erkennbar:

Die Herausforderung besteht also darin, die Akteure davon zu überzeugen, sich auf neue elektronische Lösungen einzulassen und dafür zu sorgen, dass die installierten Systeme EU-weit einen breiteren Zugang zu diesen wertvollen Märkten erleichtern. Die 2010 durchgeführte Bewertung des Aktionsplans 16 zur elektronischen Vergabe zeigt, dass zur Förderung der Akzeptanz der e-Vergabe zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, da die Technologie zur praktischen Anwendung der e-Vergabe jetzt einsatzreif ist. Zur Überwindung dieser Hindernisse ergreift die Europäische Kommission eine Reihe von Maßnahmen sowohl im legislativen als auch im nicht legislativen Bereich. Diese Maßnahmen werden im Folgenden beschrieben.

3.1. Schaffung eines effektiven Rechtsrahmens

Die in dieser Mitteilung vorgelegte Strategie baut auf den Vergabebestimmungen der Legislativvorschläge auf, die von der Europäischen Kommission im Dezember 2011 verabschiedet wurden und den derzeitigen Rechtsrahmen ersetzen sollen. Dabei wird angenommen, dass diese Vorschläge ohne substanzielle Änderungen verabschiedet werden. Damit soll jedoch dem Ergebnis des Legislativverfahrens nicht vorgegriffen werden, das von den Stellen, die Systeme der e-Vergabe anwenden, zu berücksichtigen ist.

Der Vorschlag für den traditionellen Sektor 17 sieht eine schrittweise Umstellung auf voll elektronische Kommunikationsmittel vor. Diese werden für einige Phasen des Vergabeverfahrens und einige Akteure bis zur Umsetzungsfrist verbindlich: z.B. e-Bekanntmachung bei TED18 und elektronische Verfügbarkeit der Vergabebekanntmachungen. Auch zentrale Beschaffungsbehörden sollten bis zu diesem Datum auf voll elektronische Kommunikationsmittel umstellen, einschließlich elektronischer Angebotsabgabe (e-Abgabe). Alle anderen Vergabebehörden müssen spätestens zwei Jahre nach der Umsetzungsfrist alle Vergabeverfahren mit elektronischen Mitteln durchführen, von gerechtfertigten Ausnahmen abgesehen.

Der Vorschlag enthält auch gestraffte Bestimmungen zur Regulierung bestimmter elektronischer Verfahren und Instrumente, z.B. dynamische Beschaffungssysteme (DPS - Dynamic Purchasing Systems), elektronische Auktionen (e-Auktionen) und elektronische Kataloge (e-Kataloge). Darüber hinaus soll e-CERTIS zwei Jahre nach der Umsetzungsfrist zur verbindlichen Clearing-Stelle werden. In CERTIS sollen die Zertifikate und Erklärungen archiviert werden, die bei Vergabeverfahren eventuell zur Bewertung von Bietern angefordert werden, ferner sollen dort die Gleichwertigkeitskriterien für die Mitgliedstaaten festlegt werden. Damit sollen größere Klarheit und mehr Rechtssicherheit gewährleistet werden, insbesondere bei grenzübergreifender Angebotsabgabe, wenn es um eventuell von den Mitgliedstaaten verlangte Zertifikate und Erklärungen geht19.

Die Bestimmungen zur e-Vergabe im Vorschlag über den Versorgungssektor20 sind denen des traditionellen Sektors sehr ähnlich. Der Vorschlag über Konzessionen21 enthält ebenfalls Anforderungen für elektronische Kommunikationsmittel und sieht eine Übergangsfrist von fünf anstatt von zwei Jahren vor. Bei Annahme der Kommissionsvorschläge bis Ende 2012 (der vom informellen Europäischen Rat vom 30. Januar 2012 gebilligten Frist) könnte die große Mehrheit der unter die Vorschläge fallenden Vergabeverfahren bis Mitte 2016 auf elektronischem Weg abgewickelt werden.

