Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften -Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven KOM (2007) 161 endg.; Ratsdok. 8322/07

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 16. April 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 10. April 2007 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 11. April 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 715/03 (PDF) = AE-Nr. 033137,
Drucksache 202/05 (PDF) = AE-Nr. 050765,
Drucksache 288/05 (PDF) = AE-Nr. 051041, AE-Nr. 061536 und
Drucksache 244/07 (PDF) = AE-Nr. 070310

Grünbuch
Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven (Text von Bedeutung für den EWR)

Zusammenfassung

Da wir uns der Überprüfung des ersten Dreijahrszyklus der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung nähern, ist es an der Zeit, die Fortschritte zu bewerten und künftige Leitgedanken zu einem ihrer Kernelemente - dem Europäischen Forschungsraum (EFR) - zu erörtern. In einer im Wandel begriffenen Welt, die sich durch eine immer raschere Globalisierung von Forschung und Technologie und die Entstehung neuer wissenschaftlicher und technologischer Mächte - insbesondere China und Indien - auszeichnet, ist der Europäische Forschungsraum mehr denn je Eckpfeiler einer europäischen Wissensgesellschaft. In einer solchen Gesellschaft sind Forschung, Aus- und Weiterbildung sowie Innovation uneingeschränkt mobilisiert, um die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und umweltpolitischen Ziele der EU sowie die Erwartungen ihrer Bürger zu erfüllen.

Das EFR-Konzept beruht auf dem Zusammenspiel folgender Elemente: ein europäischer "Binnenmarkt" für Forschung, in dem Forscher, Technologie und Wissen unbehindert Grenzen passieren, eine effektive europaweite Koordinierung einzelstaatlicher und regionaler Forschungstätigkeiten, -programme und -strategien sowie Initiativen, die auf europäischer Ebene umgesetzt und finanziert werden. Seit das Konzept im Jahr 2000 auf dem Europäischen Rat von Lissabon beschlossen wurde, sind Fortschritte erzielt worden. Der Europäische Forschungsraum ist zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Forschungspolitik in Europa geworden. Allerdings muss noch viel mehr getan werden, um den EFR aufzubauen, insbesondere um die Zerstückelung der Forschungstätigkeiten, -programme und -strategien in Europa zu überwinden. Der Europäische Forschungsraum, den die Wissenschaftler, die Unternehmen und die Bürger brauchen, sollte folgende Merkmale haben:

Ausgehend von einer Bewertung der Situation in diesen Hauptbereichen wirft dieses Grünbuch eine Reihe von Fragen auf, wie der Europäische Forschungsraum zu vertiefen und auszuweiten ist, so dass er in vollem Umfang zur erneuerten Lissabon-Strategie beiträgt. Es soll eine weit reichende Debatte innerhalb der Institutionen und in der Öffentlichkeit in Gang setzen, damit Initiativen für das Jahr 2008 vorbereitet werden können.

1. Ein neuer Blick auf den Europäischen Forschungsraum

Seitdem der Europäische Rat von Lissabon im März 2000 die Schaffung eines Europäischen Forschungsraums (EFR) als Ziel festgeschrieben hat, wurden viele Initiativen ins Leben gerufen. Nun ist es an der Zeit, zu bewerten, was bis jetzt erreicht worden ist, und darüber nachzudenken, was noch getan werden muss, damit der EFR Wirklichkeit wird.

Die Globalisierung eröffnet Möglichkeiten und Herausforderungen für den Europäischen Forschungsraum(EFR)

Dass ein erneutes Nachdenken über den EFR dringlich erscheint, rührt daher, dass die Globalisierung von Forschung und Technologie immer rascher vonstatten geht und dass neue wissenschaftliche und technologische Mächte - China, Indien und andere Schwellenländer - beträchtliche, stetig wachsende FuE-Investitionen anziehen1. Diese Entwicklungen eröffnen Europa und der Welt neue Möglichkeiten. Gleichzeitig werfen sie die Frage nach Europas Vermögen auf, bei Forschung und Innovation konkurrenzfähig zu bleiben, was das Kernstück der erneuerten Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung bildet. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage wird eines der Hauptthemen für den nächsten Dreijahreszyklus der Strategie sein, der 2008 anlaufen soll.

Die EU und die Mitgliedstaaten haben vorbehaltlos anerkannt, dass der EFR im Zusammenspiel mit einem hochwertigen Bildungswesen, lebenslangem Lernen und einem innovationsfreundlichen Umfeld eine ausschlaggebende Rolle spielt, um Europa zu einer führenden Wissensgesellschaft zu machen und damit die Voraussetzungen für langfristigen Wohlstand zu schaffen. Das EFR-Konzept umfasst drei miteinander zusammenhängende Aspekte: einen europäischen "Binnenmarkt" für Forschung, in dem Forscher, Technologie und Wissen unbehindert Grenzen passieren können, eine effektive europaweite Koordinierung einzelstaatlicher und regionaler Forschungstätigkeiten, -programme und -strategien sowie Initiativen, die auf europäischer Ebene umgesetzt und finanziert werden2.

Die Schaffung des EFR kommt voran

Wie in dem begleitenden Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen dargelegt, wurden bereits viele Maßnahmen ergriffen, um bezüglich dieser Aspekte voranzukommen:

doch muss noch intensiv an den Fundamenten gearbeitet werden, um die Fragmentierung der Basis der öffentlichen Forschung zu überwinden und ...

