Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe

A. Problem und Ziel

Unseriöse Kaffeefahrten, von denen insbesondere ältere Menschen betroffen sind, stellen trotz gesetzgeberischer Maßnahmen und einer breiten Aufklärung der Verbraucher weiterhin einen verbraucherpolitischen Missstand dar. Schätzungen zufolge nehmen pro Jahr 4,5 bis 5 Millionen Deutsche an Verkaufsveranstaltungen teil, die gewerberechtlich als sogenannte "Wanderlager" einzustufen sind. Nach Medienrecherchen beträgt der Umsatz der Branche 500 Millionen Euro im Jahr. Die Verletzlichkeit der Teilnehmer wird mit aggressiven und irreführenden Verkaufsmethoden zu ihrem finanziellen Nachteil ausgenutzt. Ein besonders gutes Geschäft wird mit Produkten gemacht, die auf das gesteigerte Interesse an ausgewogener Ernährung und Gesundheit der Teilnehmer abzielen. Zunehmend werden auch Finanzdienstleistungen und Pauschalreisen mit erheblichen Schäden für die Verbraucher vertrieben. Außerdem wird eine Tendenz beobachtet, den Ort der Verkaufsveranstaltung ins Ausland zu verlagern und damit die gewerberechtliche Anzeigepflicht zu umgehen.

In der Praxis haben sich auf verschiedenen Ebenen Defizite gezeigt, diesem verbraucherschädlichen Verhalten wirksam zu begegnen.

Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es, unseriöse Kaffeefahrten mit einer deutlichen Erweiterung des rechtlichen Instrumentariums zu bekämpfen.

B. Lösung

Die Anzeigepflicht wird bei grenzüberschreitenden Kaffeefahrten ausgedehnt. Sie soll auch die Beförderung der Teilnehmer zum Veranstaltungsort erfassen.

Neue Vertriebsverbote werden aufgestellt für solche Produkte, die sich nicht für den Vertrieb im Wanderlager eignen.

Weiter sollen die Bußgeldhöchstbeträge für Verstöße gegen das Vertriebsverbot und gegen die Anzeigepflicht zur Abschreckung deutlich angehoben werden.

C. Alternativen

Keine

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Gesetzentwurf enthält eine geänderte Anzeigepflicht ( § 56a GewO). Der Veranstalter muss neben den bisherigen Informationen den Beförderer sowie die Abfahrtszeiten und -orte angeben. Die Anzeigepflicht wird außerdem auf Anbieter erstreckt, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind und bisher von der Anzeigepflicht ausgenommen waren. Diese können bei der Erfüllung der Anzeigepflicht den einheitlichen Ansprechpartner nutzen.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Unter Beachtung der Regelungen zur Ermittlung der Bürokratiekosten nach dem Standard-Kosten-Modell ist davon auszugehen, dass die gegenüber der bestehenden Gesetzeslage erhöhten Informationskosten für die Veranstalter von Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe bundesweit unter 100 000 Euro liegen werden und zudem nur eine geringe Zahl von Gewerbetreibenden betroffen sein wird. Zugrunde gelegt wird dabei eine Gesamtzahl von höchstens 25 000 Verkaufsveranstaltungen jährlich.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Die Erstreckung der Anzeigepflicht für Verkaufsveranstaltungen im Wanderlager auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten kann die Zahl der Anzeigeverfahren erhöhen. Ein nennenswerter Mehraufwand entsteht dadurch für die Verwaltung jedoch nicht. Gleiches gilt für die Erweiterung der Ordnungswidrigkeitentatbestände auf Personen, die rechtswidrig Verkaufsveranstaltungen im Wanderlager fördern.

F. Weitere Kosten

Auswirkungen auf das Preisniveau sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe

Der Bundesrat hat in seiner 936. Sitzung am 25. September 2015 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Gewerbeordnung

Die Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 4 Absatz 1 Satz 2 wird die Angabe ",56a" gestrichen.

2. § 56a wird wie folgt gefasst:

" § 56a Ankündigung des Gewerbebetriebs, Wanderlager

3. In § 60d wird nach den Wörtern " § 56 Abs. 1 oder 3 Satz 2" die Angabe ", § 56a Abs. 1b" eingefügt.

4. § 145 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ... [einsetzen: Datum des ersten Tages des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Anlass und Ziel des Gesetzentwurfs

Unseriöse Kaffeefahrten, von denen insbesondere ältere Menschen betroffen sind, stellen trotz gesetzgeberischer Maßnahmen und einer breiten Aufklärung der Verbraucher immer noch einen verbraucherpolitischen Missstand dar. Schätzungen zufolge nehmen pro Jahr 4,5 bis 5 Millionen Deutsche an Verkaufsveranstaltungen teil, die gewerberechtlich als sogenannte "Wanderlager" einzustufen sind. Nach Medienrecherchen beträgt der Umsatz der Branche 500 Millionen Euro im Jahr. Genaue Zahlen liegen mangels statistischer Erhebungen nicht vor. Oft locken die Veranstalter in Zeitungsinseraten und Hauswurfsendungen mit kostenlosem Transport zum Veranstaltungsort und niedrigen Preisen. Sie versprechen den Teilnehmern Geschenke, Gewinne und viele Angebote. In der Realität enden die langen, ermüdenden Busfahrten häufig in einem abgelegenen Landgasthof, wo die Verletzlichkeit der Teilnehmer mit aggressiven und irreführenden Verkaufsmethoden zu ihrem finanziellen Nachteil ausgenutzt wird. Vielfach werden Produkte verkauft, die die Teilnehmer nicht verwenden können oder die unverhältnismäßig hohe Preise haben, die durch falsche Anpreisungen gerechtfertigt werden. Dabei machen die Veranstalter ein besonders gutes Geschäft mit Produkten, die auf das gesteigerte Interesse an ausgewogener Ernährung und Gesundheit der Teilnehmer abzielen. Aber auch der zunehmende Vertrieb von Finanzdienstleistungen und Pauschalreisen birgt ein erhebliches Risiko und Schädigungspotenzial für die Verbraucher. Zudem wird eine Tendenz beobachtet, den Ort der Verkaufsveranstaltung ins Ausland zu verlagern und somit die gewerberechtliche Anzeigepflicht zu umgehen.

