Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2008 zur besonderen Situation von Frauen im Gefängnis und die Auswirkungen der Inhaftierung von Eltern auf deren Leben in Familie und Gesellschaft (2007/2116(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 305610 - vom 9. April 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 13. März 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass gemäß den internationalen und europäischen Übereinkommen6 die Menschenrechte einer jeden inhaftierter Person geachtet werden müssen und dass die Haftbedingungen in Einklang mit den Grundsätzen der Würde des Menschen, der Nichtdiskriminierung und des Respekts des Privat- und Familienlebens stehen und regelmäßig von unabhängigen Stellen geprüft werden müssen,

B. in der Erwägung, dass die besonderen Bedürfnisse und Situationen von weiblichen Inhaftierten im Rahmen der richterlichen Entscheidungen, in den Strafgesetzen und von den Strafvollzugsbehörden der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssen,

C. in der Erwägung, dass konkrete und den besonderen Bedürfnissen der Frauen angepasste Maßnahmen getroffen werden müssen, insbesondere die Anwendung alternativer Strafen,

D. in der Erwägung, dass schwangeren Frauen in Haft die Unterstützung, Informationen und alle Elemente zugute kommen sollten, die für eine komplikationslose Schwangerschaft und Mutterschaft notwendig sind, nämlich eine ausgewogene Ernährung, einwandfreie hygienische Bedingungen, frische Luft, körperliche Betätigung sowie prä- und postnatale Versorgung,

E. in der Erwägung, dass alle Häftlinge, ob Männer oder Frauen, gleichermaßen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen haben müssen, die Strafvollzugsmaßnahmen jedoch die Prävention, die Betreuung und die Behandlung von frauenspezifischen Gesundheitsproblemen besonders berücksichtigen müssen,

F. in der Erwägung, dass die psychische und physische Gesundheit der Mutter mit der des Kindes in Verbindung zu bringen ist,

G. in der Erwägung, dass eine große Zahl von weiblichen Inhaftierten von Drogen oder anderen Substanzen abhängig ist oder war und die dadurch bedingten psychischen oder Verhaltensstörungen einer geeigneten medizinischen Behandlung sowie einer sozialen und psychologischen Unterstützung im Rahmen einer umfassenden Gesundheitspolitik für den Strafvollzug bedürfen,

H. in der Erwägung, dass heute bekannt ist, wie oft es in der Vorgeschichte von Frauen in Gefängnissen zu Gewalt, sexuellem Missbrauch und Misshandlung in der Familie und der Ehe gekommen ist, wie stark diese Frauen wirtschaftlich und psychologisch abhängig sind und wie unmittelbar dies alles mit ihrem Weg in die Straffälligkeit und ihren physischen und psychischen Leiden, zu denen der posttraumatische Stress gehört, verknüpft ist,

I. in der Erwägung, dass das Personal im Strafvollzug hinreichend für die Beachtung des Grundsatzes der Gleichstellung von Mann und Frau sowie für die besonderen Bedürfnisse und Situationen der weiblichen Strafgefangenen ausgebildet und sensibilisiert sein muss; in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, den am meisten Gefährdeten unter ihnen ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und zwar den Minderjährigen und den Behinderten;

J. in der Erwägung, dass die Erhaltung familiärer Bindungen ein wichtiges Mittel zur Verhinderung von Rückfällen und zur sozialen Wiedereingliederung ist und alle Strafgefangenen, ihre Kinder7 und andere Familienangehörige einen Anspruch darauf haben wobei jedoch die Wahrnehmung dieses Rechts für die Frauen aufgrund der geringen Zahl von Frauengefängnissen und der damit möglicherweise verbundenen geografischen Entfernung oft besonders schwierig ist,

K. in der Erwägung, dass das übergeordnete Interesse des Kindes immer im Auge behalten werden muss, wenn über die Trennung des Kindes von den Eltern oder über seinen Verbleib bei dem inhaftierten Elternteil entschieden wird, wobei in jedem Fall die Rechte des anderen Elternteils gewahrt bleiben müssen und angemessene Vorkehrungen zu treffen sind, um die emotionalen Bindungen zum ursprünglichen Familienkreis (Geschwister, Großeltern und sonstige Familienangehörige) zu erhalten,

