Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung
Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Meldungen über Futtermittel (AVV Schnellwarnsystem - AVV SWS)

A. Problem und Ziel

B. Kosten, Preiswirkung

Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung
Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Meldungen über Futtermittel (AVV Schnellwarnsystem - AVV SWS)

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 21. April 2005

Der Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck


Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 84 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Federführend ist das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schröder

Allgemeine Verwaltungsvorschrift
für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Meldungen über Futtermittel (AVV Schnellwarnsystem - AVV SWS)

Nach Artikel 84 Abs. 2 und Artikel 86 Satz 1 des Grundgesetzes wird folgende allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen:

Teil 1 Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

§ 1 Zweck

Diese allgemeine Verwaltungsvorschrift soll

§ 2 Behörden

Diese allgemeine Verwaltungsvorschrift richtet sich an die nach

sowie an das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesinstitut für Risikobewertung (Bundesinstitut) und an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Bundesamt).

§ 3 Begriffsbestimmungen

(1) "Kontaktstellen" sind die in den Ländern für die Entgegennahme und Weiterleitung der Meldung zuständigen Stellen sowie das Bundesministerium der Verteidigung.

(2) "Sitzland" ist das Land, in dem der Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer (Hersteller oder erstmaliger Inverkehrbringer in Deutschland) seinen Sitz hat.

(3) "Befundland" ist das Land, in dem die amtliche oder eine andere Probenahme des betroffenen Lebensmittels oder Futtermittels erfolgt und dem das entsprechende Gutachten vorliegt.

(4) "Meldungen" sind Übermittlungen im Schnellwarnsystem, die wie folgt kategorisiert werden:

(5) "ARfD-Wert": (Akute Referenzdosis) bezeichnet die geschätzte Menge eines Stoffes in einem Lebensmittel, ausgedrückt mit Bezug auf das Körpergewicht, die nach dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bewertung ohne nennenswertes Risiko für die menschliche Gesundheit über einen kurzen Zeitraum - normalerweise bei einer Mahlzeit oder an einem Tag - aufgenommen werden kann.

(6) "ADI-Wert": (vertretbare Tagesdosis, "Acceptable Daily Intake") bezeichnet die geschätzte Menge eines Stoffes in einem Lebensmittel, ausgedrückt mit Bezug auf das Körpergewicht, die nach dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bewertung ein Leben lang täglich ohne nennenswertes Risiko für die menschliche Gesundheit aufgenommen werden kann.

(7) "Carry over": Übergang eines Stoffes aus dem Futter in tierische Gewebe oder in Sekrete.

(8) "Carry over-Rate": Carry over in von Hundert der Stoffaufnahme.

§ 4 Erreichbarkeit der zuständigen Behörden

(1) Die zuständigen obersten Landesbehörden teilen dem Bundesamt die jeweiligen Kontaktstellen und zuständigen Behörden der Grenzkontrollstellen mit. Diese Mitteilung umfasst die Angabe der Rufnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse, unter der die Kontaktstellen und die zuständigen Behörden der Grenzkontrollstellen während der Dienstzeiten zu erreichen sind. Das Bundesministerium der Verteidigung übermittelt entsprechende Angaben an das Bundesamt.

(2) Die Länder und das Bundesministerium der Verteidigung stellen sicher, dass die Erreichbarkeit der Kontaktstellen und der zuständigen Behörden nach § 2 außerhalb der Dienstzeiten gewährleistet ist. Die Kontaktstellen teilen dem Bundesamt mit, unter welcher Rufnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ihre Erreichbarkeit außerhalb der Dienstzeiten für die Fälle, bei denen ein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, sichergestellt ist. Satz 1 gilt nicht für die zuständigen Behörden der Grenzkontrollstellen.

(3) Das Bundesamt unterrichtet die Kontaktstellen über die Mitteilungen nach Absatz 1 und 2. Es übermittelt den Kontaktstellen und den zuständigen Behörden der Grenzkontrollstellen seine Rufnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zur Erreichbarkeit während und außerhalb der regelmäßigen Dienstzeiten.

