Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates

Der Bundesrat hat in seiner 946. Sitzung am 17. Juni 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 3 Absatz 5a BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a sind in § 3 Absatz 5a die Wörter "Infrastrukturen und Tätigkeiten" durch die Wörter "Infrastrukturen oder Tätigkeiten" zu ersetzen.

Begründung:

Anpassung an den Wortlaut der Richtlinie.

2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5b Satz 1 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 3 Absatz 5b Satz 1 nach den Wörtern "störfallrelevante Errichtung" die Wörter "und der Betrieb" einzufügen.

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die vorgeschlagene Legaldefinition in § 3 Absatz 5b BImSchG greift vom Wortlaut her zu kurz. Erfasst werden muss zum einen die (störfallrelevante) Neuanlage (Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2012/18/EU) und zum anderen die (störfallrelevante) Änderung einer bestehenden Anlage (Artikel 11 i.V.m. Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2012/18/EU) jeweils im Zusammenhang mit einem Betriebsbereich. Die immissionsschutzrechtliche

Neugenehmigung einer Anlage ist jedoch nicht begrenzt auf deren Errichtung, sondern umfasst Errichtung und Betrieb (vgl. § 4 Absatz 1 BImSchG). Dies sollte klar zum Ausdruck gebracht werden.

3. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5b Satz 1 BImSchG)*

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 3 Absatz 5b Satz 1 die Wörter "schwerer Unfälle" durch die Wörter "von Störfällen" zu ersetzen.

Begründung:

Für den in der Seveso-III-Richtlinie verwendeten Begriff "schwerer Unfall" wird im deutschen Immissionsschutzrecht seit jeher der Begriff "Störfall" verwendet. Es sollten nicht unterschiedliche Begriffe mit gleicher Bedeutung verwendet werden.

4. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5c Satz 1 BImSchG)*

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 3 Absatz 5c Satz 1 die Wörter "schwere Unfälle" durch das Wort "Störfälle" zu ersetzen.

Begründung:

Für den in der Seveso-III-Richtlinie verwendeten Begriff "schwerer Unfall" wird im deutschen Immissionsschutzrecht seit jeher der Begriff "Störfall" verwendet. Es sollten nicht unterschiedliche Begriffe mit gleicher Bedeutung verwendet werden.

5. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5c BImSchG)

Der Bundesrat unterstützt die Wahrung angemessener Sicherheitsabstände zwischen Betriebsbereichen und Schutzobjekten. Zugleich darf es keinen Zweifel geben, dass bei der Prüfung der Angemessenheit alle Gesichtspunkte einschließlich eines Bestandsschutzes und einer gewissen Entwicklungsmöglichkeit für Betriebsbereiche in gewachsenen Gemengelagen einfließen sollen.

Daher stellt der Bundesrat fest, dass der im vorliegenden Gesetzentwurf in § 3 Absatz 5c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes definierte Sicherheitsabstand, anders als in der Gesetzesbegründung erwähnt, nicht als der angemessene Abstand nach Artikel 13 der Seveso-III-Richtlinie zu verstehen ist. Der angemessene Abstand gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Seveso-III-Richtlinie und § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wird ausweislich der Rechtsprechung anhand störfallspezifischer Faktoren und sozioökonomischer Faktoren im Rahmen einer bauplanungsrechtlichen Abwägung bestimmt.

6. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5d BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b ist in § 3 Absatz 5d das Wort "Hauptverkehrswege" durch die Wörter "wichtige Verkehrswege" zu ersetzen.

Begründung:

Die Terminologie sollte mit dem § 50 BImSchG abgestimmt sein. Dementsprechend sollte das Wort "Hauptverkehrswege" durch die Wörter "wichtige Verkehrswege" ersetzt werden.

7. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 3 Absatz 5d BImSchG)

Der Bundesrat begrüßt, dass bei der Bestimmung der Schutzobjekte in § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Begriffe aus Artikel 13 der Richtlinie 2012/18/EU in den Gesetzentwurf übernommen werden. Er stellt insofern fest, dass das von den Fachministern der Länder beschlossene Konzept zur Konkretisierung der in der Richtlinie 2012/18/EU genannten Schutzobjekte in der Musterbauordnung mit der vorgesehenen Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vereinbar ist und diese ergänzt.

