Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige (2010-2014) KOM (2010) 213 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.


Hinweis: vgl.
Drucksache. 533/06 (PDF) = AE-Nr. 061438,
Drucksache 616/09 (PDF) = AE-Nr. 090467 und
Drucksache 246/10 (PDF) = AE-Nr. 100286


Europäische Kommission
Brüssel, den 6.5.2010
KOM (2010) 213 endgültig

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige (2010 - 2014) SEK(2010)534

1. Einleitung

Das Problem der unbegleiteten Minderjährigen nimmt an Bedeutung zu: Eine beträchtliche Anzahl Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter achtzehn Jahren reisen ohne Begleitung eines verantwortlichen Erwachsenen in das EU-Hoheitsgebiet ein oder werden nach ihrer Einreise in das EU-Hoheitsgebiet ohne Begleitung zurückgelassen1. Alle Mitgliedstaaten sind betroffen wenn auch einige in weitaus stärkerem Maß als andere.

Es gibt nicht überall kohärente Statistiken über unbegleitete Minderjährige, am umfassendsten und am ehesten vergleichbar sind die Statistiken über unbegleitete minderjährige Asylbewerber. Laut den Daten des Europäischen Migrationsnetzes2 stellten unbegleitete Minderjährige 2008 in den 22 an der entsprechenden Studie beteiligten Mitgliedstaaten3 insgesamt 11 292 Asylanträge. 2007 belief sich die Zahl der gestellten Asylanträge auf insgesamt 8 030. Für diese Mitgliedstaaten ist somit 2008 ein Anstieg der Anträge um +40,6 % zu verzeichnen. Die unbegleiteten Minderjährigen waren unterschiedlicher Staatsangehörigkeit; besonders viele besaßen die Staatsangehörigkeit Afghanistans, des Iraks und einiger afrikanischer Staaten.

Für den Zustrom dieser besonders sensiblen Kategorie von Kindern gibt es die unterschiedlichsten Gründe: Flucht vor Kriegen und Konflikten, Armut oder Naturkatastrophen, Diskriminierung oder Verfolgung;

Entsenden durch ihre Familien in Erwartung eines besseren Lebens oder für den Zugang zu Bildung und Sozialschutz, einschließlich medizinischer Versorgung; Familienzusammenführung; Opfer von auf Ausbeutung abzielendem Menschenhandel usw.

Die Kommission legte in ihrer Mitteilung vom Juni 20094 die weitere Entwicklung der EUKinderrechtsstrategie5 dar und kündigte einen Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige an.

In dem vom Europäischen Rat vom 10. und 11. Dezember 2009 verabschiedeten Stockholm-Programm6 wurde die Initiative der Kommission begrüßt, einen vom Rat anzunehmenden Aktionsplan auszuarbeiten, mit dem Maßnahmen für Prävention, Schutz und begleiteter Rückführung miteinander kombiniert werden.7 Das Europäische Parlament wies in seiner

Entschließung zum Stockholm-Programm nachdrücklich darauf hin, dass ein EU-Aktionsplan Themen wie Schutz und nachhaltige Lösungen zum Wohle des Kindes und in Zusammenarbeit mit Drittstaaten8 behandeln sollte.

Im Stockholm-Programm wird die Kommission ausdrücklich aufgefordert, "praktische Maßnahmen zur Erleichterung der Rückkehr der zahlreichen unbegleiteten Minderjährigen zu prüfen die keinen internationalen Schutz benötigen." Eine Analyse ergibt allerdings, dass sich die Lösung nicht auf die Rückführung beschränken kann - sie ist nur eine der Optionen -, weil die Sache weitaus komplexer ist, mehrere Dimensionen aufweist und für die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Behandlung unbegleiteter Minderjähriger klare Grenzen bestehen.

Die Kommission stellt die vom UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNKRK) festgelegten Normen ins Zentrum jeglicher Maßnahmen, die unbegleitete Minderjährige betreffen. Die Rechts- und Finanzinstrumente der EU zu Asyl, Einwanderung und Menschenhandel gehen bereits direkt oder indirekt auf die spezifische Lage unbegleiteter Minderjähriger ein und sehen den verstärkten Schutz ihrer Rechte vor. Aber es wird mehr Kohärenz und eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb der EU und mit den Herkunfts- und Transitländern benötigt, damit die EU und die Mitgliedstaaten konkrete, wirksame Antworten geben können. Dazu ist ein gemeinsames Konzept der EU erforderlich.

