Antrag der Länder Berlin, Thüringen
Entschließung des Bundesrates zur temporären (befristeten) Zahlung eines Coronabedingten Zuschlags i.H.vom 100 Euro monatlich für Leistungsbeziehende im SGB II, SGB XII und AsylbLG

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 12. Mai 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin und Thüringen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur temporären (befristeten) Zahlung eines Coronabedingten Zuschlags i.H. vom 100 Euro monatlich für Leistungsbeziehende im SGB II, SGB XII und AsylbLG zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 989. Sitzung des Bundesrates am 15. Mai 2020 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller

Entschließung des Bundesrates zur temporären (befristeten) Zahlung eines Coronabedingten Zuschlags i.H. vom 100 Euro monatlich für Leistungsbeziehende im SGB II, SGB XII und AsylbLG

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur befristeten Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB XII) sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) vorzulegen, der die Gewährung eines Coronabedingten befristeten Zuschlags i.H. vom 100 Euro monatlich für Leistungsbeziehende der genannten Rechtskreise für die Zeit der Corona-Pandemie beinhaltet.

Begründung:

Der Bundesrat stellt fest, dass mit dem Sozialschutz-Paket der Bundestag vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wichtige und richtige Vereinfachungen beim Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende und den lebensunterhaltssichernden Leistungen der Sozialhilfe auf den Weg gebracht hat. Die Vermögensprüfung wurde befristet ausgesetzt, Einkommensprüfungen erleichtert und die tatsächlichen Wohnkosten werden übernommen. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um in der Krise schnell und unbürokratisch Leistungen zu gewähren.

Durch die Corona-Pandemie sind viele Menschen auf Unterstützung angewiesen, weil sich durch Verlust des Arbeitsplatzes, ausbleibende Aufträge bei Selbstständigen, Kurzarbeit usw. die Lebenssituation einschneidend verändert hat. Dennoch trifft es die Bedürftigsten unserer Gesellschaft unvermittelt und mit besonderer Härte.

Die aktuelle Situation verschärft die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Betroffenen. Das Existenzminimum ist nicht mehr in allen Fällen gesichert.

Die Betroffenen, darunter viele Kinder und ältere Menschen, deren Rente zur Deckung des Lebensunterhalts nicht reicht, sind auf die Unterstützung mit Lebensmitteln angewiesen. Der hierfür im Regelbedarf vorgesehene Anteil erweist sich häufig als nicht ausreichend. So hat eine alleinstehende Person nur ca. fünf Euro täglich für Nahrungsmittel und Getränke zur Verfügung; für Kinder unter sechs Jahren sind es weniger als drei Euro. Die Möglichkeiten zum preisgünstigen Einkauf waren durch vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie auftretende Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln und Hygieneprodukten eingeschränkt. Häufig musste auf teurere Produkte bei Nahrungsmitteln und der Körperpflege ausgewichen werden. Dies gilt weiterhin. Im April 2020 liegen die Verbraucherpreise für frische Nahrungsmittel fast zehn Prozent über dem Vorjahresniveau. Beim Gemüse ist im April ein Preisanstieg von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu verzeichnen. Das kostenlose oder stark vergünstigte Mittagessen für Kita- und Schulkinder ist seit Schließung der Schulen und Kitas weggefallen. Die betreffenden Familien müssen seitdem selbst für die Mahlzeiten ihrer Kinder aufkommen. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene befristete Lösung einer anderweitigen Ausgabe des Mittagessens wird voraussichtlich nicht alle Kita- und Schulkinder erreichen können. Gleiches gilt für die Essensangebote der Tafeln. Sie sind seit der Corona-Krise geschlossen. Es gibt zwar schon Angebote der Tafel für Essensauslieferung (mobiler Service), die allerdings nicht flächendeckend sind, sodass hier weiterhin erheblicher Bedarf bei der Grundversorgung einkommensarmer Bevölkerungsschichten besteht. Dies alles bedeutet finanzielle Mehrbelastungen.

Auch die persönlichen Verbrauchskosten für Haushaltsenergie und Telekommunikation steigen angesichts des häuslichen Verbleibs. Familien triff diese Corona-Krise doppelt hart. Aufgrund des eingeschränkten Einzelhandels muss für die Besorgung notwendiger Dinge teilweise auf Versanddienstleister zurückgegriffen werden, die entsprechenden Versandkosten sind individuell zu tragen. Ein Internetzugang und entsprechende technische Endgeräte sind nunmehr existenzieller Bestandteil für den Einkauf von Waren sowie zum Erhalt sozialer Kontakte über Soziale Medien oder Videokonferenzen. Oft ist die Prepaid-Karte schnell aufgebraucht, weil ein Festnetz- oder Mobilfunkvertrag zu teuer ist. Durch die Begrenzung der Möglichkeiten zur persönlichen Vorsprache im Jobcenter oder in anderen Leistungsstellen oder Behörden, beim Vermieter oder Energieversorger ist eine Kommunikation regelmäßig nur telefonisch oder per Email möglich. Dies führt zu höheren Telekommunikationskosten. Oftmals sind die betreffenden Leistungsbeziehenden wegen Verbrauchs des Guthabens nicht mehr in der Lage, dringende Telefongespräche zu führen. Hier drohen weitere Einschränkungen bei der sozialen Teilhabe, die Versagung von Sozialleistungen bis hin zur Obdachlosigkeit.

Diese Auswirkungen der Krise auf diejenigen Menschen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, wurden bislang nur unzureichend berücksichtigt. Bei den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gab es keine gesetzlichen Änderungen, die den Zugang zu diesen Leistungen erleichtern.

Die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Veränderungen lassen die aktuellen Regelbedarfe als zu gering erscheinen. Daher ist ein temporärer, also befristeter Zuschlag in Höhe von 100 Euro monatlich auf die Regelsätze für die Zeit der Corona-Pandemie für Empfängerinnen und Empfänger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei den Asylbewerberleistungen zu gewähren, um das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.

Mit einem weitreichenden Ausbau des Kurzarbeitergeldes, Liquiditätssicherungen und Zuschussprogrammen für Unternehmen wurden für Unternehmen und Beschäftigte die schlimmsten Auswirkungen der Krise angegangen, um hohe Zahlen von Insolvenzen und Kündigungen zu verhindern. Die Sicherung des Existenzminimums sollte hinter diesen Anstrengungen nicht zurückfallen.