Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten

899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012

A

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Gesundheitsausschuss (G) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630a Absatz 1 BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Verwendung des Begriffs "Patient" in § 630a Absatz 1 BGB-E zu überprüfen.

Begründung:

Nach § 630a Absatz 1 BGB-E sind Parteien des Behandlungsvertrags "der Behandelnde" und "der Patient". Der Behandelnde ist dabei derjenige, der die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt. Demgegenüber ist "der Patient" der andere Vertragsteil, der zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist. Diese Begriffsbestimmung erfasst jedoch nicht alle denkbaren Konstellationen eines Behandlungsvertrages. Denn derjenige, den der Behandelnde behandelt, ist nicht immer auch derjenige, der mit ihm einen Behandlungsvertrag schließt. Beispielhaft kann an dieser Stelle die Behandlung eines Kindes genannt werden. In der Regel dürften die Eltern mit dem Behandelnden den Behandlungsvertrag schließen, aufgrund dessen ihr Kind behandelt wird, das selbst nicht Vertragspartei ist.

2. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630a Absatz 1 BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in § 630a Absatz 1 BGB-E nicht auf eine "medizinische Behandlung", sondern auf eine "ärztliche Behandlung" abgestellt sowie in einem neuen Absatz 3 die Vorschriften des neuen Untertitels 2 für die übrigen Gesundheitsfachberufe für entsprechend anwendbar erklärt werden sollten.

Begründung:

Nach § 630a Absatz 1 BGB-E verspricht der Behandelnde eine medizinische Behandlung, worunter nach der Begründung grundsätzlich eine Heilbehandlung zu verstehen ist. Allerdings muss es sich nicht ausschließlich um die Behandlung einer Krankheit handeln. Auch die Behandlung zu kosmetischen Zwecken, etwa eine Schönheitsoperation, soll darunter fallen (vgl. Einzelbegründung zu § 630a in BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 23).

Erfolgt allerdings eine Behandlung zu kosmetischen Zwecken, so fehlt ihr die medizinische Indikation. Eine Heilbehandlung findet in diesen Fällen nicht statt (vgl. Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts, § 49 Rnr. 9).

Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollte deshalb geprüft werden, ob in Absatz 1 nicht auf eine "medizinische Behandlung", sondern auf eine "ärztliche Behandlung", die sowohl medizinisch indizierte als auch kosmetische Behandlungen begrifflich erfassen würde, abgestellt werden sollte. Zugleich würde so das Kerngebiet der Vorschriften, nämlich der Arztvertrag, in den Vordergrund gestellt werden. Für die übrigen Gesundheitsfachberufe, deren Behandlungen medizinisch, aber nicht ärztlich sind, könnten die Vorschriften des zukünftigen neuen Untertitels - in einem neuen Absatz 3 - für entsprechend anwendbar erklärt werden. Damit würde zum einen unterstrichen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Neuregelungen nicht auf Ärzte beschränkt ist. Zum anderen würde verdeutlicht, dass Anpassungen, wie sie z.B. für die "fachlichen Standards" dargestellt werden (vgl. Einzelbegründung zu § 630a Absatz 2 BGB-E in BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 26 f.), für die Gesundheitsfachberufe erforderlich sind.

3. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630a Absatz 2 Satz 1, Satz 2 - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630a Absatz 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Soweit anerkannte fachliche (Mindest-)Standards für eine medizinische Behandlung bestehen, sollte der Gesetzgeber diese im Interesse der Patienten nicht zur vertraglichen Disposition stellen. Zwar steht es den Parteien frei, höhere Standards als maßgeblich zu vereinbaren. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum der Patient einen Behandelnden von der Einhaltung der Mindeststandards vertraglich entbinden können soll. Die Regelung würde die Tür zu Haftungsfreizeichnungsklauseln zulasten des Patienten öffnen und zugleich das gesetzliche Leitbild des Behandlungsvertrages schwächen. Die vorgeschlagene Dispositivität erscheint auch deshalb unangemessen, weil es einem Patienten regelmäßig nicht möglich wäre, Ausmaß und Konsequenzen einer solchen Vereinbarung zu überblicken. Der von der Entwurfsbegründung angeführte Fall neuer Behandlungsmethoden ist ohne Weiteres über eine Einwilligung des Patienten zu lösen, die allerdings eine korrekte Aufklärung voraussetzt (§ 630d Absatz 2 BGB-E).

Im Übrigen verfügen nicht alle Gesundheitsberufe über anerkannte Standards. In diesem Fall haben sie die für den jeweiligen Berufsstand geltenden medizinischen Sorgfaltsanforderungen zu beachten (so auch die Einzelbegründung zu § 630a in BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 26 f.). Der Wortlaut des § 630a Absatz 2 BGB-E sollte daher entsprechend ergänzt werden.

4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630b BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in Artikel 1 Nummer 4 in § 630b der Punkt am Ende des Satzes durch die Wörter "oder aus der Art und Weise der konkreten Behandlung keine weiteren Pflichten folgen." ersetzt werden sollte.

Begründung:

Nach dem Gesetzentwurf stellt der Behandlungsvertrag nach § 630a BGB-E einen besonderen Dienstvertragstyp dar, auf den nach § 630b BGB-E die Vorschriften über das Dienstverhältnis anzuwenden sind, "soweit nicht in diesem Untertitel etwas anderes bestimmt ist". Da die Begründung des Gesetzentwurfs zu Recht auf die Notwendigkeit der Abgrenzung zum Werkvertragsrecht nach den §§ 631 ff. BGB hinweist (BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 23) und anmerkt, dass der Anwendungsbereich der §§ 630a ff. BGB-E nicht eröffnet sei, soweit die Vertragsparteien im Einzelfall vereinbaren, dass ein Behandlungs- oder sonstiger medizinischer Erfolg geschuldet sei, vielmehr dann die Rechte und Pflichten aus den Vorschriften über den Werkvertrag folgten, erscheint eine Klarstellung in dieser gesetzgeberischen Intention im Wortlaut über die auf den Behandlungsvertrag anzuwendenden Vorschriften angezeigt. Denn im bloßen Wortlaut des § 630b BGB-E findet sich diese Intention unzureichend wieder.

5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2 Satz 1 und § 630e Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BGB)

Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Notwendigkeit zur Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen in Leichter Sprache ergibt sich aus den bereits geltenden Normen der Artikel 21 und 25 der UN-Behindertenrechtskonvention.

6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2 Satz 1a - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist nach § 630c Absatz 2 Satz 1 folgender Satz einzufügen:

"Die Informationen sind dem Patienten auf Verlangen sowie bei der Erstellung von neuen oder veränderten Diagnosen oder der Anwendung von Therapieschemata in verständlicher Sprache sowie bei Bedarf in Leichter Sprache in Textform auszuhändigen."

Begründung:

Im Sinne eines mündigen Patienten und einer aktiven, informierten Mitarbeit im Behandlungsprozess soll die schriftliche Patienteninformation Diagnose- und Behandlungsverläufe für die "Handakte" der Patienten dokumentieren und der Verbesserung des Verständnisses der eigenen Krankheit und der Therapiesicherheit dienen.

Da gesundheitswissenschaftliche Untersuchungen immer wieder gezeigt haben, dass sich Patientinnen und Patienten an die Informationen des Behandelnden nur unvollständig erinnern, kann die schriftliche Patienteninformation ("Patientenbrief") die Therapietreue verbessern und eine Hilfestellung im Umgang mit Komplikationen sein. Sie sollte dann zu einer Behandlung ausgehändigt werden, wenn neue oder veränderte Diagnosen gestellt oder Therapieschemata angewendet werden. Der Patientenbrief sollte neben den Diagnosen, erbrachten Leistungen und der Beschreibung von Situationen, in denen der Patient aktiv werden muss, auch Verhaltens-, Behandlungs- und Therapieempfehlungen sowie bei Bedarf Informationen zu verordneten Arzneimitteln enthalten. Behandelnde können mit dem Patientenbrief belegen, dass sie ihrer Informationspflicht gegenüber dem Patienten nachgekommen sind. Eine praxisgerechte Umsetzung der Forderung nach einem Patientenbrief ist durch die entsprechende Anpassung zertifizierter Praxisinformationssysteme möglich.

7. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2 Satz 2 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 630c Absatz 2 Satz 2 die Wörter "auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren" zu streichen.

Begründung:

{§ 630c Absatz 2 Satz 2 BGB-E normiert die Informationspflichten des Behandelnden hinsichtlich eigener und fremder Behandlungsfehler. Über solche Fehler soll der Behandelnde zukünftig den Patienten informieren müssen, wenn der Patient entweder nachfragt oder ihm gesundheitliche Gefahren drohen.

