Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: eine neue Europäische Agenda für Kompetenzen - Humankapital, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gemeinsam stärken COM (2016) 381 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Druckache 386/15 (PDF) = AE-Nr. 150581 und
Drucksache 116/16 (PDF) = AE-Nr. 160195

Brüssel, den 10.6.2016 COM (2016) 381 final

1. Einleitung

Kompetenzen1 ebnen den Weg für Beschäftigungsfähigkeit und Wohlstand. Mit den richtigen Kompetenzen können Menschen hochwertige Arbeitsplätze finden und ihr Potenzial als selbstbewusste und aktive Bürgerinnen und Bürger nutzen. In einer von schnellem Wandel geprägten Weltwirtschaft werden Kompetenzen in hohem Maße über Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit entscheiden. Sie ziehen Investitionen an und treiben die Aufwärtsspirale von Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen an. Sie sind maßgeblich für den sozialen Zusammenhalt.

Doch in Europa ist der Handlungsbedarf in dieser Hinsicht groß: 70 Millionen Europäerinnen und Europäer können nicht richtig lesen und schreiben, noch mehr verfügen über schlechte Rechen- und digitale Kompetenzen und sind dadurch von Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.2 Mehr als die Hälfte der 12 Millionen Langzeitarbeitslosen haben geringe Kompetenzen. Hochschulen müssen ihren Absolventen relevante und aktuelle Kompetenzen vermitteln.

Kompetenzdefizite und das Missverhältnis von Kompetenzangebot und -nachfrage sind augenfällig. Viele Menschen gehen einer Tätigkeit nach, die nicht ihren Talenten entspricht. Gleichzeitig berichten 40 % der europäischen Arbeitgeber über Schwierigkeiten, Arbeitnehmer mit den Kompetenzen zu finden, die sie für Wachstum und Innovation benötigen. Bildungseinrichtungen einerseits und Arbeitgeber und Lernende andererseits haben unterschiedliche Auffassungen davon, wie gut die Absolventen auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet sind.

Zu wenige Menschen verfügen über den Unternehmergeist und die Kompetenzen, die es für die Gründung eines eigenen Unternehmens braucht.

Die nationalen und regionalen Arbeitsmärkte und die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung stehen vor jeweils eigenen Herausforderungen, aber alle Mitgliedstaaten sind mit ähnlichen Problemen und Chancen konfrontiert:

Um die Herausforderungen im Bereich Kompetenzen anzugehen, bedarf es erheblicher politischer Anstrengungen und Reformen der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung. Es sind intelligente Investitionen in die Menschen erforderlich, sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen, ganz wie es dem Stabilitäts- und Wachstumspakt entspricht. Der Bedarf an besseren, aktuellen Kompetenzen ist auch ein zentrales Element der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 8. März 2016 vorgestellt wurde.3

Die Zuständigkeit für die Lerninhalte und die Organisation der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung liegt zwar bei den Mitgliedstaaten, es bedarf aber eines abgestimmten Ansatzes, um aussagekräftige, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Die Union leistet bereits wichtige Beiträge zur Stärkung der europäischen Kompetenzgrundlage, unter anderem im Rahmen des Europäischen Semesters, der Strategie "Europa 2020" mit ihrem zweifachen Bildungsziel, der Investitionsoffensive für Europa, des strategischen Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung ("ET 2020") sowie der Maßnahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Allein aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung werden im Zeitraum 2014-2020 mehr als 30 Mrd. EUR für die Kompetenzentwicklung zur Verfügung gestellt, und das Programm Erasmus+ unterstützt die Kompetenzentwicklung in der allgemeinen und beruflichen Bildung mit fast 15 Mrd. EUR.