Dieses gemeinsame Konzept sollte sich auf die Wahrung der Rechte des Kindes gemäß der Charta der Grundrechte der EU und dem UNKRK, insbesondere auf den Grundsatz des "Kindeswohls" stützen, der bei allen Maßnahmen vorrangig berücksichtigt werden muss, die Behörden in Bezug auf Kinder treffen9. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass sichergestellt wird, dass jedes schutzbedürftige Kind Schutz erhält und dass alle Kinder, unabhängig von ihrem Einwanderungsstatus, ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Hintergrund an erster Stelle und vor allem als Kinder behandelt werden10. Das Konzept muss ferner auf der Solidarität und der Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Herkunfts- und Transitländern, sowie auf verstärkter Zusammenarbeit mit fachkundigen Organisationen der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen aufbauen.

Nach Konsultationen der Mitgliedstaaten11 und der Organisationen der Zivilgesellschaft sowie aufgrund von gezielter Forschung, in erster Linie Berichten des Europäischen Migrationsnetzes (EMN)12 und der Grundrechte-Agentur13, konnten einige Probleme und Lösungen herauskristallisiert werden. Im Aktionsplan wird zunächst auf die unzureichenden Daten eingegangen; anschließend werden drei Hauptaktionsbereiche vorgestellt: Prävention, Schutzprogramme, Aufnahme sowie Identifizierung nachhaltiger Lösungen. Der Schutz und der Grundsatz des Wohles des Kindes wurden in allen Maßnahmen berücksichtigt.

2. Daten

Ohne eine klare Evaluierung auf der Grundlage umfassender, zuverlässiger und vergleichbarer Daten lässt sich weder die Situation korrekt bewerten, noch können so geeignete Lösungen gefunden werden.

Die Statistikverordnung14 führt eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten ein, jährlich nur über um internationalen Schutz nachsuchende unbegleitete Minderjährige aufgeschlüsselte Daten zu übermitteln. Diese Beschränkung zieht Mängel in den harmonisierten vollständigen Statistiken über die gesamten unbegleiteten Minderjährigen nach sich, die im EU-Hoheitsgebiet eintreffen. Die Statistiken sollten deshalb alle unbegleiteten Minderjährigen einschließen.

Die Kommission und die Agenturen15 leisten über Studien bereits unterstützende Arbeit in dieser Frage. Bestehende Netze wie das Europäische Migrationsnetz sollten für den Informations- und Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten sorgen.

Für eine effiziente Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern werden mehr Informationen über die Migrationsrouten und kriminellen Netze benötigt. Sie könnten in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen erfasst und systematisch in die Migrationsprofile der betreffenden Länder aufgenommen werden. Außerdem hat FRONTEX das FRONTEX-Netzwerk für Risikoanalyse geschaffen und die Datenerfassung zu einigen Indikatoren für irreguläre Migration ausgebaut. Im Bereich der Bekämpfung krimineller Aktivitäten ist Europol bereits aktiv.

Rechtliche Bewertung und Umsetzung

Agenturen und Netze

Sammlung von Informationen

3. Prävention von unsicherer Migration und Menschenhandel - Verstärkte Schutzkapazitäten in Drittstaaten

3.1. Prävention

Die Prävention von unsicherer Migration und Menschenhandel ist der erste Schritt im Hinblick auf ein effizientes Herangehen an die Situation unbegleiteter Minderjähriger. Maßnahmen und Politik müssen entsprechend der Gruppe, der ein unbegleiteter Minderjähriger angehört (bspw. Asylbewerber, Opfer von Menschenhandel, zu Arbeitszwecken illegal in das EU-Hoheitsgebiet eingereiste Minderjährige), und/oder dem Herkunftsland bzw. der Herkunftsregion differenziert werden. Die Einbeziehung der Herkunfts- und Transitländer sowie die Zusammenarbeit mit den vor Ort tätigen Organisationen der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen ist von grundlegender Bedeutung und wird das Recht des unbegleiteten Minderjährigen, in der EU um internationalen Schutz nachzusuchen, nicht beeinträchtigen.

Für die Intervention lassen sich vier Schwerpunkte identifizieren. Als Erstes müssen die EU und die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen zur Integration der Migration, und insbesondere der Migration unbegleiteter Minderjähriger, in die Entwicklungszusammenarbeit in Schlüsselbereichen wie Armutsreduzierung, Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarktpolitik, Menschenrechte sowie Demokratisierung und Wiederaufbau nach Konflikten fortsetzen.