Diese Initiativen sind wertvolle Bausteine, auf denen weitere Fortschritte aufgebaut werden können. Allerdings muss noch intensiv an den Fundamenten des EFR gearbeitet werden, insbesondere um die Zerstückelung zu überwinden, die nach wie vor ein hervorstechendes Merkmal der Basis der öffentlichen Forschung in Europa ist. Die Fragmentierung hindert Europa daran, das Forschungs- und Innovationspotenzial voll auszuschöpfen, was eindeutig auf Kosten der europäischen Steuerzahler, Verbraucher und Bürger geht:

Die Europäer scheinen sich dieser Kosten bewusst zu sein. Einer vor kurzem durchgeführten Umfrage zufolge sind 83 % der Auffassung, dass es eine stärkere Koordinierung der Forschungstätigkeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben sollte9.

...um mehr FuE-Investitionen der Wirtschaft in Europa zu halten bzw. nach Europa zu holen

Die Fragmentierung der öffentlichen Forschung schmälert für die Wirtschaft die Attraktivität Europas als Standort für FuE-Investitionen. Der Wirtschaftssektor soll zu der Zielvorgabe, dass die FuE-Intensität 3 % des BIP ausmacht, zwei Drittel beisteuern. Jüngsten Daten zufolge haben die in der EU niedergelassenen Unternehmen ihre globalen FuE-Ausgaben 2006 um mehr als 5 % aufgestockt, aber dies liegt immer noch unter der Steigerungsrate bei den FuE-Aufwendungen der Unternehmen in Nicht-EU-Ländern10. Tatsächlich investieren in der EU niedergelassene Unternehmen mehr in die FuE in den USA als Unternehmen mit Sitz in den USA in der EU investieren und dieser transatlantische Nettoverlust an FuE-Investitionen nimmt weiter zu11. Eine spürbare, anhaltende Steigerung der FuE-Investitionen der Wirtschaft ist von entscheidender Bedeutung, um aus der derzeitigen Stagnation der generellen FuE-Intensität der EU bei 1,9 % des BIP herauszukommen12 und Fortschritte in Richtung auf die einzelstaatlichen und die EU-weiten Zielvorgaben zu machen.

Umfragen13 zufolge achten Unternehmen bei ihren Investitionen in Forschung und Entwicklung in erster Linie auf folgende Aspekte:

Während die Überprüfung des EU-Binnenmarkts14 und die Initiativen im Zuge der breit angelegten Innovationsstrategie wie die oben genannten vor allem auf die Nachfrage nach Innovation abheben, geht es in diesem Grünbuch in erster Linie um die Faktoren, welche die Leistung der Forschungssysteme in Europa beeinflussen. Grundgedanke dabei ist es, die Fragmentierung der Forschungsarbeiten und -strategien zu überwinden sowie darauf hinzuwirken, dass Europa aus der Globalisierung bei Wissenschaft und Technologie optimalen Nutzen zieht.

2. Die Vision eines Europäischen Wirtschaftsraums

Der Europäische Forschungsraum wird das Wissen tief in der Gesellschaft verwurzeln und Europas Wissenspotenzial in all seinen Dimensionen freisetzen: Menschen, Infrastrukturen, Organisationen, Finanzierung, Wissensverbreitung und weltweite Zusammenarbeit

Damit ein Rahmen für einen Meinungsaustausch abgesteckt werden kann, die Bemühungen aufeinander abgestimmt und die Fortschritte bewertet werden können, müssen die wesentlichen Merkmale eines vollständig verwirklichten EFR herausgearbeitet werden. Ausgehend von den im Jahr 2000 einvernehmlich vereinbarten Leitgrundsätzen sollte der EFR Folgendes beinhalten:

Außerdem gelten für alle Dimensionen des EFR drei entscheidende Zielvorgaben:

Es besteht dringender Handlungsbedarf

Forschung bedeutet zwangsläufig, dass komplexe Wechselbeziehungen zwischen den oben genannten Merkmalen des EFR und den Querschnittsdimensionen bestehen, was im Folgenden deutlich wird. Manche Merkmale werden schneller Fuß fassen als andere, so dass die Vision des EFR erst in 10 oder 15 Jahren - um das Jahr 2020 - vollständig verwirklicht sein wird. Dennoch verlangt diese Struktur des EFR als ein Systemgefüge, dass dringend gehandelt werden muss, um so schnell wie möglich an allen Fronten voranzukommen - um so mehr, als die Hebelwirkung, die dies auf die Ankurbelung privater Investitionen in Forschung und Innovation wie auch auf die Förderung einer stärker wettbewerbsfähigen Wissenswirtschaft ausübt, groß sein wird.

Elemente der Vision des Europäischen Forschungsraums

3. Die Verwirklichung des EFR

In diesem Abschnitt wird die Situation der europäischen Forschung unter Beachtung der sechs wichtigsten Dimensionen des Europäischen Forschungsraums analysiert. Für jede von ihnen wird eine Reihe von Fragen gestellt, damit eine offene Diskussion zwischen all denjenigen, die in irgendeiner Form an der Forschung teilhaben, in Gang gesetzt wird.

3.1. Schaffung eines einheitlichen Arbeitsmarktes für Forscher

Attraktive berufliche Perspektiven und eine nahtlose Mobilität sind für Forscher von zentraler Bedeutung doch längst noch nicht Realität

Eine wichtige Herausforderung für Europa liegt darin, mehr kompetente Forscher auszubilden, in der EU zu halten und nach Europa zu bringen. Ferner ist die reibungslose Mobilität von Forschern zwischen Einrichtungen, Sektoren und Ländern sogar noch wichtiger als für andere Berufe: Es ist von wesentlicher Bedeutung, ein besseres Gleichgewicht bei Angebot und Nachfrage im Bereich der Forscher zu erreichen, vor allem angesichts ihrer ausgeprägten Spezialisierung und der relativ geringen Anzahl. Mobilität ist eines der effizientesten Mittel zur Verbreitung von Wissen. Außerdem ist Mobilität ein immer wichtigeres Erfordernis für die Entwicklung von Kompetenzen und Laufbahnen in der Wissenschaft. Heutzutage sind die Möglichkeiten der meisten Forscher noch immer durch institutionelle und nationale Barrieren, schlechte Arbeitsbedingungen und sehr begrenzte Laufbahnaussichten eingeschränkt16. In der Praxis sind akademische Positionen nach wie vor weit gehend eigenen Staatsangehörigen oder sogar internem Personal vorbehalten17. Transparenter Wettbewerb bei der Einstellung ist eher die Ausnahme als die Regel. Die Mobilität über Grenzen hinweg oder zwischen Hochschulen und Industrie wird eher bestraft als belohnt. Behörden gestatten es in der Regel Forschern nicht, Forschungszuschüsse über Grenzen hinweg entgegenzunehmen oder in ein anderes Land zu überführen.