In der Praxis haben sich auf verschiedenen Ebenen Defizite gezeigt, diesem verbraucherschädlichen Verhalten wirksam zu begegnen.

Ordnungsrechtlich besteht die Schwierigkeit, zur rechten Zeit einzugreifen und so unzulässige Verkaufsveranstaltungen zu untersagen. Denn bisher ist nur die Veranstaltung als solche anzeigepflichtig, nicht jedoch der in der Regel mit der Veranstaltung einhergehende Transport der Teilnehmer durch ein Beförderungsunternehmen, welches mit dem Veranstalter zusammenarbeitet. Die Ordnungsbehörden können also bisher - auch bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Anzeige - nicht wissen, wo die unseriöse Kaffeefahrt beginnt. Außerdem sind die Bußgelder, die bisher für Verstöße gegen die Vertriebsverbote und die Anzeigepflicht verhängt werden können, so niedrig, dass sie keine abschreckende Wirkung entfalten. Vielmehr werden die Bußgelder in die Verkaufspreise einkalkuliert.

Ein weiteres ordnungsrechtliches Problem stellt sich dadurch, dass Veranstalter mit Niederlassung im europäischen Ausland Kaffeefahrten im Inland ohne vorherige Anzeige durchführen dürfen (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 2 GewO). Die zuständigen Behörden erfahren also nur durch Zufall von den Veranstaltungen. Viele Veranstalter sind sich dieser Lücke bewusst und operieren unter dem Deckmantel der Dienstleistungsfreiheit vom Ausland aus. In ähnlicher Weise gibt es Missstände bei der umgekehrten Konstellation, bei der die Teilnehmer vom Inland ins Ausland zur Veranstaltung gebracht werden. Denn bislang muss zwar die öffentliche Ankündigung den Anforderungen der deutschen Gewerbeordnung genügen, aber eine Anzeige - als Voraussetzung eines Eingreifens der Ordnungsbehörde - ist nicht erforderlich.

Strafrechtlich scheitert eine Verfolgung wegen (gewerbsmäßigen) Betrugs häufig sowohl an den hohen Anforderungen, die rechtlich an das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens gestellt werden, als auch an dem Umstand, dass die auf Veranstalterseite handelnden Personen stark arbeitsteilig vorgehen, was die im Strafrecht gebotene individuelle Zurechnung aller notwendigen subjektiven und objektiven Tatbestandsmerkmale zu bestimmten Personen nicht immer zulässt. Es bestehen auch tatsächliche Nachweisschwierigkeiten, denn die Zeugenaussagen der häufig älteren Teilnehmer sind nicht stets hinreichend konkret. Dies gilt ebenso hinsichtlich des Vorwurfs der Nötigung. Die anderen einschlägigen Strafvorschriften (z.B. Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz gemäß § 14 i.V.m. § 3 HWG und strafbare Werbung gemäß § 16 UWG) haben ebenfalls keine nachhaltige Abschreckungswirkung gezeigt.

Zivilrechtlich gibt es zwar ein Widerrufsrecht und einen durchsetzbaren Anspruch aus Gewinnzusagen gemäß § 661a BGB. Jedoch können sich viele Verbraucher aus Scham oder anderen Gründen zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Rechte nicht durchringen.

Die Verbraucherschutzministerkonferenz 2012 hat beim Thema "Kaffeefahrten zu Verkaufszwecken" verbraucherschutzpolitischen Handlungsbedarf gesehen und sich für gesetzgeberische Maßnahmen ausgesprochen.

Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es, unseriöse Kaffeefahrten mit einer deutlichen Erweiterung des rechtlichen Instrumentariums zu bekämpfen. Der Gesetzentwurf setzt hierzu an verschiedenen Punkten an:

Die Anzeigepflicht wird bei grenzüberschreitenden Kaffeefahrten ausgedehnt. Sie soll auch die Beförderung der Teilnehmer zum Veranstaltungsort erfassen.

Neue Vertriebsverbote werden aufgestellt für solche Produkte, die ein großes Irreführungspotential und die Gefahr erheblicher finanzieller Schäden bergen und sich deshalb nicht für den Vertrieb im Wanderlager eignen.

Weiter sollen die Bußgeldhöchstbeträge für Verstöße gegen das Vertriebsverbot und gegen die Anzeigepflicht zur Abschreckung deutlich angehoben werden.

II. Wesentlicher Inhalt

Gegenstand des Gesetzentwurfs sind folgende Änderungen der Gewerbeordnung:

Zum einen sollen die zuständigen Behörden auch dann von Kaffeefahrten durch eine obligatorische Anzeige des Veranstalters erfahren, wenn dieser im europäischen Ausland niedergelassen ist, die Veranstaltung aber im Inland stattfinden soll. Im spiegelbildlichen Fall - Verbringung von Teilnehmern aus dem Inland zur Verkaufsveranstaltung ins Ausland - soll ebenfalls eine Anzeigepflicht eingeführt werden.