Diese Anstrengungen werden dazu beitragen, die grundlegenden Ursachen der Migration anzugehen und ein Umfeld zu schaffen, das Kindern ermöglicht, mit guten Aussichten für ihre persönliche Entwicklung und einen angemessenen Lebensstandard in ihren Herkunftsländern aufzuwachsen.

Zwei weitere Schwerpunkte könnten direkt auf die Kinder selbst und auf die ausgerichtet sein, die - wahrscheinlich - mit ihnen in Kontakt stehen. Gezielte bewusstseinsbildende Tätigkeiten sowie entsprechende Schulungen sollten in Herkunfts- und Transitländern gefördert werden, um Verbesserungen hinsichtlich der frühzeitigen Identifizierung und des raschen Schutzes potenzieller Opfer des Menschenhandels zu erreichen. Sie sollten auf einen größeren Personenkreis sowie auf potenzielle Opfer und deren Gemeinschaften, Vollzugsbeamte, Grenzschutzpersonal und andere einschlägige Akteure abzielen. Ähnliche Tätigkeiten sollten die Information von Kindern und ihren Familien über irreguläre Migration in die EU, alternative Möglichkeiten für Studium, Ausbildung und Beschäftigung im Herkunftsland und legale Wege zu einem Studium in der EU in den Mittelpunkt stellen. Weitere Maßnahmen könnten die gezielte Arbeit über Schulen und die Interaktion mit den Herkunftsgemeinschaften auf lokaler Ebene einschließen. In den wichtigsten Bereichen von Emigration und Menschenhandel könnte speziell ausgebildetes Personal Risikosituationen bewerten und in einem frühen Stadium Maßnahmen ergreifen.

Wichtig ist auch, die Diaspora in der EU in diese Sensibilisierungsmaßnahmen in den Herkunftsländern einzubeziehen und informelle Kommunikationskanäle zu den Herkunftsgemeinschaften zu nutzen, um falsche Mythen über das Leben in Europa zu entkräften. Dabei sollte die Rolle der Medien in den Herkunftsländern Beachtung finden.

Schließlich wird die EU weiter die Entwicklung von Systemen zum Schutz des Kindes fördern die die erforderlichen Dienste aus allen sozialen Bereichen verbinden, um Risiken von Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung und Vernachlässigung von Kindern vorzubeugen und auf sie zu reagieren, um Kinder zu unterstützen, die nicht von ihren Familien versorgt werden, und Kindern in Institutionen Schutz zu bieten. Die EU wird sich ferner weiter für Geburtenregistrierungssysteme einsetzen, die beim Schutz von Kindern eine bedeutende Rolle spielen weil sie gewährleisten, dass alle Kinder eine legale Identität besitzen und damit Zugang zu ihren legalen Rechten haben.

Die Maßnahmen auf diesem Gebiet können von den EU-Instrumenten für die externe Zusammenarbeit unterstützt werden, wie dem thematischen Programm für die Zusammenarbeit mit Drittländern in den Bereichen Migration und Asyl (nachstehend thematisches Programm genannt), geografischen Instrumenten wie dem Europäischen Entwicklungsfonds, dem Instrument für Heranführungshilfe, dem europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument und den geografischen Programmen des Instruments für die Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem sollte die Koordinierung mit den einschlägigen internen Fonds sichergestellt werden.

Finanzierung

Die EU und die nationalen Instrumente für die externe Zusammenarbeit sollten:

Beziehungen zu Drittländern

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten:

Bekämpfung des Menschenhandels

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten:

Visa und Information

3.2. Schutzprogramme in Drittstaaten

Unbeschadet der Verpflichtung der EU, Bedürftigen Schutz zu gewähren, sollten Minderjährige nicht gezwungen werden, gefährliche Reisen in die EU zu unternehmen, um sich um internationalen Schutz zu bemühen. Aus diesem Grund ist es wichtig, in der Nähe der Herkunftsländer Schutzprogramme einzuleiten und/oder weiter zu finanzieren.

Entsprechend den Leitlinien der EU über die Rechte des Kindes17 wird die EU auch in Zukunft Empfängern von EU-Mitteln hohe Schutz- und Unterstützungsnormen für unbegleitete Minderjährige auferlegen;

Projekte sollen zumindest Bildungsmöglichkeiten, medizinische Versorgung und die Information über ihre Rechte und die Verfahren einschließen.

