Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Einschränkung von Mikroplastikeinträgen und zum Verbot von Mikroplastik in Kosmetika

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Berlin, 3. Juni 2020
Parlamentarischer Staatssekretär

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
hiermit übersende ich Ihnen in der Anlage die Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates vom 15. März 2019 zur Entschließung des Bundesrates zur Einschränkung von Mikroplastikeinträgen und zum Verbot von Mikroplastik in Kosmetika (BR-Drucksache 022/19(B) HTML PDF ).

Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold

Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates zur Einschränkung von Mikroplastikeinträgen und zum Verbot von Mikroplastik in Kosmetika"

- BR-Drucksache 022/19(B) HTML PDF -

Die Bundesregierung nimmt zur Entschließung des Bundesrates vom 15. März 2019, BRDrucksache 022/19(B) HTML PDF gemäß der Nummerierung in der Entschließung wie folgt Stellung:

Vorsorgeprinzip

In Übereinstimmung mit dem Bundesrat und den dortigen Ausführungen zu Punkt 1 und 2 hält es die Bundesregierung zum Schutz von Binnengewässern und Meeresökosystemen, aber auch von Böden vor Verschmutzung für geboten, vorsorgliche Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung von Mikroplastik zu ergreifen. Der Bundesrat weist zutreffend darauf hin, dass die Quellen von Mikroplastik vielfältig sind. Darüber hinaus sind die möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit derzeit noch nicht ausreichend erforscht. Basierend auf dem Vorsorgeprinzip bedarf es daher eines übergreifenden Ansatzes zur Reduzierung des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt.

Produktdesign

Unter Bezugnahme auf Punkt 3 der Entschließung des Bundesrates weist die Bundesregierung darauf hin, dass bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus" bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produkts durch dessen Design vorbestimmt sind, hier also vorrangig anzusetzen ist:

Im Jahr 2012 haben deshalb Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt in Kooperation mit dem Internationalen Design Zentrum (IDZ) den Bundespreis Ecodesign ins Leben gerufen. Der Preis zeichnet Produkte, Dienstleistungen und Konzepte aus, die sowohl unter Umwelt- als auch Designaspekten besonders hochwertig und innovativ sind. Der Bundespreis Ecodesign ist die höchste staatliche Auszeichnung für ökologisches Design und in der Design-Szene sehr gut etabliert. Die ausgezeichneten Projekte stammen aus vielen Bereichen wie etwa Bau, Haushalt, Interieur, Kommunikation, Mobilität und Mode. Alle Einreichungen werden vorab einer Prüfung durch Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes unterzogen, bei der die potentielle Freisetzung von Mikroplastik maßgeblich ist für die ökologische Vorbewertung.

Das Bundesumweltministerium ist zudem Zeicheninhaber des Blauen Engel, dem Umweltzeichen der Bundesregierung seit 1978. Die Vergabekriterien des Blauen Engel für Wasch- und Reinigungsmittel (DE-UZ 202, DE-UZ 194) schließen Rezepturen mit Mikroplastik aus. Aktuell werden für den Blauen Engel Vergabekriterien für mikroplastikfreie Kunstrasenplätze erarbeitet. Mit einem Beschluss der Jury Umweltzeichen wird zum Jahresende 2020 gerechnet.

Die Verminderung und Vermeidung von Mikroplastik ist grundsätzlich auch im Rahmen des EU-Ökodesign vorstellbar. So können hier bspw. Anforderungen an die Hersteller von Waschmaschinen oder Trocknern gestellt werden. Diese könnten von Informationsanforderung zur Filterreinigung hin zu Anforderungen an das Design der Filter selbst reichen. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass entsprechende Anforderungen in Ökodesign-Verordnungen, als unmittelbar geltendem EU-Recht, auch nur auf der EU-Ebene umgesetzt werden können. Nationale Regelungen, die ggf. zu einer Beeinträchtigung des europäischen Binnenmarktes führen würden, sind nur unter engen Maßstäben möglich.

Herstellerverantwortung

Unter Bezugnahme auf Punkt 4 und 5 der Entschließung teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesrates, dass freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Mikroplastik an der Quelle am schnellsten wirken:

Das Bundesumweltministerium hatte deshalb bereits im Jahr 2013 den nationalen Kosmetikdialog Eliminierung von festen Mikroplastikpartikeln aus kosmetischen Produkten initiiert. Sein Ziel war, die Kosmetikindustrie zum freiwilligen Verzicht auf die Beigabe von festen Mikroplastikpartikeln zu veranlassen.

Der europäische Kosmetikverband (Cosmetics Europe) hatte anschließend im Jahr 2015, angestoßen vom Kosmetikdialog in Deutschland, eine EU-weite Empfehlung zum Komplettverzicht auf den Zusatz von Mikroplastikpartikeln (sog. Microbeads) in abrasiven rinse off-Produkten bis 2020 formuliert. Nach Auskunft von Cosmetics Europe konnte bis Ende 2017 der Gebrauch von Mikroplastik in solchen Produkten um 97,6 % reduziert, d.h. nahezu eingestellt werden. (https://www.cosmeticseurope.eu/newsevents/over-97-plasticmicrobeadsalreadyphasedoutcosmeticscosmeticseuropeannounces).

