Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. Februar 2009 zur Beseitigung der geschlechtsbedingten Diskriminierung und zur Solidarität zwischen den Generationen (2008/2118(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 102998 - vom 5. März 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 3. Februar 2009 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass Frauen und Männer im Hinblick auf die Menschenwürde sowie im Hinblick auf ihre Rechte und Pflichten gleich sind,

B. in der Erwägung, dass die Gleichbehandlung von Frauen und Männern ein Leitgrundsatz der Rechtsordnung ist und als solcher bei der Auslegung und Anwendung der Rechtsvorschriften einzubeziehen und zu beachten ist,

C. in der Erwägung, dass die Kluft zwischen Frauen und Männern in allen anderen Bereichen der Beschäftigungsqualität fortbesteht, z.B. bei der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, und in der Erwägung, dass die Beschäftigungsrate bei Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern bei nur 62,4 % im Vergleich zu 91,4 % bei Männern liegt; in der Erwägung, dass 76,5 % der Teilzeitarbeitnehmer Frauen sind,

D. in der Erwägung, dass die Lissabon-Strategie darauf abzielt sicherzustellen, dass 60 % der erwerbsfähigen Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen; in der Erwägung, dass die quantitativen und qualitativen Ziele der Lissabon-Strategie und die neuen integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung10 - insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigung von Frauen und von Erwachsenen im allgemeinen - bestimmt werden vom Bewusstsein für die Unvertretbarkeit der Verschwendung dieser Ressourcen und ihres Potentials sowie der Risiken für den Fortbestand der Renten- und Sozialschutzsysteme,

E. in der Erwägung, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen voraussetzt, dass keinerlei - direkte oder indirekte - Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und insbesondere aufgrund von Mutterschaft, der Übernahme von Familienpflichten oder des Personenstands stattfindet,

F. in Erwägung, dass nach den in der oben genannten Mitteilung der Kommission vom 12. Oktober 2006 enthaltenen Daten die Geburtenrate in Ländern und Regionen mit hoher Frauenbeschäftigungsquote und Sozialschutzsystemen höher ist,

G. in der Erwägung, dass die drei wesentlichen Herausforderungen, die sich der Union stellen - demografischer Wandel, Globalisierung und Klimawandel - eine Solidarität zwischen den Generationen auf der Grundlage eines breit angelegten Generationenvertrags, aber auch eines Vertrags zwischen den Geschlechtern erforderlich machen,

H. in der Erwägung, dass dem Vertrag zwischen den Geschlechtern und Generationen die Möglichkeit zugrunde liegen muss, das eigene Arbeits- und Privatleben zu organisieren und die ökonomischen und produktiven Anforderungen der Berufstätigkeit mit der Möglichkeit in Einklang zu bringen, Zeiten und Verpflichtungen innerhalb eines Rahmens gesetzlich und vertraglich festgelegter Rechte auszuwählen,

I. in der Erwägung, dass die Verantwortung der Generationen füreinander einen aktiven Ansatz der öffentlichen Gewalten und eine Vorreiterrolle aller Sozialakteure erfordert, wenn eine qualitativ gute Daseinsvorsorge und angemessene, hinreichende Fürsorge- und Sozialsysteme gewährleistet sein sollen,

J. in der Erwägung, dass die Präsenz der Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt mit kulturellen Veränderungen und Reformen verbunden ist, mit denen sich eine Politik der Vereinbarkeit von Berufs-, Familien- und Privatleben und Maßnahmen zur Neuverteilung der Rollen verwirklichen lassen; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen verschiedene Aspekte betreffen, die allerdings eng miteinander verbunden sind, von der zeitweisen Arbeitszeitverkürzung über die Umwandlung des Lohnarbeitsvertrags in einen Teilzeitvertrag und die Inanspruchnahme von Urlaubszeiten (Mutterschafts-, Vaterschafts-, Eltern- und Familienurlaub) bis hin zum Netzwerk für persönliche Dienstleistungen,

K. in der Erwägung, dass der demografische Wandel erheblichen Einfluss auf das Privat- und Erwerbsleben der Menschen hat, dass die Knappheit an Dienstleistungen, das geringe Einkommensniveau, die nur langsame Eingliederung in den Erwerbstätigkeitsmarkt, die stetige Verlängerung befristeter Arbeitsverträge und unzureichende Anreize für junge Frauen und Männer zu den Gründen gehören, die diese veranlassen, die Entscheidung dafür, eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, hinauszuschieben; in der Erwägung, dass die Starrheit der Arbeitsorganisation und die Schwierigkeit der Wiedereingliederung nach einer Phase der Pflegearbeit es schwierig machen, Entscheidungen für die Vereinbarung von Berufs- und Privatleben, etwa durch Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit und Familienarbeit, frei zu treffen,

