Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht

Der Bundesrat hat in seiner 858. Sitzung am 15. Mai 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 10 KWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die im Entwurf beabsichtigten Maßnahmen zur erweiterten Eigenkapitalausstattung bereits zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich und auch hinreichend bestimmt sind.

Begründung

Dem Gesetzentwurf ist nicht zu entnehmen, warum bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Eigenmittelanforderungen in der vorgeschlagenen Weise verschärft werden sollen, ohne eine Harmonisierung auf europäischer Ebene abzuwarten.

Daneben ist den vorgeschlagenen Regelungen auch nicht zu entnehmen, welche aufsichtsrechtlichen Spielräume der Bundesanstalt im Einzelfall eröffnet werden sollen. Dies könnte dazu führen, dass die konkrete Ausgestaltung der Befugnisse den Gerichten überlassen werden wird.

3. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c (§ 36 Absatz 3 Satz 1 bis 3 KWG)

In Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c ist § 36 Absatz 3 Satz 1 durch folgende Sätze zu ersetzen: "Die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans eines Instituts oder einer Finanzholding-Gesellschaft müssen zuverlässig sein und die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderliche Sachkunde haben. Die erforderliche Sachkunde richtet sich nach Art, Umfang und Komplexität der vom jeweiligen Institut oder der Finanzholding-Gesellschaft schwerpunktmäßig betriebenen Geschäfte. Die Sachkunde der einzelnen Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans kann sich ergänzen, das Verwaltungs- und Aufsichtsorgan muss insgesamt in der Lage sein, seine Aufgaben auszuüben."

Begründung

Der Begriff der "fachlichen Eignung" im Zusammenhang mit Mitgliedern des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans soll durch den Begriff der "Sachkunde" ersetzt werden. Der Begriff der "fachlichen Eignung" wird im KWG ausschließlich im Zusammenhang mit den zur Führung der Geschäfte des Instituts verpflichteten Personen verwendet. Die Klarstellung ist geboten, um sicherzustellen dass an Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an Geschäftsleiter. Der neue Satz 2 hebt ausdrücklich hervor, dass Anforderungen an die Sachkunde von Verwaltungs- und Aufsichtsorganmitgliedern nicht pauschal für alle Institute gleich sind. Vielmehr richten sich die Anforderungen nach Art, Umfang und Komplexität der schwerpunktmäßig betriebenen Geschäfte.

Der neue Satz 3 drückt im Sinne der Rechtsklarheit das aus, was auch der geltenden Rechtsprechung entspricht: Es ist nicht zu erwarten, dass jedes Aufsichtsratsmitglied auf sämtlichen Gebieten, auf denen der Aufsichtsrat tätig wird passende Spezialkenntnisse besitzt (BGHZ 85, 293, 295). Nicht alle Mitglieder müssen notwendigerweise die gleiche Sachkunde besitzen, die unterschiedlichen Qualifikationen sollten sich vielmehr sinnvoll ergänzen.

Entscheidend ist, dass das Verwaltungs- und Aufsichtsorgan insgesamt wirksam seine Aufgaben erfüllen kann - in diesem Sinne erfolgt eine Regelung im zweiten Halbsatz des neuen Satz 3.

4. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c (§ 36 Absatz 3 und 4 - neu - KWG)

In Artikel 1 Nummer 8 ist Buchstabe c wie folgt zu fassen:

Begründung

Privatbankiers, Volksbanken und Sparkassen, die die Masse der rund 2.200 deutschen Kreditinstitute ausmachen, sind aufgrund ihrer Größe in der Regel nicht systemrelevant. Mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel der Bankenaufsicht (§ 6 Absatz 2 KWG) stünde daher erheblichem Verwaltungsaufwand der BaFin in diesen Fällen kein nennenswerter Nutzen gegenüber. Die bestehenden Anforderungen und Befugnisse gegenüber Geschäftsleitern (insbesondere § 36 Absatz 1 KWG) waren hier in der Vergangenheit stets ausreichend, um die bankenaufsichtliche Zielsetzung zu erreichen. Anforderungen und Befugnisse gegenüber dem Aufsichtsorgan oder dessen Mitgliedern wären demgegenüber - ungeachtet der Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für landesrechtlich geregelte öffentlichrechtliche Kreditinstitute - ein unverhältnismäßiger gesetzgeberischer Eingriff in die Eigentumsrechte der Eigentümer und Mitglieder sowie in die Selbstverwaltungsrechte der Träger.