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten weiterhin:

Finanzierung
Beziehungen zu Drittstaaten

4. Aufnahme- und Verfahrensgarantien in der EU

Bis eine nachhaltige Lösung gefunden ist, sollten Aufnahmemaßnahmen und der Zugang zu den einschlägigen Verfahrensgarantien ab dem Zeitpunkt gelten, zu dem ein unbegleiteter Minderjähriger an den Außengrenzen oder im Hoheitsgebiet der EU angetroffen wurde.

Spezialisierte Organisationen der Zivilgesellschaft sollten aufgefordert werden, während des gesamten Prozesses eine aktivere Rolle zu übernehmen. Geeignete Maßnahmen müssen ergriffen werden, um eine harmonische Übergangszeit für die Kinder zu gewährleisten, die - zwangsläufig irgendwann 18 Jahre alt und erwachsen werden - möglicherweise Gefahr laufen, Schutz und Unterstützung zu verlieren.

4.1. Erste Maßnahmen und Schutznormen

Die einschlägigen Migrationsinstrumente der EU enthalten bereits Bestimmungen für den verstärkten Schutz unbegleiteter Minderjähriger. Diese sind allerdings insofern kontextspezifisch als sie auf Asylbewerber, Flüchtlinge, Migranten ohne legalen Aufenthalt und Opfer von Menschenhandel Anwendung finden. Zudem bieten sie nicht dieselben Standards für Aufnahme und Unterstützung. Hinzu kommt in einigen Mitgliedstaaten ein besonderes Problem im Zusammenhang mit Transitzonen. Für diese potenziellen Schutzlücken muss eine Lösung gefunden werden.

Insbesondere sehen die EU-Rechtsvorschriften nicht vor, dass ab dem Zeitpunkt, zu dem ein unbegleiteter Minderjähriger von den Behörden aufgespürt wird, d.h. bevor die entsprechenden Instrumente zum Tragen kommen, ein Vertreter benannt wird. Nur für Asylbewerber ist eine Vertretung ausdrücklich vorgesehen. Zwar sind bedeutende Garantien für unbegleitete Minderjährige in der Rückführungsrichtlinie, der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes, der Richtlinie über Opfer von Menschenhandel18 und einschlägigen internationalen Instrumenten19 vorgesehen, den Mitgliedstaaten bleibt aber ein Ermessensspielraum. Darüber hinaus gibt es keine gemeinsame Definition für Befugnisse, Qualifikation und Rolle der Vertreter. Unbegleitete Minderjährige sollten über ihre Rechte unterrichtet sein und Zugang zu den existierenden Beschwerde- und Kontrollmechanismen haben.

Wo auch immer unbegleitete Minderjährige aufgefunden werden, sollten sie von Erwachsenen getrennt werden, um sie zu schützen, Verbindungen zu Menschenhändlern oder Schleusern aufzulösen und eine (weitere) Viktimisierung zu verhindern. Vom ersten Kontakt an ist dem Schutz größte Aufmerksamkeit zu widmen. Dies gilt auch für eine rasche Analyse des Minderjährigentyps, da dies zur Identifizierung der am stärksten gefährdeten unbegleiteten Minderjährigen beitragen kann. Dazu ist es unerlässlich, die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen anzuwenden und Vertrauen aufzubauen, um nützliche Informationen für die Identifizierung und die Suche nach Familienangehörigen zu erhalten, sicherzustellen dass unbegleitete Minderjährige nicht aus der Obhut verschwinden, und Menschenhändler oder Schleuser zu identifizieren und zu verfolgen.

Unbegleitete Minderjährige sollten stets angemessen untergebracht und im Einklang mit dem Kindeswohl behandelt werden. Ist ausnahmsweise eine Ingewahrsamnahme gerechtfertigt, so darf diese nur als letzte Möglichkeit, für einen möglichst kurzen Zeitraum und nur dann erfolgen wenn vorrangig das Kindeswohl berücksichtigt wurde.

Das Verschwinden unbegleiteter Minderjähriger, die unter der Obhut nationaler Behörden stehen sollten, stellt ein weiteres großes Problem dar. Einige fallen (wieder) in die Hände von Menschenhändlern, andere versuchen, zu ihren Familienangehörigen oder Gemeinschaften in anderen Mitgliedstaaten zu gelangen und/oder landen schließlich in der Schattenwirtschaft und leben unter menschenunwürdigen Umständen.