Unter anderem unterstützen die Vorschläge auch den Austausch von Informationen und bewährten Praktiken über das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI), eine gesicherte Online-Anwendung, die den zuständigen Behörden im EWR eine rasche und einfache Kommunikation mit ihren Kollegen in anderen Ländern gestattet. In Zukunft könnte geprüft werden, ob Synergien zwischen dem IMI und e-CERTIS möglich sind.

Die stufenweise Einführung der e-Vergabe soll allen Akteuren ausreichend Zeit lassen, die operationellen Herausforderungen zu bewältigen, gleichzeitig aber gewährleisten, dass sich dabei das Tempo beschleunigt und dass alle Mitgliedstaaten dem gleichen allgemeinen Zeitplan folgen. Dabei soll ein längeres Nebeneinander elektronischer und papiergestützter Verfahren vermieden werden, das die Kosten für Vergabebehörden und Wirtschaftsakteure gleichermaßen beträchtlich erhöhen würde. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, die notwendigen Vorarbeiten möglichst bald in Angriff zu nehmen, um eine zeitnahe Einhaltung dieser Bestimmungen sicherzustellen. Die Kommission wird den Fortschritt in den Mitgliedstaaten beobachten und darüber öffentlich Bericht erstatten, wie in Punkt 3.5 vorgesehen.

Die Vorschläge der Kommission unterstützen die Interoperabilität von e-Vergabe-Systemen und enthalten Bestimmungen, die dafür sorgen sollen, dass Zulieferer bei Angeboten in verschiedenen Systemen nicht auf technische Hemmnisse stoßen.

Zu diesem Zweck soll die Kommission die Befugnis erhalten, in bestimmten Bereichen delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Anwendung bestimmter technischer Standards verbindlich zu machen. Als Grundlage hierfür könnten Arbeiten der einschlägigen Normenorganisationen sowie Empfehlungen der Expertengruppe für die e-Vergabe dienen (vgl. Punkt 3.2). Außerdem werden im Kontext der Digitalen Agenda für Europa Leitlinien zur Anwendung von Standards bei der Beschaffung von IKT-Systemen22entwickelt.

Auch wenn die Legislativvorschläge die Verwendung elektronischer Signaturen (eSignaturen) nicht verbindlich vorschreiben, so sollen sie doch für ein besseres Gleichgewicht zwischen der Schaffung der Flexibilität für öffentliche Behörden bei der Verwendung dieses Instruments und der Gewährleistung einer größeren grenzübergreifenden Interoperabilität von e-Signatur-Lösungen sorgen. Wenn öffentliche Behörden fortgeschrittene e-Signaturen benötigen, wie sie in der Richtlinie 1999/93/EG über elektronische Signaturen definiert sind, müssen sie e-Signaturen akzeptieren, die von einem qualifizierten elektronischen Zertifikat unterstützt werden, wie es in der vertrauenswürdigen Liste gemäß der Entscheidung 2009/767/EG der Kommission aufgeführt ist. Dieser Vorschlag unterstützt damit das im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie entwickelte Konzept.

Die Kommission bewertet derzeit den Rahmen für elektronische Identifizierung, Authentifizierung und Signatur, um Vertrauen und Sicherheit zu stärken und die unproblematische Verwendung und Interoperabilität solcher Systeme in der gesamten EU zu gewährleisten. Ein Legislativvorschlag wird voraussichtlich am Ende des zweiten Quartals 2012 vorgelegt.

Leitaktionen:

3.2. Förderung praktischer Lösungen auf der Grundlage bewährter Verfahren

Die jüngsten Legislativvorschläge sind eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung der e-Vergabe in der EU, reichen aber allein nicht aus. Zusätzlich sind eine Reihe nicht legislativer, flankierender Maßnahmen notwendig, um die Mitgliedstaaten bei der Umstellung auf e-Vergabe zu unterstützen und bestimmte praktische Probleme zu lösen, die diesen Prozess derzeit behindern.