Die heute vorgestellte neue europäische Agenda für Kompetenzen steht ganz oben auf der Liste großer Kommissionsinitiativen im Arbeitsprogramm 2016. Sie strebt einen gemeinsamen Ansatz und ein gemeinsames Verständnis der strategischen Bedeutung von Kompetenzen für die Nachhaltigkeit von Arbeitsplätzen, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit an. Die Kompetenzagenda soll bestehende Initiativen stärken und gegebenenfalls straffen, um die Mitgliedstaaten besser bei ihren nationalen Reformen unterstützen zu können und um ein Umdenken sowohl beim Einzelnen als auch auf Organisationsebene zu bewirken. Sie soll für ein gemeines Bekenntnis zu Reformen in den Bereichen führen, in denen das Handeln auf EU-Ebene den größten Mehrwert schafft. Die Agenda gliedert sich in drei große Arbeitsbereiche:

2. HOHE Ziele STECKEN: VORRANGIGE Massnahmen

2.1. Verbesserung der QUALITÄT und RELEVANZ des KOMPETENZERWERBS

Die Menschen brauchen ein breites Spektrum an Kompetenzen, um ihr Potenzial sowohl bei der Arbeit als auch in der Gesellschaft entfalten zu können. Die Union hat mit ihrer Politik zur Förderung eines hohen Bildungsstands beachtliche Erfolge zu verzeichnen. 2014 erwarben rund 10 Millionen mehr Menschen einen Hochschulabschluss als noch 2010, und die Zahl der Schulabbrecher ist seit 2010 von 6 Millionen auf 4,5 Millionen gesunken. Dies bringt uns den Europa-2020-Zielen ein ganzes Stück näher.

Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass Strategien zur Verbesserung des Bildungsstands allein nicht ausreichen. Stattdessen stehen die Qualität und die Relevanz dessen, was die Menschen lernen, mehr und mehr im Vordergrund. Viele junge Menschen verlassen die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung ohne ausreichende Vorbereitung auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt und ohne die Kompetenzen oder die Einstellung, die für die Gründung eines Unternehmens notwendig sind.

Kompetenzen erwirbt man sein Leben lang, auf formalem und informellem Wege und von frühester Kindheit an. Die positiven Auswirkungen einer qualitativen frühen Bildung sind erheblich und gut dokumentiert; die frühe Bildung legt den Grundstein für die spätere Lernfähigkeit und -motivation.

Neben den berufsspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten verlangen Arbeitgeber heutzutage zunehmend übertragbare Kompetenzen wie Teamfähigkeit, kreatives Denken und Problemlösung. Dieser Kompetenzmix ist auch unverzichtbar für diejenigen, die ihr eigenes Unternehmen gründen möchten. In vielen Mitgliedstaaten wird jedoch in den Lehrplänen in der Regel zu wenig Wert auf diese Kompetenzen gelegt, und sie werden nur selten formal bewertet. Interdisziplinäre Profile - d.h. Personen, die in der Lage sind, auf unterschiedlichen Gebieten zu arbeiten - werden zunehmend von den Arbeitgebern geschätzt, auf dem Arbeitsmarkt sind sie jedoch rar.

Die Grundlagen stärken: Grundfertigkeiten

Europa ist mit Herausforderungen im Bereich der Grundfertigkeiten konfrontiert. Die Menschen brauchen ein Mindestmaß an Grundfertigkeiten - Rechnen, Lesen und Schreiben, digitale Grundkompetenzen -, um Zugang zu qualitativen Arbeitsplätzen zu erhalten und um voll an der Gesellschaft teilhaben zu können. Diese Kompetenzen sind die Grundlage für weiteres Lernen und die berufliche Entwicklung. Ungefähr ein Viertel der EU-Bevölkerung kann nicht richtig lesen oder schreiben und hat schwache Rechen- oder digitale Kompetenzen. Mehr als 65 Millionen Menschen in der EU haben keine Qualifikation, die einem Abschluss der Sekundarstufe II entspricht. Die Zahlen unterscheiden sich sehr von Land zu Land; in einigen EU-Ländern beträgt diese Quote 50 % oder mehr.

Da für die meisten Tätigkeiten zunehmend komplexe Kompetenzen notwendig sind, stehen Geringqualifizierten weniger Beschäftigungsmöglichkeiten offen. Geringqualifizierte befinden sich öfter in prekären Beschäftigungsverhältnissen, und ihr Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, ist doppelt so hoch wie das von besser Qualifizierten. Menschen mit unzureichenden Kompetenzen sind zudem oft als Verbraucher benachteiligt, vor allem in immer komplexeren Märkten.

3. LAUFENDE Massnahmen: das Tempo ANZIEHEN

Die oben beschriebenen 10 vorrangigen Maßnahmen sind Teil einer ehrgeizigen langfristigen Strategie, durch die sichergestellt werden soll, dass alle Menschen jene Kompetenzen erwerben, die sie benötigen, um sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Gesellschaft allgemein erfolgreich zu sein.