Nach der Begründung soll diesen Informationspflichten die Abwägung zwischen den Interessen des Behandelnden am Schutz seiner Person und dem Interesse des Patienten am Schutz seiner Gesundheit zugrunde liegen (BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 30). Eine weitergehende Informationspflicht, insbesondere ohne Nachfrage und ohne dass gesundheitliche Gefahren für den Patienten bestehen, wird mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass den Behandelnden lediglich die Pflicht zur gesundheitlichen Sorge des Patienten, nicht aber eine umfassende Fürsorgepflicht treffe.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Hinsichtlich fremder Behandlungsfehler besteht schon kein Interesse des Behandelnden, die eigene Person zu schützen, hinter dem das Interesse des Patienten am Schutz seiner Gesundheit zurücktreten müsste. Aber auch bei eigenen Behandlungsfehlern würde die Voraussetzung einer Nachfrage "mutige" Patienten bevorzugen, deren Vertrauensverhältnis zum Behandelnden bereits nachhaltig gestört sein dürfte. Solche Patienten dürften allerdings eine sehr kleine Minderheit darstellen, so dass diese Informationspflicht lediglich auf dem Papier bestehen dürfte.} [Über Behandlungsfehler ist der Patient aus Gründen der medizinischen Ethik immer und unverzüglich zu informieren, soweit der Behandelnde Umstände erkannt hat, die einen Behandlungsfehler vermuten lassen. Das entspricht auch dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, welches nur ein gegenseitiges sein kann. Damit wird zur Verpflichtung, was bisher nur Empfehlung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit war (vgl. Broschüre "Reden ist Gold"). Die Einschränkung "auf Nachfrage" ist abzulehnen, weil sie die in der Regel fehlende Fachkenntnis des Patienten zu seinen Ungunsten ausnutzt. Zudem würde sie Ärzte unter einen generellen Misstrauensverdacht stellen, da dem Patienten empfohlen werden müsste, generell nach Behandlungsfehlern etwaiger Vorbehandelnder zu fragen, wenn der Patient sicher sein möchte, alle ihn betreffenden Informationen zu erhalten.]

{Die alternative Einschränkung der Informationspflicht, wonach der Behandelnde den Patienten über fremde oder eigene Behandlungsfehler nur bei gesundheitlichen Gefahren aufklären muss, dürfte dem gesetzgeberischen Leitbild des mündigen Patienten widersprechen. Sie hätte zur Folge, dass der Behandelnde über den bisherigen Behandlungsverlauf und dessen Ordnungsgemäßheit mehr Kenntnisse hätte als der Patient selbst. Patienten und Patientinnen würden Behandelnden in diesen Fällen nicht ebenbürtig gegenübertreten. Das steht im Widerspruch zur gesetzgeberischen Zielsetzung, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der Patientinnen und Patienten sowie Behandelnde auf Augenhöhe bringt. Letztlich sind entsprechende Pflichten dem Haftungsrecht nicht unbekannt. So müssen z.B. Architekten auch ungefragt über eigene Fehler Auskunft erteilen (vgl. Kniffka/Koeble Kompendium des Baurechts, Rnr. 511 ff.).} [Die Einschränkung "zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren" führt zu Unsicherheiten, weil diese zu dem jeweiligen Zeitpunkt nicht immer klar zu beurteilen sind. Zuweilen kann ein Behandlungsfehler erst nach einer langen Zeit zu gesundheitlichen Problemen führen.

Der Nemotenetur-Grundsatz wird durch § 630c Absatz 2 Satz 3 BGB-E ausreichend berücksichtigt, so dass es keiner weiteren Einschränkungen bei der Informationspflicht bedarf.]

8. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2 Satz 3 BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren eine Ergänzung des § 630c Absatz 2 Satz 3 BGB-E zu prüfen, so dass Informationen nach Satz 2 auch in einem gegen einen in § 52 Absatz 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Informationspflichtigen geführten Verfahren nur mit Zustimmung des Informationspflichtigen verwendet werden dürfen.

Begründung:

§ 630c Absatz 2 Satz 3 BGB-E soll unter Beachtung des nemotenetur-Grundsatzes gewährleisten, dass dem Behandelnden aus der Beachtung eigener Fehler, die gegebenenfalls strafrechtlich oder auch aus der Sicht des Ordnungswidrigkeitenrechts relevant sein können, keine unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Nachteile erwachsen.

Zu den rechtsstaatlich unverzichtbaren Erfordernissen eines fairen Verfahrens gehört neben dem nemotenetur-Prinzip auch der in verschiedenen Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) garantierte Schutz des Angehörigenverhältnisses. Es sollte daher erwogen werden, die Verwendung von Informationen nach § 630c Absatz 2 Satz 2 BGB-E auch in einem gegen einen Angehörigen des Informationspflichtigen geführten Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren von der Zustimmung des Informationspflichtigen abhängig zu machen.

Eine solche Regelung entspräche der des § 97 Absatz 1 Satz 3 InsO, dem eine vergleichbare Interessenlage zugrunde liegt. Hiernach darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach § 97 Absatz 1 Satz 1 InsO erteilt hat, in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Schuldner oder einen in § 52 Absatz 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

Da eine nicht unbeträchtliche Anzahl ärztlicher Gemeinschaftspraxen von Personen betrieben wird, bei denen es sich um Angehörige im Sinne des § 52 Absatz 1 StPO handelt, ist die zu erwägende Ergänzung des § 630c Absatz 2 Satz 3 BGB-E auch von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung.

9. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2a - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist nach § 630c Absatz 2 folgender Absatz 2a einzufügen:

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dem Patienten bestimmte Informationen erteilt werden (§ 630c BGB-E), er bei Eingriffen zusätzlich aufgeklärt wird (§ 630e BGB-E) und er grundsätzlich über einen Anspruch verfügt, Einsicht in die Patientenakte zu nehmen (§ 630g BGB-E). Ein darüber hinausgehender Anspruch auf einen sogenannten Patientenbrief, in dem ihm in verständlicher Sprache die Diagnose, die Behandlung sowie Behandlungs- und Therapieempfehlungen erläutert werden, ist nicht vorgesehen.

Ein Patientenbrief wäre aus Patientensicht jedoch zu begrüßen, nachdem mündliche Informationen im Praxis- und Klinikalltag in der Kürze der Zeit vielfach nicht vollständig erfasst werden und die Einsicht in die Patientenakte einem medizinischen Laien ohne professionelle Hilfestellung regelmäßig nur wenig Erkenntnisgewinn verschafft. Gerade vor operativen Eingriffen oder bei Maßnahmen unmittelbar nach Unfällen kann die Wahrnehmungsfähigkeit der Patienten eingeschränkt sein, so dass für die sich an die Behandlungsmaßnahme anschließenden Heilungs- und Therapieschritte eine ausreichende Information in Textform unverzichtbar ist. Gleichwohl darf und soll ein Patientenbrief das Informations- oder Aufklärungsgespräch nicht ersetzen.

Um den verwaltungstechnischen Aufwand möglichst gering zu halten, ist der Anspruch auf Aushändigung eines Patientenbriefes anlassbezogen auszugestalten. Er ist auf Fälle zu beschränken, in denen der Patient einen entsprechenden Brief aktiv verlangt oder er aufgrund seiner persönlichen Konstitution oder der Behandlungssituation (z.B. Alter, Schwerhörigkeit, operativer Eingriff, Zustand nach Vollnarkose) erkennbar nicht in der Lage ist, eine umfangreiche mündliche Information vollständig zu erfassen. Mit dem Auffangtatbestand der "sonstigen Gründe" werden beispielsweise Konstellationen abgedeckt, in denen infolge zahlreicher oder komplexer Weiterbehandlungs- oder Therapiemaßnahmen, die der Patient selbst durchzuführen oder einzuleiten hat, die Aushändigung eines Patientenbriefes geboten erscheint.

10. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 2a - neu - und § 630d Absatz 1 Satz 2 BGB)

Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Nach der UN-Behindertenrechtskonvention muss das Recht auf Selbstbestimmung auch für Menschen realisiert werden, deren Einwilligungsfähigkeit vorübergehend durch eine psychische Erkrankung eingeschränkt ist. Die Betroffenen sollen durch dieses ausdrückliche Angebot über die Möglichkeiten einer Vereinbarung umfassend informiert und aufgeklärt werden mit dem Ziel, sie auf diese Weise zur verstärkten Wahrnehmung und Durchsetzung ihres Selbstbestimmungsrechts zu ermuntern. Die Behandlungsvereinbarung ist eine wichtige Ergänzung der Patientenverfügung, da sie auf der Grundlage eines konkreten Vertrauensverhältnisses zu der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt abgeschlossen wird.

Die Änderung des § 630d Absatz 1 Satz 2 BGB ist eine Folgeänderung zu den vorhergehenden Änderungen.

11. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630c Absatz 3 wie folgt zu fassen:

(3) Muss der Behandelnde den Umständen nach Zweifel haben, ob eine Krankenversicherung oder eine Beihilfeeinrichtung die Behandlungskosten ganz oder teilweise übernehmen oder erstatten wird, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung in Textform darüber informieren sowie über die Gründe, aus denen die Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert erscheint, insbesondere über die Gründe, die zum Ausschluss der zu erbringenden Leistung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung führen, soweit ihm diese bekannt sind oder bekannt sein müssen."

Begründung:

Durch das Angebot von Zusatzleistungen (insbesondere individuelle Gesundheitsleistungen) wandelt sich das Arzt-Patienten-Verhältnis in ein Anbieter-Kunden-Verhältnis unter ungleichen Voraussetzungen. Patientinnen und Patienten sind oft nur ungenügend in der Lage, Bedarf, Qualität und Nutzen sowie damit einhergehend die Angemessenheit der Leistung sowie der entstehenden Kosten zu beurteilen.

Zahlt eine Krankenversicherung, insbesondere eine gesetzliche Krankenkasse, eine Behandlung oder Untersuchung nicht, so ist dies in einer Vielzahl von Fällen damit begründet, dass der Nutzen für die Patientinnen und Patienten nicht belegt ist. Über 300 solcher individueller Gesundheitsleistungen gibt es; die Tendenz ist weiter steigend. Presseberichten zufolge wurde damit ein Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro gemacht. In den Fällen, in denen kein nachgewiesener Patientennutzen besteht, ist eine Ausnutzung der Unkenntnis von Patienten über diese Umstände zumindest häufig. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit zerstört, es sei denn, dieser Umstand bleibt dem Patienten verborgen.

Ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss des 109. Deutschen Ärztetages 2007 zeigt, dass auch die Anbieter von individuellen Gesundheitsleistungen verhindern wollen, dass Patientinnen und Patienten durch die Beratung bedrängt, verunsichert oder gar verängstigt werden.

12. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 3 Satz 1 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630c Absatz 3 Satz 1 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Dem Behandelnden obliegt gegenüber dem Patienten eine gesundheitsbezogene, nicht jedoch eine umfassende Fürsorgepflicht. Demnach gehört es grundsätzlich nicht zum Aufgaben- und Pflichtenkreis des Behandelnden, den Patienten über finanzielle Risiken zu informieren. Auch in der Frage der Kostenübernahme gilt daher: Eine Informationspflicht des Behandelnden ist nur dann gerechtfertigt, wenn er im Vergleich zum Patienten über überlegene Erkenntnismöglichkeiten verfügt.

Das ist der Fall, sofern der Behandelnde weiß oder aus den ihm bekannten Umständen bei gehöriger Sorgfalt schließen muss, dass eine vollständige Kostenübernahme durch einen Dritten nicht gesichert ist. Die derzeitige Fassung des Gesetzentwurfs ist dagegen inkonsistent: Einerseits müssen entsprechende Anknüpfungstatsachen gerade dem Behandelnden bekannt sein; andererseits erscheint die Regelung des Falles positiver Kenntnis überflüssig.

13. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 3 Satz 1 BGB)*

In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 630c Absatz 3 Satz 1 am Ende nach dem Wort "informieren" folgende Wörter einzufügen:

"und der Patient hat die Kenntnisnahme dieser Information in Schriftform zu bestätigen".

Begründung:

Unter den Anwendungsbereich des § 630c Absatz 3 BGB-E fallen insbesondere die sogenannten "Individuellen Gesundheitsleistungen" (IGeL), deren Behandlungskosten nicht von Dritten (z.B. gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen) übernommen werden und vom Patienten selbst zu bezahlen sind. Der Vorschlag zielt darauf ab, in dieser Fallkonstellation den Schutz vor unüberlegten oder übereilten Entscheidungen durch die ausdrückliche Verpflichtung zur Kenntnisnahme der Kosteninformation durch den Patienten in Schriftform nach § 126 BGB zu erhöhen. Die eigenhändige Unterzeichnung mit Namensunterschrift erfüllt hier die Warnfunktion und bietet dem Patienten die Möglichkeit, innezuhalten und die unterbreitete kostenpflichtige medizinische Zusatzleistung kritisch zu hinterfragen.

14. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630c Absatz 4 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630c Absatz 4 wie folgt zu fassen:

(4) Der Information des Patienten nach Absatz 2 bedarf es nicht, wenn die Behandlung unaufschiebbar und eine Information des Patienten unmöglich ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat."

Begründung:

Die Aufzählung ist abschließend. Andere Ausnahmegründe entsprächen nicht dem Verhältnis, bei dem sich Arzt und Patient "auf Augenhöhe" begegnen können. Der Patient kann nur dann als "mündiger Patient" auftreten, wenn er umfassend informiert ist. Ausnahmen von dieser Informationspflicht sind daher streng zu begrenzen. Zudem kann sich die Ausnahme von der Informationspflicht nur auf die Information nach § 630c Absatz 2 BGB-E beziehen. § 630c Absatz 3 BGB-E regelt die Information bei vom Patienten selbst zu zahlenden Leistungen (sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen). Solche Leistungen sind allerdings nie unaufschiebbar, so dass kein Grund ersichtlich ist,

aus dem auf die Informationspflicht nach § 630c Absatz 3 BGB-E zu verzichten wäre.

15. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630d Absatz 1 Satz 1, 2 und 3 BGB)*

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630d Absatz 1 BGB wie folgt zu ändern:

Begründung:

Es ist nicht angezeigt, die Rechtslage beim Vorliegen der Einwilligungsunfähigkeit in einer schuldrechtlichen Regelung gesondert aufzugreifen. Die Lebenssachverhalte, bei denen eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten - insbesondere auch Gesundheitsangelegenheiten - ganz oder teilweise zu besorgen, sind vielmehr bereits umfassend im Betreuungsrecht geregelt.

Auch die Rechtslage beim Vorliegen einer Patientenverfügung ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts in den §§ 1901a ff. BGB abschließend geregelt worden. Es erscheint daher nicht sachgerecht und im Übrigen systemwidrig, lediglich einen Teil des materiellen Gehalts des § 1901a Absatz 1 Satz 1 BGB in § 630d Absatz 1 Satz 2 BGB-E aufzugreifen. Eine Klarstellung in § 630d Absatz 1 BGB-E dahingehend, dass die Vorschriften der §§ 1901a und 1901b BGB unberührt bleiben, wird den Patienteninteressen besser gerecht.

Insbesondere wird dadurch sichergestellt, dass das vom Gesetzgeber in den §§ 1901a und 1901b BGB geregelte ausdifferenzierte Verfahren zur Feststellung der Einschlägigkeit einer Patientenverfügung eingehalten wird. Die erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages eingefügte Vorschrift des § 1901b BGB dient gerade dazu, den dialogischen Prozess zwischen dem Betreuer und Arzt sowie den genannten weiteren Personen im Gesetz zu verankern (vgl. BT-Drs. 016/13314, S. 11, 20), was insbesondere in den Fällen des Unterlassens oder des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen zum Schutze der Patientinnen und Patienten von existentieller Bedeutung ist.

Auch der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 25. Juni 2010 (vgl. BGH, NJW 2010, 2963, 2967) und vom 10. November 2010 (vgl. BGH, NJW 2011, 161, 162 f.) die besondere Bedeutung des ausdifferenzierten Verfahrens zur Feststellung des Patientenwillens nochmals hervorgehoben.

Durch das vorliegende Gesetzgebungsverfahren sollte in die durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts geschaffene Rechtslage nicht zum Nachteil der Patientinnen und Patienten eingegriffen werden.

16. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630d Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 630d Absatz 3 die Wörter "jederzeit und" zu streichen.

Begründung:

Durch die Formulierung "jederzeit" könnte der (falsche) Eindruck erweckt werden, eine erteilte Einwilligung könne durch Widerruf nach Durchführung einer medizinischen Maßnahme rückwirkend beseitigt werden. Neben der vorgeschlagenen Streichung dürfte es sich empfehlen, in der Begründung ausdrücklich klarzustellen, dass der Widerruf stets nur ex nunc wirkt.

Eventuelle Willensmängel des Patienten sind bei der Auslegung und der Wirksamkeit der Einwilligung und ggf. im Rahmen einer Anfechtung zu berücksichtigen. Insoweit bedarf es keines Widerrufs.

17. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630e Absatz 1 Satz 2a - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist nach § 630e Absatz 1 Satz 2 folgender Satz einzufügen:

"Sofern evidenzbasierte Patienteninformationen vorhanden sind, sind diese dem Patienten anzubieten."

Begründung:

Evidenzbasierte Informationen sind diejenigen, die dem anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen. Wenn solche zur Verfügung stehen, muss der Patient entsprechend informiert werden. Nur so kann er sein Selbstbestimmungsrecht angemessen ausüben.

18. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630e Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630e Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 wie folgt zu fassen:

"1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die gleiche fachliche Befähigung und Qualifikation wie der Behandelnde verfügt; ergänzend kann auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,"

Begründung:

Wird der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen, hat die Aufklärung durch einen Arzt zu erfolgen. Insbesondere bei "Individuellen Gesundheitsleistungen" (IGeL) ist in der Praxis festzustellen, dass viele dieser Angebote bereits z.B. bei der Anmeldung in der Arztpraxis von Arzthelferinnen und Arzthelfern den Patientinnen und Patienten unterbreitet werden. Auf dem Gesundheitsmarkt etablieren sich mittlerweile Intensiv-Trainings-Seminare, die gezielt Arzthelferinnen und Arzthelfer befähigen sollen, in Patientengesprächen IGeL-Angebote und Selbstzahlerleistungen überzeugend zu unterbreiten und letztlich erfolgreich zu verkaufen. Dies führt zunehmend zu Irritationen und Verunsicherungen von Patientinnen und Patienten, wie insbesondere ältere Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder auf Verbraucherkonferenzen in den letzten Jahren beklagten, da für diesen Personenkreis das Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient einen besonders hohen Stellenwert hat. Sollte der behandelnde Arzt die Aufklärung nicht selbst durchführen, so hat er die Information des Patienten durch eine/einen Kollegen/-in so zu organisieren, dass sie voll gewährleistet ist. Eine Delegation der Aufklärung an weiteres ärztliches Personal (z.B. Arzthelferinnen/Arzthelfer) wird durch die Erweiterung der Formulierung im Vorschlag durch die Voraussetzungskriterien der gleichen fachlichen Befähigung und Qualifikation in der Regel ausgeschlossen.

19. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630e Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630e Absatz 3 wie folgt zu fassen:

(3) Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, wenn die Maßnahme unaufschiebbar und eine Aufklärung des Patienten unmöglich ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat."

