Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes

A. Zielsetzung

Die nuklearen Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan bedeuten einen Einschnitt für die friedliche Nutzung der Kernenergie auch in Deutschland. Im Lichte dieser Ereignisse hat die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke betrieben werden, die Sicherheit aller deutschen Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Atomaufsichtsbehörden der Länder überprüfen lassen und zudem durch eine Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" einen gesellschaftlichen Dialog zu den Risiken der Nutzung der Kernkraft und zu der Möglichkeit eines beschleunigten Übergangs in das Zeitalter der erneuerbaren Energien angestoßen.

Die Bundesregierung hat unter Einbeziehung der Ergebnisse der Reaktor-Sicherheitskommission und der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" sowie des absoluten Vorrangs der nuklearen Sicherheit beschlossen, die Nutzung der Kernenergie zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden.

Hierzu sollen die Elektrizitätsmengen nach Anlage 3 Spalte 4 aufgehoben und zusätzlich die Berechtigungen der Kernkraftwerke zum Leistungsbetrieb - im Hinblick auf die Sicherstellung der Versorgungssicherheit, die Einhaltung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele und die Gewährleistung einer preiswürdigen und sozialverträglichen Strompreisentwicklung - auf den noch erforderlichen Zeitraum zeitlich gestaffelt bis zum 31. Dezember 2022 befristet und so ein festes Enddatum für die friedliche Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in Deutschland eingeführt werden.

B. Lösung

Durch eine Neufassung von § 7 Absatz 1a Satz 1 und 2 werden die Berechtigungen der Kernkraftwerke zum Leistungsbetrieb zeitlich befristet.

Die in Anlage 3 Spalte 4 mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes eingefügten Elektrizitätsmengen entfallen.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Es entstehen keine Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand. Mit Wegfall der in Anlage 3 Spalte 4 mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes eingefügten Elektrizitätsmengen entfallen elektrizitätsmengenbezogene Einnahmen für den Energie- und Klimafonds entsprechend Förderfondsvertrag. Zudem mindert die Änderung des § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer im Erhebungszeitraum 2011 bis 2016 um etwa eine Milliarde Euro jährlich.

2. Vollzugsaufwand

Es entsteht kein Vollzugsaufwand.

E. Sonstige Kosten und Auswirkungen auf das Preisniveau

Es sind moderate Auswirkungen auf die Strompreise und gegebenenfalls auch auf das Verbraucherpreisniveau zu erwarten. Eine genaue Bezifferung ist aufgrund zahlreicher Variablen und nicht vorhersehbarer Entwicklungen nicht möglich.

F. Bürokratiekosten

1. Bürokratiekosten für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft wird eine bestehende Informationspflicht eingeschränkt. Hieraus resultiert insgesamt eine jährliche Nettoentlastung von einigen hundert Euro.

2. Bürokratiekosten für die Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

3. Bürokratiekosten für die öffentlichen Haushalte

Für die öffentliche Verwaltung wird eine bestehende Informationspflicht eingeschränkt. Entlastungen entstehen hierdurch erst ab dem Jahr 2022.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 6. Juni 2011
Die Bundeskanzlerin

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 18.07.11

Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Atomgesetzes

Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch [ .... ] geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 7 wird wie folgt geändert:

2. Nach § 23b wird folgender § 23c eingefügt:

" § 23c Zuständigkeit der Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur ist für Entscheidungen nach § 7 Absatz 1 e Satz 1 zuständig."

3. Anlage 3 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I. Kernenergienutzung

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung des Energiekonzepts im Jahr 2010 hat die Bundesregierung ausgeführt, dass die Kernenergie als Brückentechnologie für einen Übergangszeitraum weiter genutzt werden soll, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann.

Auch nach den schwerwiegenden Ereignissen in Japan ist es zum jetzigen Zeitpunkt aus Gründen der Versorgungssicherheit, des Klimaschutzes und einer preiswürdigen Energieversorgung nicht möglich, sofort gänzlich auf die Nutzung der Kernenergie zu verzichten. Gleichwohl machen die Ereignisse in Japan eine Neubewertung der mit der Kernenergienutzung verbundenen Risiken erforderlich.

Um eine vorbehaltslose Analyse und die Neubewertung auf einer breiten Datengrundlage zu ermöglichen, hat die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke betrieben werden, vereinbart, die Sicherheit aller deutschen Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission überprüfen zu lassen.

