Antrag des Landes Hessen
Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, den 24. März 2009

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende


mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Roland Koch

Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich im Rat und bei der Kommission dafür einzusetzen, dass die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen dahingehend geändert wird, dass eine Patentierung von Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen und Tiere sind, zukünftig ausgeschlossen wird, wenn sie auf klassischen Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion beruhen. Die Regelungen zur Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren sind insgesamt kritisch zu überprüfen. Insbesondere wird die Bundesregierung gebeten, sich dafür einzusetzen, dass künftig der Erwerb von Patent-Ansprüchen auf Tiere und Pflanzen sowie deren Fortpflanzungsprodukte, die aus patentierten Verfahren hervorgehen, untersagt wird.

Begründung

Am 6. Juli 1998 erfolgte die Verabschiedung der EU-Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biopatentrichtlinie), die bis zum 30. Juli 2000 in nationalem Recht umgesetzt werden musste. Durch die zwischenzeitlich erfolgte Patentierungspraxis hat sich gezeigt, dass zunehmend Patente auf biologische Verfahren sowie auf Tiere und Pflanzen erteilt werden, die sich nachteilig auf die gartenbauliche und landwirtschaftliche Weiter- und Neuzucht auswirken. Hierdurch wird jedoch nicht nur die herkömmliche gartenbauliche und landwirtschaftliche Zuchttätigkeit beeinträchtigt, sondern es besteht die Gefahr, dass die in den nächsten Jahren notwendigen Züchtungsfortschritte zur Anpassung von Nutzpflanzen und Nutztieren an den Klimawandel und zur Sicherung der Ernährungsgrundlagen behindert werden.

Bereits 1992 (EP 169672) vergab das Europäische Patentamt erstmals ein Patent auf Tiere. Es handelte sich um eine Maus, die durch gentechnische Veränderungen besonders anfällig für Krebs wurde. Der Anspruch dieses Patentes erstreckte sich damals auf alle Säugetiere außer dem Menschen, die durch dieses gentechnische Verfahren besonders leicht an Krebs erkranken würden. Letztlich wurde es nach mehreren Einspruchs- und Beschwerdeverfahren im Jahre 2004 auf die Spezies Maus begrenzt.

Das Europäische Patentamt vergab zudem bereits Patente auf Verfahren zur Züchtung von Rindern und Schweinen. Diese Patente sichern exklusive Nutzungsrechte für bestimmte Züchtungsverfahren von Nutztieren mit attraktiven Eigenschaften, wie leistungsstarker Milchproduktion, fettarmem Fleisch oder schnellem Wachstum.

Derzeit ist vor der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes der Fall "Broccoli" (EP 1069819) anhängig, der als wegweisend für die zukünftige Patentierungspraxis angesehen wird. Mit dem Patentantrag wird sowohl der Patent-Anspruch auf ein Züchtungsverfahren, das auf der Selektion natürlicher in der Pflanze vorkommender Gene beruht, als auch der Patent-Anspruch auf die Pflanzen und Samen, die nach dem patentierten Verfahren hergestellt werden, geltend gemacht. Aufgrund von Einsprüchen wird der Patent-Antrag derzeit noch vor der Großen Beschwerdekammer verhandelt.

Gemäß Artikel 4 in Verbindung mit Artikel 2 der Biopatentrichtlinie sind "im wesentlichen biologische Verfahren" zur Züchtung von Tieren oder Pflanzen, die vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruhen, nicht patentierbar. Die Definition und Abgrenzung des Begriffs "im wesentlichen biologisch" erweist sich hierbei als zunehmend problematisch, da die Frage, ob ein Züchtungsverfahren, das zusätzlich zu Kreuzungs- und Selektionsschritten eine technische Besonderheit enthält (z.B. Kreuzung kombiniert mit DNA-markergestützter Selektion) patentierbar sein kann, durch das Europäische Patentamt sehr weit ausgelegt wird. Eine Klarstellung, dass die bloße Verwendung einzelner technischer Elemente nicht zur Patentierung eines herkömmlichen Kreuzungs- oder Selektionsverfahrens berechtigt, ist daher erforderlich.

Im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums war es für die europäische Landwirtschaft stets von Bedeutung, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Patent- und Sortenschutzrecht zu erzielen, mit dem Ziel, dass bei landwirtschaftlich genutzten Pflanzen, gegenüber den Landwirten, ausschließlich das Sortenschutzrecht gelten soll. Dies galt analog auch in der Tierzucht. Ein ausgewogener Kompromiss ist seit Inkrafttreten der Biopatentrichtlinie allerdings nicht mehr gegeben. Das in der einschlägigen Biopatentrichtlinie festgeschriebene Verbot für die Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen wird zunehmend dadurch umgangen, dass Firmen Patente auf zu Sorten gehörende Pflanzen oder Tiere bzw. Patente, die mehr als eine Sorte umfassen, einschließlich des Anbauverfahrens, beantragen. Somit schließt das Patentsystem das Landwirteprivileg und die Züchter-Ausnahme aus, womit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Züchter und Landwirte grundlegend ändern.

Ziel muss es daher sein, dass zukünftig die im Rahmen der klassischen Züchtung in Gartenbau und Landwirtschaft produzierten Tiere und Pflanzen in ihren Folgegenerationen keinem Patentschutz unterliegen, wenn in der Elterngeneration ein patentiertes Verfahren eingesetzt wurde, das auf einem klassischen Züchtungsverfahren unter Ausnutzung von Kreuzung und Selektion beruht.