Begründung:

Die Aufzählung ist abschließend. Andere Ausnahmegründe entsprächen nicht dem Verhältnis, bei dem sich Arzt und Patient "auf Augenhöhe" begegnen können. Der Patient kann nur dann als "mündiger Patient" auftreten, wenn er umfassend aufgeklärt ist. Ausnahmen von dieser Aufklärungspflicht sind daher streng zu begrenzen. Zudem ist die Aufklärung zwingende Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung des Patienten in die Behandlung, ohne die sich der Behandelnde gegebenenfalls strafbar machen würde. Eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten ist daher auch regelmäßig im Sinne des Behandelnden.

20. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630f Absatz 1 Satz 3 - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist dem § 630f Absatz 1 folgender Satz anzufügen:

"Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind."

Begründung:

Die Formulierung übernimmt den Wortlaut des § 239 Absatz 3 Satz 2 HGB und des § 146 Absatz 4 Satz 2 AO. Bei elektronischer Dokumentation muss eine Software verwendet werden, die nachträgliche Änderungen als solche automatisch kenntlich macht.

21. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630f Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 630f Absatz 3 das Wort "zehn" durch das Wort "dreißig" zu ersetzen.

Begründung:

Die Aufbewahrungsdauer ist der Dauer der Verjährung von Haftungsansprüchen nach § 199 Absatz 2 BGB anzupassen. Die Dokumentation ist in Arzthaftungsfällen meist die einzige Grundlage, auf der der Patient den Beweis eines Behandlungsfehlers erbringen kann. Wird die Dokumentation aber nach zehn Jahren vernichtet, so wäre ein nachfolgender Arzthaftungsprozess für den Patienten quasi chancenlos und dieser ungerechtfertigt benachteiligt. Angesichts der fortschreitenden elektronischen Aktenführung ist eine Aufbewahrungsdauer von dreißig Jahren auch zumutbar.

22. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630f Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 630f Absatz 3 die Wörter "nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen" durch die Wörter "abweichende Regelungen bestehen oder eine längere Aufbewahrung aus anderen Gründen geboten ist" zu ersetzen.

Begründung:

Die Änderung dient der Klarstellung. Die Aufbewahrungspflicht kann weit über zehn Jahre hinausgehen, soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der gesundheitliche Zustand des Patienten, oder die Umstände im Einzelfall, insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen von zivilrechtliche Ansprüchen, etwa der Höchstverjährungsfrist von 30 Jahren nach § 199 Absatz 2 BGB, erfordern (vgl. die Einzelbegründung in BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 37 f.).

Das sollte ein Behandler aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit auch dem Gesetzestext entnehmen können. Denn eine fehlende, weil vorzeitig vernichtete Dokumentation zieht für ihn beweisrechtliche Nachteile nach sich (vgl. § 630h Absatz 3 BGB-E).

23. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630g Absatz 1 Satz 1 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 630g Absatz 1 Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen und nicht die begründete Sorge besteht, dass der Patient infolge der Einsichtnahme seine Gesundheit erheblich gefährden würde."

Begründung:

Patientinnen oder Patienten haben ein schutzwürdiges Recht zu wissen, wie mit ihrer Gesundheit umgegangen wurde, welche Informationen sich darüber ergeben haben und wie die weitere Entwicklung eingeschätzt wird. Einen Verdacht auf einen Behandlungsfehler müssen sie zeitnah überprüfen können. Nur so kann das Selbstbestimmungsrecht angemessen ausgeübt werden. Die Ausnahmen vom Einsichtsrecht sind eng zu fassen, um Missbrauch, der in der Vergangenheit häufiger vorgekommen ist, zu erschweren. Daher genügt nicht, dass erhebliche therapeutische Gründe gegen die Einsichtnahme sprechen, es muss zudem die begründete Sorge bestehen, dass der Patient durch die Einsichtnahme zu Handlungen hingerissen wird, welche seine Gesundheit erheblich gefährden. "Sonstige erhebliche Gründe" als Verweigerungsgründe zuzulassen, würde zu Missbrauch der Ausnahme vom Einsichtsrecht ermuntern und darüber hinaus die Patienten gegenüber der derzeit bestehenden Rechtslage benachteiligen.

24. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630h Absatz 2 Satz 3 - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist dem § 630h Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Dies kann nicht angenommen werden, wenn der Patient darlegt, dass er sich im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt über die Vornahme der Maßnahme befunden hätte."

Begründung:

§ 630h Absatz 2 BGB-E bildet entgegen der verfolgten Zielsetzung die geltende Rechtslage nicht vollständig ab. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Behandelnde darzulegen und zu beweisen, dass er den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt und dessen wirksame Einwilligung eingeholt hat. Ist die Aufklärung mängelbehaftet oder unterblieben, kann der Behandelnde einwenden, dass der Patient auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung eingewilligt hätte. Dem kann wiederum der Patient entgegenhalten, dass er sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt darüber befunden hätte, ob er den tatsächlich durchgeführten Eingriff durchführen lassen sollte. Dieser dem Patienten zustehende Gegeneinwand findet in § 630h Absatz 2 BGB-E keine Erwähnung (mehr). Daher ist § 630h Absatz 2 BGB-E um einen entsprechenden Satz zu ergänzen.

25. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630h Absatz 3 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 630h Absatz 3 nach den Wörtern "Absatz 2 nicht" die Wörter "oder später als 48 Stunden, nachdem die Maßnahme erbracht worden sein soll," einzufügen.

Begründung:

Gemäß § 630f Absatz 1 BGB-E hat die Dokumentation der Behandlung in "unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang" mit der Behandlung zu erfolgen. Nur so kann eine zuverlässige und korrekte Dokumentation sichergestellt werden. Die Änderung in § 630h Absatz 3 BGB-E konkretisiert diesen unbestimmten Rechtsbegriff des § 630f Absatz 1 BGB-E und legt fest, dass die Dokumentation innerhalb von 48 Stunden, nachdem die Maßnahme erbracht worden sein soll, zu erfolgen hat. Ist eine medizinisch notwendige Maßnahme erst nach diesem Zeitraum dokumentiert worden, so ist davon auszugehen, dass sie nicht erbracht worden ist. Der Arzt muss dann darlegen und beweisen, dass die Maßnahme dennoch erbracht wurde.

26. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630h Absatz 5 Satz 2 BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist § 630h Absatz 5 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass dessen Verkennung oder die Nichtreaktion auf ihn grob fehlerhaft gewesen wäre."

Begründung:

Der Wortlaut der vorgeschlagenen Neuregelung berücksichtigt nicht die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10 - (vgl. NJW 2011, 2508 f.). Danach tritt die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten ein, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen. Diese Entscheidung wird zwar in der Einzelbegründung der Vorschrift (BR-Drs. 312/12 (PDF) , S. 45) dargestellt, jedoch in ihrem Wortlaut nicht umgesetzt.

27. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630h Absatz 6 - neu - BGB)

In Artikel 1 Nummer 4 ist dem § 630h folgender Absatz 6 anzufügen:

(6) Die Vermutung des Absatzes 5 gilt insbesondere nicht, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt oder wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann."

Begründung:

§ 630h Absatz 5 BGB-E bildet entgegen der verfolgten Zielsetzung die bisherigen Rechtsprechung nicht vollständig ab. Sowohl in Bezug auf den groben Behandlungsfehler als auch den Befunderhebungsfehler ist nach geltendem Recht die Beweislastumkehr ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt oder wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (zu diesen Einschränkungen vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 -, NJW 2004, 2011; Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 -, NJW 2005, 427). An diesen bewährten Maßstäben sollte auch weiterhin festgehalten werden. Eine bloße Erwähnung in der Begründung des Gesetzentwurfs genügt allerdings nicht.

Diese Ausnahmen sind daher gesondert in einem zusätzlichen Absatz 6 aufzunehmen. Sie unterscheiden sich in der Sache von dem Erfordernis der grundsätzlichen Eignung des Fehlers für eine Verursachung des Schadens. Zudem hat die Eignung der Patient, das Vorliegen einer Ausnahmekonstellation hingegen der Behandelnde nachzuweisen. Gleichzeitig sollen die Ausnahmen des Absatzes 6 nicht abschließend sein ("insbesondere"). Die Regelung soll der Entwicklung weiterer Ausnahmetatbestände durch die Rechtsprechung nicht entgegenstehen.

Anders als die Begründung des Gesetzentwurfs annimmt, handelt es sich bei den letzten zwei Ausnahmetatbeständen (anderes Risiko verwirklicht/eigener Verursachungsbeitrag des Patienten) nicht um Unterfälle des ersten Ausnahmetatbestandes (Zusammenhang äußerst unwahrscheinlich), sondern um eigenständige Fallgruppen, die miteinander nichts zu tun haben. Zur Verdeutlichung seien folgende Beispiele genannt:

Beispiel 1 (äußerst unwahrscheinlicher Zusammenhang):

Ein grober Diagnosefehler dürfte kaum zur Verschlechterung beigetragen haben, da dem Patienten schon wenige Stunden später von einem anderen Arzt die richtige Diagnose gestellt wird.

Beispiel 2 (anderes Risiko verwirklicht):

Die Entlassung des Patienten unmittelbar nach einem Herzkathetereingriff ist grob fehlerhaft, da wegen der Gefahr von Herzrhythmusstörungen und Blutungen ein stationärer Aufenthalt von zwei bis drei Tagen erforderlich ist. Zudem besteht eine gewisse Infektionsgefahr, wobei die Entlassung des Patienten allein in Ansehung dieser Infektionsgefahr lediglich einfach fehlerhaft wäre. Der Patient stirbt infolge einer Infektion (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - VI ZR 38/80 -, NJW 1981, 2513).