Andere laufende Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene werden ebenfalls dazu beitragen, diese Kompetenzagenda voranzubringen, indem sie zu besseren Lernmöglichkeiten beitragen und dafür sorgen, dass die allgemeine und berufliche Bildung den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Besondere Anstrengungen sind erforderlich, um die Kluft zwischen der allgemeinen und beruflichen Bildung einerseits und dem Arbeitsmarkt andererseits zu überwinden. Wir müssen weiter in die Modernisierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung und der Hochschulbildung investieren und deren Potenzial als treibende Kraft für die regionale Entwicklung voll nutzen.

3.1. MEHR LERNMÖGLICHKEITEN SCHAFFEN

Mehr Möglichkeiten für praxisorientiertes Lernen und Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Bildung

Praxisorientiertes Lernen, wie etwa eine Berufslehre, ist nachweislich ein Sprungbrett für hochwertige Arbeitsplätze und dient der Entwicklung arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen, einschließlich Querschnitts- und persönlicher Kompetenzen. Hierbei spielen in der Regel die Sozialpartner eine zentrale Rolle. Zukünftig sollten mehr Menschen auf diese Art lernen können. Derzeit besucht nur ein Viertel der Auszubildenden auf Sekundarstufe-II-Niveau berufsbezogene Programme, und die Lehrpläne der allgemeinen und der Hochschulbildung umfassen nur selten berufspraktische Erfahrungen. Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Bildung unter Einbeziehung aller Sektoren und Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung können dieses Potenzial freisetzen.

Einige erfolgreiche Initiativen geben die Richtung vor, indem sie Arbeitsmarktakteure in die allgemeine und berufliche Bildung einbeziehen und junge Menschen bei der Suche nach einem ersten Arbeitsplatz unterstützen. Die Europäische Ausbildungsallianz hat bisher 250 000 innerbetriebliche Ausbildungsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen geschaffen. Im Rahmen des Europäischen Pakts für die Jugend sollen einer Million junger Menschen digitale Kompetenzen vermittelt werden, und das Programm "Das intelligente Klassenzimmer" wird 100 000 Schülerinnen und Schüler erreichen. Über die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze haben Unternehmen und andere Organisationen Millionen zusätzlicher Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen.19

Im Bereich der Hochschul- und Postgraduiertenbildung ist das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) ein Beispiel dafür, wie durch die Zusammenarbeit mit

Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Lehrplanentwicklung, Mobilitätsprogramme und der Zugang zu Forschungs- und industriellen Infrastrukturen gefördert werden können, um eine praxisorientierte Ausbildung unter realistischen Gegebenheiten zu ermöglichen.

All dies sind positive Signale, nur reichen sie ganz eindeutig nicht aus. Damit Lernende stärker mit der tatsächlichen Arbeitswelt in Berührung kommen, wird die Kommission eine Reihe von Unterstützungsdiensten einrichten, um den Wissensaustausch, die Vernetzung und die Zusammenarbeit zur Berufsausbildung zu erleichtern. Sie wird Strukturreformen unterstützen, indem sie Peer Counselling und den Austausch bewährter Verfahren, auch über soziale Medien, fördert.

Sozialpartner aus verschiedenen Branchen wie Handel, Bau und Telekommunikation haben sich auf gemeinsame Standpunkte zum Thema Kompetenzen geeinigt und unter anderem spezifische Praktikumsinitiativen vereinbart. Mehrere EU-Sozialpartner aus verschiedenen Wirtschaftszweigen haben darüber hinaus im Rahmen der Ausbildungsallianz gemeinsame Zusagen dafür gegeben, mehr und bessere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Dies ist auch eine der Prioritäten des gemeinsamen Arbeitsprogramms der europäischen Sozialpartner für den Zeitraum 2015-2017. Die Kommission wird die Sozialpartner bei der Umsetzung der Erkenntnisse ihrer gemeinsamen Projekte unterstützen, indem sie zum Beispiel die Kosteneffizienz von Berufsausbildungen untersucht und möglicherweise einen Qualitätsrahmen für Berufsausbildungen entwickelt.