Gesetzgeberische Maßnahmen
Informationsaustausch und -analyse
Agenturen

Finanzierung Die Kommission wird:

4.2. Altersbestimmung und Suche nach Familienangehörigen

Die Altersbestimmung ist von entscheidender Bedeutung, weil sie eine Reihe von Verfahrens- und rechtlichen Garantien in den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften sowie die Verpflichtung zur Einhaltung der Datenschutzerfordernisse beim Erfassen von Informationen über unbegleitete Minderjährige in Datenbanken wie EURODAC auslöst.

Für die Altersbestimmung existieren unterschiedliche Verfahren und Techniken und oft gibt es Bedenken im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit und Verhältnismäßigkeit. Nicht immer ist gewährleistet dass Rechtsmittel eingelegt werden können23. Sachverständige haben hervorgehoben dass die Aufsichtsperson in allen Verfahrensphasen anwesend sein sollte und Kinder bis zum Beweis des Gegenteils als solche behandelt werden sollten.

Die Suche nach Familienangehörigen ist ein Schlüsselfaktor für die Wahrung des Grundsatzes der Einheit der Familie. Damit sind auch in den einschlägigen EU-Instrumenten enthaltene Verpflichtungen verknüpft, so kann bspw. ein Minderjähriger nicht abgeschoben werden, wenn er nicht zu einem Familienangehörigen oder einem Vormund oder in geeignete Aufnahmeeinrichtungen um Rückkehrstaat zurückgeführt wird. Allerdings stoßen die Mitgliedstaaten bei der Suche nach Familienangehörigen auf große Schwierigkeiten.

5. Nachhaltige Lösungen

Nachhaltige Lösungen sollten sich auf die Einzelbewertung des Kindeswohls stützen.

5.1. Rückführung und Reintegration im Herkunftsland

Wahrscheinlich entspricht die Zusammenführung mit der Familie und das Aufwachsen im eigenen sozialen und kulturellen Umfeld in vielen Fällen dem Kindeswohl. Vor diesem Hintergrund sollten die Mitgliedstaaten dazu ermutigt werden, zusammen mit Herkunfts-/Transit-Drittstaaten innovative partnerschaftliche Lösungen zu entwickeln, beispielsweise über die Finanzierung diverser Bildungs- und Schulungsmaßnahmen.

Allerdings ist die Rückführung nur eine der Optionen. Vorrangig ist immer das Wohl des Kindes zu berücksichtigen. Vorzuziehen ist die freiwillige Ausreise.

Die Rückführungs-Richtlinie25 enthält einige zwingende rechtliche Garantien in Bezug auf Minderjährige, die bis Dezember 2010 in nationales Recht umzusetzen sind und in einigen Mitgliedstaaten zu bedeutenden Verbesserungen führen dürften. Allerdings gibt es einige Lücken in den Rechtsvorschriften der EU zum Schutz unbegleiteter Minderjähriger. Die Mitgliedstaaten können insbesondere Drittstaatsangehörige, die beim illegalen Überschreiten ihrer Außengrenze aufgegriffen wurden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen.

Infolgedessen können in diese Kategorie fallende unbegleitete Minderjährige die rechtlichen Garantien der Richtlinie möglicherweise nicht in Anspruch nehmen. Die Mitgliedstaaten haben allerdings die Garantien und Grundrechte einzuhalten, die in den nationalen Rechtsvorschriften, der Charta der Grundrechte der EU, dem UNKRK und den Instrumenten des Europarats verankert sind. Diese Situation bedarf weiterer Analysen.

Hinzu kommt, dass einerseits bei der Vormundschaft für Asylbewerber und der im Rückführungsprozess erforderlichen Unterstützung Unterschiede bestehen, andererseits aber zu berücksichtigen ist, dass eine kontinuierliche Unterstützung in Asyl- und Rückführungsverfahren benötigt wird. Die EU-Rückübernahmeabkommen gelten uneingeschränkt für Minderjährige. Sie enthalten allerdings keine besonderen Bestimmungen für den Schutz Minderjähriger, da sie gemäß den an anderer Stelle im EU-Besitzstand festgelegten Garantien anzuwenden sind.