Beispiel 3 (eigener Verursachungsbeitrag):

Entgegen der ärztlichen Anweisung unterlässt es der Patient wiederholt, die operierte Extremität hochzulagern (vgl. KG Berlin, Urteil vom 30. April 1990 - 20 U 1833/89 -, VersR 1991, 928).

28. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630i - neu - BGB)

Dem Artikel 1 Nummer 4 ist folgender § 630i anzufügen:

" § 630i Besondere Bestimmung bei der Erbringung von Zusatzleistungen

Begründung:

Durch das Angebot von Zusatzleistungen (insbesondere individuelle Gesundheitsleistungen - IGe-Leistungen) wandelt sich das Arzt-Patienten-Verhältnis in ein Anbieter-Kunden-Verhältnis unter ungleichen Voraussetzungen. Patientinnen und Patienten sind oft nur ungenügend in der Lage, Bedarf, Qualität und Nutzen sowie damit einhergehend die Angemessenheit der Leistung sowie der entstehenden Kosten zu beurteilen. Entsprechend sind Patientinnen und Patienten oft verunsichert, ob die ihnen angebotene Leistung tatsächlich notwendig ist. Andererseits steigt die Anzahl angebotener Zusatz- und IGe-Leistungen rapide an. Ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss des 109. Deutschen Ärztetages 2007 zeigt, dass auch die Anbieter von IGe-Leistungen verhindern wollen, dass Patientinnen und Patienten durch die Beratung bedrängt, verunsichert oder gar verängstigt werden. Die beabsichtigten Regelungen sollen dies sicherstellen.

Um eine Überprüfung der Rechnung zu ermöglichen, muss die schriftliche Vereinbarung folgende Punkte enthalten:

§ 52 Absatz 2 SGB V schreibt vor, dass Krankenkassen Versicherte, die sich eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen haben, in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern haben. Diese Folge eines nicht medizinisch indizierten Eingriffs ist den Versicherten oft nicht bekannt, daher ist ein entsprechender Hinweis erforderlich.

Um beurteilen zu können, ob die angebotene Leistung den Vorstellungen der Patientinnen und Patienten entspricht, müssen Patientinnen oder Patienten in verständlicher Weise über den Leistungsumfang, den sie "einkaufen" informiert werden.

Eine Beschreibung der vorhandenen Leistungsalternativen, insbesondere aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ist erforderlich, damit sichergestellt werden kann, dass IGe-Leistungen keine GKV-Leistungen verdrängen oder ersetzen. Aus dem gleichen Grund müssen die Patientinnen und Patienten auch darüber informiert werden, unter welchen Umständen die betreffende Leistung von der GKV bezahlt würde.

Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen sind im Zusammenhang mit Selbstzahlerleistungen von besonderer Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die möglichen Folgen des § 52 Absatz 2 SGB V und den oft als fraglich beurteilten Nutzen der IGe-Leistungen. Die Durchführung von Nutzenbewertungen, beispielsweise durch den Gemeinsamen Bundesausschuss oder das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, soll gefördert werden, denn sie stellen eine wichtige Grundlage für die Entscheidung dar, ob eine Leistung in Anspruch genommen wird oder nicht. Die Patientinnen und Patienten müssen daher auch über diese Information verfügen, um sich vor Übervorteilung zu schützen.

Dem Zahlungspflichtigen ist eine Abschrift der Vereinbarung auszuhändigen, damit dieser gegebenenfalls seine Rechte ausüben kann.

Durch die Einräumung einer Bedenkzeit wird dem Patienten ermöglicht, sich weiter über die angebotene Behandlung und deren Nutzen zu informieren, um so eine abgewogene und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, insbesondere dann, wenn die Zusatzleistung im Zusammenhang mit oder sogar in Abhängigkeit von einer GKV-Leistung angeboten wird. Die gewählte Formulierung lässt dabei auch Raum, um in Einzelfällen auf die Bedenkzeit zu verzichten (zum Beispiel reisemedizinische veranlasste Beratungen, Impfungen, Paaroder Familientherapien, Stressbewältigung, sportmedizinische Untersuchungen oder Atteste). Die Dauer der Bedenkzeit wird in der Regel mit mindestens 24 Stunden veranschlagt.

Um die Patientinnen und Patienten darüber hinaus vor Übervorteilung zu schützen, sind bestimmte Fälle vorzusehen, in denen der Anspruch des Behandelnden auf die Vergütung entfällt. Derzeit sind die Patientinnen und Patienten in den oben genannten Fällen darauf verwiesen, ihr Recht über den Weg zum Beispiel der Minderung oder der Anfechtung des Vertrages geltend zu machen. Die rechtlichen Folgen (zum Beispiel bei Anfechtung des Vertrages und damit einhergehender Auflösung des Vertragsverhältnisses sowie gegebenenfalls Wegfall vertraglicher Nebenpflichten) sind für die Patientinnen und Patienten nur schwer zu überblicken. Es wäre ein Gewinn an Transparenz, wenn bereits das Gesetz konkrete Fälle von Übervorteilung mit einer konkreten Rechtsfolge versähe. Dabei ist in Übereinstimmung mit dem Rechtsgedanken des Wuchers der Wegfall des gesamten Gegenleistungsanspruchs des Leistungserbringers vorzusehen, damit ein ausreichender Anreiz zur Rechtsbefolgung gesetzt wird. Würde sich die Gegenleistung lediglich auf ein angemessenes Maß reduzieren, so könnte der Leistungserbringer ohne Risiko zunächst eine überhöhte Leistungsforderung stellen.

Der Fall, dass die geforderte Vergütung das Marktübliche um mehr als 50 Prozent übersteigt ist an der Rechtsprechung zum Mietwucher bei Wohnraum orientiert. Zur gemeinsamen Orientierung für Behandelnde und Patienten sollte die Möglichkeit bestehen, sich über Vergleichspreise zu informieren. Es sollte daher geprüft werden, ob eine solche Information zum Beispiel durch die Ärztekammern zusammengestellt und veröffentlicht werden könnte. Zurzeit gibt der "IGe-Leistungen-Monitor" des GKV-Spitzenverbands schon für die häufigsten Zusatzleistungen Preisspannen an.

Im Fall der erheblichen Abweichung der erbrachten Leistung vom anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik stünde den Patientinnen und Patienten derzeit unter anderem das Recht auf Minderung der Gegenleistung zu. Dies wird jedoch als nicht ausreichend angesehen, da den Patientinnen und Patienten damit in der Regel nicht geholfen ist. Diese haben Anspruch auf eine dem anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik entsprechende medizinische Leistung. Um diesen Anspruch zu stützen und zu fördern, ist bei Nichtübereinstimmung der Wegfall der Gegenleistung vorzusehen.

Gleiches gilt für Zusatzleistungen, bei denen die Patientin oder der Patient einen grundsätzlichen Leistungsanspruch gegenüber ihrer oder seiner Versicherung auf eine gleiche Leistung hat (zum Beispiel, wenn abhängig von einer Indikation die Leistung eine GKV-Leistung sein kann oder auch nicht). Zusatzleistungen dürfen nicht zur Ersetzung von bestehenden Leistungsansprüchen gegenüber der Versicherung (insbesondere nicht zur Ersetzung von Leistungen nach dem SGB V) führen. Die Praxis zeigt, dass Patientinnen oder Patienten auch dann Zusatzleistungen angeboten werden, wenn es eine gesetzliche Leistung gibt. Immer wieder wird dieses Angebot gemacht, bevor die eigentliche Leistung, um derentwillen die Praxis aufgesucht wurde, überhaupt erbracht wurde (zum Beispiel schon am Empfangstresen durch die dazu angehaltenen medizinischen Fachangestellten). Damit das Vertrauensverhältnis zwischen dem Behandelnden und dem Patient oder der Patientin dadurch nicht dauerhaft beeinträchtigt wird muss der Gesetzgeber eine weitere Ausweitung verhindern.

Die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag ist ein weiterer Schutz der Patientinnen und Patienten, indem sich diese bei übereilten Entscheidungen wieder vom Vertrag lösen können. Dabei ist das Rücktrittsrecht nicht auf die Zeit vor Beginn der Behandlung beschränkt. Im Rahmen von unterbreiteten Angeboten "Individueller Gesundheitsleistungen" gibt es auch medizinische Begleittherapien, die über mehrere Sitzungswochen angeboten werden. Stellt sich im Laufe dieser Begleittherapien heraus, dass sich der Leistungsumfang sowie dessen Nutzennachweis für den Patienten nicht so entwickelt wie zuvor dargestellt, soll ihm auch für diese Fälle ausdrücklich ein besonderes Gestaltungsrecht im Sinne eines Rücktrittsrechts zuerkannt werden.

Tritt der Patient vom Vertrag zurück, zieht dies den Verlust des Anspruchs auf die vereinbarte Vergütung für den Behandelnden nach sich, wobei der eingefügte Entschädigungsanspruch unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen einen angemessenen Interessensausgleich im Behandelnden-Patienten-Verhältnis darstellt.

29. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 630i - neu - BGB)

Dem Artikel 1 Nummer 4 ist folgender § 630i anzufügen:

" § 630i Rücktritt vom Behandlungsvertrag

Begründung:

Im Rahmen von unterbreiteten Angeboten "Individueller Gesundheitsleistungen" (IGeL) gibt es auch medizinische Begleittherapien, die über mehrere Sitzungswochen angeboten werden. Stellt sich im Laufe dieser Begleittherapien heraus, dass sich der Leistungsumfang sowie dessen Nutzennachweis für den Patienten nicht so entwickelt wie zuvor dargestellt, soll ihm ausdrücklich ein besonderes Gestaltungsrecht im Sinne eines Rücktrittsrechts zuerkannt werden.