Zum anderen sollen die bei der Veranstaltung eines Wanderlagers (als Unterform des Reisegewerbes) verbotenen Tätigkeiten ergänzt werden durch ein umfassendes Vertriebsverbot für Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte. Bei diesen Produkten besteht eine besonders hohe Gefahr für die Gruppe der verletzlichen Verbraucher und für deren Gesundheit. Auch Finanzdienstleistungen sollen wegen der großen Anlockwirkung und der erheblichen finanziellen Gefahren nicht mehr im Wanderlager vertrieben werden dürfen. Dies gilt grundsätzlich auch für Pauschalreisen im Sinne des § 651a Absatz 1 BGB. Die mit Reisen verbundenen und von den Veranstaltern gezielt gesteuerten Erwartungen bieten in der besonderen Drucksituation des Wanderlagers zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass die für den Reisevertrag typische Verknüpfung mehrerer Leistungen die Gefahr erheblicher Zusatzkosten und eines intransparenten Leistungsangebots birgt. Eine Ausnahme soll insoweit jedoch dann gelten, wenn bei einem ordnungsgemäß angezeigten Wanderlager keine geschäftsmäßige Beförderung von Personen zum Ort der Veranstaltung im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgt und im Rahmen der Veranstaltung vom Veranstalter keine Zahlungen entgegengenommen werden. In diesen Fällen fehlt es an der für unseriöse Kaffeefahrten typischen Drucksituation für die Kunden; zugleich werden finanzielle Schäden durch das Vorleistungsverbot vermieden. Nicht in Frage kommt dagegen eine vergleichbare Ausnahme von den Vertriebsverboten für Finanzdienstleistungen, Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel, da in diesen Bereichen für die Teilnehmer ein erheblich höheres Gefährdungspotential besteht. Bei Geldanlagen drohen den Teilnehmern deutlich höhere finanzielle Schäden. Bei Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln, die bei Verkaufsveranstaltungen im Wanderlager üblicher Weise zu weit überhöhten Preisen verkauft werden, kommt die Gefahr gesundheitlicher Schädigungen aufgrund ungeeigneter oder unwirksamer Produkte hinzu. Verbraucher sind bei Finanzdienstleistungen und Produkten mit gesundheitsfördernder Wirkung in besonderem Maße auf eine qualifizierte Beratung und eine von unangemessenen Beeinflussungen freie Entscheidungssituation angewiesen, die bei Verkaufsveranstaltungen im Wanderlager nicht ausreichend gewährleistet ist. Weiter soll die Beförderung der Teilnehmer zu der Verkaufsveranstaltung zum anzeigepflichtigen Tatbestand gehören.

Bei dem bereits bestehenden Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 145 GewO sieht der Gesetzentwurf eine Anhebung der Bußgeldhöchstbeträge für Verstöße gegen die Anzeigepflicht und die Vertriebsverbote bei einem Wanderlager vor, damit es möglich ist, mit entsprechend hohen Bußgeldern die Veranstalter finanziell zu treffen. Der bisherige Höchstbetrag von 1 000 Euro bei einer pflichtwidrig unterlassenen Anzeige ist nach den bisherigen Erfahrungen zu niedrig, um gewinnträchtige Veranstaltungen zu neutralisieren. Deswegen wird eine Erhöhung um den Faktor zehn vorgenommen.

Daneben wird ein neuer Tatbestand geschaffen, der besondere Fälle von Unterstützungshandlungen als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet und damit die Mitverantwortung der häufig arbeitsteilig vorgehenden Personen besser erfassen soll. Dabei geht es um an dem Wanderlager im Umfeld Mitwirkende, auf deren Zusammenarbeit die Veranstalter angewiesen sind und die wirtschaftlich von den rechtswidrigen Kaffeefahrten profitieren. Wenn diese Personen sehenden Auges Unterstützungshandlungen erbringen, sollen sie mit einem Bußgeld belegt werden können.

III. Verfassungsrecht/Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union

Das Gesetz fällt in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (Recht der Wirtschaft). Hauptzweck des Gesetzentwurfs ist die effektive Bekämpfung und damit Eindämmung von unseriösen Geschäftsmethoden. Bestimmungen über den Verbraucherschutz fallen unter das Recht der Wirtschaft im Sinne des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (BVerfGE 26, 246, 254).

Der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 72 Absatz 2 GG, weil die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Eine landesrechtliche Regelung hinsichtlich der Erweiterung der Eingriffsmöglichkeiten gegen Kaffeefahrten würde die Gefahr einer Rechtszersplitterung in sich bergen, die zu Rechtsunsicherheiten führen und den Rechtsverkehr unzumutbar erschweren würde. Im Übrigen würden derartige Geschäfte in Nachbarländer abwandern.

Die vorgesehenen Regelungen erscheinen geeignet und erforderlich, um bestimmten gefährlichen Verkaufsmethoden effektiv entgegenzuwirken. Darüber hinaus sind sie auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Erweiterung der Vertriebsverbote und des anzeigepflichtigen Tatbestands sowie die Erhöhung der Bußgeldrahmen berühren zwar die Freiheit der Berufsausübung im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 GG. Die vorgesehenen Bestimmungen dehnen die Vertriebsverbote und die Anzeigepflicht jedoch nur punktuell aus. Insbesondere werden die neuen Vertriebsverbote nicht für das gesamte Reisegewerbe geschaffen, sondern nur für die besondere Absatzart des Wanderlagers. Eine materielle Erschwerung seriöser

Berufsausübung ist mit den vorgeschlagenen Regelungen nicht verbunden. Sie sind den Veranstaltern durchaus zumutbar. Auf der anderen Seite - also zugunsten der Grundrechtseingriffe - sind die erheblichen Schäden zu berücksichtigen, die Verbrauchern in Deutschland durch unseriöse Unternehmen entstehen und die ohne gesetzgeberische Maßnahmen, die einen wirkungsvollen Vollzug ermöglichen, nicht verhindert werden können. Deswegen ist auch die Erhöhung des Bußgeldrahmens angemessen.

Das Gleichheitsgebot des Artikels 3 Absatz 1 GG ist ebenfalls berührt, da die Regelungen nur das Wanderlager als eine Form des Reisegewerbes, nicht aber das stehende Gewerbe betreffen. Die besondere Situation einer Verkaufsveranstaltung an einem oftmals entlegenen Ort, zu der die Verbraucher in der Regel mit einem Reisebus befördert werden, erhöht die Gefahr, dass auf die Entscheidungsfreiheit der Verbrauchers in unlauterer Weise eingewirkt und Vertrauen missbraucht wird. Die sich daraus ergebenden unterschiedliche Schutzbedürfnisse der Verbraucher stellen einen sachlichen Differenzierungsgrund dar. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 GG liegt damit nicht vor.

Die Gesetzesänderung ist europarechtskonform, da die durch die Ausdehnung der Vertriebsverbote und Anzeigepflichten erfolgenden Eingriffe in die Grundfreiheiten durch Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt sind.