Mehr Unterstützung für die Mobilität von Lernenden

Mehr Lernende sollten in den Genuss einer Lernerfahrung im Ausland kommen. Statistiken zeigen, dass junge Menschen, die ein Studium oder eine Ausbildung im Ausland absolviert haben, sehr viel schneller eine Beschäftigung finden als jene ohne internationale Erfahrung. Sie können sich rascher an neue Situationen anpassen und Probleme besser lösen. Vor kurzem hat die EU ihren Rechtsrahmen für Studierende und Forschende aus Drittstaaten20 verabschiedet, um einen Aufenthalt in der EU für diese Talente attraktiver zu machen und sie einfacher halten zu können.

Die Mobilität von Hochschulstudierenden hat bereits eine lange Tradition. Bisher haben mehr als 3 Millionen Studierende am Erasmus-Programm teilgenommen. Mobilitätschancen für in der beruflichen Erstausbildung (IVET) befindliche Auszubildende und Lernende werden ebenfalls im Rahmen von Erasmus+ gefördert. Diese Mobilitätsmöglichkeiten können jedoch der derzeitigen Nachfrage bei weitem nicht gerecht werden. Nur in wenigen Ländern sind solche Möglichkeiten Teil der nationalen Programme im Bereich allgemeine und berufliche Bildung und Jugend.

Auch Auszubildende profitieren von Lern- und Arbeitsaufenthalten im Ausland. Um die Bedingungen für ihre Mobilität zu verbessern, führt die Kommission ein Pilotprojekt im Auftrag des Europäischen Parlaments durch, um die Durchführbarkeit und den Nutzen längerer Auslandsaufenthalte (6-12 Monate) für Auszubildende zu bewerten.

Die Budgethilfe der EU allein kann nie ausreichend sein. Nur wenn die Mitgliedstaaten die Mobilitätsförderung in ihre nationalen Programme integrieren, kann einem großen Teil der jungen Menschen dabei geholfen werden, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren.

Darüber hinaus ist die Qualität der Praktika- oder Studienplätze von wesentlicher Bedeutung. Die Finanzierung muss einhergehen mit nationalen Strategien und Maßnahmen, die die Lernerfahrung fördern und schätzen und die Relevanz und Qualität der Aus- bzw. Fortbildung gewährleisten. Im Jahr 2016 soll ein "Mobilitätsanzeiger" für die berufliche Aus- und Weiterbildung eingeführt werden, der einen besseren Überblick über die in der EU bestehenden Fördermaßnahmen bietet und auf dessen Grundlage jene Bereiche ermittelt werden, in denen weiterer Handlungsbedarf besteht.

Mehr Lernen am Arbeitsplatz

Die meisten Menschen, die in den nächsten zwanzig Jahren die erwerbstätige Bevölkerung Europas ausmachen werden, sind heute bereits erwachsen. Sie brauchen ständige Weiterbildung, um ihre Kompetenzen stets auf dem neuesten Stand zu halten und neue berufliche Möglichkeiten für sich nutzen zu können.

Allerdings nimmt nur einer von zehn Erwachsenen organisiertes Lernen in Anspruch. Hierbei handelt es sich häufig um Personen mit einem höheren Kompetenzniveau und Beschäftigte großer Unternehmen. Im Jahr 2010 bot rund ein Drittel der Unternehmen in der EU keinerlei Fort- oder Weiterbildungen für ihre Beschäftigten an, während nur etwa ein Drittel der Beschäftigten an irgendeiner Form von Fort- oder Weiterbildungen teilnahm. Vor kurzem gab ein Viertel der Beschäftigten an, ihre Kompetenzen seit Aufnahme ihrer Tätigkeit nicht weiterentwickelt zu haben.

Es kann noch mehr getan werden, um die Lernumgebung am Arbeitsplatz zu verbessern und Fortbildungen gerade in KMU zu ermöglichen, indem beispielsweise die Bündelung von Ressourcen und Infrastrukturen für gemeinsame Weiterbildungen vereinfacht wird. Die europäischen Struktur- und Investitionsfonds stellen bereits Unterstützung für die Modernisierung der Infrastruktur für die allgemeine und berufliche Bildung zur Verfügung. Zusammen mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) prüft die Kommission derzeit weitere Fördermöglichkeiten in Form günstiger Bankdarlehen für KMU mittels eines speziellen Kompetenz-Finanzinstruments.