Die Reaktor-Sicherheitskommission kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die deutschen Anlagen einen hohen Robustheitsgrad aufweisen und im Hinblick auf die Ereignisse in Fukushima hinsichtlich der Stromversorgung und der Berücksichtigung externer Überflutungsereignisse für deutsche Anlagen eine höhere Vorsorge festzustellen ist. Die Bewertung der Kernkraftwerke bei den ausgesuchten Einwirkungen zeigt, dass abhängig von den betrachteten Themenfeldern über alle Anlagen kein durchgehendes Ergebnis in Abhängigkeit von Bauart, Alter der Anlage oder Generation auszuweisen ist [vgl. Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission"Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung (RSK-SÜ) deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan)", S. 15 f.].

Auch in Kenntnis der Resultate dieser Überprüfungen ist die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" unter Einbeziehung von Kirche, Politik und Wissenschaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Realität eines Reaktorunfalls substanziellen Einfluss auf die Bewertung des Restrisikos hat und die mögliche Unbeherrschbarkeit eines Unfalls eine zentrale Bedeutung im nationalen Rahmen einnimmt (vgl. Bericht der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" vom 30. Mai 2011, S. 1 1f.). Mithin solle angestrebt werden, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität soweit wie möglich zu beschränken und innerhalb eines Jahrzehnts den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie zu vollziehen.

Die Bundesregierung hat unter Einbeziehung dieser Ergebnisse beschlossen, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zum frühestmöglichen Zeitpunkt - zeitlich gestaffelt - zu beenden.

Zu diesem Zweck wird nunmehr ein festes Enddatum für die friedliche Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität eingeführt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch bei erheblichen Anstrengungen auf den durch das Energiepaket der Bundesregierung umfassten Gebieten - insbesondere des Ausbaus der erneuerbaren Energien, des Ausbaus der Netz- und Speicherkapazitäten, der Intensivierung der Gebäudesanierung, der Verbesserung der Energieeffizienz und der Bereitstellung zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten - ein vollständiger Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität faktisch vor dem Jahr 2022 nicht möglich ist.

Um die Nutzung der Kernenergie aber auf den absolut notwendigen Zeitraum zu beschränken und einen noch schnelleren Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu ermöglichen, ergreift die Bundesregierung auf den genannten Gebieten im Rahmen des Energiepakets eine Vielzahl energiepolitischer Initiativen und Maßnahmen und wird - unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger - einen zügigen und effizienten Ausbau der erneuerbaren Energien und der hierfür erforderlichen Infrastrukturen weiter vorantreiben.

Die Änderung des Atomgesetzes ist Teil dieses umfangreichen Maßnahmenpaketes und fügt sich in das energiepolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung ein.

II. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

Die Elektrizitätsmengen nach Anlage 3 Spalte 4 werden aufgehoben und zusätzlich die Berechtigungen der Kernkraftwerke zum Leistungsbetrieb - zeitlich gestaffelt - befristet. Mit der Einführung eines festgelegten Enddatums für die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität werden die Konsequenzen aus den Ereignissen in Japan und der daran anknüpfenden Überprüfung und gesellschaftspolitischen Diskussion in Deutschland gezogen und für alle Beteiligten zusätzliche Planungssicherheit geschaffen.

III. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Für die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen und den Schutz gegen Gefahren, die bei dem Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, hat der Bund gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 des Grundgesetzes die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen betreffen die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken und unterfallen damit der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 des Grundgesetzes.

IV. Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung

Nach der Einschätzung des Gesetzgebers aus dem Jahre 2002 ergab sich aufgrund einer Neubewertung der Risiken der Nutzung der Kernkraft zur Elektrizitätserzeugung und der dazu seit Beginn der Nutzung weltweit gewonnenen Erkenntnissen über -den Betrieb von Kernkraftwerken,

dass diese Risiken, soweit der deutsche Gesetzgeber auf sie einzuwirken vermag, nur noch für einen begrenzten Zeitraum hinnehmbar seien. Deshalb wurde an der mit dem Atomgesetz von 1959 getroffenen positiven Entscheidung zu Gunsten der Kernenergie nicht mehr festgehalten und, unter anderem, die bestehenden unbefristeten Genehmigungen durch die gesetzliche Festschreibung von Elektrizitätsmengenerzeugungsrechten, die sich an einer Regellaufzeit jeder Anlage von etwa 32 Jahren orientierten, faktisch eingeschränkt.