Insbesondere ist die Streichung des § 56a GewO in § 4 Absatz 1 Satz 2 GewO vereinbar mit der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36; Dienstleistungsrichtlinie). Denn die Auferlegung der Anzeigepflicht ist gemäß Artikel 16 Absatz 1 und 3 der Richtlinie gerechtfertigt; sie dient der öffentlichen Ordnung, ist nicht diskriminierend und greift keinesfalls in unverhältnismäßiger Weise in die Dienstleistungsfreiheit ein (Heidfeld, NVwZ 2009, 1471). Bei dem Schutzgut der öffentlichen Ordnung steht den Mitgliedstaaten ein Konkretisierungsspielraum zu. Nach dem Bericht der Bundesfachtagung Gewerberecht 2011 ist in der Praxis der Gewerbebehörden zunehmend ein grenzüberschreitender "Ausflugsverkehr" zu beobachten (Land, GewA, 2012, 153). Diese Tendenz wird von aktuellen Einschätzungen einzelner Vollzugsbehörden bestätigt. Nach den Erfahrungen der Vollzugsbehörden und Verbraucherverbände wird bei derartigen Verkaufsveranstaltungen das Vertrauen der meist älteren Teilnehmer missbraucht, denen vor allem Gesundheitspräparate und Medizinprodukte zu überhöhten Preisen und mit unwahren Versprechen zur medizinischen Wirkung verkauft werden. Dies führt nicht nur zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden, sondern kann auch für den Einzelnen gesundheitliche Folgen haben. Auch den auf derartigen Verkaufsveranstaltungen vertriebenen Finanzdienstleistungen und Pauschalreisen wohnt wegen der großen Anlockwirkung und der erheblichen finanziellen Gefahren ein großes Risiko für die Verbraucher inne. Strafrechtlich wird dabei neben dem Betrugstatbestand nicht selten auch der Tatbestand der Nötigung erfüllt, wenn die Teilnehmer gegen ihren Willen am Ort der Verkaufsveranstaltung festgehalten werden. Die Anzeigepflicht dient der Bekämpfung und Vermeidung von Straftaten und gerade dem Schutz älterer, besonders schutzbedürftiger Menschen davor, Opfer einer Straftat zu werden. Insofern liegen tatsächliche hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft und damit der öffentlichen Ordnung vor.

Die Anzeigepflicht gilt bereits für im Inland ansässige Veranstalter von Wanderlagern, so dass lediglich eine nicht diskriminierende Beschränkung vorliegt.

Es liegt ein Eingriff mit sehr geringer Intensität vor. Die Anzeigepflicht betrifft nur die spezielle Fallgruppe der Wanderlager, hat also einen engen Anwendungsbereich. Die Dienstleistungserbringung wird nicht etwa durch einen Genehmigungsvorbehalt verhindert oder verzögert. Denn die Anzeige wird für die im Ausland niedergelassenen Veranstalter ohne großen Aufwand über den einheitlichen Ansprechpartner nach § 6b GewO erledigt werden können. Durch die Geltung der Anzeigepflicht auch für im europäischen Ausland niedergelassene Veranstalter von Wanderlagern werden die zuständigen inländischen Behörden frühzeitig über entsprechende Veranstaltungen auf deutschem Hoheitsgebiet, wo sich die Gefahr realisieren könnte, informiert. Das bisher geltende Umgehungsverbot des § 4 Absatz 2 GewO ist nicht im gleichen Maße wie eine präventive Anzeigepflicht wirksam, da es erstens zu hohe Anforderungen mit Nachweisschwierigkeiten aufstellt und zweitens die zuständigen Vollzugsbehörden nicht ausreichend schnell eingreifen können. Die Vertriebsverbote des § 56 GewO gelten auch für im Ausland niedergelassene Dienstleistungserbringer; deren wirksame Durchsetzung hängt maßgeblich von der frühzeitigen Information der Behörden ab. Insgesamt liegt eine verhältnismäßige Beschränkung und damit eine Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsrichtlinie vor.

Europarechtskonform ist auch die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen die in Deutschland niedergelassenen Veranstalter die Teilnehmer über die Grenze ins Ausland zur eigentlichen Verkaufsveranstaltung transportieren. Die Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Vertriebsverboten der deutschen Gewerbeordnung, die der öffentlichen Sicherheit dienen, auf deutschem Hoheitsgebiet zur Durchsetzung zu verhelfen. Es geht nicht um Eingriffe auf fremden Hoheitsgebiet oder darum, Verkaufsveranstaltungen im Ausland zu untersagen; die deutschen Behörden sollen lediglich die in Deutschland geltenden Vertriebsverbote umfassend, d.h. bis zur Grenze, zum Schutze der Verbraucher im Inland durchsetzen können. Dies gelingt nur, wenn eine Anzeigepflicht besteht, die der Behörde überhaupt erst die Kenntnis von der Veranstaltung liefert. Betrachtet man mit dem Gesetzentwurf die im Zusammenwirken organisierte Beförderung als Beginn der Geschäftsmethode "Verkaufsveranstaltung im Reisegewerbe", dann ist es nur folgerichtig, dass die auf deutschem Hoheitsgebiet stattfindende Beförderung angezeigt werden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kaufverträge als letzte Stufe der Gesamtveranstaltung im Ausland oder im Inland abgeschlossen werden.

B. Besonderer Teil

I. Zu Artikel 1 (Änderung der Gewerbeordnung)

Zu Nummer 1 (§ 4 Absatz 1 Satz 2)

Durch die Streichung des § 56a im § 4 Absatz 2 Satz 1, der die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung betrifft, gilt die in § 56a normierte Anzeigepflicht - nicht dagegen eine Genehmigungspflicht - auch für im Ausland niedergelassene Veranstalter von Wanderlagern.

Damit wird ein Gleichlauf hergestellt zwischen den materiellen Vertriebsverboten des § 56 GewO, die bereits jetzt für inländische und ausländische Veranstalter gelten, und der formellen Anzeigepflicht nach § 56a GewO. Es wird keinen Unterschied mehr machen, ob ein Veranstalter im Inland oder im Ausland niedergelassen ist, so dass es sich nicht mehr lohnt, die Niederlassung ins Ausland zu verlagern. Mit der ausgeweiteten Anzeigepflicht erlangt die für den Veranstaltungsort zuständige Behörde zuverlässig Kenntnis von Kaffeefahrten und kann gegebenenfalls rechtzeitig Untersagungsanordnungen gemäß § 56a Absatz 2 GewO erlassen.