L. in der Erwägung, dass sich die Unterzeichnerstaaten des oben genannten Übereinkommens über die Rechte des Kindes (sowie anderer internationaler Vereinbarungen8) verpflichtet haben, allen Kindern ohne Diskriminierung und unabhängig vom Rechtsstatus ihrer Eltern sämtliche in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechte zu garantieren, insbesondere das Recht auf angemessene Gesundheitsdienstleistungen, auf Freizeitgestaltung und Bildung, und dass diese Verpflichtung ebenfalls für Kinder gelten muss, die mit einem Elternteil im Gefängnis leben M. in der Erwägung, dass es die Rolle einer Strafvollzugsanstalt sein sollte, über die Bestrafung einer illegalen Handlung hinaus die soziale und berufliche Wiedereingliederung zu ermöglichen, da die Vorgeschichte vieler Strafgefangener beiderlei Geschlechts durch soziale Ausgrenzung und Armut gekennzeichnet ist ,

N. in der Erwägung, dass eine große Zahl von Frauen, die ins Gefängnis kommen, in laufende Gerichtsverfahren verwickelt ist (Sorgerecht, Pflege oder Adoption von Kindern, Scheidungen oder Trennungen, Wohnungskündigung usw.), deren Ausgang bei Antritt ihrer Haftstrafe nicht absehbar ist, wodurch eine Situation der Hilflosigkeit entsteht die sie in einen permanenten Zustand von Ungewissheit und Stress versetzt,

O. in der Erwägung, dass den Strafgefangenen die bestehenden Sozialhilfeleistungen oft nicht bekannt sind und in vielen Fällen das Fehlen, der Verlust oder die Ungültigkeit ihrer Papiere (Personalausweis, Krankenversicherungskarte, Familienbuch usw.) sie praktisch daran hindert, die Rechte wahrzunehmen, über die jeder Angehörige eines Mitgliedstaats verfügt,

P. in der Erwägung, dass ein gleicher Zugang aller Strafgefangener, Männern wie Frauen, zu Beschäftigung, Ausbildung und Freizeitgestaltung während der Dauer ihrer Inhaftierung von besonderer Wichtigkeit für ihr psychologisches Gleichgewicht und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Arbeitswelt ist,

Q. in der Erwägung, dass das Angebot an Bildung, Ausbildung, Beschäftigung, Freizeitgestaltung und Selbstverwirklichung, das den Strafgefangenen beiderlei Geschlechts zur Verfügung steht, so umfangreich es auch sein mag, allein nicht ausreicht und dass Begleitprogramme aufgestellt werden müssen, die ihre Einbeziehung in die Planung und den Verlauf ihres Wiedereingliederungsprozesses erleichtern,

R. in der Erwägung, dass die inhaftierten Frauen ohne Diskriminierung Zugang zu einer Beschäftigung und einer Tätigkeit auf freiwilliger Basis sowie zu verschiedenartigen und den Erfordernissen des Arbeitsmarkts angepassten Berufsbildungs- und sozialpädagogischen Maßnahmen erhalten müssen, die ihre Wiedereingliederung nach Verbüßung der Strafe fördern,

S. in der Erwägung, dass eine erfolgreiche soziale Wiedereingliederung von Häftlingen beiderlei Geschlechts sowie die Verringerung der Rückfallquote von der Qualität der Betreuung während der Haft abhängen, insbesondere von den Partnerschaften, die mit Unternehmen und sozialen Einrichtungen aufgebaut werden, sowie von der Betreuung sowie der sozialen und beruflichen Unterstützung nach Verbüßen der Haftstrafe,

T. in der Erwägung, dass es einen erheblichen Bedarf an umfassenden, vergleichbaren und aktuellen nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten und Statistiken gibt, Haftbedingungen