Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes

A. Problem und Ziel

Die Anlage des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) wird an den aktuellen Stand der Erkenntnisse angepasst, indem die unter Nummer 2.1.4 der Anlage des NpSG definierte Seitenkette der von Indol, Pyrazol und 4-Chinolon abgeleiteten Verbindungen erweitert wird. Dadurch werden weitere, neu aufgetretene synthetische Cannabinoide erfasst.

Damit sollen zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung die Verbreitung und der Missbrauch dieser gesundheitsgefährdenden synthetischen Cannabinoide eingedämmt und es soll die Strafverfolgung erleichtert werden.

B. Lösung

Erlass der vorliegenden Verordnung.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine. Mehrbedarfe durch den Erfüllungsaufwand im Bereich des Bundes sind finanziell und stellenplanmäßig in den jeweiligen Einzelplänen zu erwirtschaften.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Bundesverwaltung entsteht ein geringer zusätzlicher Vollzugsaufwand für die Strafverfolgung durch die Zollbehörden und das Bundeskriminalamt, da die Überwachung des Umgangs mit neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) aufgrund der Erweiterung der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide ausgeweitet wird.

Für die Überwachungsbehörden und Polizeibehörden der Länder kann ein erhöhter, derzeit aber nicht quantifizierbarer Vollzugsaufwand entstehen, da die Überwachung des Umgangs mit NPS aufgrund der Erweiterung der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide ausgeweitet wird.

F. Weitere Kosten

Keine.

Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, 20. Mai 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Gesundheit zu erlassende Verordnung zur Änderung der Anlage des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetzes mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Helge Braun

Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes*

Vom ...

Auf Grund des § 7 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2615) in Verbindung mit § 1 Absatz 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165) und dem Organisationserlass vom 14. März 2018 (BGBl. I S. 374) verordnet das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Bundesministerium der Finanzen und nach Anhörung von Sachverständigen:

Artikel 1 Nummer 2.1.4 der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2615), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 12. Juli 2019 (BGBl I S. 1083) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

"b) direkt angebundene gesättigte, ungesättigte oder, soweit möglich, aromatische Ringe mit drei bis sieben Ringatomen, einschließlich Stickstoff-, Sauerstoff- oder Schwefelheterozyklen und am Ring fluor-, chlor-, brom-, iod-, trifluormethyl-, methoxy- oder cyanosubstituierte Derivate sowie am Ringstickstoff methyl- oder ethylsubstituierte Derivate,".

2. Folgender Buchstabe c wird angefügt:

"c) über eine Kohlenwasserstoffbrücke (gesättigt oder einfach ungesättigt, verzweigt oder nicht verzweigt, in Position 2 optional oxosubstituiert) mit insgesamt ein bis vier Kohlenstoffatomen gekoppelte gesättigte, ungesättigte oder, soweit möglich, aromatische Ringe mit drei bis sieben Ringatomen, einschließlich Stickstoff-, Sauerstoff- oder Schwefelheterozyklen und am Ring fluor-, chlor-, brom-, iod-, trifluormethyl-, methoxy- oder cyanosubstituierte Derivate sowie am Ringstickstoff methyl- oder ethylsubstituierte Derivate."

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

*Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Mit der Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes und von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes vom 12. Juli 2019 (BGBl. I S. 1083) wurde die Anlage des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) an den damaligen Stand der Erkenntnisse angepasst. In der Zwischenzeit sind neue synthetische Cannabinoide mit einem hohen Potential für eine weite Verbreitung und eine damit verbundene Gesundheitsgefährdung aufgetreten und haben eine Lücke in den Regelungen zu synthetischen Cannabinoiden aufgezeigt. Diese Lücke soll durch diese Verordnung geschlossen werden, um den neu aufgetretenen Stoffen rechtlich effektiver begegnen und ihre Verbreitung und Verfügbarkeit bekämpfen zu können.

II. Wesentlicher Inhalt der Verordnung

Um den riskanten Missbrauch von neu aufgetretenen synthetischen Cannabinoide wirksam eindämmen zu können, wird die unter Nummer 2.1.4 der Anlage des NpSG definierte Seitenkette der von Indol, Pyrazol und 4-Chinolon abgeleiteten Verbindungen durch Neufassung des Buchstabens b und durch Anfügung eines neuen Buchstabens erweitert.

III. Alternativen

Keine.

IV. Regelungskompetenz

Die Regelungskompetenz des Bundesministeriums für Gesundheit folgt aus § 7 NpSG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Verordnung ist mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

Zu den Änderungen in Artikel 1 wurde die Notifizierung durchgeführt gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

VI. Verordnungsfolgen

Die Erweiterung der Seitenkettendefinition der von Indol, Pyrazol und 4-Chinolon abgeleiteten Verbindungen hat zur Folge, dass das in § 3 Absatz 1 NpSG geregelte verwaltungsrechtliche Verbot des Umgangs mit neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) auf weitere Stoffe erstreckt wird, die dann unter die Untergruppe 2.1 der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide fallen. Das Gleiche gilt für die in § 4 NpSG geregelte Strafbewehrung des Handeltreibens mit NPS, des Inverkehrbringens, des Verabreichens sowie des Herstellens und des Verbringens von NPS in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Zweck des Inverkehrbringens. Dies ermöglicht ein Einschreiten der Zoll- und Polizeibehörden gegen den unerlaubten Umgang, insbesondere den Handel mit diesen NPS. 1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Die Verordnung sieht keine Aufhebung von Regelungen oder Vereinfachung von Verwaltungsverfahren vor.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die Verordnung berücksichtigt die Prinzipien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Die mit der Verordnung vorgesehenen Regelungen unterstützen das Ziel "Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit zu vermeiden" und stärken den Gesundheitsschutz.