Zu Nummer 2 (§ 56a)

§ 56a wird aufgrund von zahlreichen Änderungen zur besseren Übersichtlichkeit neu gefasst. Die (teilweise neuen) Bestimmungen zur Anzeigepflicht verbleiben in Absatz 1, während die Anforderungen an die öffentliche Ankündigung der Veranstaltung in einem eigenen Absatz 1a verortet werden. In einem neuen Absatz 1b werden speziell für das Wanderlager geltende Vertriebsverbote geschaffen. Die Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen bleibt - leicht verändert - in Absatz 2 erhalten.

Im Einzelnen:

Zu Absatz 1 Satz 1

Die Änderung des Absatzes 1 Satz 1 ist vor allem eine Klarstellung, dass zukünftig auch die Beförderung der Teilnehmer zum Veranstaltungsort zum anzeigepflichtigen Sachverhalt gehört und als Beginn der eigentlichen Kaffeefahrt, wenn die Teilnehmer in den Einflussbereich des Veranstalters gelangen, ein geeigneter Ansatzpunkt für Untersagungen nach Absatz 2 ist.

Zu Absatz 1 Satz 2

Neu ist die Anzeigepflicht des Absatzes 1 Satz 2 bei im Ausland stattfindenden Wanderlagern. Bisher gab es für diese Veranstaltungen keine Anzeigepflicht, wodurch eine Schutzlücke bestand: Zwar unterliegen bisher die öffentlichen Ankündigungen, die im Inland für Wanderlager im Ausland erfolgen, den Anforderungen der deutschen Gewerbeordnung, jedoch erhalten die Ordnungsbehörden mangels Anzeigepflicht keine Kenntnis von den Veranstaltungen und den Beförderungen. Deutsche Veranstalter können somit die Anzeigepflicht (und die Verbote des § 56) umgehen, indem sie - insbesondere im Grenzbereich - die Veranstaltung im Ausland durchführen. Zukünftig wird die Beförderung mit ihren Einzelheiten angezeigt werden müssen, so dass die zuständige Behörde zum Vollzug der deutschen Vertriebsverbote auf deutschem Hoheitsgebiet die Beförderung, die gemäß dem neuen Absatz 1 Satz 1 bereits eindeutig dem Regelungssachverhalt zugehört, bereits untersagen kann.

Zuständig für die Anzeige ist die Behörde, in deren Bezirk der Veranstalter seine gewerbliche Niederlassung hat. Diese Regelung knüpft an eine relativ statische Örtlichkeit an und baut auf die Kenntnisse und Verantwortlichkeit der Behörde bezüglich der in ihrem Bezirk sitzenden Unternehmen.

Zu Absatz 1 Satz 3

Für den Fall, dass ein Veranstalter ohne Niederlassung im Inland eine Verkaufsveranstaltung im Ausland durchführen möchte, dazu aber Personen im Inland aufnehmen möchte, ist eine gesonderte Bestimmung der zuständigen Behörde notwendig, da weder eine Zuständigkeit aus Satz 1 noch aus Satz 2 folgt. Deswegen regelt der neue Satz 3, dass die Anzeige bei der für den ersten Abfahrtsort zuständigen Behörde erfolgen muss. Damit wird einer Umgehung des Anzeigeerfordernisses entgegengewirkt.

Zu Absatz 1 Satz 4 Nummer 4

Inhalt der Anzeige soll zukünftig gemäß der neuen Nummer 4 auch der Name und die Adresse des Unternehmers sein, der die Beförderung der Teilnehmer zu der Verkaufsveranstaltung geschäftsmäßig unternehmen soll. Damit wird die Ordnungsbehörde die Identität desjenigen erfahren, der für den Transport der Teilnehmer verantwortlich ist. Dieser nimmt zeitlich oft einen nicht unerheblichen Teil des "Programms" ein, bei dem auch schon auf die Verbraucher eingewirkt wird.

Zu Absatz 1 Satz 4 Nummer 5

Ebenfalls soll gemäß der neuen Nummer 5 in der Anzeige der Veranstaltung angegeben werden, wann und von wo die Teilnehmer zu der Veranstaltung abgeholt werden. Mit diesen Informationen kann die Ordnungsbehörde bei Verdacht einer unzulässigen Veranstaltung frühzeitig eingreifen, nämlich bereits an der Abfahrtsstelle, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Durchführung einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Verkaufsveranstaltung bestehen, beispielsweise aufgrund der Gestaltung der Einladung und der fehlenden Erhebung eines Beförderungsentgeltes. Zugleich kann damit verhindert werden, dass die Verkaufsveranstaltungen durch eine Verlagerung ins Ausland der Geltung des deutschen Rechts entzogen werden.

Zu Absatz 1 Satz 6

Die Initiative zum geschäftlichen Verkehr geht bei Tätigkeiten im Reisegewerbe nicht vom Kunden aus, sondern anders als im stationären Gewerbe regelmäßig vom Gewerbetreibenden. Seine Identität ist infolge seines Auftretens außerhalb einer Niederlassung und überhaupt wegen des vielfach nur flüchtigen Kontaktes mit den Verbrauchern schwieriger feststellbar. Ein regelmäßiges Problem besteht zum einen darin, dass ohne eine ladungsfähige Anschrift des Veranstalters Verbraucherinnen und Verbraucher der Möglichkeit beraubt werden, ihre bestehenden Verbraucherrechte wie Widerrufsrecht, Garantie- oder Gewährleistungsrechte geltend zu machen. Zum anderen ist es auch Verbraucherorganisationen nicht möglich, Abmahnungen im Sinne des § 3 Absatz 2 UWG zu adressieren.