Teil 2 Verfahren bei Meldungen aus der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission

§ 5 Meldeverantwortlichkeit für Lebensmittel

(1) Das Befundland erstellt den Entwurf der Meldung mit den dort verfügbaren Informationen und leitet diesen Entwurf an die Kontaktstelle des Sitzlandes zur Vervollständigung weiter.

(2) Meldungen an das Bundesamt erfolgen durch die Kontaktstelle des Sitzlandes. Sofern kein Sitzland festgestellt werden kann, meldet die Kontaktstelle des Befundlandes. Eventuelle Folgemeldungen sowie Nachrichten werden durch die Kontaktstellen der betroffenen Länder weitergeleitet.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann eine Warnmeldung bei einem ernsten unmittelbaren oder mittelbaren Risiko, die eine Warnung der Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde nach sich ziehen kann, durch die Kontaktstelle des Befundlandes erfolgen. Diese informiert unverzüglich die Kontaktstelle des Sitzlandes.

§ 6 Meldeverantwortlichkeit für Futtermittel

Bei ernsten unmittelbaren oder mittelbaren Risiken für die menschliche Gesundheit, die von Futtermitteln ausgehen, erfolgt die Meldung durch die Kontaktstelle des Befundlandes. Eventuelle Folgemeldungen sowie Nachrichten erfolgen durch die Kontaktstellen des Sitzlandes und der weiteren betroffenen Länder.

§ 7 Kriterien für Meldungen zu Lebensmitteln

(1) Meldungen zu Lebensmitteln sind in das Schnellwarnsystem einzustellen, wenn von den Lebensmitteln ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht.

(2) Ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit liegt insbesondere vor bei

(3) Ob ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit vorliegt, ist insbesondere zu prüfen bei

(4) Das Bundesinstitut erstellt für Lebensmittel mit Rückständen nach Absatz 2 Nr. 1 Buchstabe b und c unter Angabe von ARfD- oder ADI-Werten Meldekriterien und macht diese den zuständigen Behörden zugänglich.

(5) Das Bundesinstitut erstellt zur Beurteilung von Lebensmitteln nach Absatz 2 Nr. 2 einen Kriterienkatalog und macht diesen den zuständigen Behörden zugänglich.

(6) Abweichend von Absatz 1 werden Meldungen zu Lebensmitteln, die nachweislich nicht über einen eng begrenzten regionalen Bereich hinaus in den Verkehr gelangt sind, in der Regel nicht in das Schnellwarnsystem eingestellt.

(7) Die Entscheidung, ob eine Meldung in das Schnellwarnsystem einzustellen ist, erfolgt durch die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der Entscheidungshilfen nach den Absätzen 1 bis 6. In Zweifelsfällen hat die zuständige Behörde das Benehmen mit dem Bundesamt herzustellen. Erforderlichenfalls beteiligt das Bundesamt das Bundesinstitut.

(8) Die Meldung über die Zurückweisung von Lebensmitteln bei der Einfuhruntersuchung oder an Eingangsstellen ist bei Erfüllung der Meldekriterien nach Absatz 1 in das Schnellwarnsystem einzustellen.

§ 8 Kriterien für Meldungen zu Futtermitteln

(1) Meldungen zu Futtermitteln sind in das Schnellwarnsystem einzustellen, wenn von den Futtermitteln ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht.

(2) Dies ist insbesondere der Fall bei der Feststellung von

(3) Das Bundesinstitut erstellt für Stoffe nach Satz 1 Nr. 1 und 2 einen Kriterienkatalog unter Berücksichtigung von Carry-over-Raten und macht ihn den zuständigen Behörden zugänglich.

(4) Abweichend von Absatz 1 werden Meldungen zu Futtermitteln, die nachweislich nicht über einen eng begrenzten regionalen Bereich hinaus in den Verkehr gelangt sind, in der Regel nicht in das Schnellwarnsystem eingestellt.