Das dann ausgeübte Rücktrittsrecht zieht den Verlust des Anspruchs auf vereinbarte Vergütung für den Behandelnden nach sich, wobei der eingefügte Entschädigungsanspruch unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen einen angemessenen Interessensausgleich im Behandelnden-Patienten-Verhältnis darstellt.

30. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 13 Absatz 3a Satz 3a - neu - SGB V)

In Artikel 2 Nummer 1 ist nach § 13 Absatz 3a Satz 3 folgender Satz einzufügen:

"Für den Bereich der Vertragszahnärzte tritt an die Stelle der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst das im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte vereinbarte gutachterliche Verfahren."

Begründung:

Im Bereich der Vertragszahnärzte gibt es die Besonderheit, dass sich Krankenkassen bei der Begutachtung des Behandlungsplans und zur Überprüfung der Zuordnung einer vorgeschlagenen Behandlung für Zahnersatz, Paradontose-, Kieferbruch- oder Kieferorthopädiebehandlungen zur vertragszahnärztlichen Versorgung nicht des Medizinischen Dienstes sondern besonderer Gutachter bedienen. Das Verfahren der Begutachtung, einschließlich der Fristen, wird im Bereich der Vertragszahnärzte im Bundesmantelvertrag Zahnärzte (BMV-Z) geregelt.

Auf die Besonderheit ist, aufgrund des mehrstufigen Gutachterverfahrens und der daraus resultierenden anderen Fristen, hinzuweisen.

31. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 13 Absatz 3a Satz 6a - neu - SGB V)

In Artikel 2 Nummer 1 ist nach § 13 Absatz 3a Satz 6 folgender Satz einzufügen:

"Die Sätze 1 bis 6 gelten nicht für die Prüfung von Heil- und Kostenplänen zur zahnärztlichen und kieferorthopädischen Versorgung durch die Krankenkassen, soweit diese eine Begutachtung aufgrund des § 87 Absatz 1a Satz 5 und 6 oder nach dem Bundesmantelvertrag-Zahnärzte oder dem Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte veranlassen."

Begründung:

Durch die Anwendung der Regelung des § 13 Absatz 3a Satz 1 bis 6 SGB V-E auf den Bereich der Begutachtung von zahnärztlichen und kieferorthopädischen Leistungen wird keine Verbesserung der Prozess- und Ergebnisqualität von Leistungsentscheidungen für die Patientinnen und Patienten erreicht.

Gutachten zu zahnärztlichen und kieferorthopädischen Leistungen werden in der Regel nicht durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung erstellt, sondern von speziell bestellten unabhängigen Fachgutachtern.

Im Zusammenhang mit dem Bundesmantelvertrag-Zahnärzte oder dem Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte bestehen Regelungen, die für spezielle Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung das Begutachtungsverfahren und auch die Konfliktschlichtung durch Obergutachten strukturieren. Die bestehenden Regelungen sind sachgerecht und haben sich bewährt.

In der vertragszahnärztlichen Versorgung werden besonders viele kostenintensive und zeitaufwendige Behandlungen geplant. Diese sind grundsätzlich von den Krankenkassen vorab zu prüfen und zu bewilligen. Es ist zu erwarten, dass bei der Anwendung der kurzen Fristen des § 13 Absatz 3a SGB V-E sachgerechte Leistungsentscheidungen auf Grundlage fachlich fundierter Gutachten erheblich behindert werden. Eine besondere Eilbedürftigkeit von Entscheidungen in zahnmedizinischer Hinsicht dürfte bei vielen Leistungsanträgen auch nicht gegeben sein. Um insbesondere die Qualität der Begutachtungen in der zahnmedizinischen Versorgung nicht zu gefährden, sollte auf die Anwendbarkeit der Fristen des § 13 Absatz 3a SGB V-E verzichtet werden. Eine sorgfältige und kritische Prüfung der Heil- und Kostenpläne zur Vermeidung von unwirtschaftlichen Versorgungen liegt auch im Interesse der Patientinnen und Patienten; denn sie erhalten zum Beispiel bei der Versorgung mit Zahnersatz nur einen Festzuschuss und tragen die restlichen Kosten im Übrigen selbst.

Die vorgeschlagene Klarstellung in § 13 Absatz 3a SGB V-E bewirkt jedoch weiterhin, dass die Fristen und Rechtsfolgen nach dem § 13 Absatz 3a Satz 1 bis 6 SGB V-E wirksam werden, wenn die Krankenkassen von einer Begutachtung absehen.

32. Zu Artikel 2 Nummer 1a - neu - (§ 55 Absatz 4 Satz 2 - neu - und 3 - neu - SGB V),

Nummer 12 - neu - (§ 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 SGB V)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Der Honoraranteil, der über den vertraglichen Leistungskatalog abgerechnet wird, ist rückläufig, da Zahnersatzleistungen zunehmend nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet werden. Dadurch steigen die Eigenanteile der Versicherten bei Zahnersatzversorgungen. Die Überprüfung der nach GOZ vorgenommenen Abrechnungen obliegt heute allein den Versicherten, die keine strukturierte Möglichkeit haben, die Abrechnungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu lassen.

Die Änderung greift diesen Tatbestand auf und eröffnet den Versicherten die Möglichkeit, sich bei Bedarf an ihre Krankenkassen zu wenden, um dort die Abrechnungen überprüfen zu lassen. Sie dient demzufolge ausschließlich einer Unterstützung und Beratung der Versicherten bei Zahnersatz.

Um eine einheitliche Beratung der Versicherten gewährleisten zu können, müssen die Krankenkassen die Preise der abrechnenden Leistungserbringer überprüfen. Dies ist nur dann möglich, wenn sie die einzelnen Preise der Leistungserbringer auch kennen und vergleichen können. Mithin müssen alle nach der GOZ vorgenommenen Abrechnungen an die Krankenkassen weitergeleitet werden, damit sie sich einen Gesamtüberblick verschaffen und ihre Versicherten ausreichend beraten und unterstützen können.

Zu Buchstabe b:

Die derzeitige Praxis der Rechnungsstellung im zahnmedizinischen Bereich steht dem Anliegen nach Transparenz im Gesundheitswesen entgegen. Die Krankenkassen erhalten keine Rechnungen über die zahnärztlichen und zahntechnischen Privatleistungen, die bei ihren Versicherten erbracht wurden, obwohl sie diese Leistungen bezuschusst haben. Das macht es für die Kassen unmöglich, die Leistungen auf ihre Qualität hin zu prüfen und deren Abrechnung nachzuvollziehen.

Eine einheitliche und umfassende Beratung sowie Unterstützung ihrer Versicherten nach § 55 Absatz 4 SGB V können die Krankenkassen lediglich dann gewährleisten, wenn sie die Preise der Leistungserbringer vergleichen können. Erst auf der Grundlage dieser Preisvergleiche können die einzelnen Abrechnungen umfassend gewürdigt werden. Um solche Vergleichsmöglichkeiten zu erlangen, ist es unerlässlich, den Krankenkassen die nach der GOZ vorgenommenen Abrechnungen zuzuleiten. Diese Markttransparenz ist somit die Grundvoraussetzung für die Krankenkasse, um ihre Pflicht gemäß § 55 Absatz 4 SGB V erfüllen zu können.

Die Änderung dient somit der Verbesserung der Transparenz bei der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen und soll den Versicherten helfen, die Abrechnungen einfacher nachvollziehen zu können und eine umfassende Unterstützung und einheitliche Beratung seitens der Krankenkassen nach § 55 Absatz 4 SGB V zu erhalten.

33. Zu Artikel 2 Nummer 1a - neu - (§ 65b Absatz 2 Satz 1 SGB V)

Nach Artikel 2 Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:

Begründung:

Die mit dem Patientenrechtegesetz angestrebte Stärkung der Patientenrechte sollte auch eine Verbesserung des Informationsangebots für Patientinnen und Patienten sowie Verbraucherinnen und Verbraucher zu Patientenrechten beinhalten. Daher sollte die in § 65b Absatz 2 Satz 1 SGB V festgelegte Fördersumme für die unabhängige Patientenberatung von derzeit 5,2 Millionen Euro auf 10,4 Millionen Euro im Jahr 2013 erhöht werden. Die Einrichtung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung gemäß § 65b SGB V für gesundheitliche und gesundheitsrechtliche Fragen ist seit dem Jahr 2011 ein gesetzliches Regelangebot. Das Beratungsangebot der "Unabhängigen Patientenberatung Deutschland" hat sich in hohem Maße bewährt und wird von den Bürgerinnen und Bürgern intensiv genutzt. Im Jahr 2010 hat die "Unabhängige Patientenberatung Deutschland" bundesweit etwa 80 000 Anfragen bearbeitet. Mit dem der unabhängigen Patientenberatung zur Verfügung stehenden Budget in Höhe von 5,2 Millionen Euro werden bundesweit lediglich 21 Beratungsstellen betrieben. Dies deckt den Beratungsbedarf nur unzureichend ab. Insbesondere ist die Möglichkeit zur persönlichen Vorsprache stark eingeschränkt. Durch eine Erhöhung der in § 65b Absatz 2 Satz 1 SGB V festgelegten Fördersumme auf 10,4 Millionen Euro wird ein ausreichendes Beratungsangebot in der Fläche gewährleistet. Der finanzielle Aufwand ist verhältnismäßig gering.