Obwohl ein Briefkasten den Erfordernissen einer Wohnung bzw. einer Niederlassung nicht genügt, stellt es sich in der Praxis häufig so dar, dass unseriöse Veranstalter so genannter Kaffeefahrten lediglich eine Postfachanschrift angeben und auf die an diese Postfächer gerichteten Schreiben nicht reagieren. Da hier beispielsweise eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht möglich ist, ergeben sich Beweisschwierigkeiten für den Zugang von Schriftstücken. Während es unstreitig sein dürfte, dass ein Postfach keine Wohnung darstellt, scheint dies für die Niederlassung nicht so eindeutig zu sein. Es sollte daher klargestellt werden, dass die Angabe eines Postfachs nicht den Anforderungen in § 56a Absatz 1 Satz 4 Nummern 2 und 4 entspricht, wonach die Anzeige auch eine Bezeichnung der Wohnung oder der gewerbliche Niederlassung enthalten muss.

Zu Absatz 1a

Der neue Absatz 1a enthält die bisher in Absatz 1 verorteten Anforderungen an die öffentliche Ankündigung.

Die Publizitätspflicht für Wanderlager wird erweitert: In öffentlichen Ankündigungen sollen nunmehr nicht nur die Art der angebotenen Waren und der Veranstaltungsort, sondern auch der Name des Veranstalters und dessen Wohnung oder gewerbliche Niederlassung angegeben werden. Üblicherweise versteht es sich schon von selbst, dass der Gewerbetreibende für die Veranstaltung eines Wanderlagers auch seinen Namen und seine Anschrift angeben wird. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass in einigen Fällen, und zwar gerade solchen, bei denen an der Seriosität der Angebote bzw. der Angebotsweise schon Zweifel entstehen können, der Kunde über den eigentlichen Veranstalter bewusst im Unklaren gelassen wird. Es herrscht oft Unsicherheit bei den Teilnehmenden, wer der Ansprechpartner und Veranstalter des Wanderlagers ist. Durch die Änderung ist sichergestellt, dass dies für die Verbraucherinnen und Verbraucher von Anfang an klargestellt ist und diese vor Überraschungen geschützt sind.

Darüber hinaus ist es ein regelmäßiges Problem, dass ohne eine ladungsfähige Anschrift des Veranstalters Verbraucherinnen und Verbraucher der Möglichkeit beraubt werden, ihre bestehenden Verbraucherrechte wie Widerrufsrecht, Garantieoder Gewährleistungsrechte geltend zu machen. Ferner ist es für Verbraucherorganisationen nicht möglich, Abmahnungen im Sinne des § 3 Absatz 2 UWG zu adressieren.

Daher soll bereits in der öffentlichen Ankündigung im Sinne des § 56a Absatz 1a des Entwurfs ebenfalls die ladungsfähige Anschrift angegeben werden, um eine effektive Rechtsdurchsetzung seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher zu ermöglichen. Obwohl ein Briefkasten den Erfordernissen einer Wohnung bzw. einer Niederlassung nicht genügt, stellt es sich in der Praxis häufig so dar, dass unseriöse Veranstalter so genannter Kaffeefahrten lediglich eine Postfachanschrift angeben und auf die an diese Postfächer gerichteten Schreiben nicht reagieren. Da hier beispielsweise eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht möglich ist, ergeben sich Beweisschwierigkeiten für den Zugang von Schriftstücken. Während es unstreitig sein dürfte, dass ein Postfach keine Wohnung darstellt, scheint dies für die Niederlassung nicht so eindeutig zu sein. Es sollte daher klargestellt werden, dass die Angabe eines Postfachs nicht den Anforderungen in § 56a Absatz 1a Satz 1 entspricht.

Zu Absatz 1b

Der neue Absatz 1b dient der im Interesse des Verbraucherschutzes gebotenen Ausweitung der Vertriebsverbote im Wanderlager. Zukünftig wird über die Verbote des § 56 Absatz 1 hinaus, der für das gesamte Reisegewerbe gilt, der Vertrieb von Finanzdienstleistungen, Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten im Wanderlager verboten sein. Dies soll grundsätzlich auch für Pauschalreisen im Sinne des § 651a Absatz 1 BGB gelten, da die mit Reisen verbundenen Erwartungen und die Komplexität des Reisevertrages in der besonderen Drucksituation des Wanderlagers zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten bieten. Keine Regelung erfolgt hinsichtlich von Messen und Märkten im Sinne des Titels IV der Gewerbeordnung. Auch die Tätigkeit der gewerblich tätigen Beschicker eines (nicht festgesetzten) Privatmarktes wird durch die neuen Vertriebsverbote des Absatzes 1b nicht betroffen.

Finanzdienstleistungen sollen im Wanderlager nicht mehr vertrieben werden dürfen (Nummer 1). Dazu gehören Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Diese Art von Dienstleistungsverträgen ist dadurch geprägt, dass sie häufig eine gewisse Komplexität aufweisen, eine sorgfältige Vorbereitung und gewissenhafte Beratung erfordern, den Verbraucher dauerhaften Bindungen unterwerfen sowie die Gefahr ganz erheblicher finanzieller Schäden bergen. Ihr Abschluss erfordert eine reife, abgewogene Entscheidung auf Seiten des Verbrauchers, die er im Rahmen eines Wanderlagers nicht treffen kann. Eine ausführliche Information und seriöse, individuelle Beratung mit anschließender Bedenkzeit ist im Wanderlager schlicht nicht möglich. Der Vertriebsweg des Wanderlagers erscheint deswegen als generell ungeeignet für Finanzdienstleistungen.

Zweitens wird der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln verboten (Nummer 2). Ein Nahrungsergänzungsmittel ist gemäß § 1 Absatz 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ein Lebensmittel, das erstens dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, zweitens ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und drittens in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

Das Verbot knüpft allein an die Zugehörigkeit der Ware zu den Nahrungsergänzungsmitteln an, ohne dass es darauf ankommt, welche Aussagen hierzu getroffen werden. Dies dient zur präventiven, effektiven Verhinderung von Manipulationsversuchen zum Nachteil der typischerweise verletzlichen Teilnehmer von Kaffeefahrten. Gemäß dem Tagungsbericht über die Dritte Bundesfachtagung Gewerberecht (GewArch 2012, 153) weisen Senioren und Rentner häufiger Krankheitsbilder und Befindlichkeitsstörungen auf, was auf Kaffeefahrten gezielt ausgenutzt wird.