5. Zu Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 45 Absatz 1 Satz 1)

In Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa sind in § 45 Absatz 1 Satz 1 die Wörter "oder rechtfertigt die Vermögens-, Ertrags- oder Finanzentwicklung eines Instituts die Annahme, dass es diese Anforderungen nicht dauerhaft erfüllen können wird" durch die Wörter "oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass diese Anforderungen innerhalb der nächsten 18 Monate nicht mehr erfüllt werden können und ist der Bestand des Instituts gefährdet" zu ersetzen.

Begründung

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des § 45 KWG sind in der Eingriffsintensität für die Sanierung eines Instituts und für die Stabilisierung des Finanzmarkts kontraproduktiv. Hinzu kommt, dass die durch die Vorschriften ermöglichten höheren Anforderungen an die Eigenmittelausstattung der Institute dazu führen würden, dass deren Kreditvergabe eingeschränkt oder verteuert wird. In der jetzigen konjunkturellen Abschwungphase sind prozyklische Eigenkapitalanforderungen zu vermeiden.

Nach dem Regierungsentwurf wäre es der Aufsicht künftig über die Verordnung nach § 10 Absatz 1 Satz 9 KWG und die Vorgaben der Europäischen Richtlinien 2006/48/EG (CRD) und 2006/49/EG (CAD) hinaus möglich Eigenmittel zu verlangen. Dabei würde die Säule I der Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Mindestkapitalanforderungen) ausgehöhlt und der nationale Gesetzgeber ginge über europäische Vorgaben hinaus, ohne eine entsprechende binnenmarktbezogene Harmonisierung abzuwarten. Hinzuweisen ist darauf, dass die dem KWG zu Grunde liegende Bankenrichtlinie (CRD) Anfang Mai 2009 vom Europäischen Parlament verabschiedet werden soll. Darin wird die Definition von Kernkapitalinstrumenten neu geregelt. Der Richtlinienentwurf sieht eine Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten der EU bis zum 31. Oktober 2010 vor.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen sind zu weitgehende Eingriffe in die Geschäftsleitungskompetenz eines Instituts. Es bestehen erhebliche Bedenken, der Aufsichtsbehörde die Kompetenz dafür zuzuweisen zu beurteilen, ob ein Institut, das aktuell die bankaufsichtlichen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen erfüllt, künftig diese dauerhaft nicht erfüllen kann. Die Eingriffe sollten sich an die geltende Regelungssystematik durch bankaufsichtsrechtliche Überprüfungsprozesse - Säule II der Baseler Eigenkapitalregeln - orientieren. Es ist zwar richtig, nicht abzuwarten, bis ein Institut Anforderungen an das Eigenkapital und die Liquidität nicht mehr erfüllt, aber die Beurteilung ist an einen Zeitrahmen und an Tatsachen zu knüpfen die überschaubar sind und eine verlässliche Prognose über die Entwicklung der bankaufsichtlichen Kennziffern erwarten lassen. Die Änderung stellt eine insofern angemessene Neuregelung dar.

6. Zu Artikel 2 Nummer 5 (§ 7a VAG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, welche Anforderungen hinsichtlich der erforderlichen Sachkunde an das einzelne Mitglied des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans eines Versicherungsunternehmens zu stellen sind.

Begründung

Nach dem vorgesehenen Gesetzeswortlaut liegt eine fachliche Eignung des Aufsichtsratsmitglieds künftig regelmäßig nur noch dann vor, wenn das Mitglied eine leitende Tätigkeit bei einem Versicherungsunternehmen von vergleichbarer Größe und Geschäftsart ausgeübt hat. Damit wird ein grundlegend neues Verständnis für die Rolle von Mitgliedern der Aufsichtsorgane definiert, da sich das Gremium künftig fast ausschließlich aus externen Fachleuten zusammensetzen würde.

Insbesondere bei öffentlichen Versicherern hat sich jedoch die Entsendung von Vertretern des öffentlichrechtlichen Sparkassensektors und der Kommunen in den Aufsichtsrat bewährt.

Unklar bleibt auch, wie sich die vorgeschlagene Neuregelung zu dem Umstand verhält dass die Arbeitnehmer in die Aufsichtsräte kraft gesetzlicher Regelungen (Mitbestimmungsgesetz) gewählt werden, die selbst keine Qualifikationsanforderungen vorsehen.