Bereits in der Begründung des Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 (BT-Drs. 014/6890) hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass die dortige Zugrundelegung einer Regellaufzeit von 32 Jahren den Betreibern eine Amortisation ihrer Investitionen und darüber hinaus die Erzielung eines angemessenen Gewinns ermögliche. Die Regelungen des Gesetzes vom 22. April 2002 beruhten auf Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Betreibern und spiegeln die von den Parteien in der Vereinbarung vom 14. Juni 2000 niedergelegten Modalitäten wider.

Auch die nunmehr vorgesehene zeitliche Befristung der Berechtigung zum Leistungsbetrieb ist - insbesondere im Hinblick auf Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes - so ausgestaltet, dass die von dieser Regelung betroffenen Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet werden und den Betreibern eine Amortisation der Investitionen sowie die Erzielung eines angemessenen Gewinns weiterhin ermöglicht wird. Mit Blick auf diese nunmehr vorgeschlagenen Befristungen und daraus resultierenden Laufzeitenden ist unter Berücksichtigung der möglichen Übertragung von Elektrizitätsmengen eine Regellaufzeit von 32 Jahren, die aus jetziger Sicht eine Amortisation und angemessene Gewinnerzielung ermöglicht, weiterhin gewährleistet.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Kalkar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1978 allein dem Gesetzgeber die normative Grundsatzentscheidung für oder gegen die Nutzung der Kernenergie obliegt und der Grundrechtsschutz nach Artikel 14 des Grundgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schutz von zukünftigen Gewinnen und Erwerbschancen umfasst. Dies gilt auch für den durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes erweiterten Rahmen für die Erzeugung von Elektrizität.

V. Finanzielle Auswirkungen

Kosten für die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Es entstehen keine Haushaltausgaben ohne Vollzugsaufwand. Mit Wegfall der in Anlage 3 Spalte 4 mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes eingefügten Elektrizitätsmengen entfallen elektrizitätsmengenbezogene Einnahmen für den Energie- und Klimafonds entsprechend Förderfondsvertrag. Zudem mindert die Änderung des § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer im Erhebungszeitraum 2011 bis 2016 um etwa eine Milliarde Euro jährlich.

2. Vollzugsaufwand

Es entsteht kein Vollzugsaufwand.

Bürokratiekosten

- Bürokratiekosten für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entfällt für die acht Anlagen, deren Berechtigung zum Leistungsbetrieb mit Inkrafttreten des Gesetzes erlischt, die bisherige Informationspflicht, erzeugte Elektrizitätsmengen monatlich an das Bundesamt für Strahlenschutz zu melden. Die Informationspflicht wird zudem abschließend auf das Jahr 2022 beschränkt.

- Bürokratiekosten für die Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Informationspflichten für die Bürgerinnen und Bürger neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Es entstehen keine Bürokratiekosten für die Bürgerinnen und Bürger.

- Bürokratiekosten für die öffentlichen Haushalte

Für das Bundesamt für Strahlenschutz entfällt die Informationspflicht, die nach Anlage 3 Spalte 2 produzierten Elektrizitätsmengen jährlich zusammengerechnet im Bundesanzeiger bekannt zu machen, ab dem Jahr 2022.

Sonstige Kosten und Auswirkungen auf das Preisniveau

Es entstehen keine zusätzlichen unmittelbaren Kosten.

Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind derzeit nicht verlässlich berechenbar. Es sind moderate Auswirkungen auf die Strompreise und gegebenenfalls auch auf das Verbraucherpreisniveau zu erwarten.

VI. Gleichstellungspolitische Auswirkungen

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen wurden gemäß § 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes und gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien anhand der Arbeitshilfe "Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften" untersucht. Die Prüfung ergab, dass Frauen und Männer nicht unterschiedlich, weder unmittelbar noch mittelbar, von dem Entwurf des Änderungsgesetzes betroffen sind.

VII. Vereinbarkeit mit Europarecht

Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft und das auf ihm beruhende Sekundärrecht enthalten keine Regelungen, die den vorgesehenen Änderungen des Gesetzes entgegenstehen. Es ist europarechtlich allgemein anerkannt, dass die energiewirtschaftliche Entscheidung über den Umfang der friedlichen Nutzung der Kernenergie in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Mitgliedstaates fällt.

