Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2008 zu dem Thema "Gleichstellung und Teilhabe - die Rolle der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit" (2007/2182(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 305610 - vom 9. April 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 13. März 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass es in der von der UN-Weltkonferenz über Menschenrechte am 25. Juni 1993 verabschiedeten Wiener Erklärung heißt, dass die Menschenrechte von Frauen und Mädchen ein unveräußerlicher, integraler und untrennbarer Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte sind,

B. in der Erwägung, dass im Europäischen Entwicklungskonsens die Geschlechtergleichstellung als ein Grundprinzip herausgestellt und darin festgehalten wird, dass die Europäische Union "in all ihre Politikfelder und Praktiken, die ihre Beziehungen zu Entwicklungsländern betreffen, die Geschlechtergleichstellung als wichtige Komponente aufnehmen" wird (Teil I - Artikel 19), und in der Erwägung, dass im Abkommen von Cotonou die Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter nachdrücklich hervorgehoben und darin erklärt wird, dass die "Zusammenarbeit zur Erleichterung des Zugangs von Frauen zu allen Ressourcen [beiträgt], die sie zur uneingeschränkten Ausübung ihrer Grundrechte benötigen" (Artikel 31),

C. in der Erwägung, dass die UN-Generalversammlung den universellen Zugang zu reproduktiver Gesundheit bis zum Jahr 2015 als Unterziel in den Katalog der MDG aufgenommen hat,

D. in der Erwägung, dass in der Aktionsplattform von Beijing Gender Mainstreaming als wirksame Strategie zur Förderung der Geschlechtergleichstellung bekräftigt und darin erklärt wurde, dass "Regierungen und andere Akteure eine aktive und sichtbare Politik der konsequenten Einbeziehung einer Geschlechterperspektive in alle Politiken und Programme fördern [sollten], damit die Auswirkungen von Entscheidungen auf Frauen bzw. Männer analysiert werden, bevor entsprechende Entscheidungen getroffen werden",

E. in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen rund zwei Drittel der weltweiten Arbeitslast tragen, dass sie aber in den Genuss von weniger als 5 % des Einkommens kommen in der Erwägung, dass Frauen mit ihrer Arbeit die Hälfte aller Lebensmittel in der Welt erzeugen und dass fast 74 % der nichterwerbstätigen Frauen sich vorwiegend um die Hausarbeit und die Betreuung von Familienangehörigen zu Hause kümmern wobei dies für nur 27 % der nichterwerbstätigen Männer gilt,

F. in der Erwägung, dass von den 1,3 Milliarden in absoluter Armut lebenden Menschen 70 % Frauen sind und Armut nicht nur ein Symptom, sondern auch eine Ursache von ungleicher Verteilung von Einkommen, Besitz, Ressourcen, Marktmacht und Verfügungsgewalt über Eigentum ist; in der Erwägung, dass die Europäische Union die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frauen in ihrer Entwicklungszusammenarbeit über den zweigleisigen Ansatz fördert, der einerseits die systematische Einbeziehung der Geschlechterproblematik in alle Projekte und Programme (Gender Mainstreaming) und andererseits bestimmte Maßnahmen vorsieht, die auf die Förderung der Frauenrechte und die Teilhabe der Frauen abzielen,

G. in der Erwägung, dass Wirtschaftswachstum notwendig, aber nicht hinreichend bei der Bekämpfung von Armut ist, weil es nicht genug Existenz- und Beschäftigungsmöglichkeiten schafft H. in der Erwägung, dass Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts häufig zu weiterer Ungleichbehandlung führt, die sich negativ auf das Wohlergehen der Frauen, ihre Familien und ihre Gemeinschaft sowie ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten auswirkt,

I. in der Erwägung, dass auf die Gleichstellung abzielende Maßnahmen in den meisten Ländern nicht als Priorität betrachtet werden, da die Gleichstellungsthematik als zweitrangig erachtet wird und kulturelle, religiöse und sozioökonomische Praktiken als Entschuldigung für die Behinderung von Fortschritten im Bereich der Geschlechtergleichstellung und der Frauenrechte benutzt werden,

J. in der Erwägung, dass durch die Stärkung der Stellung der Frauen nachweislich die Verwirklichung der anderen MDG beschleunigt wird, da sie zur Armutsbekämpfung und zur Verbesserung der demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren beiträgt K. in der Erwägung, dass Gender Mainstreaming dazu beitragen kann, dass Gesellschaften gerechter und demokratischer werden und dass in ihnen Frauen und Männer als in allen Aspekten des Lebens gleich gelten, dass es aber spezielle Gleichstellungsmaßnahmen und positive Aktionen als Teil eines doppelten Ansatzes zur Verwirklichung der angestrebten Gleichstellung der Geschlechter nicht ersetzen kann,