Das Ziel des nationalen Kosmetikdialogs der Eliminierung von festen Mikroplastikpartikeln aus kosmetischen Produkten ist damit erreicht.

Verbote auf europäischer Ebene

Unter Bezugnahme auf Punkt 6 der Entschließung weist die Bundesregierung auf das Erfordernis hin, bei angestrebten Verboten von Mikroplastik vorrangig auf europäischer Ebene aktiv zu werden:

Zur Vorbereitung eines solchen Verbots hat im Januar 2018 die Europäische Kommission im Rahmen der EU-Kunststoffstrategie die Europäische Chemikalienagentur ECHA gemäß Artikel 69 Absatz 1 der REACH-Verordnung (EU) Nr. 1907/2006 beauftragt, eine Beschränkung für absichtlich zugesetzte Mikroplastikpartikel zu prüfen.

Im Januar 2019 hat die Europäische Chemikalienagentur ECHA einen Entwurf gemäß der REACH-Verordnung (EU) Nr. 1907/2006 für eine Beschränkung für absichtlich zugesetzte Mikroplastikpartikel veröffentlicht. Der Entwurf erfasst grundsätzlich alle Einsatzbereiche von absichtlich zugesetzten Mikroplastikpartikeln in Produkten, also auch Kosmetikartikel und Pflegeprodukte. Die Definition beinhaltet sowohl feste Partikel wie feste Fasern und legt Abmessungen bis zur Nano-Ebene fest.

Entsprechend den Regelungen der REACH-Verordnung erfolgten zum Entwurf zunächst die öffentliche Konsultation (20.03. - 20.09.2019) und die Prüfung durch die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA. Nach der Veröffentlichung der Stellungnahmen der ECHA-Ausschüsse (voraussichtlich im Juni 2020) obliegt es der Europäischen Kommission, über die Vorlage eines konkreten REACH-Beschränkungsvorschlags zu entscheiden und diesen mit den Mitgliedstaaten zu diskutieren. Auf der Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission wird die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung erfolgen.

Das Bundesumweltministerium begrüßt, dass mit dem KOM-Auftrag an die ECHA und mit den ECHA-Aktivitäten die Prüfung eines weiteren Schrittes zur EU-weiten Minimierung des Eintrags von Mikroplastikpartikeln in die Umwelt durchgeführt wird. Sollte dieses Verfahren zu einem entsprechenden Beschränkungseintrag führen, wäre der Eintrag von absichtlich zugesetzten Mikroplastikpartikeln umfassend und EU-weit minimiert.

Nationale Verbote

Zu der in Punkt 7 der Entschließung angesprochenen nationalen Verbotsregelung wird auf das bereits näher beschriebene REACH-Beschränkungsverfahren mit seinem grundsätzlich alle Einsatzbereiche von Mikroplastikpartikeln in Produkten umfassenden Prüfauftrag verwiesen. Da die Europäische Kommission mit ihrem Auftrag an die ECHA bereits deutlich ein europäisches Regelungsbedürfnis anerkannt hat, scheidet ein entsprechendes nationales Vorgehen aus. Angesichts des laufenden REACH-Beschränkungsverfahrens ist nicht zu erwarten, dass die Europäische Kommission ein Regelungsbedürfnis für eine nationale Sonderregelung anerkennen würde. Darüber hinaus hätte eine deutsche Regelung angesichts des mit dem ECHA-Vorschlag verfolgten umfassenden Regelungsansatzes keinen zusätzlichen inhaltlichen Mehrwert.

Erstreckung der Aktivitäten auf schwer abbaubare Polymere

Eine umfassende chemikalienrechtliche Verbotsregelung für gelartige, flüssige oder wasserlösliche Polymere kommt zumindest kurzfristig nicht in Betracht. Der aktuelle Kenntnisstand über die Eigenschaften und die möglichen Auswirkungen dieser umfangreichen Stoffgruppen auf Umwelt und Gesundheit reicht zur Begründung einer Beschränkung nicht aus, Polymere sind unter REACH bisher nicht registrierungspflichtig. Erst im Frühsommer 2020 wird die Europäische Kommission deshalb Studienergebnisse für spezielle Registrierungspflichten vorlegen und hat angekündigt, dass sie darauf aufbauend Überlegungen zur Anpassung der REACH-Verordnung anstellen wird. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesumweltministerium die für Chemikalien zuständigen Bundesoberbehörden im Januar 2018 beauftragt, die Gefahrenpotenziale dieser Stoffgruppe näher zu untersuchen, um möglichen Regelungsbedarf erkennen zu können.

Die Bundesregierung wird die Europäische Kommission auch weiterhin bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Kunststoffstrategie sowohl durch konkrete Vorschläge zu weiteren Maßnahmen als auch durch die konstruktive Mitarbeit bei Rechtsetzungsmaßnahmen unterstützen, wie zum Beispiel der neuen Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt.

* siehe Drucksache 022/19(B) HTML PDF