Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des VerwaltungsVollstreckungsgesetzes

924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014

A

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein:

Der Bundesrat hat keine Bedenken gegen die Ziele des Gesetzentwurfs, im Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz eine Vollstreckungspauschale vorzusehen sowie die Höhe des Zwangsgeldes und der Mahngebühr anzupassen.

Der Bundesrat bittet jedoch die Bundesregierung, zügig Regelungsvorschläge vorzulegen, um die Nachteile zu beseitigen, die im Rahmen der Sachaufklärung bei der Vollstreckung öffentlichrechtlicher Geldforderungen durch die Vollstreckungsbehörden gegenüber der Vollstreckung privatrechtlicher Geldforderungen durch die Gerichtsvollzieher bestehen. Nur so kann die Gleichrangigkeit von öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Zwangsvollstreckung wieder hergestellt werden.

Begründung:

Am 1. Januar 2013 ist das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) in Kraft getreten. Wesentliches Ziel des Gesetzes ist es, die für den Erfolg der Zwangsvollstreckung wichtigen Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu verbessern. Sie sollen schon zu Vollstreckungsbeginn einsetzen und durch ergänzende Fremdauskünfte wirkungsvoll gestärkt werden. Den Gerichtsvollziehern stehen u.a. Auskunftsrechte zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners ( § 755 ZPO) sowie zur Ermittlung seines Vermögens gegenüber Dritten ( § 802l Absatz 1 ZPO) zur Verfügung. Parallel zu diesen Auskunftsrechten wurden in den einschlägigen Vorschriften des Bundesrechts Datenübermittlungsbefugnisse für öffentliche Stellen geschaffen.

Den für die Vollstreckung öffentlichrechtlicher Geldforderungen zuständigen Vollstreckungsbehörden stehen die Möglichkeiten der Gerichtsvollzieher zur Informationsgewinnung nur teilweise zur Verfügung. Einzelne bundesrechtliche Vorschriften gestatten Datenübermittlungen an Gerichtsvollzieher, nicht aber an Vollstreckungsbehörden. So dürfen Gerichtvollzieher beispielsweise zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners Auskünfte bei der Ausländerbehörde oder beim Kraftfahrt-Bundesamt einholen und diese die Auskünfte auch übermitteln (§ 755 Absatz 2 Satz 1 ZPO, § 90 Absatz 6 AufenthG, § 35 Absatz 4c StVG), gegenüber Vollstreckungsbehörden bestehen diese Übermittlungsbefugnisse nicht. Auch die sogenannte Kontenstammdatenabfrage über das Bundeszentralamt für Steuern nach § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ZPO ist aufgrund des § 93 Absatz 8 Satz 2 AO, der für das Abrufverfahren für andere als die in Satz 1 genannten Zwecke die Zulassung durch ein Bundesgesetz voraussetzt, auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers beschränkt. Eine bundesgesetzliche Vorschrift für die Vollstreckungsbehörden fehlt. In der Beschlussempfehlung und im Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung ist Folgendes festgehalten (vgl. BT-Drucksache 016/13432, Seite 47, zu Artikel 2 Nummer 2 alt und 3 alt):

"Für öffentlichrechtliche Forderungen wird im Zuge einer Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes in der kommenden Legislaturperiode eine entsprechende Regelung geschaffen werden."

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Erfolgsaussichten der Vollstreckung öffentlichrechtlicher Geldforderungen wegen des Fehlens entsprechender Sachaufklärungsbefugnisse gegenüber der Vollstreckung privatrechtlicher Geldforderungen zurückstehen. Die privatrechtliche und die öffentlichrechtliche Zwangsvollstreckung sind gleichrangig. Im Interesse der öffentlichen Finanzen muss die erforderliche "Waffengleichheit" in den beiden Vollstreckungsbereichen zügig wieder hergestellt werden.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 19a VwVG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Einführung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Vollstreckungspauschale zu einer vermehrten Inanspruchnahme der Möglichkeit der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung durch die Anordnungsbehörden führt. Bejahendenfalls wäre mit Blick auf die Belastung der Landeskassen die Privilegierung der anordnenden Behörden im Rahmen der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung durch die Möglichkeit der gebühren- und kostenbefreiten Wahrnehmung von Gerichtsvollzieherdiensten in Frage zu stellen.