Durch die Erweiterung der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide in der Anlage des NpSG werden zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung die Verbreitung und der Missbrauch dieser gesundheitsgefährdenden synthetischen Stoffe eingedämmt. Zugleich soll die Strafverfolgung erleichtert werden.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Bund, Länder und Kommunen werden nicht mit weiteren Kosten belastet.

4. Erfüllungsaufwand

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Bundesverwaltung entsteht durch die Ausweitung der Überwachung des Umgangs mit NPS aufgrund der Erweiterung der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide ein geringer zusätzlicher Vollzugsaufwand für die Strafverfolgung durch die Zollbehörden und das Bundeskriminalamt.

Für die Überwachungsbehörden und Polizeibehörden der Länder kann durch die Ausweitung der Überwachung des Umgangs mit NPS aufgrund der Erweiterung der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide ein erhöhter, derzeit aber nicht quantifizierbarer Vollzugsaufwand entstehen.

Sollte im Bereich des Bundes ein Mehrbedarf an Sach- oder Personalmitteln entstehen, ist er finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan auszugleichen.

5. Weitere Kosten

Keine.

6. Weitere Regelungsfolgen

Diese Verordnung hat keine demographischen und keine gleichstellungspolitischen Auswirkungen.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung der Verordnung ist nicht vorgesehen. Die Anlage zum NpSG wird fortlaufend anhand der mit ihrem Vollzug gesammelten Erfahrungen und auf der Grundlage von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bewertet.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Bisher umfasst die Seitenkettendefinition der Untergruppe 2.1 der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide nur diejenigen Strukturelemente, zu denen die wissenschaftliche Fach- und Patentliteratur Bindungsaffinitätsdaten angegeben hat. Mit CUMYL-CBMICA ist im August 2019 das erste, vermutlich spezifisch neu designte synthetische Cannabinoid auf dem Drogenmarkt aufgetreten, das noch nicht in Patenten oder der Fachliteratur beschrieben war. Dieser neue cannabimimetische Wirkstoff besitzt einen in der Seitenkette zuvor nicht aufgetretenen Ring mit vier Kohlenstoffatomen (sogenannter Cyclobutyl- oder 4-Ring).

Die derzeitige, insoweit noch eingeschränkte Fassung der Untergruppe 2.1 der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide, eröffnet den am NPS-Markt aktiven Akteuren eine Vielzahl stofflicher Modifikationsmöglichkeiten, die sich entsprechend der bislang unter Nummer 2.1.4 definierten Seitenkette auf fünf bis sieben Ringatome erstreckt. Damit besteht hinreichender Anlass zu der Annahme, dass sich solche neuen synthetischen Cannabinoide ähnlich umfangreich verbreiten könnten wie es bereits bei den Stoffen CUMYL-PEGACLONE und CUMYL-5F-PEGACLONE der Fall war, bevor die Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide durch die Verordnung zur Änderung der Anlage des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetzes und von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes vom 12. Juli 2019 erstmals erweitert wurde. Gegen eine solche Entwicklung ist im Interesse des Schutzes der Bevölkerung und des Einzelnen vor den von solchen NPS ausgehenden Gesundheitsgefahren regulative Vorsorge zu treffen.

Gleichermaßen und mit nahezu identischen Modifikationsmöglichkeiten könnten auch cannabimimetische Verbindungen mit einem Ring aus drei Atomen in der Seitenkette hergestellt werden (sogenannte Cyclopropylderivate), die ebenfalls noch nicht von der derzeitigen Stoffgruppenregelung erfasst sind. Aufgrund von Struktur-/Wirkungsbetrachtungen ist sowohl bei 3-Ringen als auch bei 4-Ringen von einer psychoaktiven Wirkung auszugehen, so dass diese ebenfalls in die Erweiterung der in Nummer 2.1.4 definierten Seitenkette aufzunehmen sind. Ohne eine solche Fortschreibung besteht begründeter Anlass zu der Annahme, dass 3-Ringe nach einer Aufnahme der 4-Ringe in die Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide umgehend von den am NPS-Markt aktiven Akteuren nachgeschoben werden. Im Interesse des Schutzes der Bevölkerung und des Einzelnen vor den von solchen potenten cannabimimetischen Wirkstoffen ausgehenden Gesundheitsgefahren ist Vorsorge zu treffen.

Die Fortschreibung der in Nummer 2.1.4 definierten Seitenkette wird zur besseren Verständlichkeit durch die Neufassung von Buchstabe b und die Anfügung von Buchstabe c erreicht. Buchstabe b bezieht sich auf direkt angebundene Ringe, während Buchstabe c sich auf Ringe bezieht, die über Kohlenwasserstoffbrücken gekoppelt sind.

Bereits in der Vergangenheit sind 3-Ringe in Brückenresten von synthetischen Cannabinoiden vorgekommen, wie beispielsweise in UR-144 und 5-Fluor-UR-144 (Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes). Da der Brückenrest nur einen geringen Einfluss auf die Rezeptorbindung hat und somit stärker chemischstrukturell variiert werden kann, wurden bei der Definition des Brückenrests in Nummer 2.1.3 bereits verschiedene Ringstrukturen einschließlich 3-Ringen und 4-Ringen berücksichtigt.

Zu Artikel 2

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten der Verordnung. Da zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung die Verbreitung und der Missbrauch der gesundheitsgefährdenden NPS möglichst schnell eingedämmt werden sollen, ist ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung vorgesehen.