Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Überprüfung und Anpassung des Nichtraucherschutzgesetzes und des Jugendschutzgesetzes hinsichtlich des Konsums von E-Zigaretten und E-Shishas (elektronische Inhalationsprodukte) durch Kinder und Jugendliche

Der Bundesrat hat in seiner 925. Sitzung am 19. September 2014 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Überprüfung und Anpassung des Nichtraucherschutzgesetzes und des Jugendschutzgesetzes hinsichtlich des Konsums von E-Zigaretten und E-Shishas (elektronische Inhalationsprodukte) durch Kinder und Jugendliche

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, eine Überprüfung der bestehenden Regelungen zum Jugendschutz in Bezug auf elektronische lnhalationsprodukte vorzunehmen und notwendige Schritte zur Änderung des Jugendschutzgesetzes und sonstiger hiervon betroffener Regelungen, insbesondere des Bundesnichtraucherschutzgesetzes, einzuleiten.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die vorhandenen wissenschaftlichen Daten zu sichten und eine Bewertung in Auftrag zu geben, ob und in welchem Maße die Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten und E-Shishas mit und ohne Nikotin nachgewiesen werden kann.

Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung sollte eine Übergangsregelung durch eine selbstverpflichtende Vereinbarung mit dem Verband des eZigarettenhandels und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung herbeigeführt werden. Zielsetzung ist, die Abgabe von E-Zigaretten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zu untersagen sowie die Verpflichtung, dies auf den Packungen deutlich zu kennzeichnen.

Begründung:

Aktuell werden die Auswirkungen von E-Zigaretten und E-Shishas auf die Gesundheit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen diskutiert. Gesundheitsinstitute haben sich mit dieser Frage beschäftigt und kommen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der in E-Zigaretten und E-Shishas enthaltenen Hauptbestandteile, wie Nikotin und chemische Substanzen, die konkrete Gefahr zur Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen sowie erhebliche Risiken für Gesundheitsschädigungen und die Einübung von Verhaltensmustern, wie dem Rauchen klassischer Tabakprodukte, bestehen.

Die gegenwärtige Rechtslage zu elektronischen lnhalationsprodukten im Jugendschutz ist nicht eindeutig. Die Subsumtion elektronischer lnhalationsprodukte unter den Begriff "Tabakwaren" ist umstritten und führt zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung.

§ 10 Jugendschutzgesetz (JuSchG) verbietet die Abgabe von Tabakwaren in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit an Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus darf Kindern und Jugendlichen das Rauchen nicht gestattet werden.

Tabakwaren im Sinne des JuSchG sind Tabakerzeugnisse, die aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellt werden (§ 3 Absatz 1 Vorläufiges Tabakgesetz) oder ihnen gleichgestellte Produkte, wie Rohtabak oder den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren (§ 3 Absatz 2 Nummer 1 Vorläufiges Tabakgesetz). Die Erzeugnisse basieren auf natürlichen oder verarbeiteten Teilen der Tabakpflanze (vgl. Artikel 2 Nummer 1 und 4 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG - Tabakproduktrichtlinie). E-Zigaretten und E-Shishas können nicht eindeutig als Tabakwaren im Sinne der Vorschrift eingeordnet werden, da deren Inhalt nicht aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellt wurde. Vielmehr ist Basis der elektronischen Produkte eine (chemisch) aromatisierte Flüssigkeit.

E-Zigaretten und E-Shishas werden derart konsumiert, dass durch das Ziehen an einem Mundstück eine meist nikotinhaltige Flüssigkeit (sogenanntes Liquid) verdampft und durch den Konsumenten inhaliert wird. Rauchen wird definiert als das (orale) Inhalieren von Tabakrauch, der durch das Verbrennen (eigentlich Glimmen) tabakhaltiger Erzeugnisse wie Zigaretten, Zigarillos oder Shishatabak entsteht. Bei dem Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas findet allerdings kein Verbrennungsprozess statt. Ungeklärt ist damit, ob der Konsum der elektronischen lnhalationsprodukte tatsächlich als Rauchen im Sinne des Jugendschutzgesetzes zu verstehen und damit für Jugendliche unter 18 Jahren in der Öffentlichkeit verboten ist. Die Verbotsvorschrift des § 10 JuSchG ist damit unbestimmt. Mangels hinreichender Bestimmtheit können die Bußgeldvorschriften des § 28 JuSchG bei einer Abgabe von elektronischen lnhalationsprodukten an Kinder und Jugendliche nicht anwendbar sein.