Die Unterstützung Minderjähriger sollte ein kontinuierlicher, stabiler Prozess sein, der die Rückführungsphase sowie die Phase nach der Rückführung einschließen sollte. In allen Fällen muss die Rückführung sicher, kindgerecht und geschlechtsspezifisch erfolgen. Dabei besteht die Herausforderung sicherzustellen, dass die Minderjährigen unter uneingeschränkter Einhaltung internationaler Normen rückgeführt und in ihrem Herkunftsumfeld wohlwollend aufgenommen werden. Die Arbeit vor Ort ist von grundlegender Bedeutung, um Familien und Gemeinschaften zu überzeugen, die Rückkehr des Minderjährigen zu begrüßen und in Fällen von Menschenhandel einer Stigmatisierung und weiteren Viktimisierung vorzubeugen. Dies ließe sich durch das Angebot zur Teilnahme an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen durch Unterstützung der Herkunftsländer hinsichtlich der Schaffung von Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche und unter Rückgriff auf bestehende Finanzinstrumente erreichen. Die Wiedereingliederung sollte ferner überwacht werden, um zu gewährleisten dass keine größeren Probleme auftreten. Maßnahmen, die auf die Erfüllung der Bestimmungen der Rückführungs-Richtlinie abzielen, die sich auf Minderjährige beziehen, kommen für eine Förderung26 aus dem Europäischen Rückkehrfonds in Betracht. Die Unterstützung von Drittstaaten bei der Behandlung der Probleme unbegleiteter Minderjähriger stellt ebenfalls weiterhin eine Priorität des thematischen Programms dar. Mitgliedstaaten und Drittstaaten sollten diese Ressourcen gezielter einsetzen.

Die Kommission wird:

Finanzierung
Legislative Kontrolle

5.2. Internationaler Schutzstatus, sonstiger Rechtsstatus und Integration unbegleiteter Minderjähriger

Unter den Vorraussetzungen der EU-Rechtsvorschriften könnte unbegleiteten Minderjährigen der Flüchtlingsstatus oder ein subsidiärer Schutzstatus gewährt werden. Aufgrund ihrer besonders problematischen Situation sind Unterstützungsmaßnahmen für ihre Integration in die Aufnahmegesellschaft von wesentlicher Bedeutung. Der Europäische Flüchtlingsfonds könnte entsprechende Tätigkeiten finanzieren.

In den Rechtsvorschriften und Politiken der EU wird die Situation Minderjähriger nicht behandelt die nicht rückgeführt werden können. Die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus familiären humanitären oder sonstigen Gründen erfolgt aufgrund nationaler Rechtsvorschriften. Wenn eine Rückkehr unmöglich ist oder die Integration in das Aufenthaltsland im Sinne des Kindeswohls für die bestmögliche Lösung gehalten wird, sollten unbegleitete Minderjährige einen rechtlichen Status erhalten, der ihnen zumindest dieselben Rechte und denselben Schutz verleiht wie zuvor; zudem sollte für eine geeignete Unterbringung gesorgt werden. Die Minderjährigen sollten im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration in die Aufnahmegesellschaft Beistand erhalten.

Finanzierung

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, von den im Rahmen des EFF und des Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten optimalen Gebrauch zu machen.

Politische Entwicklung

5.3. Neuansiedlung

Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drittstaaten könnte nach sorgfältiger Prüfung des Kindeswohls und in Ermangelung einer anderen nachhaltigen Lösung27 auch eine Neuansiedlung in der EU eine Option sein. Bei der entsprechenden Bewertung werden die Mitgliedstaaten weiter eng mit dem UNHCR und einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.

6. Schlussfolgerung

Der Aktionsplan zielt darauf ab, konkrete Antworten auf die Herausforderungen zu geben, die sich aufgrund der Einreise einer bedeutenden Zahl an unbegleiteten Minderjährigen in das Hoheitsgebiet der EU stellen, und dabei die Rechte des Kindes und den Grundsatz des Kindeswohls uneingeschränkt zu wahren. Er ist als Ausgangspunkt eines langfristigen Prozesses zu sehen, seine Umsetzung hängt von der Unterstützung und Arbeit aller Beteiligten ab: EU-Organe und -agenturen, Mitgliedstaaten, Drittstaaten und Zivilgesellschaft. Weitere Maßnahmen werden in den kommenden Jahren vorgeschlagen;

Studien, Analysen und Folgeabschätzungen können erstellt werden.

Die Kommission wird Mitte des Jahres 2012 und 2015 über die Umsetzung des Aktionsplans berichten und möglicherweise seine Überarbeitung und/oder zusätzliche Maßnahmen vorschlagen.