Begründung:

Die Frage, was ein benachbartes Schutzobjekt ist, kann im Störfallrecht und im Baurecht nur einheitlich beantwortet werden, da nicht vermittelbar wäre, wenn die Schutzbedürftigkeit zum Beispiel einer Wohngebietsbegegnungsstätte davon abhängig wäre, ob diese in der Nähe eines Betriebsbereichs geplant werden soll oder ob ein Betriebsbereich in der Nähe einer Begegnungsstätte verändert werden soll. Daher müssen im Störfallrecht und im Baurecht einheitliche Maßstäbe angelegt werden.

Die Länder sind bei ihrem Konzept zur Umsetzung des Artikels 15 der Richtlinie 2012/18/EU davon ausgegangen, dass der in Artikel 13 der Richtlinie 2012/18/EU verwendete Begriff des Wohngebiets nicht als Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung verstanden werden kann und haben daher entschieden, auch größere Einzelwohnbauvorhaben in der Nähe von Betriebsbereichen einer Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterziehen. Die Verwendung der Wörter "überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete" in § 3 Absatz 5d BImSchG-E verdeutlicht, dass jedenfalls kleinere Wohngebäude keine Schutzobjekte in diesem Sinn sind, da ein einzelnes Gebäude kein Gebiet sein kann.

Auch hinsichtlich des Schutzobjekts "öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete" in § 3 Absatz 5d BImSchG-E geht der Bundesrat davon aus, dass Einzelgebäude nur erfasst sind, wenn sie für die gleichzeitige Anwesenheit einer vergleichbar großen Zahl von Besuchern bestimmt sind.

8. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 15 Absatz 2a Satz 1 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b ist in § 15 Absatz 2a Satz 1 vor dem Wort "Anlage" das Wort "genehmigungsbedürftigen" einzufügen.

Begründung:

Es handelt sich um eine Klarstellung, dass § 15 Absatz 2a BImSchG ausschließlich für genehmigungsbedürftige Anlagen heranzuziehen ist.

9. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 15 Absatz 2a Satz 2 - neu - BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b ist in § 15 Absatz 2a nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:

"Insoweit kann die zuständige Behörde auch ein Gutachten zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands fordern."

Begründung:

Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf ist nicht eindeutig, ob die Behörde oder der Betreiber den angemessenen Sicherheitsabstand ermitteln muss. Ginge man davon aus, dass diese Ermittlung eine Aufgabe der Behörde ist, müsste diese einen Gutachter beauftragen und in den meisten Fällen ein Vergabeverfahren durchführen. Selbst wenn die Kosten für das Gutachten dem Betreiber auferlegt werden können, wird durch die Vergabe des Gutachtens ein nicht unerheblicher Mehraufwand für die Behörde entstehen. Da der Sicherheitsabstand anhand anlagenspezifischer Faktoren bestimmt wird und bei dessen Ermittlung wertende Elemente keine Rolle spielen, spricht nichts dagegen, dass die Pflicht zur Ermittlung des Sicherheitsabstands den Betreibern auferlegt wird. Die Behörde bleibt allerdings zuständig für die Festlegung des Sicherheitsabstandes und überprüft das vom Betreiber vorgelegte Gutachten auf dessen Richtigkeit.

10. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 16a Satz 1 BImSchG)*

In Artikel 1 Nummer 5 sind in § 16a Satz 1 die Wörter "unterschritten wird" durch die Wörter "erstmalig unterschritten wird oder der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand weiter unterschritten wird" zu ersetzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht als Tatbestandsvoraussetzungen lediglich vor, dass "... durch die störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand ..." unterschritten wird.

Daher würde in Fällen, in denen der angemessene Sicherheitsabstand vor einer störfallrelevanten Änderung bereits unterschritten war, die Anwendung von § 16a nicht ausgelöst.

Der Vorschlag gewährleistet somit eine notwendige Klarstellung.

11. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 16a Satz 2 BImSchG), Nummer 7 (§ 19 Absatz 4 Satz 5 BImSchG), Nummer 10 (§ 23b Absatz 1 Satz 2 BImSchG)

Der Bundesrat stellt fest, dass die in den §§ 16a, 19 Absatz 4 und 23b Absatz 1 BImSchG vorgesehene Möglichkeit zur Abschichtung auf vorgelagerte Planverfahren sowohl die Planung von Betriebsbereichen als auch die Planung von benachbarten Schutzobjekten umfasst, wenn in diesen Planverfahren dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.