Mehr Möglichkeiten zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens

Alle Menschen sollten die Möglichkeit haben, das ganze Spektrum ihrer Kompetenzen in ihrer beruflichen Laufbahn oder für weiteres Lernen einzusetzen. So gibt es immer mehr Möglichkeiten, außerhalb der formalen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zu lernen und Kompetenzen zu erwerben, beispielsweise Praktika, innerbetriebliche Fort- und Weiterbildungen, digitale Ressourcen oder Freiwilligenarbeit. Diese Kompetenzen können - mittels Ermittlung, Dokumentation, Bewertung und Zertifizierung - validiert werden, mit der Option, im Anschluss eine teilweise oder vollständige Qualifikation zu erhalten.

Jedoch sind die Validierungsmöglichkeiten in vielen Ländern kaum bekannt und das Konzept wenig akzeptiert. In einigen Ländern ist eine Validierung nur im Rahmen konkreter Projekte möglich, in anderen sind die administrativen Kosten erheblich.

Um Politik und Fachkreise bei der Einführung nationaler Validierungsregelungen bis 1821 zu unterstützen, haben die Kommission und Cedefop Anfang 2016 Leitlinien für die Validierung veröffentlicht und werden diese regelmäßig aktualisieren. Eine aktualisierte Fassung des Europäischen Inventars zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens, welches eine Momentaufnahme der Situation in Europa bietet und nachahmenswerte Beispiele enthält, wird Ende 2016 veröffentlicht.

3.2. FORTGESETZTE Modernisierung

Lehr- und Ausbildungspersonal unterstützen

Lernende aller Altersgruppen benötigen fähiges Lehrpersonal, um jenes breite Spektrum von Kompetenzen und Denkweisen zu erwerben, das sie für das Leben und ihre künftige Arbeit benötigen. Unterschiedliche Leistungen von Lernenden im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung hängen vor allem vom Charakter einer Person und ihrem familiären Hintergrund ab. Allerdings hat in Bildungseinrichtungen das Lehr- und Ausbildungspersonal den größten Einfluss auf die Leistungen der Lernenden. Es kann als Inspirationsquelle dienen und den Lernenden dabei helfen, weiterreichende und relevantere Kompetenzen zu erwerben. Es spielt außerdem eine zentrale Rolle bei der Einführung neuer Lehr- und Lernmethoden und bei der Förderung von Kreativität und Innovation und hat es in der Hand, die Möglichkeiten der zunehmenden Diversität in den Klassenzimmern zu nutzen und Vorurteile abzubauen.

Der steigende Altersdurchschnitt des Lehrpersonals ist in vielen Ländern ein alarmierender Trend. Wenn diese Lehrkräfte in den Ruhestand treten, besteht die Gefahr von Erfahrungsverlust und Personalknappheit. Es bedarf innovativer Einstellungsmethoden, attraktiver Arbeitsbedingungen und Maßnahmen zur Personalbindung, um eine neue Generation von Lehrkräften zu schaffen. Auch die Entwicklung der Kompetenzen von Lehrkräften - auch altgedienter Lehrkräfte - bleibt eine dringliche Aufgabe in der gesamten EU.

Die Kommission wird den Austausch bewährter Verfahren zwischen Mitgliedstaaten und Interessenträgern in diesem Bereich durch Zusammenarbeit und Mobilitätsmaßnahmen unterstützen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Innovation in der Pädagogik. So sollten etwa flexible Lehrpläne, interdisziplinäre und kooperative Ansätze innerhalb von Einrichtungen sowie die berufliche Entwicklung gefördert werden, um die Einführung innovativer Lehrmethoden wie beispielsweise die Nutzung digitaler Mittel im Unterricht oder die Förderung des Unternehmergeistes anzuregen.

Die Hochschulbildung modernisieren

Bis zum Jahr 2025 werden für fast die Hälfte aller freien Stellen in der EU höhere Qualifikationen erforderlich sein, die in der Regel durch akademische und berufsbezogene Programme auf tertiärem Niveau erworben werden. Die im Rahmen dieser Programme entwickelten Kompetenzen gelten allgemein als Triebkräfte für Produktivität und Innovation. Hochschulabsolventinnen und -absolventen haben bessere Chancen, eine Beschäftigung zu finden und ein höheres Einkommen zu erzielen, als Menschen, die lediglich über einen Abschluss der Sekundarstufe II verfügen.

