Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen, Hessen
Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung
(... StrRÄndG)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen, Hessen
Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung (... StrRÄndG)

Der Ministerpräsident des Saarlandes Saarbrücken, den 27. März 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Regierungen des Saarlandes, des Freistaates Thüringen und des Landes Hessen haben beschlossen, den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten

mit dem Antrag vorzulegen, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 821. Bundesratssitzung am 7. April 2006 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Peter Müller

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch , wird wie folgt geändert:

" § 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung

Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit vermittelt oder verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

I. Allgemeines

Die Selbsttötung und die Teilnahme daran sind straflos. Dagegen steht die Tötung auf Verlangen in § 216 StGB unter einer Strafandrohung.

In diesem Rahmen ist in den vergangenen Jahren vor allem über die aktive, die passive und die indirekte Sterbehilfe diskutiert worden. Auf Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/die GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 15/464) hat der Deutschen Bundestag in seiner 28. Sitzung am 20. Februar 2003 die Einsetzung der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" beschlossen.

Die Kommission hat mittlerweile ihren Bericht übergeben (Bundestagsdrucksache 15/5980). Aus dem Sachstandsbericht der Themengruppe "Menschenwürdig leben bis zuletzt" ergibt sich, dass die Beratungen im Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages noch nicht abgeschlossen waren, jedoch Einigkeit darüber bestand, dass jedenfalls die gegenwärtige Rechtslage zur aktiven Sterbehilfe in jedem Fall Bestand haben sollte und eine über die bestehenden Rahmenvorgaben hinausgehende Ausweitung von Sterbehilfe abgelehnt wurde.

Weitgehend unberücksichtigt geblieben ist dabei bisher indes die Rolle von Organisationen, die professionell Gelegenheiten zur Selbsttötung vermitteln. Deren Anliegen ist es, einer Vielzahl von Menschen eine "effiziente" Möglichkeit für eine Selbsttötung zu verschaffen. Im Vordergrund solcher Organisationen steht dabei nicht ein zuverlässiges und kontrolliertes Beratungsangebot über lebensbejahende Perspektiven, sondern allein die rasche Abwicklung des bereits gefassten Selbsttötungsentschlusses.

Besonders problematisch ist dabei, dass diese Organisationen auch solchen Menschen eine scheinbar leichte und schmerzlose Selbsttötungsmöglichkeit anbieten welche nicht hoffnungslos an unerträglichen und unheilbaren Krankheiten leiden. Anstatt den Leidenden und Lebensmüden Hilfe im Leben und im Sterben anzubieten, wird das aktive Beenden des Lebens selbst zum Gegenstand geschäftlicher Tätigkeit gemacht.

Allein durch die Existenz derartiger Einrichtungen kann ein, wenn auch nur subjektiv empfundener Erwartungsdruck entstehen, die Leistungen dieser Organisationen im Falle von unheilbaren Krankheiten oder im hohen Alter auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Es ist zu befürchten, dass das Angebot einer professionellen Vermittlung vermeintlich einfacher Selbsttötungen zu einer nicht unerheblichen Zunahme tatsächlicher Selbsttötungen führt.

Es besteht daneben die Gefahr einer Kommerzialisierung von Selbsttötungen, weil diese Organisationen neben Mitgliedsbeiträgen auch für ihre jeweiligen Einzelleistungen Geld fordern.

Diese Form der über den einzelnen, schweren Konfliktfall hinausgehenden zielgerichteten Förderung von Selbsttötungen ist als eine abstrakt das Leben gefährdende Handlung künftig unter Strafe zu stellen.

II. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine notwendige Folgeänderung.

Zu Nummer 2 ( § 217 StGB)

Mit der in das Strafgesetzbuch neu einzufügenden Regelung des § 217 wird das geschäftsmäßige Vermitteln oder Verschaffen von Gelegenheiten zur Selbsttötung unter Strafe gestellt.

Die Vorschrift ist systematisch in den Sechzehnten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB einzufügen, da es sich um eine Straftat gegen das Leben handelt. Für eine Regelung an dieser Stelle spricht daneben die enge inhaltliche Verknüpfung mit der bestehenden Regelung über die Tötung auf Verlangen in § 216 StGB. Dogmatisch handelt es sich bei § 217 StGB um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfehandlung.