(5) Die Entscheidung, ob eine Meldung in das Schnellwarnsystem einzustellen ist, erfolgt durch die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der Entscheidungshilfen nach den Absätzen 1 bis 4. In Zweifelsfällen hat die zuständige Behörde das Benehmen mit dem Bundesamt herzustellen. Erforderlichenfalls beteiligt das Bundesamt das Bundesinstitut.

(6) Die Meldung über die Zurückweisung von Futtermitteln an Eingangsstellen ist bei Erfüllung der Meldekriterien nach Absatz 1 in das Schnellwarnsystem einzustellen.

§ 9 Erstellung und Übermittlung einer Meldung

(1) Bei der Erstellung einer Meldung sind die von der Kommission vorgegebenen Formulare (Meldeformular, Formular für Folgemeldungen, Vertriebslistenformular) in der jeweils geltenden Fassung zu verwenden. Soweit notwendig sind weitere Dokumente (z.B. Begleitdokumente, insbesondere Gesundheitszertifikate, Warenetiketten oder sonstige Papiere, die zur Identifizierung der Ware dienen können, Gutachten, Akkreditierungsurkunden von Laboratorien, Listen berechtigter Personen zur Ausfertigung von Ausfuhrzertifikaten) beizufügen. Die jeweils aktuelle Fassung der Formulare wird den Kontaktstellen vom Bundesamt in deutscher Sprache mit Erläuterungen zum Ausfüllen in geeigneter Weise zur Kenntnis gegeben.

(2) Die Kontaktstelle übersendet dem Bundesamt die Meldung unter Berücksichtigung der Meldekriterien nach §§ 7 und 8. Sie schlägt grundsätzlich bei Erstmeldungen vor, ob diese als Warn- oder Informationsmeldung weitergeleitet werden sollen. Bei Übersendung einer Meldung außerhalb der regulären Dienstzeiten, die ein sofortiges Handeln erforderlich macht, ist diese dem Bundesamt unverzüglich telefonisch anzukündigen.

(3) Die Weiterleitung der Meldung erfolgt auf elektronischem Weg. Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, so erfolgt die Weiterleitung per Telefax. Sollte auch dies im Einzelfall nicht möglich sein, so kann die Weitergabe telefonisch erfolgen. Absatz 1 und 2 Satz 1 und 2 gelten entsprechend.

(4) Die Kontaktstelle stellt die Unterrichtung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sicher, dessen Erzeugnis Gegenstand einer Schnellwarnung ist.

(5) Erfolgt im Zusammenhang mit einem meldepflichtigen Sachverhalt eine Information der Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde oder durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer, so ist diese unverzüglich über die Kontaktstelle dem Bundesamt, sowie den anderen Kontaktstellen der Länder, zu übermitteln. Das Bundesamt unterrichtet unverzüglich das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) und die Kommission.

§ 10 Bearbeitung der Meldung durch das Bundesamt

(1) Vor der Weiterleitung einer Meldung an die Kommission wird die eingegangene Meldung durch das Bundesamt auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit geprüft. Eine Änderung des nach § 9 Abs. 2 Satz 2 gegebenen Vorschlages kann im gegenseitigen Einvernehmen mit dem meldenden Land erfolgen. Sofern die Kontaktstelle keinen Vorschlag nach § 9 Abs. 2 Satz 2 übersendet, kann das Bundesamt die Einstufung eigenständig vornehmen.

(2) Bei inhaltlichen Änderungen sendet die Kontaktstelle eine korrigierte Fassung der Meldung an das Bundesamt.

(3) Offensichtlich fehlerhafte Angaben können nach Rücksprache mit der meldenden Kontaktstelle durch das Bundesamt im Formular korrigiert werden.

(4) Das Bundesamt kann mehrere Folgemeldungen zusammenfassen und der Kommission in angemessenen Zeitabständen, spätestens jedoch nach einer Woche, übermitteln. Über diese Vorgehensweise sind die Kontaktstellen beim Absenden der Sammelmeldung zu unterrichten.