Eine unlängst erfolgte öffentliche Konsultation über die "Agenda für die Modernisierung von Europas Hochschulsystemen"22 zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Studierenden und jungen Absolventen ein Missverhältnis zwischen ihren Kompetenzen und den in der Wirtschaft benötigten Kenntnissen und Kompetenzen wahrnehmen. Fast die Hälfte der Hochschuleinrichtungen teilt diese Einschätzung. Aus der Konsultation geht auch hervor, dass höhere Bildungseinrichtungen auf regionaler und nationaler Ebene aktiv werden müssen, um nicht nur Fachkräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden, sondern auch Innovation zu fördern.

Andere wichtige Herausforderungen, die von den Interessenträgern festgestellt wurden, umfassen die Auswirkungen des technischen Fortschritts und der Globalisierung auf die Hochschulbildung sowie die Notwendigkeit, Lern- und Arbeitsmarktergebnisse von Absolventen zu verbessern, künftige Studierende besser zu beraten und Multidisziplinarität zu fördern.

Die Kommission wird, aufbauend auf den Ergebnissen der öffentlichen Konsultation und gemeinsam mit den Interessenträgern, die Modernisierung des Hochschulwesens unterstützen. Dabei geht es insbesondere um die Entwicklung von Bewertungsrahmen für Kompetenzen für verschiedene Hochschuldisziplinen, um die Kompetenzen der Studierenden und Absolventen vergleichend bewerten zu können.

4. Umsetzung der Agenda

Die neue Kompetenzagenda gibt eine gemeinsame Agenda für die EU, die Mitgliedstaaten und die Interessenträger auf allen Ebenen vor. Das Ziel ist es, eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Bekenntnis zur Zusammenarbeit bei der Verbesserung der Qualität und Relevanz des Kompetenzerwerbs zu erreichen, um mit den sich rasch verändernden Kompetenzanforderungen des Arbeitsmarktes Schritt halten zu können, jeden mit einem Mindestmaß an Grundfertigkeiten auszustatten und Qualifikationen besser verständlich zu machen, um die Mobilität für Arbeitskräfte und Lernende in der EU zu vereinfachen.

Die Sozialpartner werden eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung dieser Agenda spielen, indem sie auf europäischen und nationalen Initiativen aufbauen, spezifisches Branchenwissen nutzen und innerhalb einzelner Wirtschaftszweige, aber auch branchenübergreifend arbeiten.

Das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung wird weiterhin eine wichtige Rolle bei der Überwachung politischer Reformen in den Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung und Kompetenzen spielen. Die EU wird die Reformbemühungen der Mitgliedstaaten mittels länderspezifischer Analysen, der Förderung des wechselseitigen Lernens und einer faktengestützten Politik bewerten. Um die Konzeption und Umsetzung der Reformen zu unterstützen, wird die Kommission den Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit der OECD bei der Entwicklung nationaler Kompetenzstrategien und Aktionspläne auf der Grundlage eines ressortübergreifenden Ansatzes zur Seite stehen.

Zu den wichtigsten Zielen der neuen Kompetenzagenda gehören eine politische Sensibilisierung für die Bedeutung von Kompetenzen für die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten in Europa und die Behandlung dieser Problematik auf höchster politischer Ebene. Um die politische Dynamik aufrechtzuerhalten, wird die Kommission Möglichkeiten prüfen, regelmäßig über die erzielten Fortschritte zu berichten. Diese Berichte könnten in die Vorbereitungen für das Europäische Semester und in politische Debatten im Europäischen Rat einfließen.

Die Kommission wird in einen intensiveren Dialog mit den Mitgliedstaaten über die bestmögliche Nutzung der bestehenden Finanzierungsprogramme zur Verwirklichung der Ziele der Agenda treten. Die wichtigsten Instrumente in diesem Zusammenhang sind der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF), der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sowie die Programme Horizont 2020 und Erasmus+. Die Möglichkeiten der EIB und anderer Finanzinstitute und -produkte, einschließlich des Europäischen Fonds für strategische Investitionen, sollten ebenfalls umfassend genutzt werden, um Investitionen des Privatsektors in die Kompetenzentwicklung zu fördern.