34. Zu Artikel 2 Nummer 1a - neu - ( § 65c SGB V)

Nach Artikel 2 Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:

'1a. Nach § 65b ist folgender § 65c einzufügen:

" § 65c Förderung von Maßnahmen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern

Die Krankenkassen können Maßnahmen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern, insbesondere des Ausbaus von Methoden zur Verbesserung der Patientensicherheit und zum Aufbau des Risikomanagements in der Gesundheitsversorgung, unterstützen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstands prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen nach Satz 1, insbesondere hinsichtlich Inhalten und Methodik. Über die Aufwendungen und die geförderten Maßnahmen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern berichten die Krankenkassen jährlich dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und begründen ihre Auswahl der Maßnahmen. Der Bericht ist von den Krankenkassen allgemein zugänglich zu veröffentlichen." '

Begründung:

Der neue § 65c SGB V eröffnet den Krankenkassen die Möglichkeit, sich an Maßnahmen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern zu beteiligen und auf diese Weise die Patientensicherheit zu erhöhen.

Behandlungsfehler stellen die Spitze des Eisbergs und insofern einen Indikator für die gesundheitspolitisch wie -wissenschaftlich geforderten Verbesserungen der Patientensicherheit dar. Anstrengungen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern sind der Wiedergutmachung durch Schadenersatz vorzuziehen. Die zu finanzierenden Leistungen sollen von Expertinnen und Experten (Spitzenverband Bund, Gemeinsamer Bundesausschuss) in einem noch festzulegenden Katalog definiert werden. Zudem soll ein jährlicher Bericht der Krankenkassen an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen über die finanziellen Aufwendungen erfolgen.

Das Engagement der Krankenkasse und die sachgerechte Mittelverwendung sind von den Krankenkassen jährlich zu dokumentieren und auch gegenüber Ihren Mitgliedern und Versicherten zu veröffentlichen. Dieser Vorschlag ermöglicht Krankenkassen, sich aktiv an der Weiterentwicklung eines zentralen Merkmals der gesundheitlichen Versorgung zu beteiligen. Ihr Engagement ist fakultativ. Jedes Engagement - auch ein geringes oder ein fehlendes Engagement - ist jedoch mit einer Begründung zu veröffentlichen.

35. Zu Artikel 2 Nummer 2 ( § 66 SGB V)

Angesichts des in der Begründung des Gesetzentwurfs erwähnten Umstands, dass die Kassen bislang in unterschiedlicher Weise Unterstützungsleistungen erbracht haben, ist der Bundesrat der Auffassung, dass die durchzuführenden Unterstützungsmaßnahmen gesetzlich konkretisiert werden sollten. Dabei ist auf eine möglichst unbürokratische Umsetzung zu achten.

36. Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a (§ 73b Absatz 3 Satz 3 SGB V), Nummer 4 Buchstabe a (§ 73c Absatz 2 Satz 2 SGB V) und Nummer 8 (§ 140a Absatz 2 Satz 2 SGB V)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Änderung ist redaktioneller Art. Sie dient zudem der Rechtsklarheit. Die Begründung des Gesetzentwurfs berücksichtigt die Formulierung bereits.

37. Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a (§ 73b Absatz 3 Satz 5 SGB V)

In Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a sind in § 73b Absatz 3 Satz 5 nach dem Wort "Widerrufsrecht" die Wörter ", seine wesentlichen Rechte und Pflichten im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung sowie Informationen über deren wesentliche Inhalte und Ziele" einzufügen.

Begründung:

Nach § 73b Absatz 3 SGB V-E erhalten Versicherte, die sich für eine hausarztzentrierte Versorgung entscheiden, künftig ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ist dies erforderlich, weil Patienten nach Mitteilung von Verbraucherverbänden vor Einschreibung in einen solchen Vertrag zum Teil nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten sowie über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung aufgeklärt würden.

Nicht ausreichend aufgeklärte Versicherte werden allerdings regelmäßig erst nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist feststellen, welche praktischen Konsequenzen ihre Entscheidung hat. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist nicht nur von der Belehrung über das Widerrufsrecht als solches, sondern auch von der entsprechenden materiellen Information in Bezug auf die Konsequenzen der Entscheidung für eine hausarztzentrierte Versorgung abhängig zu machen.

38. Zu Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a (§ 73c Absatz 2 Satz 4 SGB V)

In Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a sind in § 73c Absatz 2 Satz 4 nach dem Wort "Widerrufsrecht" die Wörter ", seine wesentlichen Rechte und Pflichten im Rahmen der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung sowie Informationen über deren wesentliche Inhalte und Ziele" einzufügen.

Begründung:

Nach § 73c Absatz 2 SGB V-E erhalten Versicherte, die sich für eine besondere ambulante ärztliche Versorgung entscheiden und dabei ihre Arztwahl einschränken, künftig ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Ausweislich der Entwurfsbegründung ist dies erforderlich, weil Patienten nach Mitteilung von Verbraucherverbänden vor Einschreibung in einen solchen Vertrag zum Teil nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten sowie über Inhalt und Ziele der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung aufgeklärt würden.

Nicht ausreichend aufgeklärte Versicherte werden allerdings regelmäßig erst nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist feststellen, welche praktischen Konsequenzen ihre Entscheidung hat. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist nicht nur von der Belehrung über das Widerrufsrecht als solches, sondern auch von der entsprechenden materiellen Information in Bezug auf die Konsequenzen der Entscheidung für eine besondere ambulante ärztliche Versorgung abhängig zu machen.

39. Zu Artikel 2 Nummer 4a - neu - (§ 95 Absatz 3 Satz 4 - neu - und Absatz 4 Satz 4 - neu - SGB V)

Nach Artikel 2 Nummer 4 ist folgende Nummer 4a einzufügen:

'4a. § 95 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) wurde ab dem 1. Juli 2007 den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Aufgabe übertragen, die Versorgung der in dem bisherigen brancheneinheitlichen Standardtarif und dem neuen brancheneinheitlichen Basistarif nach § 12 Absatz 1a VAG versicherten Personen sicherzustellen. Damit sollte diesem Personenkreis eine den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbare Sicherstellung ihrer ambulanten (zahn)ärztlichen Versorgung gewährleistet werden (vgl. BR-Drucksache 755/06 (PDF), Seite 319). Aufgrund der für diesen Personenkreis fehlenden Behandlungspflicht des einzelnen (Zahn-)Arztes kommt es jedoch auch weiterhin zu Problemen; eine ärztliche Behandlung wird zum Beispiel unter Hinweis auf die geltenden Gebührenbegrenzungen verweigert. Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen zugelassene (Zahn-)Ärzte und medizinische Versorgungszentren unmittelbar zur Behandlung der Versicherten im Basis- und Standardtarif berechtigt und verpflichtet werden, um diesem Personenkreis tatsächlich eine den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbare Sicherstellung ihrer ambulanten (zahn)ärztlichen Versorgung zu gewährleisten.

40. Zu Artikel 2 Nummer 8 (§ 140a Absatz 2 Satz 4 SGB V)

In Artikel 2 Nummer 8 sind in § 140a Absatz 2 Satz 4 nach dem Wort "Widerrufsrecht" die Wörter ", seine wesentlichen Rechte und Pflichten im Rahmen der integrierten Versorgung sowie Informationen über deren wesentliche Inhalte und Ziele" einzufügen.

Begründung:

Nach § 140a Absatz 2 SGB V-E erhalten Versicherte, die sich für eine integrierte Versorgung entscheiden, künftig ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ist dies erforderlich, weil Patienten nach Mitteilung von Verbraucherverbänden vor Einschreibung in einen solchen Vertrag zum Teil nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten sowie über Inhalt und Ziele der integrierten Versorgung aufgeklärt würden.

Nicht ausreichend aufgeklärte Versicherte werden allerdings regelmäßig erst nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist feststellen, welche praktischen Konsequenzen ihre Entscheidung hat. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist nicht nur von der Belehrung über das Widerrufsrecht als solches, sondern auch von der entsprechenden materiellen Information in Bezug auf die Konsequenzen der Entscheidung für eine integrierte Versorgung abhängig zu machen.

41. Zu Artikel 2 Nummer 9 Buchstabe 0a -neu-

(§ 140f Absatz 2 Satz 6 - neu - SGB V) und Artikel 3 (§ 4 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 PatBeteiligungsV)

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Über die in § 99 Absatz 1 Satz 4 sowie in § 140f Absatz 3 und 4 SGB V-E bereits vorgesehene Stärkung der Patientenbeteiligung hinaus sollte den für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten maßgeblichen Organisationen beziehungsweise den von diesen bestellten sachkundigen Personen bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verfahrensordnung gemäß § 91 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 SGB V ein Stimmrecht eingeräumt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft wichtige Entscheidungen zur Patientenversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Insbesondere legt er in Richtlinien fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Aus Gründen der Transparenz und zur Konkretisierung seiner Tätigkeitsgrundlagen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Verfahrensordnung, in der unter anderem methodische Anforderungen an die wissenschaftliche Bewertung medizinischer Leistungen sowie die Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit von Sachverständigen geregelt werden. Durch ein Stimmrecht in Verfahrensfragen hätten Patientenvertreter stärkeren Einfluss auf die Vorgehensweise des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Bewertung medizinischer Leistungen.

Zu Buchstabe b:

Es handelt sich um eine Folgeänderung der Änderung in Buchstabe a (Artikel 2 Nummer 9 Buchstabe 0a -neu-).