Deshalb verlassen so viele europäische Hochschulabsolventen und Promovierte die wissenschaftliche Laufbahn oder üben eine Forschungstätigkeit in Ländern aus, in denen sie bessere Möglichkeiten haben, insbesondere in den USA. Gleichzeitig sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert, insbesondere auf manchen Gebieten der Natur- und Ingenieurwissenschaften und bei den verantwortungsvollen Positionen. Auch die demografische Entwicklung wirkt sich zunehmend negativ auf die europäische Forschung aus, da es in manchen Bereichen aufgrund der Pensionierung älterer Generationen und des damit verbundenen Verlustes an Kompetenzen einen potenziellen Mangel an Forschern geben wird.

Auf allen Ebenen sind Anstrengungen erforderlich - im privaten wie im öffentlichen Sektor

Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, einen einheitlichen, offenen europäischen Arbeitsmarkt für Forscher aufzubauen, der eine effektive Migration der Wissenschaftselite ("Brain Circulation") innerhalb Europas sowie zu und von Partnerländern sichert und junge Talente und Frauen dazu bringt, eine Forscherlaufbahn einzuschlagen. Dies verlangt Anstrengungen auf allen Ebenen im privaten und im öffentlichen Sektor und von lokalen, nationalen und europäischen Regierungen. Der Privatsektor sollte ermuntert werden, Möglichkeiten für Forscher zu entwickeln und zu erweitern. Gleichzeitig müssen Behörden und Forschungseinrichtungen daran arbeiten, die verschiedenen rechtlichen, administrativen und praktischen (z.B. sprachlichen) Barrieren, die der geografischen und sektorenübergreifenden Mobilität im Wege stehen, zu beseitigen, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für Forscher zu verbessern, das Berufs-, Privat- und Familienleben in Einklang zu bringen und die Gleichstellungsproblematik wie auch demografische Aspekte anzugehen.

Freiwillige Maßnahmen bringen nur langsam Fortschritte

Viele spezielle EU-Initiativen wurden auch ergriffen, um einen attraktiveren europäischen Raum für Forscher voranzubringen18, aber die Fortschritte sind aufgrund der freiwilligen Natur der meisten Maßnahmen und der zuweilen mangelnden Koordinierung mit und zwischen ähnlichen nationalen und regionalen Maßnahmen noch äußerst dürftig. Beispielsweise finden die Europäische Charta für Forscher und der Verhaltenskodex für deren Einstellung zunehmend Anklang, aber dies ist ein langwieriger Prozess, und echte Fortschritte werden erst zu verzeichnen sein, wenn der grundsätzlichen Einverständniserklärung die konkrete Durchführung folgt.

Weitere Schritte in Sachen Übertragbarkeit von Sozialversicherungsansprüchen erwägen

Hinsichtlich der Übertragbarkeit von Sozialversicherungsansprüchen sind die bestehenden Regelungen zur Modernisierung und Vereinfachung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Schritte in die richtige Richtung. Das gleiche gilt für den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über die Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentenansprüchen. Doch die besondere Situation von Forschern, die für große Teile ihrer Laufbahn zunehmend mobil sein müssen - in der Regel aufgrund von mittelfristigen Abordnungen oder Ernennungen - bereitet ernsthafte Schwierigkeiten. Dies macht eine bessere administrative Zusammenarbeit zwischen den Sozialversicherungseinrichtungen19 und darüber hinaus noch weitere Schritte erforderlich.

Aus- und Weiterbildung von Forschern verbessern

Daneben ist es von wesentlicher Bedeutung, die Aus- und Weiterbildung von Forschern weiter zu verbessern. In Europa ausgebildete Nachwuchsforscher sollten darauf vertrauen können, dass sich ihre Qualifikation in ihrer beruflichen Laufbahn auszahlt. Europäische Doktorandenprogramme und Weiterbildungsangebote sollten strengen Qualitätsstandards genügen, auf die Bedürfnisse sowohl der Hochschulen als auch der Wirtschaft zugeschnitten sein und in ganz Europa anerkannt werden. Wissenschaftler aller Ebenen sollten für disziplinenübergreifende Arbeiten und die WuT-Verwaltung, einschließlich Wissenstransfer und Dialog mit der Gesellschaft, ausgebildet sein.

Schaffung eines einheitlichen Arbeitsmarktes für Forscher

3.2. Schaffung von Forschungsinfrastrukturen von Weltniveau

Herausragende Forschungsarbeit setzt Infrastrukturen von hoher Qualität voraus (z.B. Strahlenquellen für die Forschung zu neuen Werkstoffen, Reinräume für Nanotechnologieforschung, Datenbanken für Genomik und Sozialwissenschaften, Observatorien für die Geowissenschaften). Infrastrukturen auf europäischer Ebene können allen europäischen Forschern von Nutzen sein. Außerdem ist es sinnvoll, die meisten dieser Infrastrukturen gemeinsam zu nutzen, da ihr Bau und Betrieb sehr kostspielig sind.