Die IT-Technologie ist jetzt ausgereift genug für eine neue Generation von e-Vergabesystemen. Neue Paradigmen, die im Privatsektor bereits gängig sind, werden jetzt auch für öffentliche Käufer verfügbar und ermöglichen ihnen eine Vereinfachung und Straffung des Beschaffungsprozesses, ohne die öffentlichen Interessen in Frage zu stellen, denen dabei Rechnung zu tragen ist, z.B. Transparenz, Wettbewerb, Einbeziehung von KMU und Bietern aus anderen Ländern, usw.

Die Legislativvorschläge der Kommission anerkennen dieses Potenzial und basieren auf dem Prinzip der Vereinfachung, und diese Priorität sollte auch bei der praktischen Umsetzung von e-Vergabe-Lösungen beibehalten werden. Solche Lösungen sollten auf ein optimales Gleichgewicht zwischen Leistung, Kosteneffektivität und Zugänglichkeit abstellen und natürlich gleichzeitig den Bestimmungen des EU-Rechts entsprechen. Sie sollten in Einklang mit dem "Small Business Act" und gemäß dem Grundsatz "Vorfahrt für KMU in Europa" die volle Einbeziehung von KMU in den Beschaffungsmarkt gewährleisten. Insbesondere sollten die elektronische Angebotsabgabe (e-Abgabe) so zugänglich wie möglich gestaltet und Hemmnisse beseitigt werden, die neue Akteure bei manchen Plattformen oft von der Nutzung aufwändiger Registrierungs- oder Authentifizierungsverfahren abhalten, wobei mitunter Instrumente und Komponenten verwendet werden müssen, die nur im jeweiligen Land bestehen.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, hat die Kommission eine Expertengruppe für die e-Vergabe (e-TEG) eingesetzt und mit der Entwicklung eines Grundkonzepts für die Vorvergabephase der e-Vergabe beauftragt, das wiederum als Grundlage für die Entwicklung der besten Lösungen dienen soll. Dabei sollen Lösungen bevorzugt werden, die ein optimales Gleichgewicht zwischen Nutzerfreundlichkeit und anderen Attributen (z.B. Sicherheit) gewährleisten. Eine zentrale Aufgabe der e-TEG besteht in der Festlegung eines effektiven Modells für die e-Abgabe, da hier zur Zeit das größte Hindernis für eine weitere Verbreitung der e-Vergabe liegt. Laufende Normungsarbeiten, wie sie unter anderem vom CEN BIIWorkshop durchgeführt werden, sollen von der e-TEG einbezogen werden.

Unter Verwendung dieses Grundkonzepts als Bezugsmodell wird die e-TEG auch Empfehlungen für Maßnahmen der EU-Organe und der Mitgliedstaaten vorlegen, um zu gewährleisten, dass die Plattformen für die e-Vergabe einen grenzübergreifenden Zugang garantieren und von allen Wirtschaftsakteuren, insbesondere von KMU, einfach genutzt werden können, ohne jedoch die Mitgliedstaaten bei der Konzeption von Lösungen zu behindern, die nationalen Anforderungen optimal entsprechen und in bestehende Plattformen integriert werden können.

Gleichzeitig hat die Kommission eine Studie zum Benchmarking derzeitiger e-Vergabe-Praktiken in Europa in Auftrag gegeben. Aufgrund dieser Studie soll ein so genanntes "Golden Book" veröffentlicht werden, das anhand von Einzelfällen die besten praktischen Verfahren vorstellt, ausgehend von einer Überprüfung der derzeit bestehenden e-Vergabe-Plattformen anhand von Kriterien wie Zugänglichkeit, Nutzerfreundlichkeit und Kosteneffektivität. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollen dazu dienen, die Verbreitung und Übernahme solcher bewährter Praktiken durch die Mitgliedstaaten und öffentliche Behörden bei Investitionen in Infrastrukturen für die e-Vergabe zu fördern.