Begründung:

Der angemessene Sicherheitsabstand ergibt sich als Abstand zwischen Betriebsbereich und benachbartem Schutzobjekt. Durch vorgelagerte Planverfahren - für Betriebsbereiche oder benachbarte Schutzobjekte - kann dieser Abstand festgelegt werden. Die Rechtsprechung des EuGH fordert, dass eine Berücksichtigung angemessener Abstände auf planerischer Ebene oder auf Ebene der Vorhabenzulassung stattfinden müsse. Der Verzicht auf die Berücksichtigung des angemessenen Abstands im Zulassungsverfahren wird dadurch möglich, dass man sich mit den ansonsten auf Ebene der Zulassung zu klärenden Fragen bereits im Planverfahren beschäftigt hat. Das Planverfahren muss dann nah an der konkreten Vorhabenzulassung liegen und verbindliche Vorgaben machen. Dies ist im Bebauungsplanverfahren dann der Fall, wenn dem Abstandsgebot bereits im Bebauungsplan Rechnung getragen wurde. Aus den entsprechenden Festsetzungen und aus der Begründung ergibt sich die Berücksichtigung des Abstands.

Da dem Flächennutzungsplan als vorbereitenden Bauleitplan keine Verbindlichkeit in Bezug auf die Vorhabenzulassung zukommt und auf dieser Planungsebene die konkreten Vorhaben regelmäßig nicht bekannt sind, kann insofern auf den Flächennutzungsplan nicht Bezug genommen werden.

12. Zu Artikel 1 Nummer 5, 6, 7 und 10 (§ 16a, § 17 Absatz 4, § 19 Absatz 4, § 23a und § 23b BImSchG)*

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine klarstellende Regelung zum Bestandsschutz aufzunehmen.

Begründung:

In § 16a, § 17 Absatz 4, § 19 Absatz 4 sowie § 23a und § 23b BImSchG ist unter anderem geregelt, dass eine Genehmigung erforderlich ist, wenn durch die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird.

Um klarzustellen, dass der Bestandsschutz hier Anwendung findet, sollte eine Regelung bestimmen, dass Genehmigungen nur erforderlich sind, wenn der angemessene Sicherheitsabstand zu Schutzobjekten durch das Vorhaben erstmals unterschritten wird oder der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand sich weiter verringert.

Mit einer solchen klarstellenden Regelung wäre gewährleistet, dass in den Fällen von geplanten Anlagenänderungen in vorhandenen Betriebsbereichen, in denen der angemessene Abstand bereits heute unterschritten ist, alleine hierdurch keine Genehmigungen erforderlich sind, soweit sich keine gegenüber dem Bestand nachteilige Auswirkung auf den Sicherheitsabstand ergibt. Damit besteht nicht das Risiko, dass bisher gebundene Genehmigungen oder bisher nicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Vorhaben, die zu keiner Änderung des angemessenen Abstandes des Betriebsbereiches führen, versagt werden.

Bereits heute ist an einer erheblichen Anzahl von Standorten - meist historisch bedingt - der angemessene Abstand zu den Schutzobjekten (z.B. Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden, Hauptverkehrswege) sehr gering oder bereits unterschritten. Um sicherzustellen, dass an solchen bestehenden Industriestandorten in Gemengelagen mit Schutzobjekten auch weiterhin industrielle Entwicklungen möglich bleiben, ist das Gesetz um eine klarstellende Regelung zu ergänzen.

13. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a) Nach Absatz 1a wird folgender Absatz 1b eingefügt:

Begründung:

Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist bisher nicht geregelt, wenn eine geltende Verwaltungsvorschrift in Anwendung von § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen vorsieht, als in den BVT-Schlussfolgerungen genannt sind. Die Entscheidung der Behörde beruht dann auf dem Vorsorgegrundsatz nach § 17 Absatz 1 Satz 1 und wird daher nicht von § 17 Absatz 1a erfasst. Die Öffentlichkeitsbeteiligung und Einwendungsbefugnis nach § 17 Absatz 2b Satz 3 sind durch den Verweis auf Absatz 2a nur vorgesehen, wenn eine Verwaltungsvorschrift nach § 12 Absatz 1a keine Anforderungen vorsieht. Eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b sieht jedoch entsprechende Anforderungen vor.

Aus Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2010/75/EG folgt, dass auch nach der Umsetzung der BVT-Schlussfolgerung über eine Verwaltungsvorschrift (sogenannte "binding rule") eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden muss, wenn die Behörde im Anwendungsbereich einer geltenden Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen will. Diese Regelungslücke muss geschlossen werden.

14. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 17 Absatz 4 Satz 2 BImSchG)*

In Artikel 1 Nummer 6 ist in § 17 Absatz 4 Satz 2 das Wort "unterschritten" durch die Wörter "erstmalig unterschritten oder wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand weiter unterschritten" zu ersetzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht als Tatbestandsvoraussetzungen lediglich vor, dass "... durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand ..." unterschritten wird.

Daher würde in Fällen, in denen der angemessene Sicherheitsabstand vor einer störfallrelevanten Änderung bereits unterschritten war, die Anwendung von § 17 Absatz 4 nicht ausgelöst.

Der Vorschlag gewährleistet somit eine notwendige Klarstellung.

15. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 17 Absatz 4 Satz 2 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 6 sind in § 17 Absatz 4 Satz 2 die Wörter ", wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist" zu streichen.

Begründung:

Der vorgeschlagene letzte Halbsatz in § 17 Absatz 4 Satz 2 BImSchG ist missverständlich. Wenn durch die störfallrechtliche Änderung der angemessene Sicherheitsabstand unterschritten wird, ist nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b i.V.m. Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b ein (störfallrechtliches) Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Die Möglichkeit, durch eine abschließend bestimmte Anordnung nach § 17 Absatz 1 BImSchG ein solches Genehmigungsverfahren zu "ersetzen", besteht europarechtlich nicht. Ein solches Genehmigungsverfahren ist nur im Falle des § 23b Absatz 1 Satz 2 BImSchG entbehrlich.

16. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 19 Absatz 4 Satz 1 BImSchG)*

*vgl. hierzu auch Ziffern 10, 14

In Artikel 1 Nummer 7 ist § 19 Absatz 4 Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereich ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird oder der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand weiter unterschritten wird."

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht als Tatbestandsvoraussetzungen lediglich vor, dass "... durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand ..." unterschritten wird.

Daher würde in Fällen, in denen der angemessene Sicherheitsabstand vor einer störfallrelevanten Änderung bereits unterschritten war, die Anwendung von § 19 Absatz 4 nicht ausgelöst.

Der Vorschlag ergibt sich auch aus Artikel 11 der Seveso-III-Richtlinie, wonach "... erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ..." zur Einstufung als (störfallrelevante) Änderung führt und i.V.m. Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b der Seveso-III-Richtlinie die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig einzubinden ist.

Der Vorschlag gewährleistet somit eine notwendige Klarstellung.

17. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23a Absatz 1 Satz 3 - neu - BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 10 ist in § 23a Absatz 1 nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:

"Insoweit kann die zuständige Behörde auch ein Gutachten zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands fordern."

Begründung:

Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf ist nicht eindeutig, ob die Behörde oder der Betreiber den angemessenen Sicherheitsabstand ermitteln muss. Ginge man davon aus, dass diese Ermittlung eine Aufgabe der Behörde ist, müsste diese einen Gutachter beauftragen und in den meisten Fällen ein Vergabeverfahren durchführen. Selbst wenn die Kosten für das Gutachten dem Betreiber auferlegt werden können, wird durch die Vergabe des Gutachtens ein nicht unerheblicher Mehraufwand für die Behörde entstehen. Da der Sicherheitsabstand anhand anlagenspezifischer Faktoren bestimmt wird und bei dessen Ermittlung wertende Elemente keine Rolle spielen, spricht nichts dagegen, dass die Pflicht zur Ermittlung des Sicherheitsabstands den Betreibern auferlegt wird. Die Behörde bleibt allerdings zuständig für die Festlegung des Sicherheitsabstandes und überprüft das vom Betreiber vorgelegte Gutachten auf dessen Richtigkeit.

18. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23a Absatz 2 Satz 4 - neu - BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 10 ist dem § 23a Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Der Träger des Vorhabens darf die Errichtung und Betrieb oder die Änderung vornehmen, sobald die zuständige Behörde ihm mitteilt, dass sein Vorhaben keiner Genehmigung bedarf."

Begründung:

Die vorgeschlagene Ergänzung in § 23a Absatz 2 BImSchG dient der Klarstellung und Rechtssicherheit und ist an § 15 Absatz 2 BImSchG angelehnt. Der Vorhabenträger darf mit dessen Realisierung erst beginnen, wenn die zuständige Behörde ihm gegenüber durch Verwaltungsakt festgestellt hat, dass für sein Vorhaben keine Genehmigung nach § 23b BImSchG erforderlich ist. Ansonsten bleibt ihm die Option nach § 23a Absatz 3 BImSchG, trotz Einhaltung des angemessenen Sicherheitsabstands für sein Vorhaben freiwillig eine Genehmigung zu beantragen.

19. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23a und § 23b BImSchG), Nummer 11 (§ 25 Absatz 1a BImSchG), Nummer 12 (§ 25a BImSchG)

Der Bundesrat stellt fest, dass in den §§ 23a, 23b, 25 Absatz 1a und § 25a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes keine einheitliche Terminologie in Bezug auf die angesprochene Behörde, die für die Entgegennahme von Anzeigen oder für die Durchführung von Öffentlichkeitsbeteiligungs- oder störfallrelevanten Genehmigungsverfahren zuständig ist, verwendet wird. Der Bundesrat geht davon aus, dass sowohl dann, wenn von "zuständiger Behörde", als auch wenn von "Genehmigungsbehörde" die Rede ist, stets die für die Durchführung des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens zuständige Behörde gemeint ist und nicht etwa die Behörde, die für die Durchführung eines anderen Genehmigungsverfahrens, beispielsweise nach Bauordnungsrecht, zuständig ist.

20. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23b Absatz 1 Satz 1 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 10 sind in § 23b Absatz 1 Satz 1 nach den Wörtern "genehmigungsbedürftigen Anlage" die Wörter ", die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereiches ist," einzufügen.

Begründung:

Klarstellung des Gewollten. Die vorgesehene Genehmigungspflicht kann sich nur auf Bereiche von Betrieben beziehen, die in den Anwendungsbereich der Seveso-III-Richtlinie fallen. Diese sind durch § 3 Absatz 5a als Betriebsbereich definiert.

21. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23b Absatz 1 Satz 5 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 10 sind in § 23b Absatz 1 Satz 5 nach dem Wort "Vorschriften" die Wörter "und Belange des Arbeitsschutzes" einzufügen.

Begründung:

Hierdurch erfolgt eine Anlehnung an den Sprachgebrauch des § 6 Absatz 1 Nummer 2 BImSchG, der Arbeitsschutz soll dadurch hervorgehoben und gestärkt werden.

22. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23b Absatz 4 Satz 3, 4, 5 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 10 ist § 23b Absatz 4 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die bisherigen Sätze 4 und 5 des Absatzes 4 stehen im Zusammenhang mit der Entscheidungsfrist des Satzes 2 und sollten deshalb im Gesetzestext direkt hinter diesem stehen. Der Verweis auf § 10 Absatz 7 Satz 1 im bisherigen Satz 3 weist hingegen keinen Zusammenhang mit der Entscheidungsfrist auf und sollte daher ans Ens Absatzes rücken.

23. Zu Artikel 1 Nummer 12 (§ 25a Satz 2 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 12 sind in § 25a Satz 2 die Wörter "oder die Nachbarschaft" durch die Wörter ", die Nachbarschaft oder die Umwelt" zu ersetzen.

Begründung:

Der Regelungsgegenstand der Seveso-III-Richtlinie umfasst gemäß Artikel 1 auch die Umwelt.

Nach Artikel 5 Absatz 1 der Seveso-III-Richtlinie sollen Betreiber zum Schutz der Umwelt verpflichtet werden.

24. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b (§ 31 Absatz 2a Satz 1 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b sind in § 31 Absatz 2a Satz 1 die Wörter "Anlagen eines Betriebsbereichs" durch die Wörter "Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind," zu ersetzen.

Begründung:

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an den Gesetzestext (z.B. § 3 Absatz 5b BImSchG-E).

25. Zu Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe a (§ 48 Absatz 1 Nummer 6 BImSchG)

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Technische Anleitung Abstand, die bundeseinheitliche Vorgaben zur Bewertung und Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands für die zuständigen Behörden beinhalten soll, schnellstmöglich zu erlassen.

Begründung:

Derzeit findet im Verwaltungsvollzug der Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" (KAS-18) der Kommission für Anlagensicherheit Anwendung. Dieser Leitfaden wurde jedoch ursprünglich für die Abstandsermittlungen im Rahmen der Bauleitplanung und nicht bei Einzelfallzulassungen erarbeitet.

Um einen bundesweit einheitlichen und rechtssicheren Verwaltungsvollzug auch für die Einzelfallzulassungen zu gewährleisten, ist daher der schnelle Erlass der Technischen Anleitung Abstand erforderlich.

26. Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe c (§ 61 Absatz 2 Satz 1 BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe c sind in § 61 Absatz 2 Satz 1 die Wörter "nach dessen Vorgaben" zu streichen.