Auf dem Fahrplan für Forschungsinfrastrukturen aufbauen

Mit dem Europäischen Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) wurde ein Schritt zur Verbesserung der Planung von Infrastrukturen auf europäischer Ebene getan. 2006 erstellte das ESFRI einen europäischen "Fahrplan" für die Neuschaffung bzw. Aufrüstung gesamteuropäischer Forschungsinfrastrukturen. Unmittelbar vorrangig ist Folgendes zu tun: es ist sicherzustellen, dass der "Fahrplan" den größten Teil der bereits geplanten und ins Auge gefassten Infrastrukturen in Europa umfasst; der Fahrplan ist in den Bereichen, die noch nicht ausreichend abgedeckt sind, zu ergänzen; die darin enthaltenen Vorschläge sind auf politischer Ebene zu beschließen und die erforderlichen Finanzmittel sind zu mobilisieren.

Alle Finanzquellen optimal ausschöpfen

Die Umsetzung des ESFRI-Fahrplans würde, über zehn Jahre verteilt, 14 Mrd. EUR kosten. Obwohl im siebten Forschungsrahmenprogramm für Infrastrukturen zusätzliche Mittel bereitgestellt wurden und im Rahmen der kohäsionspolitischen Programme die Möglichkeit der Unterstützung von Infrastrukturen in weniger entwickelten Regionen besteht, reichen die EU-Mittel für die Kernfinanzierung des Baus neuer gesamteuropäischer Infrastrukturen nicht aus, da außerdem der freie Zugang zu Infrastrukturen von europäischem Interesse unterstützt wird und ihr koordinierter Ausbau und ihre Vernetzung gefördert werden. Die Mobilisierung einzelstaatlicher, privater und sonstiger Finanzquellen ist von grundlegender Bedeutung. Es müssen insbesondere Investitionen von seiten der Industrie mobilisiert werden, da diese bisher sehr wenig in diesem Bereich tätig ist, sogar dann, wenn es sich um Infrastrukturen handelt, die für sie von unmittelbarem Interesse sind.

Unter Umständen ist die Schaffung eines geeigneten rechtlichen Rahmens erforderlich

Ein weiteres Hindernis für die Schaffung neuer Formen gesamteuropäischer Infrastrukturen ist das Fehlen eines rechtlichen Rahmens für die Bildung entsprechender Partnerschaften.

Die elektronischen Infrastrukturen in Europa und weltweit weiterentwickeln

Mehrere der vorgeschlagenen Infrastrukturprojekte sind so groß und umfangreich, dass sie eigentlich eine weltweite Zusammenarbeit erfordern. Zahlreiche der geplanten Infrastrukturen haben eine verteilte Struktur und setzen sich aus Elementen zusammen, die durch elektronische Infrastrukturen - wie Daten-Archive ("data repositories"), Hochgeschwindigkeitsnetze (z.B. GEANT) und Gittertechnologien - zusammengeführt werden. Diese elektronischen Infrastrukturen haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die einzelnen Elemente in einer Weise zusammenarbeiten können, durch die herkömmliche Beschränkungen aufgrund von Zeit, geografischer Entfernung, unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und unterschiedlichen Institutionen aufgehoben werden. Daher ist eine kohärente Planung, die parallele Entwicklung und die Integration der europäischen wissenschaftlichen und technologischen Infrastrukturen und der neuen Generationen elektronischer Infrastrukturen zu gewährleisten. Diese sind in Europa weiter zu verbreiten, auch in den Regionen in Randlage. Europa sollte sich außerdem weiter um die Ausdehnung von GEANT und elektronischen Infrastrukturen auf der Grundlage von Gittertechnologien auf andere Kontinente bemühen. Diese sind wirksame Instrumente für die internationale Zusammenarbeit und die Bildung weltweiter Forschungspartnerschaften.

Schaffung von Forschungsinfrastrukturen von Weltniveau

3.3. Stärkung der Forschungseinrichtungen

In Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen werden über 35 % aller Forschungsarbeiten in Europa durchgeführt. Von ihnen stammt der größte Teil der Arbeiten zur Grundlagenforschung und zu Themen von öffentlichem Interesse, außerdem ein beträchtlicher Anteil der angewandten Forschung, die Unternehmensforschung und Innovation unterstützt. Eine Stärkung der Forschungseinrichtungen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um in Europa Anreize für FuE-Investionen der Wirtschaft zu schaffen.

Forschungseinrichtungen sehen sich wachsenden finanziellen und organisatorischen Problemen gegenüber

Ihr Potenzial ist jedoch aufgrund einer beträchtlichen Streuung der Ressourcen und Tätigkeiten, ungenügender Verbindungen zur Industrie und zur Gesellschaft sowie einer wenig flexiblen Arbeitsweise noch nicht voll ausgeschöpft20. Damit sie ihre Rolle als Forschungsakteure in einem EFR ohne Grenzen ausbauen können, müssen sie sich an ein im ständigen Wandel befindliches und anspruchsvolleres Umfeld anpassen, in dem sich u. a. der Wettbewerb um Finanzmittel und kompetente Mitarbeiter innerhalb und außerhalb Europas verschärft. Insbesondere Universitäten, die sich an der Schnittstelle zwischen dem Europäischen Forschungsraum und dem Europäischen Hochschulraum befinden, sehen sich wachsenden finanziellen und organisatorischen Problemen gegenüber.

