Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 72, 105 und 125b)

A. Problem und Ziel

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts vorgelegt, der die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 (BVerfGE 148, 147) - (BGBl I 2018, 531) - umsetzt.

Die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die notwendige Reform des Grundsteuer- und des Bewertungsgesetzes wird nicht einheitlich beantwortet. Es werden unterschiedliche Auffassungen zur Frage der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung der Grundsteuer zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im Bundesgebiet nach der seit dem 16. November 1994 geltenden Fassung des Artikels 72 Absatz 2 Grundgesetz (GG) vertreten.

Artikel 125a Absatz 2 GG räumt dem Bund lediglich eine begrenzte Änderungskompetenz des fortgeltenden Bundesrechts unter Beibehaltung der wesentlichen Elemente ein, erlaubt aber keine grundlegende Neukonzeption der Materie.

Da die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Wissenschaft nicht einheitlich beurteilt wird, soll diese unzweifelhaft abgesichert werden. Dazu erhält der Bund mit dieser Grundgesetzänderung uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer. Zeitgleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet. Dafür bestehen gute Gründe mit Blick auf das Ziel einer bundesgesetzlichen Grundlage. Zugleich bietet sich gerade die Grundsteuer aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung vorhandenen kommunalen Hebesatzrechts dafür an, die Steuerautonomie der Länder zu stärken.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung des Grundgesetzes vor, um dem Bund ausdrücklich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen, ohne dass für deren Ausübung die Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 GG vorliegen müssen. Um den Ländern die Befugnis zu umfassenden abweichenden landesrechtlichen Regelungen einzuräumen, wird den Ländern für die Grundsteuer das Recht zu abweichenden Regelungen nach Artikel 72 Absatz 3 GG eingeräumt.

C. Alternativen

Keine Änderung des Grundgesetzes.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Ein Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger ist nicht zu erwarten.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Ein Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft ist nicht zu erwarten.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Durch das Gesetz werden keine Informationspflichten eingeführt oder abgeschafft. E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand für die Verwaltung ist mit der Grundgesetzänderung nicht unmittelbar verbunden.

F. Weitere Kosten

Durch das Gesetz entstehen der Wirtschaft keine Kosten, da sie von der Regelung nicht unmittelbar betroffen ist. Unmittelbare Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b)

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 19. Juli 2019
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b) mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 40) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 wird der Punkt am Satzende durch ein Semikolon ersetzt und folgende Nummer 7 wird angefügt:

"7. die Grundsteuer".

2. Artikel 105 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

3. Dem Artikel 125b wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) Auf dem Gebiet des Artikels 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 darf abweichendes Landesrecht der Erhebung der Grundsteuer frühestens für Zeiträume ab dem 1. Januar 2025 zugrunde gelegt werden."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Ziel des Gesetzentwurfs ist die Begründung einer uneingeschränkten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts ohne die besonderen Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 GG, unter gleichzeitiger Ermächtigung der Länder zu abweichenden landesrechtlichen Regelungen. Die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die notwendige Reform des Grundsteuer- und des Bewertungsgesetzes wird nicht einheitlich beantwortet. Gemäß Artikel 105 Absatz 2 GG hat der Bund für die Grundsteuer die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 GG. Es werden unterschiedliche Auffassungen zur Frage des Erfordernisses einer bundeseinheitlichen Regelung der Grundsteuer zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im Bundesgebiet nach der seit dem 16. November 1994 geltenden Fassung des Artikels 72 Absatz 2 GG vertreten. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 2018 hingewiesen, ohne dass es dazu einer Entscheidung bedurfte.

Artikel 125a Absatz 2 GG räumt dem Bund lediglich eine begrenzte Änderungskompetenz des fortgeltenden Bundesrechts unter Beibehaltung der wesentlichen Elemente ein, erlaubt aber keine grundlegende Neukonzeption der Materie.

Da die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Wissenschaft nicht einheitlich beurteilt wird, soll diese unzweifelhaft abgesichert werden. Dazu erhält der Bund mit dieser Grundgesetzänderung uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer. Zeitgleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet. Dies entspricht der bisherigen Systematik bundeseinheitlicher Steuergegenstände und Bemessungsgrundlagen auf der einen und Hebesatzautonomie der Gemeinden auf der anderen Seite bei Grund- und Gewerbesteuer. Hierfür bestehen gute Gründe. Das betrifft vor allem die Schaffung einer bundesgesetzlichen Grundlage. Denn die Grundsteuer wird aufgrund ihrer historisch gewachsenen Funktion als unverzichtbare Finanzierungsquelle für die Kommunen bundesweit erhoben. Darüber hinaus bestehen Querbezüge zwischen Grund- und Gewerbebesteuerung insbesondere im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, die Vorkehrungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen erfordern. Zugleich bietet sich gerade die Grundsteuer aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung vorhandenen kommunalen Hebesatzrechts dafür an, die Steuerautonomie der Länder zu stärken. Dem trägt die vorgesehene Abweichungsbefugnis der Länder Rechnung.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Durch Ergänzung des Artikels 105 Absatz 2 GG wird die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Grundsteuer festgeschrieben und die Abweichungsbefugnis der Länder durch Aufnahme der Grundsteuer in den Katalog in Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 GG begründet.

III. Alternativen

Keine Änderung des Grundgesetzes.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Änderung des Grundgesetzes folgt aus Artikel 79 Absatz 1 GG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Das Gesetz steht mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen in Einklang.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind nicht unmittelbar betroffen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die Managementregeln und Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurden geprüft. Der Gesetzentwurf berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Grundgesetzänderung ergeben sich keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen. Die Auswirkungen sind nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung und der Wahrnehmung der eingeräumten Kompetenzen abhängig.

4. Erfüllungsaufwand

Ein Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger bzw. für die Wirtschaft ist nicht unmittelbar zu erwarten. Insoweit werden keine Vorgaben neu eingeführt, geändert oder abgeschafft. Es werden keine Informationspflichten eingeführt oder abgeschafft.

5. Weitere Kosten

Unmittelbare Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern.

VII. Befristung; Evaluierung

Keine.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Grundgesetzes)

Zu Nummer 1

Durch Aufnahme der neuen Nummer 7 in Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 GG wird den Ländern die Befugnis zur abweichenden Gesetzgebung über die Grundsteuer eingeräumt.

Zu Nummer 2

Mit der Ergänzung des Artikels 105 Absatz 2 GG wird dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer unabhängig von den Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 GG zugewiesen.

Zu Nummer 3

Mit der Regelung soll gewährleistet werden, dass die Grundsteuer erst für Veranlagungszeiträume ab dem 1. Januar 2025 auf der Grundlage abweichenden Landesrechts erhoben werden kann. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass zu einem einheitlichen Zeitpunkt (1. Januar 2025) in allen Ländern die Grundsteuer nach neuem Recht - bundesgesetzlich oder landesgesetzlich geregelt - erhoben wird. Eine vorherige Diversifizierung der Grundsteuererhebung soll steuerpolitisch vermieden werden. Die Regelung ermöglicht es den Ländern zugleich, bereits frühzeitig und parallel zur Fortgeltung des bisherigen Bundesrechts bis zum 31. Dezember 2024 mit den erforderlichen Schritten zur verfahrensmäßigen Umsetzung abweichenden Landesrechts zu beginnen (z.B. Anforderung der Steuererklärungen, Erlass von Steuermessbescheiden).

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.