Die bestehenden Regelungen bieten keinen ausreichenden Schutz: § 51 Absatz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) regelt bisher ein Verbot des Vertriebs von Arzneimitteln im Reisegewerbe mit einer Ausnahme für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegebene Fertigarzneimittel, die bestimmten Anforderungen genügen (vgl. § 51 Absatz 1 Halbsatz 2 AMG). Das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) stellt zwar bereits sowohl das Verbot auf, Lebensmittel mit irreführenden Informationen in den Verkehr zu bringen (§ 11 Absatz 1 Nummer 1 LFGB), als auch, Lebensmittel mit Aussagen in den Verkehr zu bringen, die diesem Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen (§ 11 Absatz 1 Nummer 2 LFGB). Jedoch ist das vorgesehene Vertriebsverbot im Wanderlager bezüglich von Nahrungsergänzungsmitteln teilweise weiter, weil das Verbot gilt, ohne dass es auf entsprechende Aussagen ankommt. Teilweise ist das Verbot enger, weil nur das Wanderlager und Nahrungsergänzungsmittel betroffen sind.

Eine weitere Ausdehnung des Vertriebsverbotes erfolgt hinsichtlich sog. Medizinprodukte (Nummer 3). Der Begriff soll Medizinprodukte im Sinne von § 3 Nummer 1 bis 3 des Medizinproduktegesetzes (MPG) erfassen, aber auch alle elektromedizinischen Geräte, die nach der objektiven Verkehrsanschauung medizinischen Zwecken dienen. Medizinprodukte nach dem MPG können z.B. Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software sein. Sie definieren sich über die medizinische Zweckbestimmung, die der Hersteller ihnen zuschreibt (Ambs; in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 2012, MPG, § 3 Rn. 1). Diese Zweckbestimmung folgt aus der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung und den Werbeaussagen über ein Produkt (Ambs, aaO).

Dass die vertriebenen Gegenstände die Voraussetzungen des Medizinproduktegesetzes im Hinblick auf ihre Produktsicherheit erfüllen müssen, genügt zum Schutz der verletzlichen Teilnehmer von Kaffeefahrten nicht. Vielmehr ist ein Vertriebsverbot für Wanderlager angezeigt. Denn bei medizinischen Gegenständen jeder Art besteht eine Gefahr, besonders ältere und kranke Menschen ohne die notwendige Kompetenz, Beratung und Wahrung der Privatsphäre sowie notwendige Überlegungszeit zum Kauf zu verleiten und sowohl gesundheitliche als auch hohe finanzielle Schäden anzurichten. Gerade bei Medizinprodukten werden weit überhöhte Preise von den Verbrauchern verlangt. Das Vertriebsverbot im Wanderlager wird allein an die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu den Medizinprodukten anknüpfen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 4 MPG vorliegen, ob also z.B. ein begründeter Verdacht für eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit besteht oder ob eine irreführende Bezeichnung verwendet wird.

Erfasst werden von dem Vertriebsverbot nicht nur die mechanisch wirkenden Hilfsmittel, sondern auch elektromedizinische Geräte, also solche, die nach ihrer Bestimmung medizinischen Zwecken dienen sollen und elektrische Energie in irgendeiner Form verwenden, ohne dass die elektrische Energie selbst unmittelbar auf den menschlichen Körper bei der Verwendung des Gerätes einwirken muss (OVG Münster, Urteil vom 16.12.1964, GewA 1965, 161).

Nunmehr soll im Wanderlager der Vertrieb von elektromedizinischen Geräten mit unmittelbarer Wärmewirkung (z.B. Heizdecken und -kissen, Heißluftkästen und Rotlichtlampen) verboten werden. Bei diesen Gegenständen drohen nicht nur erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Teilnehmer. Diese Warenart ist auch besonders anfällig für ein auffälliges Missverhältnis zwischen Wert und Verkaufspreis.

Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung wird - anders als bisher - der Vertrieb z.B. von Magnetfeldunterbetten, Fußsprudelbädern und Rotlichtlampen verboten sein.

Schließlich soll sich das Vertriebsverbot grundsätzlich auch auf Pauschalreisen im Sinne des § 651a Absatz 1 BGB erstrecken (Nummer 4). Nach Erkenntnissen der Verbraucherverbände wurden bei derartigen Verkaufsveranstaltungen in der Vergangenheit zunehmend - teilweise unter falschen Angaben - Pauschalreisen aktiv vertrieben, die für die Teilnehmer nicht geeignet oder mit hohen Zusatzkosten verbunden waren, welche erst nachträglich offen gelegt wurden. Dabei wurden häufig Vorauszahlungen verlangt, die bei Widerruf oder Rücktritt vom Reisevertrag nicht mehr erstattet wurden bzw. deren Rückerstattung nicht mehr durchgesetzt werden konnte. Jedoch soll für den Bereich der Pauschalreisen eine Ausnahme gelten, wenn bei einem ordnungsgemäß angezeigten Wanderlager keine geschäftsmäßige Beförderung von Personen zum Ort der Veranstaltung im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgt und im Rahmen der Veranstaltung vom Veranstalter keine Zahlungen entgegengenommen werden. Veranstaltungen dieser Art fehlt es insbesondere an der für unseriöse Kaffeefahrten typischen Drucksituation für die Kunden, da die Teilnehmer selbständig zum Veranstaltungsort anreisen.

Zu Absatz 2 Halbsatz 1

Die Untersagung durch die zuständige Behörde gemäß § 56a Absatz 2 Halbsatz 1 soll zukünftig bereits eindeutig während der Beförderung ausgesprochen werden können, insbesondere wenn die Beförderung zu einem Veranstaltungsort im Ausland unternommen wird. Deshalb wird neben der Veranstaltung des Wanderlagers ausdrücklich auch die Beförderung als Gegenstand der Untersagung benannt.