VIII. Nachhaltige Entwicklung

Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zielt unter anderem auf den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und eine dauerhaft tragfähige Entwicklung. Hierzu leistet der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien einen substantiellen Beitrag.

IX. Befristung

Die Regelungen dienen der Umsetzung langfristiger energiepolitischer Ziele. Eine Befristung kommt daher nicht in Betracht.

B. Zu den einzelnen Artikeln

Zu Artikel 1 (Änderung des Atomgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 7)

Die Bundesregierung hat unter Einbeziehung der Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfungen durch die Reaktorsicherheitskommission und unter Berücksichtigung des Berichts der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" beschlossen, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zum frühestmöglichen Zeitpunkt - zeitlich gestaffelt - zu beenden.

Zu diesem Zweck wird nunmehr ein festes Enddatum für die friedliche Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität eingeführt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch bei erheblichen Anstrengungen auf den durch das Energiepaket der Bundesregierung umfassten Gebieten - insbesondere des Ausbaus der erneuerbaren Energien, des Ausbaus der Netz- und Speicherkapazitäten, der Intensivierung der Gebäudesanierung, der Verbesserung der Energieeffizienz und der Bereitstellung zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten - ein vollständiger Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität faktisch vor dem Jahr 2022 nicht möglich ist.

Um die Nutzung der Kernenergie aber auf den absolut notwendigen Zeitraum zu beschränken und einen noch schnelleren Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu ermöglichen, ergreift die Bundesregierung auf den genannten Gebieten im Rahmen des Energiepakets eine Vielzahl energiepolitischer Initiativen und Maßnahmen und wird - unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger - einen zügigen und effizienten Ausbau der erneuerbaren Energien und der hierfür erforderlichen Infrastrukturen weiter vorantreiben.

Zur Erreichung der dargelegten Ziele werden die Elektrizitätsmengen nach Anlage 3 Spalte 4 aufgehoben und zusätzlich mit den Regelungen im neu gefassten Absatz 1a Satz 1 und 2 die Berechtigungen zum Leistungsbetrieb der Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zeitlich befristet.

Für die Anlagen Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 1 genannten Datums.

Für die Anlage Grafenrheinfeld erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb spätestens mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 2 genannten Datums, für die Anlage Gundremmingen B spätestens mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 3 genannten Datums, für die Anlage Philippsburg 2 mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 4 genannten Datums, für die Anlagen Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 5 genannten Datums und für die Anlagen Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 spätestens mit Ablauf des in Satz 1 Nummer 6 genannten Datums. Auch soweit auf diese Anlagen nach § 7 Absatz 1 b Elektrizitätsmengen übertragen werden, ist ein Leistungsbetrieb über die genannten Daten hinaus nicht zulässig. Im Übrigen bleiben die bestehenden Möglichkeiten zur Elektrizitätsmengenübertragung unberührt. Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb endet bereits vor den genannten Daten, soweit die jeweilige Anlage nicht mehr über Elektrizitätsmengen nach Anlage 3 Spalte 2 oder zusätzlichen aus einer Übertragung resultierenden Elektrizitätsmengen verfügt.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit diesen Regelungen die Versorgungssicherheit jederzeit gewährleistet ist. Die Bundesnetzagentur verfügt entsprechend den Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes über die dafür notwendigen Instrumente.

Die nunmehr geregelten Zeiträume sind so bemessen, dass sie den Genehmigungsinhabern der Kernkraftwerke für alle Anlagen eine Amortisation ihrer Investitionen sowie das Erzielen eines angemessenen Gewinns ermöglichen, wobei auch hier eine Regellaufzeit von 32 Jahren zu Grunde gelegt worden ist. Hierzu bleiben die mit der Änderung des Atomgesetzes im Jahre 2002 in Anlage 3 Spalte 2 geregelten Elektrizitätsmengen unverändert. Eine Übertragung von Elektrizitätsmengen - auch eine weitere Übertragung bereits übertragener, jedoch im Einzelfall noch nicht erzeugter Elektrizitätsmengen - bleibt unter Berücksichtigung der durch Absatz 1a Satz 1 Nummern 1 bis 6 geregelten Daten für das späteste Erlöschen der Berechtigung zum Leistungsbetrieb der jeweiligen Kernkraftwerke weiterhin möglich.