Eine stärkere Konzentration und eine stärkere Spezialisierung sind notwendig Voraussetzungen sind autonomes Handeln, professionelles Forschungsmanagement und Rechenschaftspflicht eine stärkere Berücksichtigung der Ergebnisse und der Leistung bei der Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel die Schaffung virtueller Forschungsgemeinschaften durch Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und die Einrichtung virtueller Exzellenzzentren in Form enger, dauerhafter Partnerschaften

Die meisten europäischen Forschungseinrichtungen verfügen nicht über eine kritische Masse und haben Schwierigkeiten, innerhalb der suboptimalen nationalen Systeme und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen die Erwartungen zu erfüllen. Im Durchschnitt ist die Qualität der europäischen öffentlichen Forschung zwar gut, in vielen Einrichtungen entspricht sie jedoch nicht dem höchsten internationalen Niveau21. Daher sind Konzentration und Spezialisierung notwendig, damit sowohl europäische Exzellenzzentren entstehen können, die international wettbewerbsfähig sind, als auch ein vielfältiges, EU-weites Netz von Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen, die Forschungs- und Ausbildungsbedarf auf nationaler, regionaler und sektoraler Ebene vorbildlich erfüllen.

Solche Veränderungen sind nur möglich, wenn den Forschungseinrichtungen, insbesondere den Hochschulen, autonomes Handeln ermöglicht wird, so dass sie auf europäischer und internationaler Ebene ihre Position einnehmen, zusammenarbeiten und konkurrieren können und ihre Forschungstätigkeit besser an den Bedarf von Industrie und Gesellschaft anpassen können. Dies muss Hand in Hand gehen mit mehr Professionalität im Forschungsmanagement und der Anwendung transparenterer Normen in Bezug auf die Rechenschaftspflicht. Die in vielen Ländern angelaufenen Reformen müssen zu Ende geführt und entsprechende Reformen in ganz Europa durchgeführt werden.

Derartige Veränderungen sollten im Rahmen der Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel gefördert werden, indem Ergebnis- und Leistungsfaktoren stärker berücksichtigt werden. Innovative öffentlichprivate Partnerschaften sind ebenfalls weiter zu fördern, und es ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen institutionenbezogener und wettbewerbsorientierter Förderung zu erreichen. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Aspekt wird der Europäische Forschungsrat eine wichtige Rolle spielen, da in diesem Rahmen Forschungsteams aus Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen auf EU-Ebene um Finanzmittel für die beste Pionierforschung konkurrieren werden.

Die Forschungseinrichtungen sollten verstärkt in europäische und weltweite "virtuelle Forschungsgemeinschaften" eingebunden sein, in denen öffentliche und private Einrichtungen vertreten sind. Dies erfordert eine bessere gemeinsame Nutzung der Möglichkeiten großangelegter Rechner-, Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen, die unerlässlich sind, um die Grenzen des Wissens immer weiter zu stecken. Virtuelle Forschungsgemeinschaften können ferner ein wirksames Instrument für die Einbeziehung von Forschern und Studenten aus ganz Europa und aus anderen Ländern sein.

Die Forschungseinrichtungen sollten ferner aufgefordert werden, "virtuelle Exzellenzzentren" in Form von engen, dauerhaften Partnerschaften - untereinander und mit Unternehmen - zu bilden, die über die herkömmliche, projektbezogene Zusammenarbeit hinausgehen. Dies ist generell der Zweck der "Exzellenznetze" des Forschungsrahmenprogramms. Eine der Lehren, die aus dem sechsten Rahmenprogramm gezogen wurden, war, dass solche dauerhaften Partnerschaften nur zwischen einer sehr kleinen Anzahl von Partnern möglich sind, die zusammen eine beträchtliche Menge an Ressourcen einbringen. Daher sind an solchen Partnerschaften im Allgemeinen sehr große Forscherteams bzw. ganze Laboratorien oder Forschungsabteilungen beteiligt.

Die "Wissens- und Innovationsgemeinschaften" des Europäischen Technologieinstituts (ETI) werden einen attraktiven Rahmen für solche Partnerschaften bieten. Weitere Instrumente, z.B. von mehreren Einrichtungen gemeinsam genutzte Strukturen für die Zusammenführung von Forschungsmanagementkompetenzen (für den Wissenstransfer, die Mobilisierung von Finanzmitteln und sonstige wichtige Aufgaben), könnten die Schaffung virtueller Exzellenzzentren unterstützen.

Stärkung der Forschungseinrichtungen

3.4. Austausch von Wissen

Erwerb, Verbreitung und Nutzung von Wissen stehen im Zentrum des Forschungssystems. Im Mittelpunkt des Europäischen Forschungsraums, in dem die ungehinderte, die gesamte Gesellschaft umfassende Verbreitung von Wissen gesichert sein muss, stehen insbesondere der Zugang zu Kenntnissen aus der öffentlichen Forschung und deren Nutzung durch Unternehmen und politische Entscheidungsträger.

Wissen europaweit zugänglich machen durch Nutzung des Potenzials der IKT

Der jeweils neueste Kenntnisstand ist Voraussetzung für erfolgreiche Forschungsarbeit in allen Wissenschaftsdisziplinen. Ein zuverlässiger, erschwinglicher und ununterbrochener Zugang zu Forschungsergebnissen sowie deren umfassende Verbreitung sollten daher für die europäische Forschungslandschaft kennzeichnend werden. Die digitale Ära hat hierfür zahlreiche Möglichkeiten eröffnet. Fortschritte sind insbesondere bei der Entwicklung von Online-Bibliotheken, wissenschaftlichen Datenbeständen sowie Datenbanken für Veröffentlichungen und Ergebnisse der öffentlichen Forschung möglich. Diese sollten europaweit integriert und mit entsprechenden Datenbanken in Drittländern vernetzt werden. Das System der Veröffentlichung wissenschaftlicher Informationen ist für ihre Validierung und Verbreitung wesentlich und hat somit wichtige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der europäischen Forschung22. In Europa sollte ein "Kontinuum" miteinander vernetzter, zugänglicher wissenschaftlicher Informationen gefördert werden, die von Rohdaten bis zu Veröffentlichungen reichen und bestimmten Gemeinschaften, über diese hinaus sowie grenzüberschreitend zugänglich sind.