Im Zuge der Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020 wird die Kommission mögliche Anpassungen prüfen, die erforderlich sind, um die Ziele der Agenda zu erreichen. Weiter vorausschauend und über das Jahr 2020 hinaus wird die Kommission eine Diskussion über die verschiedenen Finanzierungsinstrumente zur Kompetenzförderung anregen.

Durch die Vereinfachung der derzeitigen Verwaltungsstrukturen könnten einige der in diese Agenda vorgeschlagenen Initiativen besser koordiniert werden. In einem ersten Schritt wird - unbeschadet der derzeit bestehenden Verwaltungspraxis für reglementierte Berufe - eine Reihe von Expertengruppen auf EU-Ebene, die sich mit Kompetenzen und Qualifikationen auseinandersetzen, zusammengefasst. Weitere Schritte werden auf der Grundlage einer Bewertung der bestehenden Lenkungsstrukturen unternommen. Die Koordinierung und Kohärenz mit dem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020)23 und seinen kürzlich angenommenen politischen Prioritäten24 werden sichergestellt. Auch die Koordinierung zwischen den von der EU unterstützten nationalen EQRKoordinierungsstellen, Europass-Zentralstellen und Euroguidance-Zentren wird angeregt, um eine einzige Schnittstelle für mehrere europäische Kompetenzinitiativen für die nationalen Interessenträger zu fördern und den Zugang für die Nutzer zu erleichtern. Diese Vereinfachung wird in Absprache mit den Mitgliedstaaten erfolgen.

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, diese Agenda zu billigen und ihre Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Interessenträgern aktiv zu unterstützen. Die Kommission setzt sich für einen kontinuierlichen Konsultationsprozess und einen ständigen Dialog über die Kompetenzagenda mit einem breiten Spektrum von Interessenträgern und der breiten Öffentlichkeit ein.

Anhang
LISTE der Massnahmen und VORLÄUFIGER ZEITRAHMEN MASSNAHME ZEITRAHMEN

MASSNAHMEZEITRAHMEN
Verbesserung der Qualität und Relevanz des Kompetenzerwerbs
Die Grundlagen stärken: GrundfertigkeitenVorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur Einführung einer Kompetenzgarantie (siehe Dokument COM (2016) 382)Juni 2016
Die Resilienz stärken: Schlüsselkompetenzen und höhere, komplexere KompetenzenVorschlag der Kommission zur Überprüfung der Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen - mit besonderem Augenmerk auf der Förderung des unternehmerischen Denkens - und der dazugehörigen europäischen Referenzrahmen Quartal 2017
Berufsausbildung als erste WahlVorschläge der Kommission zur Modernisierung der beruflichen Ausund Weiterbildung, wie etwa eine mögliche Überarbeitung des europäischen Bezugsrahmens für die Qualitätssicherung in der beruflichen Ausund Weiterbildung (EQAVET) und des europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung (ECVET) Quartal 2017
Den Anschluss schaffen: Fokus auf digitalen KompetenzenStart der "Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze"Ende 2016
Verbesserung der Darstellung und der Vergleichbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen
Transparenz und Vergleichbarkeit der Qualifikationen verbessernVorschlag der Kommission zur Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens (siehe Dokument COM (2016) 383)Juni 2016
Kompetenzen und Qualifikationen von Migranten frühzeitig erfassenStart des "Instruments zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige"Juni 2016
Verbesserung der Erfassung von Daten über Kompetenzen und der Dokumentation zur Förderung fundierter Berufsentscheidungen
Bessere Informationen für bessere WahlmöglichkeitenVorschlag der Kommission zur Überarbeitung des Europass-Rahmens für bessere Dienste zur Beschreibung von Kompetenzen und Qualifikationen Quartal 2016
Bessere Informationen für bessere WahlmöglichkeitenWeitere Analysen und Austausch bewährter Verfahren zur Bekämpfung der Abwanderung hochqualifizierter FachkräfteEnde 2016
Die Erfassung von Daten über Kompetenzen in denStart einer Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für KompetenzenJuni 2016
Wirtschaftszweigen fördern
Die Leistungen von Absolventen besser nachvollziehenVorschlag der Kommission für eine Initiative zur Nachverfolgung des Werdegangs von Hochschulabsolventen2. Quartal 2017