L. in der Erwägung, dass die Beseitigung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in erster Linie und im Allgemeinen nicht nur die Frauen und Mütter, sondern auch die Männer und Väter betrifft; in der Erwägung, dass alle politischen Maßnahmen in diesem Bereich sich nicht länger ausschließlich auf die Frau konzentrieren sollten und dass die europäischen und nationalen Politiken künftig den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Männer und Väter in diesem Bereich Rechnung tragen sollten,

M. in der Erwägung, dass nachgedacht werden muss über den Begriff Diskriminierung für Pflegearbeit, der mit der Inanspruchnahme von Mutterschafts-, Vaterschafts-, Eltern- und Familienurlaub verbunden ist, damit geprüft werden kann, ob diese Diskriminierung eine Form der geschlechterbezogenen Diskriminierung ist; in der Erwägung, dass der Begriff der Mehrfachdiskriminierung auf europäischer Ebene geprüft werden muss,

N. in der Erwägung, dass sich der Begriff der Solidarität zwischen den Generationen nicht auf Kinderbetreuung beschränkt, sondern auch die Verantwortung für alte und pflegebedürftige Menschen umfasst und dazu beiträgt, dass die Würde des Menschen - insbesondere auch bei den künftigen Generationen - geachtet wird,

O. in der Erwägung, dass im Bereich der Solidarität zwischen den Generationen große Armut kein diskriminierender Faktor sein darf und dass auch die ärmsten Familien Bindungen und Tätigkeiten als Ausdruck der Solidarität zwischen den Generationen aufrechterhalten,

P. in der Erwägung, dass die Person, die ihre Zeit und ihre Fähigkeiten der Erziehung von Kindern oder der Betreuung eines alten Menschen widmet, von der Gesellschaft anerkannt werden sollte und dass dieses Ziel erreicht werden könnte, wenn dieser Person eigene Rechte, insbesondere im Bereich der Sozial- und Rentenversicherung, zugesprochen würden,

Q. in der Erwägung, dass die erzieherische Rolle der Eltern gegenüber Kindern und der Kinder gegenüber älteren und pflegebedürftigen Menschen sowie die Rolle der Frauen und der Männer gegenüber älteren und pflegebedürftigen Menschen von wesentlicher Bedeutung für die Förderung des Gemeinwohls sind und als solche durch Querschnittsmaßnahmen auch für solche Frauen und Männer anerkannt werden muss, die frei entscheiden, sich dieser Tätigkeit ganz oder teilweise zu widmen,

R. in der Erwägung, dass die Kommission bereits im Oktober 2003 ein Verfahren zur Anhörung der Sozialpartner zum Thema Vereinbarkeit des Berufs-, Familien- und Privatlebens eingeleitet hat, das sich nun in der zweiten Phase befindet und auf der Bedeutung von Maßnahmen und Instrumenten beruht, die die Kombination qualitativ guter Arbeit mit der Verantwortung von Frauen und Männern in der Pflegearbeit ermöglichen,

S. in Erwägung, dass Männer eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung einer echten Gleichstellung spielen,

T. unter Berücksichtigung der auf Frauen anwendbaren Grundsätze der Flexicurity, die in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. November 2007 zu gemeinsamen Grundsätzen für den Flexicurity-Ansatz11 enthalten sind, und in der Erwägung, dass in den meisten Regionen Europas die Arbeitszeitgestaltung für Personen mit Kindern nicht sehr hilfreich ist und dass Beschäftigte mit Kindern weniger Chancen auf Arbeitsplätze mit flexibler Arbeitszeitgestaltung haben als Beschäftigte ohne Kinder12,

U. in der Erwägung, dass Familienplanung, Privatleben und berufliche Ambitionen nur dann miteinander in Einklang gebracht werden können, wenn die betroffenen Personen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht wirklich Wahlfreiheit haben und durch politische und ökonomische Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene unterstützt werden, ohne dass daraus Nachteile entstehen, und wenn entsprechende Infrastrukturen zur Verfügung stehen,

V. in der Erwägung, dass insbesondere für Frauen/Mütter die Gefahr "erzwungener" Teilzeitarbeit besteht, eine Entscheidung, die ihnen häufig auferlegt wird, weil keine erschwinglichen Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen und außerdem die Gefahr besteht, dass die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeitsplätze abgelehnt wird, so dass die Vereinbarkeit von Berufs-, Familien- und Privatleben letztlich erschwert oder unmöglich gemacht wird,