Empfehlungen der Ausschüsse
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Binnenmarktakte - Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen "Gemeinsam für neues Wachstum" KOM (2011) 206 endg.

884. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2011

A

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Nummer 2.2.: Mobilität der Bürger

Zu Nummer 2. 10.: Sozialer Zusammenhalt

Zu Nummer 2.7.: Digitaler Binnenmarkt

Begründung zu Ziffern 7 bis 9 [(nur gegenüber dem Plenum)]:

Die in der Binnenmarktakte zu Nummer 2.7. genannte Leitaktion des Erlasses von Rechtsvorschriften für die EU-weite gegenseitige Anerkennung der E-Identifizierung und E-Authentifizierung sowie der Überarbeitung der EU-Signaturrichtlinie ist begrüßenswert. Damit würde für den Einsatz von E-Signaturen im EU-Binnenmarkt ein einheitlicher und verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen, der zu größerer Investitionssicherheit für Signatur-Diensteanbieter und stärkerer Verbreitung des Einsatzes von E-Signaturen im privaten wie öffentlichen Rechtsverkehr beitragen kann. Allerdings bedarf es hierbei der Beschränkung auf ein oder wenige Signaturstandards, um für Bund, Länder und Kommunen kostenintensive technische Entwicklungsleistungen und Infrastrukturen zu vermeiden, die bei gegenseitiger Validierung einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Signaturformate erforderlich würden.

Ein weiterer bedeutsamer Gesichtspunkt ist die Anpassung und Vereinheitlichung der nationalen und europäischen Rechtsterminologie, um Signatur-Akzeptanzprobleme der Nutzer zu minimieren und die Umsetzung europäischer Rechtsvorgaben auf nationaler Ebene zu erleichtern. Derzeit fallen insbesondere die Begriffsdefinitionen zu den unterschiedlichen Signaturtypen auseinander: Während nach deutschem Recht gemäß § 2 Nummer 2 SigG unter der "fortgeschrittenen elektronischen Signatur" die auf einem einfachen Zertifikat, ohne sichere Signaturerstellungseinheit beruhende Signatur verstanden wird, werden nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 1999/93/EG die Rechtsfolgen für "fortgeschrittene elektronische Signaturen, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen und die von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden" geregelt. Letztere entsprechen den Rechtswirkungen, die nach § 126a Absatz 1 BGB an die "qualifizierte elektronische Signatur" im Sinne des § 2 Nummer 3 SigG geknüpft werden. Terminologisch uneinheitliche Rechtsregelungen im nationalen und europäischen Recht sind jedoch geeignet, zur Verunsicherung der Hersteller bei der Entwicklung technischer Signaturkomponenten, der Zertifizierungsdiensteanbieter bei dem Angebot dieser Dienste sowie der Nutzer bei der Entscheidung über die Verwendung von Signaturen beizutragen. Die Folge könnten Wettbewerbsnachteile deutscher Signaturkartenhersteller und Zertifizierungsdiensteanbieter sowie eine mangelnde Akzeptanz elektronischer Signaturen in Deutschland beim Bürger und in der Wirtschaft sein. Die Vereinheitlichung der Rechtsterminologie im Bereich der elektronischen Signatur kann durch Anpassung der nationalen Begrifflichkeiten an die europäische Terminologie oder im Wege der Durchsetzung der deutschen Begriffsdefinitionen auf der europäischen Ebene erfolgen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss der Kommission 2011/130/EU, in welchem Signatur-Mindestanforderungen und -Referenzformate für die grenzüberschreitende Verarbeitung elektronischer Dokumente im Anwendungsbereich der EU-Dienstleistungsrichtlinie geregelt werden. Der Beschluss entfaltet unmittelbare Rechtswirkung für die Mitgliedstaaten als Adressaten. Danach haben die Mitgliedstaaten u.a. Vorkehrungen zu treffen, die es ihnen ermöglichen, elektronisch signierte Dokumente von Behörden anderer Mitgliedstaaten weiter zu verarbeiten, sofern diese mit einer fortgeschrittenen XML-, CMS- oder PDF-Signatur im BES- oder EPES-Format gemäß den im Anhang des Beschlusses festgelegten technischen Spezifikationen signiert worden sind.

Es ist davon auszugehen, dass der v. b. Beschluss, dessen Geltungswirkung auf den Anwendungsbereich der EU-Dienstleistungsrichtlinie beschränkt ist, Leitbildcharakter für andere Wirtschaftsbereiche der EU besitzen und Beispiel gebend für den beabsichtigten Erlass weiterer Rechtsakte nach Nummer 2.7. (Leitaktion) der Binnenmarktakte sein wird. Bei den im Beschluss spezifizierten Referenzformaten handelt es sich allerdings bisher lediglich um die Festlegung von "Container"-Formaten, mit denen die Einbindung der genannten Signaturen in Dokumente vorgegeben wird. Aus finanzieller und technischer Sicht weitaus größere Bedeutung besitzen demgegenüber diejenigen technischen Spezifikationen, die beispielsweise den Kryptoalgorithmus für die Verschlüsselung und die Programmierschnittstelle zur Zertifizierungsstelle (Certification Authority - CA) betreffen. Der Kryptoalgorithmus dient der fälschungssicheren Verschlüsselung der Signatur, während die Programmierschnittstelle zur CA für den sicheren Nachweis der Identität des Signaturinhabers und dessen Zuordnung zu einer bestimmten natürlichen Person notwendig ist. Die weitere Rechtsvereinheitlichung und Festlegung der Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung elektronischer Signaturen im EU-Binnenmarkt wird diese Spezifikationen zwingend mit zu berücksichtigen haben, um im finanzpolitischen Interesse aller Mitgliedstaaten die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der entsprechenden technischen Infrastrukturen auf einem angemessenen Niveau zu halten.

B