Bei den Änderungen der Absätze 1 b und 1 c handelt es sich um erforderliche Folgeänderungen zu der Streichung von Anlage 3 Spalte 4 sowie der Neufassung von Absatz 1a Satz 1. Durch Absatz 1 b Satz 4 wird klargestellt, dass Elektrizitätsmengen eines Kernkraftwerks auch nach Erlöschen der Berechtigung zum Leistungsbetrieb übertragen werden können. Dies gilt bis zum 31. Dezember 2022. Die Übertragungsmöglichkeit ändert jedoch nichts an den in Absatz 1a Satz 1 Nummern 1 bis 6 geregelten Daten für das späteste Erlöschen der Berechtigung zum Leistungsbetrieb der jeweiligen Kernkraftwerke.

Durch den neu gefassten Absatz 1e erhält die Regulierungsbehörde die Möglichkeit - soweit aus ihrer Sicht erforderlich - unter energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten den Genehmigungsinhaber einer Anlage nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 zu verpflichten, die Anlage als Teil der Reserve für die nächsten zwei Jahre bereitzuhalten. Die Regelung dient der Sicherstellung der Sicherheit und der Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems.

Nach dem jüngsten Bericht der Bundesnetzagentur zu den Auswirkungen der einstweiligen Betriebseinstellung der sieben ältesten Kernkraftwerke auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit sind insbesondere zur Frage der Netzstabilität in Süddeutschland weitere Faktenerhebungen und Untersuchungen erforderlich. Die Versorgungssicherheit muss jederzeit und überall, auch unter extremen Bedingungen, gewährleistet sein.

Um zu verhindern, dass die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems aufgrund von netztechnischen Engpässen oder nicht hinnehmbaren Spannungszuständen gefährdet oder gestört wird, muss - soweit die Gefährdung oder Störung nicht durch andere gesetzlich vorgesehene Maßnahmen wie etwa die Inbetriebnahme fossiler Reservekraftwerke beseitigt werden kann - eine ausreichende Reservekapazität von einem der Kernkraftwerke nach § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 vorgehalten werden können. Da und soweit für einen Übergangszeitraum keine gleichwertigen Erzeugungskapazitäten zur Abwendung dieser Gefahr zur Verfügung stehen, ist kein gleichwertiges milderes Mittel ersichtlich; die öffentliche Inanspruchnahme eines der in § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 genannten Kernkraftwerke für den Reservebetrieb ist in diesem Fall erforderlich. Das hierfür im Hinblick auf Standort und elektrische Anbindung geeignete Kernkraftwerk ist durch die Bundesnetzagentur zu bestimmen. Näheres regelt das Energiewirtschaftsgesetz. Diese Möglichkeit soll für die nächsten beiden Winterhalbjahre bis zum Frühjahr 2013 vorgesehen werden. Während dieses Übergangszeitraums können zusätzliche Kraftwerkskapazitäten aufgebaut werden.

Soweit eine der in § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 genannten Anlagen im Rahmen der öffentlichen Inanspruchnahme zur Abwehr der dargelegten Gefahren herangezogen wird, finden die Elektrizitätsmengen bezogenen Regelungen keine Anwendung. Die im Rahmen des Reservebetriebes erzeugten Elektrizitätsmengen finden keine Anrechnung auf die Mengen nach Anlage 3 Spalte 2.

Zu Nummer 2 (§ 23c)

§ 23c legt fest, dass für Entscheidungen nach § 7 Absatz 1 e Satz 1 die Bundesnetzagentur zuständig ist.

Zu Nummer 3 (Anlage 3)

Die mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes eingefügten zusätzlichen Elektrizitätsmengen nach Anlage 3 Spalte 4 entfallen.

Da für das Kernkraftwerk Biblis B mit Inkrafttreten des Gesetzes die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erlischt, kann die Übertragungsmöglichkeit von Mengen des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf diese Anlage ebenfalls entfallen.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1777:
Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (BMU)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den oben genannten Entwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem vorliegenden Regelungsvorhaben wird eine zeitliche Befristung der Berechtigungen der Kernkraftwerke zum Leistungsbetrieb in das Atomgesetz eingefügt.

Das Regelungsvorhaben hat marginale Auswirkungen auf Bürokratiekosten der Wirtschaft und der Verwaltung. Für Bürgerinnen und Bürger werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der Nationale Normenkontrollrat hat vor diesem Hintergrund keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Prof. Dr. Wittmann
Vorsitzender Berichterstatter