Den Wissenstransfer zwischen öffentlicher Forschung und Industrie verbessern

Der Wissenstransfer muss optimiert werden, damit die Nutzung von Forschungsergebnissen und die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen beschleunigt vorangetrieben werden. Daher sollten für die europäischen Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen Anreize geschaffen werden, die Fähigkeiten und Ressourcen zu mobilisieren, die für die effiziente Zusammenarbeit mit Unternehmen und anderen Akteuren - im Land selbst und grenzüberschreitend - erforderlich sind23. Ein beträchtliches Hindernis dabei sind die uneinheitlichen und häufig ungeeigneten Vorschriften und Vorgehensweisen für die Verwaltung von Rechten an geistigem Eigentum (IPR), die im Rahmen öffentlich finanzierter Arbeiten erworben wurden. Die Kommission hat bewährte Verfahren und Modelle für den Wissensaustausch zwischen der öffentlichen Forschung und der Industrie ermittelt, die als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten dienen sollen24.

Aus der Sackgasse bei den Patentsystemen herauskommen und die forschungsspezifischen Fragen im Zusammenhang mit den Rechten an geistigem Eigentum aufgreifen

Die Patentierung ist in Europa nach wie vor viel zu komplex und kostspielig, und uneinheitliche Streitbeilegungsverfahren bieten keine ausreichende Rechtssicherheit. Da die Verhandlungen über ein Gemeinschaftspatent sich in einer Sackgasse befinden, werden andere Möglichkeiten geprüft, u. a. die Verbesserung des derzeitigen europäischen Patentsystems. Es sollten kosteneffiziente europäische Patentverfahren angestrebt werden, die von den anderen großen internationalen Patentsystemen anerkannt werden (und umgekehrt) und sich auf ein europaweit einheitliches Streitbeilegungssystem stützen25. Daneben ist eine Reihe forschungsspezifischer Fragen zu behandeln, z.B. die "Schonfrist", Regelungen für gemeinsames Eigentum und die für die Forschung geltende Ausnahmeregelung, damit die Gleichbehandlung in der gesamten EU sichergestellt ist.

Neue Konzepte für Kommunikation, Diskussion und Lehre im Bereich WuT und für deren Nutzbarmachung für die Politik

Schließlich ist es für ein gutes und effizientes Funktionieren des EFR bei voller Einbindung in die europäische Gesellschaft erforderlich, neue Kanäle und innovative Konzepte für die Kommunikation und Erörterung von Fragen der Wissenschaft, Forschung und Technologie zu entwickeln. Auch bedarf es eines verstärkten Engagements der Forschungsakteure im Bereich Aus- und Weiterbildung. So würde sichergestellt, dass die europäischen Bürger über alle wichtigen Fragen gut informiert sind. Auch hätte dies zur Folge, dass die verschiedenen Forschungskonzepte an dem Bedarf und an den Wünschen der Gesellschaft ausgerichtet sind und dass in der Gesellschaft insgesamt eine Innovationskultur und eine innovationsfreundliche Mentalität entstehen. Innovative Konzepte sind ferner vonnöten, um die Verfügbarkeit und Berücksichtigung relevanter wissenschaftlichtechnologischer Erkenntnisse für faktengestützte politische Entscheidungen zu verbessern.

Austausch von Wissen

3.5. Optimierung von Forschungsprogrammen und -prioritäten

Seit dem Jahr 2000 ist ein zentrales Ziel des Europäischen Forschungsraums die Vereinheitlichung nationaler und regionaler Forschungsprogramme und -prioritäten im Zusammenhang mit Themen von europäischem Interesse. Es sind Fortschritte zu verzeichnen, diese sind jedoch weit hinter dem angestrebten Ziel und den bestehenden Möglichkeiten zurückgeblieben.

Entwicklung gemeinsamer Grundsätze und wechselseitige Öffnung von Programmen zur Steigerung von Effizienz und Wirkung der öffentlichen Förderung

Weitere Fortschritte könnten durch gemeinsame Grundsätze für Peer-Review, Qualitätssicherung und die gemeinsame Evaluierung europäischer, nationaler und regionaler Programme und Agenturen erreicht werden, die zur Vereinfachung der Forschungsförderung in Europa beitragen und ihre Effizienz und Wirkung steigern würden. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung wäre die wechselseitige Öffnung entsprechender nationaler oder regionaler Programme für Teilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere bei von den Forschern selbst angeregten Forschungsvorhaben. Dies würde es Forschern ermöglichen, in anderen Mitgliedstaaten Mittel zu beantragen. Hierdurch würden wissenschaftliche Spitzenleistungen überall gefördert und die Effizienz der an die beste Forschung in Europa vergebenen Finanzmittel würde erhöht, was die positive Wirkung des Europäischen Forschungsrates verstärken würde.

Im Zusammenhang mit Forschungstätigkeiten, die von der Gesellschaft vorgegeben werden, bei denen sich die Arbeit auf zuvor festgelegte Bereiche oder Themen konzentriert, die von unmittelbarer Relevanz für die Bürger, die Industrie oder die Politik sind, sind Forschungsprogramme in einzelnen Ländern oder Regionen häufig sinnvoller, vor allem, um deren wissenschaftlichtechnische Kapazitäten auf- bzw. auszubauen und auf den Bedarf vor Ort zu reagieren. Die Interaktion zwischen solchen Programmen kann vom einfachen Informationsaustausch bis zur engen Koordinierung reichen. Einige Themen können jedoch am besten - oder manchmal sogar ausschließlich - im Rahmen europäischer oder zuweilen internationaler Forschungsprogramme effizient behandelt werden, bei denen die Unterstützung durch die EU, die nationale Förderung und Finanzmittel von Industrie und Stiftungen zusammengeführt werden.