42. Zu Artikel 2 Nummer 10 (§ 140h Absatz 2 Satz 4 - neu - SGB V)

In Artikel 2 Nummer 10 ist § 140h Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Hierzu gehören auch mehrsprachige Publikationen und Publikationen in Leichter Sprache."

Begründung:

Die Notwendigkeit zur Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen in Leichter Sprache ergibt sich aus den bereits geltenden Normen der Artikel 21 und 25 der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Erfordernis der Mehrsprachigkeit ergibt sich aus der angemessenen Berücksichtigung von Migrantinnen und Migranten.

43. Zu Artikel 2 Nummer 12 - neu - (§ 299 Absatz 3 Satz 3a - neu - und 3b - neu - SGB V) Dem Artikel 2 ist folgende Nummer 12 anzufügen:

Begründung:

Fehlermeldesysteme beruhen auf der Beteiligung der Beschäftigten der Institutionen im Gesundheitswesen. Die Bereitschaft der Beschäftigten, Fehler zu melden, ist schwer herzustellen und leicht zu erschüttern. Die bloße Vermutung, es könne durch eine Fehlermeldung jemandem ein Nachteil entstehen, reicht in der Regel aus, die Meldebereitschaft verschwinden zu lassen und damit das Fehlermeldesystem insgesamt wertlos zu machen. Angesichts von geschätzten 17 500 Todesfällen aufgrund von Behandlungsfehlern jährlich muss die Bereitschaft der Beschäftigten, sich an Risikomanagement- und Fehlermeldesystemen zu beteiligen, gefördert werden, indem die Informationen aus solchen Systemen besonders geschützt werden. Nur durch das Bekanntwerden von Fehlern und Risiken lassen sich diese für die Zukunft vermeiden. Dies dient unmittelbar dem Schutz von Leben und Gesundheit zahlreicher Patienten. Eine bloße Anonymisierung der Daten wird in den meisten Fällen hingegen nicht ausreichen, da insbesondere bei kleineren Einheiten auch anonymisierte Fälle Rückschlüsse auf die handelnden Personen zulassen.

Sind die im Risikomanagement- oder Fehlermeldesystem enthaltenen Daten zusätzlich durch andere Quellen zugänglich, beispielsweise auch in der Patientenakte enthalten oder Inhalt von Zeugenaussagen, so bewirkt die vorgeschlagene Formulierung nicht, dass die Verwertung der Daten aus diesen anderen Quellen untersagt wäre. Eine solche Fernwirkung tritt nicht ein. Durch die Zulassung der Übermittlung der Daten zur strafrechtlichen Verfolgung besonders schwerer Taten ist auch dem hohen Stellenwert einer effektiven Strafverfolgung Rechnung getragen.

44. Zur Patientenquittung ( § 305 Absatz 2 SGB V)

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Patientenquittung ( § 305 Absatz 2 SGB V) als Transparenzinstrument im Sinne einer mündigen Patientin oder eines mündigen Patienten und einer aktiven informierten Mitarbeit im Behandlungsprozess weiterzuentwickeln.

Diese Patienteninformation soll eine Mitteilung an die Patientin oder den Patienten in verständlicher Sprache sein, die ihr oder ihm ohne Aufforderung routinemäßig nach der Behandlung ausgehändigt wird. Sie soll neben den Diagnosen und erbrachten Leistungen auch Behandlungs- und Therapieempfehlungen sowie Informationen zu Arzneimitteln enthalten.

Begründung:

Dies dient dem Verständnis der eigenen Krankheit und einer aktiven, informierten Mitarbeit im Behandlungsprozess im Sinne des mündigen Patienten.

Die bisherige Regelung - die Aushändigung lediglich auf Verlangen - wird dem nicht gerecht. Die routinemäßige Aushändigung würde grundsätzlich Zugang zu diesen wichtigen Informationen gewähren und zudem verhindern, dass unter Umständen die Patientin oder der Patient seitens des Behandlers unter einen Misstrauensverdacht gestellt wird.

45. Zur Anpassung des Gesetzentwurfs an die UN-Behindertenrechtskonvention

Der Bundesrat bittet, den Gesetzentwurf im weiteren Verlauf des Verfahrens den Erfordernissen der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechend anzupassen. Hierzu gehört insbesondere, den Zugang zu medizinischen Leistungen durch alle Leistungserbringer grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. Barrierefrei sind Einrichtungen dann, wenn sie von jeder oder jedem ohne weitere Hilfen gleichermaßen genutzt werden können.

Damit dieses Ziel im baulichen Bereich erreicht werden kann, ist eine grundsätzliche Verpflichtung für Neuzulassungen und bei wesentlichen Umbauten vorzusehen.

Barrieren, auf die sinnesbehinderte Patientinnen und Patienten stoßen und solche mit kognitiven Einschränkungen, sind durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen. Hierzu zählt insbesondere auch für Patientinnen und Patienten mit geistiger Beeinträchtigung die Bereitstellung mündlicher und schriftlicher Informationen in Leichter Sprache im Sinne der Artikel 21 und 25 der UN-Behindertenkonvention sowie bei Bedarf für sinnesbehinderte Menschen Kommunikationshelferinnen und -helfer, wie zum Beispiel Gebärdensprachendolmetscherinnen und -dolmetscher.

Begründung:

Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung das Patientenrechtegesetz als Maßnahme, insbesondere zur Umsetzung von Artikel 25 und 26 der Konvention, ausgewiesen. Die Bundesregierung hat sich völkerrechtlich verpflichtet, die entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften zu schaffen. Der Bundesrat fordert daher, dass dieser Verpflichtung durch eine Ergänzung des vorliegenden Gesetzentwurfs nachgekommen wird.

46. Zur Einrichtung eines Härtefallfonds

Der Bundesrat fordert, noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren einen Härtefallfonds für durch Behandlungen geschädigte Patientinnen und Patienten vorzusehen.

Der Fonds soll für diejenigen Patientinnen und Patienten einstehen, die in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung einen Schaden erleiden. Der Schaden muss die betroffene Person in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigen und eine finanzielle Hilfe muss aus sozialen Gründen geboten erscheinen. Kumulativ muss Voraussetzung sein, dass es für den Schaden keinen sicheren Nachweis der Schadensursache oder des Verschuldens gibt oder eine seltene oder bislang unbekannte Komplikation Auslöser des Schadens ist.

Begründung:

Schutzlücken im Schadensfall müssen mit unbürokratischer, schneller Hilfe geschlossen werden. Schutzlücken entstehen vor allem durch schicksalhafte Verläufe und lange zivilgerichtliche Verfahren. Geschädigte müssen häufig Jahre warten, bis ihre Ansprüche befriedigt werden. Dies mit der Gefahr, in dieser Zeit unzumutbare Härten aushalten zu müssen, oder - im schlimmsten Fall - die Schadensersatzleistung nicht mehr zu erleben. Der Härtefallfonds dient dabei nicht als Ersatz, sondern als ergänzendes Instrument zur Regelung von Schadensfällen im Gesundheitswesen.

Um die finanziellen Aufwendungen für Härtefälle zu begrenzen, sind sowohl der Kreis der Berechtigten als auch ein Maximalbetrag pro Fall festzulegen sowie auch die Möglichkeit vorzusehen, Geschädigte, die eine Leistung empfangen, zur gerichtlichen Durchsetzung ihres Schadenersatzanspruches anzuhalten. Zuwendungsempfängern soll von den Fondsverwaltern auferlegt werden, bei erfolgreichem Ausgang des gerichtlichen Verfahrens Rückzahlungen zu leisten.

Dass ein Härtefallfonds sowohl möglich als auch sinnvoll ist, zeigen die Erfahrungen mit den Patientenentschädigungsfonds und Härtefallfonds, die bei der Wiener Patientenanwaltschaft angesiedelt sind.

47. Zum Patientenentschädigungsfonds*

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die die rechtlichen Grundlagen und die mögliche Ausgestaltung eines Patientenentschädigungsfonds prüft.

Begründung:

Für Patientinnen und Patienten, die vor Gericht Schadensersatzansprüche wegen ärztlicher Behandlungsfehler geltend machen, kann die Beweissituation trotz einiger Beweiserleichterungen im Einzelfall schwierig sein. Die Lage geschädigter Patientinnen und Patienten könnte durch die Einrichtung eines Entschädigungsfonds verbessert werden, aus dem diese unbürokratisch unterstützt werden. Der Fonds könnte sich etwa um Fälle kümmern, in denen ein Behandlungsfehler oder dessen Kausalität für den Schaden trotz konkreter Anhaltspunkte letztlich nicht nachweisbar bleibt. Außerdem könnte er Patientinnen und Patienten mit einem schweren schicksalhaften Verlauf finanziell unterstützen.

Das Vorhaben verlangt die Klärung grundsätzlicher Fragen, die vor allem das Problem der Finanzierung sowie das Verhältnis zum bestehenden Haftungssystem betreffen, das vom Prinzip der Individualhaftung geprägt ist. Bislang existiert kein Konzept für einen solchen Fonds. Ein solches wäre zu erarbeiten und auf seine rechtliche, finanzielle und politische Realisierbarkeit hin zu prüfen. Dabei sollten insbesondere denkbare Zielsetzungen eines solchen Fonds und die Bedingungen ihrer rechtlichen und finanziellen Umsetzbarkeit auch rechtsvergleichend näher untersucht sowie eine abschließende Empfehlung erarbeitet werden. Anschließend könnte ein konkreter Gestaltungsvorschlag erstellt werden.

B