§ 11
Weiterleitung der Meldung durch das Bundesamt

(1) Das Bundesamt übersendet der Kommission die Meldung zusammen mit einem Vorschlag, ob diese als Warn-, Informations- oder Folgemeldung oder als Nachricht eingestuft werden soll.

(2) Die Mitteilung an die Kommission erfolgt nachrichtlich an das Bundesministerium sowie an die Kontaktstelle, die die Meldung übermittelt hat. Soweit sich die Meldung auf erhöhte Radioaktivität oder auf ein genetisch verändertes Lebensmittel oder Futtermittel bezieht oder die Verordnungsermächtigung des § 9 Abs. 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes einschlägig ist, erfolgt die Mitteilung an die Kommission auch nachrichtlich an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU).

(3) § 9 Abs. 3 Satz 1 bis 3 finden Anwendung.

Teil 3 Verfahren bei Meldungen von der Kommission an die Bundesrepublik Deutschland

§ 12 Bearbeitung und Weitergabe der Meldungen durch das Bundesamt

(1) Die durch die Kommission übermittelten Meldungen werden vom Bundesamt in Risikokategorien eingestuft.

Die Einstufung berücksichtigt folgende Kategorien:

Die Einstufung wird jeweils kenntlich gemacht.

(2) Die wesentlichen Inhalte fremdsprachiger Meldungen sowie der zu diesen gehörenden Dokumente werden vom Bundesamt zusammengefasst und in deutscher Sprache sinngemäß wiedergegeben. Die von den Meldungen unmittelbar oder mittelbar betroffenen Länder werden benannt.

(3) Meldungen der Kategorien 1 und 2 werden vom Bundesamt unverzüglich den Kontaktstellen mitgeteilt. Meldungen der Kategorie 4 werden vom Bundesamt den zuständigen Behörden der Grenzkontrollstellen unmittelbar zugeleitet; die Kontaktstelle des Landes, in dem die Grenzkontrollstelle liegt, wird vom Bundesamt nachrichtlich informiert. Die Meldungen der Kategorien 1, 2 und 4 werden vom Bundesamt auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt. Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, so findet das Verfahren des § 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 Anwendung.

(4) Wird eine Meldung, die ein sofortiges Handeln erforderlich macht, außerhalb der regulären Dienstzeit übersandt, sind die Kontaktstellen nach § 4 Abs. 2 unverzüglich telefonisch zu informieren.

(5) Das Bundesamt sendet die Meldungen nachrichtlich an

In den Fällen des § 11 Abs. 2 Satz 2 wird die Meldung auch an das BMU gesandt. Bei Risiken mikrobiologischer Art wird die Meldung auch an das Robert-Koch-Institut (RKI) gesandt.

(6) Das Bundesamt fasst die Meldungen eines Tages zu Tagesberichten zusammen und sendet diese an:

(7) Das Bundesamt übermittelt darüber hinaus Wirtschafts- und Verbraucherverbänden sowie den Giftinformationszentralen unter Berücksichtigung der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes Tagesberichte.

Teil 4 Regelungen für Meldungen zu Futtermitteln gemäß Artikel 8 und 16 c der Richtlinie 95/53/EG

§ 13 Meldungen gemäß Artikel 8 und 16 c der Richtlinie 95/53/EG

Für Meldungen nach Artikel 8 und 16 c der Richtlinie 95/53/EG ist das Verfahren nach § 9 bis 11 dieser Regelung entsprechend anzuwenden. Eine Einteilung der Meldung nach § 3 Abs. 4 entfällt. Diese Meldungen sind mit der Kennzeichnung "Mitteilung gemäß Artikel 8 oder 16 c der Richtlinie 95/53/EG" zu versehen.

Teil 5 Schlussbestimmungen

§ 14 Inkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.
Der Bundeskanzler
Gerhard Schröder
Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Renate Künast