Leitaktionen:

3.3. Unterstützung der Schaffung der Infrastruktur für die e-Vergabe

Die Kommission hat grenzübergreifende Lösungen für die e-Vergabe durch PEPPOL (PanEuropean Public Procurement On-Line)23 unterstützt, ein Pilotprojekt, das zum Teil aus Mitteln des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) finanziert wird. PEPPOL ist keine Plattform für die e-Vergabe im eigentlichen Sinne, sondern liefert vielmehr die Interoperabilitätsbrücken, die zur Verknüpfung der in den Mitgliedstaaten bereits vorhandenen Plattformen erforderlich sind. Die Kommission hat die Absicht, nach dem Ende des Projekts Mitte 2012 die Nachhaltigkeit einer Reihe interoperabler PEPPOL-Lösungen zu unterstützen. Auch läuft derzeit eine neue Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des CIP zur Entwicklung umfassender, kohärenter und wieder verwendbarer Komponenten für öffentliche Dienste, die auf der Kombination und dem Abschluss der bei fünf derzeit laufenden CIP-Pilotprojekten (einschl. PEPPOL)24 durchgeführten Arbeiten aufbauen sollen.

Innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens hat die Kommission die Durchführung des Programms der Fazilität "Connecting Europe" (CEF)25 vorgeschlagen. Sein Ziel ist die Förderung von Investitionen für die Schaffung der Infrastruktur, die zur Bereitstellung grenzüberschreitender öffentlicher Dienste erforderlich ist (d.h. wesentliche Infrastrukturen für digitale Dienste im öffentlichen Interesse). Der vorgeschlagene Haushalt für diese Infrastrukturen beläuft sich auf etwa 2 Mrd. EUR, und die e-Vergabe würde einer der wichtigsten in Frage kommenden Dienste sein. Derzeit wird davon ausgegangen, dass Projekte, die im Rahmen der CEF finanziert werden, 2014-2015 anlaufen.

Ferner wird die Kommission innerhalb des vorgeschlagenen Gemeinsamen Strategischen Rahmen die Strukturfonds nutzen, um die CEF-Investitionen zu ergänzen und den Einsatz der e-Vergabe bei den öffentlichen Verwaltungen in ganz Europa zu fördern.

Leitaktionen:

3.4. Verbreitungsstrategie

Zur Überwindung der Trägheit mancher Akteure (siehe Punkt 3) wird die Kommission eine umfassende Verbreitungsstrategie aufstellen, um Vergabebehörden und Zulieferer über die Vorteile der e-Vergabe zu unterrichten und aufzuzeigen, wie diese Vorteile möglichst optimal genutzt werden können. Sie wird sich hierbei unter anderem folgender Instrumente bedienen:

Die Kommission plant ferner eine jährliche hochrangige Konferenz zur e-Vergabe, um Akteuren aus vielen verschiedenen Bereichen die Möglichkeit zu geben, die jüngsten Entwicklungen im Bereich der e-Vergabe zu erörtern. Die erste Konferenz wird Mitte 2012 stattfinden.

Leitaktionen:

3.5. Überwachung der Verbreitung der e-Vergabe und des erzielten Nutzens

Um die Verbreitung der e-Vergabe begleiten und lenken zu können, müssen EU und Entscheidungsträger der nationalen Politik in der Lage sein, Entwicklungen zu verfolgen und die Auswirkungen der Veränderungen zu messen. Die EU sowie die politischen Entscheidungsträger auf nationaler und lokaler Ebene haben gleichermaßen ein Interesse an zuverlässigen und vergleichbaren Informationen, um die Umstellung von traditionellen auf elektronische Verfahren optimieren zu können. Daher müssen Indikatoren entwickelt werden, die ein umfassendes Bild von der Verbreitung der e-Vergabe und den dadurch erzielten Effizienzgewinnen vermitteln.