Begründung:

In § 19a VwVG-E ist die Schaffung einer Vollstreckungspauschale vorgesehen. Der Bundesfinanzverwaltung soll hierdurch in den Fällen der Vollstreckung zollfremder Forderungen die Möglichkeit eröffnet werden, bei den Anordnungsbehörden, die der Bundesfinanzverwaltung Vollstreckungsanordnungen übermitteln, ab dem 1. Juli 2014 eine Vollstreckungspauschale zum Ausgleich der beim Vollstreckungsschuldner uneinbringlichen Gebühren und Auslagen zu erheben.

Die Hauptzollämter vollstrecken als Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung zu weit über 90 Prozent Vollstreckungsanordnungen von circa 800 anderen Behörden und Stellen, insbesondere der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, der gesetzlichen Krankenkassen oder der Bundesagentur für Arbeit. Entstehende Vollstreckungskosten können häufig nicht beigetrieben werden, die Einnahmeverluste gehen zu Lasten des Haushalts der Bundesfinanzverwaltung. Mit der Schaffung der Vollstreckungspauschale in § 19a VwVG-E sollen diese Verluste entsprechend dem Verursacherprinzip auf die Anordnungsbehörden verlagert werden.

Die meisten der betroffenen Anordnungsbehörden haben als Sozialleistungsträger die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung alternativ in entsprechender Anwendung der ZPO zu betreiben (§ 66 Absatz 4 SGB X, vgl. BR-Drucksache 225/14 (PDF) , S. 9).

Sollte es bei dieser Wahlmöglichkeit der Sozialleistungsträger verbleiben, ist zu bedenken, dass viele der betroffenen Anordnungsbehörden infolge der Einführung einer Vollstreckungspauschale hiervon Gebrauch machen und die Zwangsvollstreckung alternativ in entsprechender Anwendung der ZPO durch Beauftragung einer Gerichtsvollzieherin bzw. eines Gerichtsvollziehers betreiben werden, um dadurch die Auftragserledigung kostengünstiger zu erreichen.

Gemäß § 2 GvKostG ist ein Großteil der Anordnungsbehörden gebühren- oder sogar kostenbefreit. In beiden Fällen ist, soweit die Kosten nicht bei dem Vollstreckungsschuldner eingezogen werden können, die Inanspruchnahme der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher für den Auftraggeber kostenfrei, wobei im ersten Fall lediglich die entstehenden Auslagen (KV 701 bis 716 GvKostG) von dem Auftraggeber zu erstatten sind, während im zweiten Fall die Auslagen - mit Ausnahme der Wegegelder - aus der Landeskasse getragen werden (§ 7 GVO).

Danach würden die Einnahmeverluste des Haushalts der Bundesfinanzverwaltung nicht auf den Verursacher, sondern sowohl auf die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher als auch auf die Landeskasse verlagert, wobei - je nach Auftragsvolumen - erhebliche finanzielle Nachteile zu befürchten sind.

Ohne Kenntnis der Auftragszahlen und der Höhe der Vollstreckungspauschale sowie mangels Absehbarkeit des Beauftragungsverhaltens der Anordnungsbehörden kann der Umfang der Verlagerung auf den Gerichtsvollzieherbereich nicht prognostiziert werden. Unabhängig hiervon erscheint es fraglich, ob die infolge der Reform der Sachaufklärung hoch belasteten Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher dem ggf. erheblichen Auftragszuwachs zum jetzigen Zeitpunkt gewachsen sind.

3. Zu Artikel 2 Satz 2 (Inkrafttreten)

In Artikel 2 Satz 2 ist das Datum "1. Juli 2014" durch das Datum "1. Januar 2015" zu ersetzen.

Begründung:

Nach Artikel 2 Satz 2 ist für die Regelungen zur Vollstreckungspauschale ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 1. Juli 2014 vorgesehen. Mehrere Länder wenden das Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes über eine dynamische Verweisung in ihren Landesgesetzen entsprechend an. Es ist geboten, diesen Ländern Gelegenheit zu geben, die Auswirkungen der Einführung der Vollstreckungspauschale zu prüfen, um gegebenenfalls erforderliche Anpassungen in ihren Gesetzen zeitgleich vornehmen zu können. Die Prüfung der Vereinbarkeit mit eigenen Überlegungen bzw. Instrumenten zur Beteiligung der mittelbaren Landesverwaltung an den Vollstreckungskosten und die Veranlassung einer gegebenenfalls erforderlichen Anpassung des Landesrechts ist bei einem rückwirkenden Inkrafttreten der beabsichtigten Regelung bereits zum 1. Juli 2014 nicht rechtzeitig realisierbar.

B

4. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss und der Gesundheitsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.