Begründung:

Der Bundesrat legt bei der EU-rechtlich geforderten Berichterstattung Wert auf eine konstruktive und kooperative Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern. Daher sollte die Übermittlung der Daten auch künftig in gegenseitiger, frühzeitiger Absprache erfolgen.

27. Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe b (§ 62 Absatz 2 Nummer 1b BImSchG)

In Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe b sind in § 62 Absatz 2 Nummer 1b die Wörter ", nicht vollständig" zu streichen.

Begründung:

Hier besteht ein Regelungswiderspruch. Die Vervollständigung der notwendigen Unterlagen für das Anzeigeverfahren erfolgt gemäß § 23a Absatz 1 Satz 4 im Dialog mit der zuständigen Behörde. Die vorgeschlagene Erweiterung der Ordnungswidrigkeitentatbestände auf unvollständige Anzeigen sollte daher gestrichen werden.

28. Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung)

Die vorgeschlagene Änderung des UVPG führt zu einer Ausweitung der UVPPflicht auf benachbarte Schutzobjekte, die einer Vorprüfung des Einzelfalls unterliegen.

Die Auffassung, dass das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren nach § 9 UVPG den Anforderungen des Artikels 15 der Seveso-III-Richtlinie entspricht (siehe Seite 11 der Vorlage), ohne darüber hinauszugehen, teilt der Bundesrat nicht. Durch den Verweis des § 9 UVPG auf § 73 VwVfG ergäbe sich hieraus zum Beispiel, dass ein Erörterungstermin durchgeführt werden müsste. Einen solchen fordert die Seveso-III-Richtlinie jedoch nicht. In den Fällen, in denen eine Vorprüfung erfolgt, dürfte sich zudem der Entscheidungsspielraum erheblich verringern, um unter Berücksichtigung von Katastrophen, Klimawandel etc., ausschließen zu können, dass sich die Folgen eines etwaigen Störfalls zumindest verschlimmern könnten. In der Praxis dürfte die vorgeschlagene Regelung daher dazu führen, dass für faktisch jedes Vorhaben innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, auch wenn ansonsten keine Umweltbelange berührt werden.

Mit Artikel 15 der Richtlinie 2012/18/EU (Seveso-III-Richtlinie) wird zwar eine Öffentlichkeitsbeteiligung für Entwicklungen in der Nachbarschaft von Störfallbetrieben gefordert, eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist jedoch weder direkt, noch indirekt - z.B. durch Verweis auf die UVP-Richtlinie - vorgesehen. Dies scheint der Richtliniengeber auch nicht beabsichtigt zu haben, da ansonsten eine Bezugnahme auf die Richtlinie nahegelegen hätte, wie bei der Regelung zur Öffentlichkeitsbeteiligung für umweltbezogene Pläne und Programme auch geschehen (Artikel 15 Absatz 6 mit direkter Bezugnahme auf die Richtlinie 2003/35/EG und die Richtlinie 2001/42/EG (SUP-Richtlinie)). Vielmehr obliegt es gemäß Artikel 15 Absatz 7 den Mitgliedstaaten, die Vorkehrungen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und zur Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit selbst festzulegen.

Der Bundesrat bittet daher, das Verfahren zur Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit im weiteren Gesetzgebungsverfahren ohne zusätzliche Verschärfungen umzusetzen, um bürokratischen Mehraufwand sowie zeit- und kostenintensivere Verfahren so weit wie möglich zu vermeiden.

29. Zu Artikel 3 (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2b UmwRG)

In Artikel 3 ist § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2b wie folgt zu fassen:

"2b. Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die als benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gelten und die innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstandes zu einem Betriebsbereich nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwirklicht werden sollen und einer Zulassung nach landesrechtlichen Vorschriften bedürfen;"

Begründung:

Die Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU gebietet lediglich, dass für die Verfahren, die in den Schutzbereich der Richtlinie fallen, auch ein Gerichtszugang gewährt wird. Würde tatsächlich jedes bauliche Vorhaben, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz unterworfen, würde auch jeder Dachgeschossausbau in einem bereits bestehenden Wohngebäude ein Verbandsklagerecht auslösen. Dieser Maßstab entspricht nicht dem Maßstab, den das Bundes-Immissionsschutzgesetz bei der Definition der benachbarten Schutzobjekte anlegt, aber auch nicht dem Maßstab, der derzeit beim Vollzug des Bauordnungsrechts angelegt wird. Es ist daher sachgerecht, auch hier auf die Definition des benachbarten Schutzobjektes des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zurückzugreifen.