Die Norm stellt die bestehende Straflosigkeit der Selbsttötung und der Beihilfe dazu nicht in Frage. Insbesondere bleibt die individuelle Hilfe beim Sterben, die durch enge Vertraute oder durch Angehörige von Heilberufen im Rahmen medizinischer Behandlung geleistet wird, wie bisher straflos, solange nicht die Grenze zu der bereits jetzt nach § 216 StGB verbotenen aktiven Sterbehilfe überschritten wird. Verboten wird künftig lediglich ein "geschäftsmäßiges Handeln".

Geschäftsmäßig im Sinne der Vorschrift handelt, wer die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht, und zwar auch dann, wenn er dabei ohne Erwerbsabsicht handelt. Daher steht auch die nicht entgeltliche Hilfeleistung oder die Hilfeleistung aus ideellen Motiven unter der Strafandrohung, soweit sie in organisierter oder gleichartig wiederkehrender Form erfolgt.

Vermitteln ist das Herstellen konkreter persönlicher Beziehungen zwischen dem Sterbewilligen und dem Gehilfen zur Selbsttötung. Zur Vermeidung von nicht akzeptablen Strafbarkeitslücken kann aber nicht nur auf (erfolgreiche) Vermittlungstätigkeiten abgestellt werden. Vielmehr muss alternativ auch die bloße Verschaffung von derartigen Gelegenheiten erfasst sein. Gelegenheiten verschafft, wer äußere Umstände herbeiführt welche die Selbsttötung wesentlich erleichtern. Nicht nur die eigene Verschaffung entsprechender Gelegenheiten durch den Täter ist somit von dem Tatbestand erfasst, sondern auch der Nachweis solcher Gelegenheiten bei Dritten.

Nicht erfasst ist dagegen der bloße individuelle Gedankenaustausch über eine Selbsttötung, beispielsweise in Internetforen, da es hier an einem "geschäftsmäßigen Handeln" fehlt. Nicht erfasst ist weiterhin die Veröffentlichung von zur Unterstützung der Selbsttötung geeigneten Informationen ohne konkreten Adressaten, wie sie beispielsweise in Büchern oder Presseerzeugnissen erfolgen kann, da es sich dabei nicht um das Verschaffen einer (konkreten) Gelegenheit handelt.

Auf subjektiver Seite ist hinsichtlich der Selbsttötung des Anderen und der eigenen Förderung dieser Handlung ein absichtliches Handeln erforderlich. Damit ist ausgeschlossen, dass auch solche Personen der Strafbarkeit unterfallen, die lediglich allgemeine Hinweise für eine mögliche Selbsttötung geben, ohne deren Umsetzung in einem konkreten Einzelfall zu wollen. Schließlich bleiben alle nach bisherigem Recht zulässigen ärztlichen Handlungsweisen im Bereich der Sterbehilfe auch weiterhin straflos (so beispielsweise die so genannte indirekte Sterbehilfe, vgl. BGHSt 40, 301, 305 und die so genannte passive Sterbehilfe, vgl. BGHSt 37, 376, 378 und BGHSt 40, 257, 263). Denn diese Handlungen erfolgen nicht in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, sondern Schmerzen und Leiden zu lindern.

Einer gesonderten Versuchsstrafbarkeit bedarf es nicht, da über die Merkmale des Verschaffens und Vermittelns einer Gelegenheit auch Tathandlungen im zeitlichen Vorfeld des eigentlichen Suizids erfasst sind.

Der vorgesehene Strafrahmen entspricht im Höchstmaß der Strafdrohung des § 216

StGB. Dies ist erforderlich, um auch solche Verhaltensweisen einer angemessenen Strafe zuführen zu können, in denen zu dem geschäftsmäßigen Handeln weitere erschwerende Umstände hinzutreten, zum Beispiel ein Handeln aus Gewinnsucht. Auf der anderen Seite lässt die Ausgestaltung des Strafrahmens ohne besondere Anordnung einer Mindeststrafe hinreichend Raum, um im Einzelfall auch bei weniger gravierenden Sachverhalten strafrechtlich angemessen reagieren zu können.

2. Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten. Es ist nicht erforderlich, den Zeitpunkt des Inkrafttretens aufzuschieben weil die Rechtsunterworfenen keine Zeit benötigen werden, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Der Rechtssetzungsprozess in diesem Bereich hat erhebliche Öffentlichkeitswirkung, so dass allen Betroffenen hinreichend Gelegenheit gegeben ist, sich rechtzeitig auf das Inkrafttreten der Regelung einzustellen.