Auch die Tabakproduktrichtlinie führt nicht zu einer Klarstellung und Gleichsetzung. Der Verkauf von E-Zigaretten ist gemäß Artikel 20 Tabakproduktrichtlinie vielmehr uneingeschränkt und damit praktisch auch an Kinder und Jugendliche erlaubt, solange die nikotinhaltige Flüssigkeit einen Nikotingehalt von 20 mg/ml nicht überschreitet.

Ein Verbot des Konsums für Kinder und Jugendliche ergibt sich auch nicht aus dem Bundesnichtraucherschutzgesetz und den Nichtraucherschutzgesetzen der Länder. Vielmehr sind erste Gerichtsurteile zu konstatieren, wonach im Zusammenhang mit dem Rauchen von E-Zigaretten in Gaststätten das Verbot der Nichtraucherschutzgesetze nicht greifen soll, da das Konsumieren einer E-Zigarette nicht dem Rauchen einer Tabakzigarette gleich stehe.

Elektronische lnhalationsprodukte werden von den Herstellern als ungefährliches Hilfsmittel zur Entwöhnung von dem Konsum der Zigaretten beworben. Die Liquids sind in verschiedenen Geschmacksrichtungen, so auch in süßen Aromastoffen (zum Beispiel Schokolade, Erdbeere, Vanille) erhältlich, was den Konsum der E-Zigaretten und E-Shishas ebenfalls als unschädlich erscheinen lässt. Die Produkte werden daher insbesondere gegenüber unerfahrenen Kindern verharmlost.

Nikotin, ein Nervengift, welches die Abhängigkeit im Zusammenhang mit dem Rauchen verursacht, ist in nahezu jedem Liquid und meist in höheren Dosen enthalten, als auf der Verpackung angegeben. Die Konzentration ist dabei meist so hoch, dass ein Verschlucken des puren Liquids tödlich sein kann. Gleiche Folgen hat die Resorption des Nikotins über andere körperliche Organe.

Tatsächlich besteht aufgrund des in den meisten Liquids enthaltenen Nikotins auch das konkrete Risiko, dass sich eine physische Abhängigkeit mit den für das Rauchen klassischer Zigaretten typischen Folgeerkrankungen (Herz-Kreislauferkrankungen) entwickelt. Chemische Stoffe, die für das Verdampfen der Liquids erforderlich sind, verursachen Reizungen der Atemwege und Augen, Übelkeit und Müdigkeit. Obwohl derzeit mangels Datenlage keine Erfahrungen über Langzeitwirkungen existieren, ist es erwiesen, dass die Liquids Stoffe enthalten, die Krebs und Allergien auslösen. Gerade Kinder und Jugendliche, die sich noch im Entwicklungsprozess befinden, tragen daher nach dem unkontrollierten Konsum der elektronischen lnhalationsprodukte das erhebliche Risiko, von einer solchen gesundheitlichen Folge betroffen zu sein. Studien belegen, dass elektronische lnhalationsprodukte vermehrt von jugendlichen Nichtrauchern konsumiert werden. Gerade die süßen Aromen sind für Kinder und Jugendliche attraktiv und der Einstieg in die Abhängigkeit sowie für den Konsum klassischer Tabakprodukte.

Hinzu tritt, dass bei dem Genuss eines elektronischen lnhalationsprodukts die typischen Verhaltensmuster wie bei dem Rauchen einer Tabakzigarette eingeübt werden, was zu einer psychischen Abhängigkeit führt.

Aufgrund wissenschaftlicher Beurteilungen der Wirkung von E-Shishas und E-Zigaretten geht mit dem Konsum auch eine Belastung der Raumluft einher, so dass für Dritte ebenso ein gesundheitliches Risiko entsteht. Auch im Bundesnichtraucherschutzgesetz ist das Rauchen von Tabakerzeugnissen als Folge eines Verbrennungsprozesses zu verstehen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Konsum einer E-Zigarette dem nicht gleichgestellt ist. Zum Zweck der Suchtprävention und im Hinblick auf die von dem Konsum elektronischer lnhalationsprodukte ausgehende Innenraumluftbelastung mit Schadstoffen werden auch die Gesetzgebung zum Nichtraucherschutz zu überprüfen und die relativ neu entwickelten Produkte in das Gesetz aufzunehmen sein.

Die Überprüfung und Änderung der bestehenden Jugendschutzvorschriften und der Nichtraucherschutzbestimmungen hinsichtlich elektronischer lnhalationsprodukte ist zum Zwecke des Jugendschutzes und der Prävention geboten.