Um diese wichtige Voraussetzung zu erfüllen, hat die Kommission eine Studie zur Entwicklung EU-weiter Indikatoren für die e-Vergabe in Auftrag gegeben. Das Projekt wird Aufschluss über die erzielten Fortschritte geben und die konzeptuellen Grundlagen für ein künftiges System der Berichterstattung über die Nutzung und die wirtschaftlichen Auswirkungen der e-Vergabe in der gesamten EU liefern. Voraussetzung für diese Berichterstattung wird es sein, dass die Plattformen für die e-Vergabe nach dem Abschluss der Umstellung auf e-Vergabe homogene Indikatordaten liefern können. Die gewonnenen Daten können dann gesammelt und auf verschiedenen Ebenen verarbeitet werden, um nahezu in Echtzeit und EU-weit Informationen über alle Vergabevorgänge in der erforderlichen Detailliertheit zu erhalten.

Um den stetigen Fortschritt im Hinblick auf die Erreichung des Ziels der vollständig elektronischen Vergabe in der EU zu unterstützen, will die Kommission sowohl die Verbreitung der e-Vergabe als auch ihre wirtschaftlichen Auswirkungen intensiv überwachen und bis Mitte 2013 einen Bericht über die e-Vergabe veröffentlichen. Dieser Bericht soll den erreichten Fortschritt sowie etwaige noch offene Fragen dokumentieren und Empfehlungen zum weiteren Vorgehen enthalten. Auch für den Bericht sollen die im Rahmen der oben genannten Studie zu entwickelnden Indikatoren herangezogen werden.

Leitaktionen:

4. Führung durch Vorbild

Als großer Auftraggeber anerkennt die Europäische Kommission ihre eigene Verantwortung für die Erzielung des günstigsten Angebots und die Gewährleistung der optimalen Effizienz und Effektivität ihrer eigenen Vergabeverfahren. Hierzu gehört auch die Steigerung des Potenzials der e-Vergabe.

Sowohl die Digitale Agenda für Europa26 als auch der eGovernment-Aktionsplan für 1027 verpflichteten die Europäische Kommission zur Umsetzung "eines ehrgeizigen Aktionsplans e-Kommission 2010-2015, der auch eine vollständig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge, eine Strategie für Informationen des öffentlichen Sektors und eine Transparenzpolitik umfasst." Die Kommission wird den Aktionsplan e-Kommission voraussichtlich bis zum Ende des zweiten Halbjahrs 2012 verabschieden.

Die Kommission führt bereits Pilotprojekte sowohl in der Vor- als auch in der Nach-Vergabephase durch, z.B. die Projekte e-Tendering28 und e-Prior29. Diese Projekte sollen in eine umfassende Lösung integriert werden, die alle Phasen der Vergabekette abdeckt. Dank dem Projekt e-Prior (umgesetzt im Rahmen des ISA-Programms30) wird die e-Rechnung in der Generaldirektion Informatik der Kommission (DIGIT) seit 2009 angewendet, mit beträchtlichen Vorteilen gegenüber den traditionellen Rechnungen auf Papier, z.B.: bessere Datenqualität, schnellere Verarbeitungszeiten, keine Dateneingabe und kein Einscannen von Anhängen, was zu einer beträchtlichen Verringerung von Fehlern durch den Menschen führt. Außerdem werden seit Anfang 2012, e-Rechnungen (sowie allmählich auch andere Verfahren der e-Vergabe) verbindlich für andere Generaldirektionen der Kommission und für Europäische Agenturen, die Rahmenverträge der GD DIGIT verwenden.