Zu Absatz 2 Halbsatz 2

Schließlich wird Absatz 2 Halbsatz 2 dahin ergänzt, dass die Veranstaltung des Wanderlagers von der zuständigen Behörde untersagt werden können soll, wenn die öffentliche Ankündigung irreführende Angaben enthält. Mit dieser ausdrücklichen Regelung soll der Fall erfasst werden, dass die öffentliche Ankündigung zwar formell den Vorschriften des § 56a Absatz 1a neu entspricht, jedoch - nach Inhalt oder Gestaltung - geeignet ist, den unbefangenen Empfänger zu falschen Annahmen zu verleiten. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Eindruck erweckt wird, weitere angebotene Waren würden kostenlos überreicht werden (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 12.3.2001, Au 4 S 01.353).

Zu Nummer 3 (§ 60d)

Es handelt sich um eine Folgeänderung, die aufgrund der neu geschaffenen Vertriebsverbote in § 56a Absatz 1b notwendig war.

Die zuständige Behörde kann gemäß § 60d die Ausübung des Reisegewerbes verhindern, wenn gegen die Vertriebsverbote des § 56 Absatz 1 verstoßen wird. Für entsprechende Eingriffsmaßnahmen bietet § 60d eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage. Diese ist nunmehr in ihrem Tatbestand zu erweitern um die neuen, speziell für Wanderlager geltenden Vertriebsverbote.

Zu Nummer 4 (§ 145)

Neben Folgeänderungen werden bestimmte Bußgeldobergrenzen angehoben. Die neuen Vertriebsverbote im Wanderlager werden konsequent als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Ein neuer Vorsatztatbestand für Unterstützer wird geschaffen.

Zu Buchstabe a

Hinsichtlich der speziell für das Wanderlager neu geschaffenen Vertriebsverbote für Finanzdienstleistungen, Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte und Pauschalreisen im Sinne des § 651a Absatz 1 BGB (§ 56a Absatz 1b) bedarf es eines neuen Ordnungswidrigkeitentatbestandes, der als Nummer 7a in § 145 Absatz 2 eingefügt wird.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um Folgeänderungen in § 145 Absatz 3, die durch die Neufassung des § 56a veranlasst sind.

Zu Buchstabe c

In § 145 soll ein neuer Absatz 3a eingefügt werden, der vorsätzliche Förderungshandlungen von rechtswidrigen Wanderlagern durch Dritte zu Ordnungswidrigkeiten erhebt. Damit wird eine Sanktionierung von Personen erleichtert, die mit dem Veranstalter arbeitsteilig zusammenwirken, deren individueller Tatbeitrag jedoch beispielsweise zur Verletzung der Anzeigepflicht nur schwer nachzuweisen wäre. Auch kann eine Sanktion gegenüber Gastwirten, in deren Räumen und mit deren Wissen und Wollen die Verkaufsveranstaltung stattfindet, oder gegenüber Busunternehmern, die die Teilnehmer zu der Veranstaltung bringen, erfolgen. Voraussetzung ist, dass sie nachweisbar vorsätzlich handeln, sowohl hinsichtlich ihrer Förderungshandlung als auch hinsichtlich des Verstoßes gegen die Anzeigepflicht oder gegen die Vertriebsverbote.

Die Bußgeldbewehrung schafft damit den notwendigen Vermeidungsanreiz für denjenigen Wirtschaftsteilnehmer, der mit den Veranstaltern eng organisatorisch und werbetechnisch zusammenarbeitet und erheblich von den Veranstaltungen finanziell profitiert.

Zu Buchstabe d

Die Doppelbuchstaben aa und cc dienen dazu, den neuen Tatbestand des Absatzes 3a in den Absatz 4, der die Bußgeldrahmen der Ordnungswidrigkeitentatbestände regelt, zu integrieren. Dabei wird zwischen den beiden Verwirklichungsmodalitäten des neuen Absatzes 3a differenziert. Denn das Unrecht der Unterstützung eines nicht angezeigten Wanderlagers wiegt weniger schwer als dasjenige der Unterstützung eines Wanderlagers, bei dem gegen die Vertriebsverbote verstoßen wird.

Mit den Doppelbuchstaben bb und dd werden die Bußgeldhöchstbeträge bei Verstößen gegen die Vertriebsverbote nach § 56 sowie § 56a und gegen die Anzeigepflicht des § 56a im Absatz 4 deutlich angehoben. Seit ihrer Normierung in § 145 Absatz 4 GewO durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und über die Einrichtung eines Gewerbezentralregisters vom 13. Juni 1974 (BGBl. I S. 1281) sind diese Höchstbeträge unverändert geblieben. Angesichts der insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielten Vermögensvorteile erscheint dieser Bußgeldrahmen nicht mehr angemessen. Nur wenn die Bußgelder für die Veranstalter so empfindlich hoch sein können, dass sich der zu erwartende

Gewinn nicht mehr lohnt, werden unseriöse Veranstalter wirksam abgeschreckt. Zwar kann das Höchstmaß überschritten werden, wenn dieses nicht ausreicht, um die wirtschaftlichen Vorteile, die aus der Tat gezogen worden sind, abzuschöpfen ( § 17 Absatz 4 OWiG). Bei hohen wirtschaftlichen Vorteilen kann es jedoch dazu kommen, dass ein unverhältnismäßig hoher Anteil der Geldbuße ausschließlich der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils dient, der aus der Tat erlangt wurde. In Zukunft werden daher Bußgelder möglich sein, die bis zu fünfundzwanzigtausend Euro für Verstöße gegen die Vertriebsverbote bzw. zehntausend Euro für Verstöße gegen die Anzeigepflicht sowie gegen die Anforderungen an die Ankündigung erreichen können.

Die Bußgeldobergrenzen werden wegen Vergleichbarkeit verzehnfacht für alle Fälle des § 145 Absatz 2 Nummer 1 bis 8 und alle Fälle des § 145 Absatz 3.

II. Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes und beinhaltet eine angemessene Regelung für das Inkrafttreten der erweiterten Anzeigepflicht nach § 56a Absatz 1 und Absatz 1a GewO sowie der Vertriebsverbote nach § 56a Absatz 1b GewO. Den betroffenen Unternehmern sowie den Behörden wird somit ausreichend Zeit eingeräumt, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.