Auf den Erfahrungen aufbauen und die Programmkoordinierung optimieren

Als wichtigstes Ergebnis der Maßnahmen seit 2000 ist festzuhalten, dass das Potenzial und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Programmkoordinierung aufgezeigt wurden, allerdings auch deren Grenzen26.

Seit 2003 unterstützt das auf einem "Bottom-up"-Konzept beruhende ERA-Net-System die Koordinierung nationaler und regionaler Programme. Andere Initiativen - z.B. "Wissensorientierte Regionen" im Rahmen des 7. RP und "Regionen für den wirtschaftlichen Wandel" im Rahmen der Kohäsionspolitik - fördern speziell die Zusammenarbeit zwischen Regionen. Was das ERA-Net betrifft, hat das Prinzip der "variablen Geometrie" die Bereitschaft der Beteiligten erhöht, ihre jeweiligen Programme teilweise zu integrieren. In den ersten Jahren der Anwendung des Systems hat sich jedoch eindeutig gezeigt, dass genau abgegrenzte und gut strukturierte nationale und regionale Programme mit entsprechender Mittelausstattung Voraussetzung für den Erfolg sind.

Dies ist auch das Ergebnis des bisher einzigen Versuchs, nationale Forschungsprogramme entsprechend Artikel 169 des EG-Vertrags in größerem Maßstab zu koordinieren, nämlich im Rahmen der EDCTP (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership - Partnerschaft zwischen Europa und den Entwicklungsländern im Bereich der klinischen Versuche). Dieses Vorhaben zeigt, dass auch nach einer förmlichen Verpflichtung der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Zusammenlegung von Ressourcen die konkrete Umsetzung sich als schwierig erweist.

Gemeinsam größere gesellschaftliche Probleme ermitteln, für deren Lösung die einzelnen Länder nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen

Man hat sich ferner bemüht, gemeinsam größere Probleme oder Möglichkeiten zu ermitteln, die allen oder vielen Ländern gemeinsam sind, jedoch Forschungsanstrengungen erfordern, die über die Kapazitäten der einzelnen Länder hinausgehen, und auf dieser Grundlage allgemeine Forschungspläne zu erstellen. So wurden im Rahmen der Europäischen Technologieplattformen unter Führung der Industrie europäische Zielvorstellungen und Forschungspläne auf den jeweiligen Gebieten entwickelt. Diese werden bei den Prioritäten des Forschungsrahmenprogramms der EU berücksichtigt. Einige Länder haben ebenfalls die Absicht, Teile dieser europäischen Forschungspläne in die nationalen Prioritäten aufzunehmen.

Die von den Europäischen Technologieplattformen erarbeiteten Zielvorstellungen und Forschungspläne legen den Schwerpunkt auf Themen, die sich aus den Interessen der Industrie ergeben. Sie könnten zu einem umfassenderen und komplementären Prozess einer gemeinsamen Forschungsplanung der EU und der Mitgliedstaaten führen, an der alle Akteure beteiligt sind (Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft u. a.). Auf diese Weise könnten die europäischen, nationalen und regionalen Forschungsprioritäten auf eine systematische Ermittlung bedeutender gesellschaftlicher Herausforderungen gestützt werden. Eine gemeinsame Zukunftsforschung und Technologiebewertung, ausgeführt von nationalen Organisationen in enger Zusammenarbeit und unter Beteiligung von Akteuren und Bürgern, könnte bei einem solchen Vorgehen strukturierend und bereichernd sein. Die jüngst eingeleitete Initiative zur Entwicklung eines Europäischen Strategieplans für Energietechnologie könnte eine interessante erste Maßnahme in diesem Zusammenhang darstellen27.

Gemeinsame Programme für von der Gesellschaft vorgegebene Forschungsarbeiten aufstellen

Gemeinsame Technologieinitiativen auf der Grundlage von Artikel 171 des EG-Vertrags sind eine neue Möglichkeit, auf europäischer Ebene öffentlichprivate Forschungspartnerschaften zu bilden, die eine Koordinierung der Forschungsmaßnahmen in großem Maßstab sicherstellen. Solche Initiativen wurden in einigen wenigen Fällen, in denen Umfang und Gegenstand es rechtfertigen, für die Durchführung von Forschungsprogrammen vorgeschlagen, die Teile von Forschungsplänen der Europäischen Technologieplattformen betreffen. In den nächsten Monaten sollen die ersten derartigen Initiativen eingeleitet werden.

Mittelfristig könnte ein neues Konzept für die Erarbeitung und Durchführung gemeinsamer Programme für von der Gesellschaft vorgegebene Forschungsarbeiten ins Auge gefasst werden, die folgende Merkmale aufweisen müssten, um den notwendigen Umfang und die gewünschte Effizienz und Wirkung zu gewährleisten:

Das Potenzial zwischenstaatlicher Forschungseinrichtungen nutzen

Aufgrund von Umfang und Art ihrer Tätigkeiten tragen zwischenstaatliche Forschungseinrichtungen wie die im EIROforum28 vertretenen zu Kohärenz, Qualität und Ergebnissen der europäischen Anstrengungen in einer Reihe von Forschungsbereichen bei. Die Kohärenz der Tätigkeiten dieser Einrichtungen untereinander sowie mit der EU-Forschung und anderen Maßnahmen ist von großer Bedeutung, sowohl für Europa als auch für die Position gegenüber dem Rest der Welt. In einigen Fällen könnte sie dadurch erhöht werden, dass die Gemeinschaft diesen Einrichtungen als Mitglied beitritt und so das kollektive Interesse aller EU-Staaten und der assoziierten Länder vertritt. Ferner könnten zwischenstaatliche Netze wie EUREKA und COST noch zusätzlich zur Kohärenz der Tätigkeiten innerhalb des Europäischen Forschungsraums beitragen.