Im Mittelpunkt der nächsten Entwicklungsphase wird ein System für die elektronische Angebotsabgabe stehen - wahrscheinlich die schwierigste Komponente der Vor-Vergabephase. Eine Durchführbarkeitsstudie mit anschließender Pilotanwendung sind noch vor Ende 2012 geplant. Das System soll vollständig interoperabel mit der im Rahmen des PEPPOL-Projekts entwickelten Infrastruktur sein. Außerdem wurde die Software für externe Nutzer als Open-Source-Lösung zugänglich gemacht, was auch weiterhin geschehen soll. Derzeit wird "Open e-Prior" von Vergabebehörden in mehreren Ländern, darunter Griechenland, Norwegen und Portugal, im Hinblick auf seine Verwendbarkeit erprobt.

Die Europäische Kommission möchte die Umstellung auf vollständig elektronische Vergabe, auch in der Vor- und der Nachvergabephase, bis Ende Juni 2015 abschließen und damit ihre Verpflichtungen gemäß der Digitalen Agenda für Europa und dem e-Government-Aktionsplan einhalten. Der hochrangige IT-Ausschuss der Kommission (HLCIT) beschloss im Dezember 2011, die notwendigen Vorarbeiten in Gang zu setzen. Die Europäische Kommission wird auch mit anderen Einrichtungen, Stellen und Agenturen der EU eng zusammenarbeiten, um sie bei der etwaigen Integration von e-Vergabe-Lösungen in ihre bestehenden Vergabeverfahren zu unterstützen.

Leitaktionen:

5. Internationale Dimension der E-VERGABE

Der aktuelle Text der Welthandelsorganisation (WTO), das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA - Government Procurement Agreement), enthält nur sehr begrenzte Vorschriften zur e-Vergabe und bestimmt lediglich, dass die Vertragsparteien einander regelmäßig zu Entwicklungen in diesem Bereich konsultieren. Die jüngst vereinbarte Fassung des GPA bedeutet jedoch eine Richtungsänderung, denn sie anerkennt die Bedeutung der Nutzung elektronischer Instrumente für die Vergabe und ihrer Förderung, während elektronisch vergebene Aufträge jetzt sogar explizit in den Geltungsbereich des Abkommens einbezogen sind. Es werden allgemeine Grundsätze zur Verwendung elektronischer Instrumente formuliert, während spezifische Vorschriften unter anderem für die elektronische Veröffentlichung der Bekanntmachungen und die Durchführung elektronischer Auktionen gelten. Neben diesen rechtlichen Bestimmungen werden informelle Konsultationen zwischen Vertretern der verschiedenen Rechtssysteme zur Verwendung von e-Vergabe-Systemen von zentraler Bedeutung sein, um neue Hemmnisse für die grenzübergreifende Vergabe zu vermeiden. Die allgemeine Anwendung internationaler Normen von hoher Qualität sollte die Voraussetzungen für den notwendigen Grad an Offenheit und Interoperabilität schaffen.

Angesichts der zunehmend wichtigen internationalen Dimension der e-Vergabe muss die Offenheit der e-Vergabe-Systeme für Bieter aus allen Rechtssystemen, insbesondere unter den Parteien des GPA der WTO, gewährleistet werden. Die Europäische Kommission wird sich daher bemühen, ihre Beteiligung bei den relevanten internationalen Normungsforen auszubauen und die e-Vergabe systematischer in bilaterale Regulierungsdialoge mit ihren wichtigsten Handelspartner einzubeziehen.

LEITAKTION:

6. Schlussfolgerung

Die Umstellung auf die vollständig elektronische Vergabe (e-Vergabe) ist in erster Linie keine technische oder technologische Herausforderung. Es handelt sich zu allererst um eine wirtschaftliche und politische Herausforderung, die ohne ein starkes Engagement auf oberster politischer Ebene nicht zu bewältigen ist. Die Kommission ersucht daher die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament um ein klares politisches Signal ihrer Entschlossenheit, sich dieser Herausforderung zu stellen, insbesondere durch Verabschiedung des überarbeiteten Legislativpakets zum öffentlichen Auftragswesen noch vor Ende dieses Jahres, damit die vollständige Umstellung auf e-Vergabe in der EU bis Mitte 2016 erfolgreich durchgeführt werden kann.