L. in der Erwägung, dass die frühzeitige allgemeine und berufliche Bildung für Mädchen und Frauen (einschließlich umfassender Sexualaufklärung) von entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung von Armut und weit verbreiteten Krankheiten sind, da sie dafür sorgen, dass Frauen ihr Wissen, ihre Kompetenzen und ihr Selbstbewusstsein mit Blick auf eine uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft und der Politik ausbauen M. in der Erwägung, dass der uneingeschränkte Zugang der Frauen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und zu den entsprechenden Rechten eine Voraussetzung für die Gleichstellung der Geschlechter ist, weil die Fähigkeit für Frauen, über ihre Fruchtbarkeit zu bestimmen, von wesentlicher Bedeutung für die Stärkung ihrer Rolle ist und zwar aus folgenden Gründen: Frauen, die ihre Familie planen können, können ebenfalls den Rest ihres Lebens planen; gesunde Frauen können produktiver sein; der Schutz der reproduktiven Rechte - so z.B. die Familienplanung bezüglich des Zeitpunkts von Geburten und des Abstands zwischen Geburten sowie die Entscheidung darüber ob man Kinder haben will, ohne Diskriminierung, Zwang und Gewalt - bringt die Freiheit mit sich, stärker und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben N. in der Erwägung, dass es sehr wichtig ist, finanzielle und technische Mittel für Frauenorganisationen zur Verfügung zu stellen, um so Programme für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft einschließlich Migrantinnen, vertriebenen Frauen und Flüchtlingsfrauen zu fördern, wobei insbesondere Anlagen und angemessene Technologie für die Nahrungsmittelverarbeitung und die Erleichterung der Arbeitslast zur Verfügung gestellt, der Zugang von Frauen zu Land erleichtert, der Zugang von Mädchen zu Schulen und der regelmäßige Schulbesuch verbessert werden sollen,

O. in der Erwägung, dass Frauen in der Ehe sowie beim Zugang zu Eigentum von Grund und Boden, beim Zugang zu den Ressourcen und bei der Kontrolle dieser Ressourcen diskriminiert werden können,

P. in der Erwägung, dass vielen Frauen der Zugang zur medizinischen Grundversorgung, zur Bildung auf allen Ebenen, zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit, zu beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und zur Mitwirkung an Entscheidungsprozessen verwehrt ist Q. in der Erwägung, dass es in bestimmten Kulturen noch immer traditionelle und religiöse Vorurteile gibt, die es mit sich bringen, dass junge Frauen und Mädchen nur einen eingeschränkten Zugang zur Bildung haben und diskriminiert werden,

R. in der Erwägung, dass mindestens 130 Millionen Frauen gezwungen wurden, sich der Verstümmelung ihrer weiblichen Genitalien oder anderen gewaltsamen traditionellen Praktiken zu unterziehen, und für weitere 2 Millionen Frauen jährlich die Gefahr besteht dass ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Menschenrechte durch solche Praktiken schwer verletzt werden,

S. in der Erwägung, dass Migrantinnen der Gefahr der Zwangsarbeit und der sexuellen Ausbeutung stärker ausgesetzt sind als Männer und dass sie auch viel eher prekäre Arbeitsbedingungen hinnehmen,

T. in der Erwägung, dass in Ländern, die sich nach der Beilegung eines Konflikts in einem Prozess des Wiederaufbaus und der Reintegration befinden, institutionelle Mechanismen und Zusagen hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter wirksame erste Schritte auf dem Weg zum Schutz und zur Förderung der Frauenrechte darstellen; in der Erwägung, dass die Beteiligung aller einschlägigen Akteure, u.a. der Regierungen und politischen Vertreter, nichtstaatlicher Organisationen, von Gruppen der Zivilgesellschaft und Akademikern, sowie die direkte Mitwirkung von Frauengruppen und -netzwerken eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung einer gemeinsamen und nachhaltigen Entwicklung darstellen,

U. in der Erwägung, dass in Afrika in den Ländern südlich der Sahara 57 % der mit HIV/AIDS infizierten Erwachsenen Frauen sind und dass die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion bei Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren mehr als drei Mal so hoch wie bei jungen Männern ist,

V. in der Erwägung, dass es ein Gefälle beim Informationsstand von Männern und Frauen über die Übertragungswege von HIV/Aids und Präventionsmaßnahmen gibt, das durch ein Klima der Diskriminierung und der geschlechtsbezogenen Gewalt noch verschärft wird; in der Erwägung, dass Aufklärung in Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie Informationen über und Zugang zu Diensten der reproduktiven Gesundheit die beste Garantie für die Verhütung von HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sind,

W. in der Erwägung, dass immer noch jedes Jahr 536.000 Mütter bei der Geburt sterben (95 % davon in Afrika und Asien) und dass auf jede Frau, die stirbt, 20 oder mehr kommen die mit schweren Komplikationen zu kämpfen haben, die von chronischen Entzündungen bis zu schweren Verletzungen wie obstetrischen Fisteln reichen und die ohne weiteres vermieden werden könnten, wenn es einen allgemeinen Zugang zu grundlegender Geburtshilfe und Betreuung bei geburtshilflichen Notfällen sowie zu reproduktiven Gesundheitsdiensten gäbe,

X. in der Erwägung dass es nach einer Studie des International Food Policy Research Instituts einen starken Zusammenhang zwischen dem Ernährungszustand der Kinder und der Entscheidungsgewalt von Frauen im Haushalt gibt, wonach Frauen, wenn sie einen niedrigen Status und kein Mitspracherecht haben, häufiger selbst unterernährt sind in der Erwägung, dass durch verbesserte Ernährung ein Großteil der Todesfälle von Kindern vermieden werden könnte und ein Beitrag zur Verwirklichung des MDG betreffend die Senkung der Kindersterblichkeit geleistet würde,

Y. in der Erwägung, dass die Wirksamkeit einiger bisher durchgeführter Projekte durch besondere Schwachstellen einiger Länder beeinträchtigt wurde, und zwar durch instabile lokale und nationale Verwaltungsbehörden, korrupte Regierungen und einen Mangel an Erfahrung und ausgebildetem Personal für die Überwindung der Probleme, die die verstärkte Teilhabe der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter betreffen Z. in der Erwägung, dass ein erhöhtes Risiko von Naturkatastrophen sowie von lokaler bzw. regionaler Ressourcenzerstörung benachteiligte Bevölkerungsgruppen überproportional trifft,