Optimierung von Forschungsprogrammen und -prioritäten

3.6. Öffnung zur Welt: die internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technologie

Wissenschaft kennt keine Grenzen, und die von der Forschung zu behandelnden Themen sind immer häufiger globaler Natur. Die Herausforderung besteht darin, zu gewährleisten, dass die internationale wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit tatsächlich weltweit zu Stabilität, Sicherheit und Wohlstand beiträgt.

Der internationalen wissenschaftlichtechnischen Zusammenarbeit unter den außenpolitischen Zielen der EU einen höheren Stellenwert einräumen

Der Europäische Forschungsraum sollte daher weltoffen sein, und die wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit mit Partnerländern sollte kohärent und auf der Grundlage politischer Entscheidungen gelenkt werden29. Ein kohärentes Konzept für die internationale wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit im Interesse einer weltweit nachhaltigen Entwicklung kann einen Beitrag zum Brückenschlag zwischen Ländern und Kontinenten leisten.

Die Koordinierung zwischen EU und Mitgliedstaaten verbessern

Ein Erfolg wie der ITER zeigt, dass Europa den Führungswillen und die entsprechenden Fähigkeiten besitzt, um globale Herausforderungen gemeinsam mit internationalen Partnern anzunehmen. Auch in anderen Bereichen (z.B. im Umweltbereich) ist Europa verstärkt in weltweite Initiativen eingebunden. Generell ist eine solche Beteiligung jedoch bei weitem noch nicht systematisch und häufig kaum mit der Beteiligung der Mitgliedstaaten koordiniert. So haben sowohl Europa insgesamt als auch die einzelnen Mitgliedstaaten viel weniger Einfluss auf internationaler Ebene, als es potenziell möglich wäre.

Eine engere Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten ist im beiderseitigen Interesse erforderlich, außerdem ist die Politik der wissenschaftlichtechnischen Zusammenarbeit stärker mit den anderen Bereichen der Außenpolitik abzustimmen. Diese Koordinierung sollte sowohl im Rahmen multilateraler Foren und Initiativen als auch im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit der Länder angestrebt werden.

Eine bessere Koordinierung könnte durch ein gemeinsames Konzept erreicht werden, das sich vor allem auf die nachstehenden Vorschläge stützt (aufgrund der Lage der jeweiligen Partnerländer kann in vielen Fällen eine Kombination der folgenden Maßnahmen erforderlich sein):

Ein gemeinsames Konzept entwickeln für Nachbarländer, Entwicklungsländer, Industrieländer und Schwellenländer

Fragen von internationaler Bedeutung und regionale Bedürfnisse gemeinsam angehen insbesondere in multilateralem Rahmen

Ergänzend zu diesen allgemeinen Leitgrundsätzen sollten die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsame Vorgehensweisen in Fragen von internationaler Bedeutung und im Hinblick auf die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Regionen der Erde erwägen. Der internationale Forscheraustausch ist ein Thema, das mit allen Partnerländern zur Sprache kommen sollte. Schließlich sind multilaterale Initiativen bilateralen vorzuziehen, um die Kohärenz wissenschaftlichtechnischer Prioritäten und Maßnahmen auf internationaler Ebene zu erhöhen. Dies erfordert insbesondere Arbeiten im Rahmen multilateraler Organisationen wie der UNESCO, der OECD und der G8, im Rahmen multilateraler Übereinkommen wie dem UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen und dem Cotonou-Abkommen, sowie mit regionalen Organisationen wie der Afrikanischen Union, ASEAN und Mercosur.

Öffnung zur Welt: die internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technologie

4. Die Vorgehensweise: Öffentliche Diskussion und weitere Schritte

Europa hat ein enormes Forschungs- und Entwicklungspotenzial, das noch ausgeschöpft werden muss. Nach Ansicht der Kommission kann auf der Grundlage der in diesem Grünbuch enthaltenen allgemeinen Vorschläge der Europäische Forschungsraum beträchtlich gestärkt werden, womit wir in der Lage wären, die Herausforderungen, vor denen Europa in einer offenen Welt steht, anzunehmen und die Ziele der Lissabon-Strategie zu erreichen.

Die Kommission leitet eine breit angelegte Konsultation und Debatte ein um künftige Maßnahmen planen zu können

Mit diesem Grünbuch leitet die Kommission eine breit angelegte Konsultation und Debatte ein, in der diese Vorschläge erörtert und präzisiert und weitere Ideen ermittelt werden sollen. Zu diesem Zweck fordert die Kommission

Die Kommission plant, auf der Grundlage der Ergebnisse der Konsultation und der Erörterungen 2008 Vorschläge für Maßnahmen vorzulegen.

Zur Begleitung und Unterstützung der Diskussion sowie zur Vorbereitung ihrer Vorschläge wird die Kommission themenbezogene Veranstaltungen organisieren und externe Sachverständige zu Rate ziehen, die die im Grünbuch zur Debatte gestellten Themen erläutern werden.

Die Kommission wird außerdem den Europäischen Forschungsbeirat (EURAB) reformieren, um seine Rolle bei der Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums zu stärken. Zu dessen Auftrag sollte es gehören, die Europäische Kommission bei der Organisation einer regelmäßig stattfindenden "Versammlung" aller Akteure der europäischen Forschung zu unterstützen.

Schließlich wird die Kommission den Ausbau der Datensammlung, -analyse, -überwachung und -evaluierung fördern, um die Informationsbasis für die Entwicklung des Europäischen Forschungsraums zu stärken und die Fortschritte im Hinblick auf seine Realisierung messen zu können32.