Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates für eine auf einen ambitionierten Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ausgerichtete Umsetzung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht

Der Bundesrat hat in seiner 981. Sitzung am 11. Oktober 2019 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst

Anlage
Entschließung des Bundesrates für eine auf einen ambitionierten Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ausgerichtete Umsetzung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht

Begründung:

Schon als Grundelement, besonders aber in weiterverarbeiteter Form zu weiteren gasförmigen und flüssigen Energieträgern kann erneuerbarer Wasserstoff eine überzeugende Antwort auf die Frage nach einer Langzeitspeicherung der stark fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung sein. Aus industriepolitischer Sicht bieten die noch jungen, zum Teil noch im fortgeschrittenen Forschungsstadium befindlichen Wasserstofftechnologien erhebliche Exportchancen für heimische Technologieunternehmen auf einem potenziell stark wachsenden globalen Markt. In der EU haben zum Beispiel die Niederlande die Chancen von erneuerbarem Wasserstoff erkannt, weltweit sind es vor allem Japan, Süd-Korea und seit einiger Zeit auch China, die das Thema Wasserstoff in großem Stil vorantreiben. Deutschland droht, einen noch existierenden Technologievorsprung zu verlieren, wenn die Weichen nicht auch hierzulande entschlossen auf den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gestellt werden. Entwicklungen der jüngsten Zeit auf Ebene der Bundesregierung, wie zum Beispiel die Ankündigung einer nationalen Wasserstoffstrategie machen Hoffnung, dass die Chancen ebenso wie die Herausforderung inzwischen gesehen werden.

Für Geschäftsmodelle mit strombasierten Energieträgern sind die Strombezugskosten die entscheidende Hürde. Unter dem geltenden regulatorischen Rahmen sind grundsätzlich auch bei der Umwandlung von Strom in andere Energieträger sämtliche staatlichen, sogenannte Letztverbraucherabgaben wie zum Beispiel die EEG-Umlage oder die Netzentgelte zu entrichten, wodurch die Produktionskosten der Umwandlungsprodukte so hoch werden, dass sie nicht mit fossil herstellten Energieträgern konkurrieren können. Forderungen nach einer Befreiung oder zumindest einer längerfristigen rechtssicheren maximalen Reduzierung der Produktion strombasierter Energieträger von den Letztverbraucherabgaben wurde bislang das Solidarprinzip entgegengehalten: die Kosten der Förderung der Erneuerbaren Energien sowie des Netzausbaus müssten von allen Stromnutzern gleichermaßen und ohne Ausnahme getragen werden. Der geplante Umbau des Steuer- und Abgabensystems muss unter anderem darauf abzielen, diese Kosten nicht mehr über den Strompreis, sondern über andere Quellen zu finanzieren, um auf diese Weise strombasierte Energieträger wettbewerbsfähig mit fossilen zu machen.

Wirtschaftliche Chancen für erneuerbare Energieträger bestehen vor allem dort, wo die EU die Mitgliedstaaten bzw. deren Marktakteure direkt oder indirekt zu Treibhausgas-Emissionssenkungen verpflichtet und die bei Nichteinhaltung mit erheblichen Strafzahlungen belegt werden. In diesem Kontext konkurrieren erneuerbare Energieträger wirtschaftlich nicht mit fossilen Energieträgern, sondern mit anderen vorhandenen Optionen zur Emissionsvermeidung. Die RED II regelt unter anderem die Verpflichtung zur Emissionssenkung durch den Einsatz erneuerbarer Energien für die Lieferanten von Kraftstoffen für den Straßenverkehr. Bei kluger nationaler Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie, können sich interessante, tragfähige Geschäftsmodelle für erneuerbaren Wasserstoff und andere flüssige oder gasförmige Energieträger ergeben, die im Vergleich zu anderen Vermeidungsoptionen zu keiner Mehrbelastung der Bürger und Industrie führen.

Begründung für die Unterpunkte zur Umsetzung der RED II: zu b:

Ein 20-Prozent-Ziel korrespondiert mit den Beschlüssen der Nationalen Plattform Mobilität (NPM), die dieses Ziel als Kombination von Biofuels und E-Fuels mit jeweils rund hälftigen Anteilen als realistisch eingestuft hat. Mehrfachanrechnungen würden das Ziel verwässern. Sie führen effektiv zu einem geringeren Anteil an erneuerbaren Energien im Kraftstoffsektor und sind darüber hinaus nicht technologieneutral. Mindestquoten führen zu einem berechenbaren Hochlauf der Erzeugungskapazitäten und damit sowohl zu einer sicheren, etappenweisen Erreichung der Klimaziele als auch zu Investitionssicherheit.

Zu c:

Der Großteil des im Produktionsprozess verwendeten erneuerbaren Wasserstoffs geht energetisch in das Endprodukt/den Kraftstoff ein, ein kleinerer Teil wird unter anderem für die Entschwefelung benutzt. Auch der zur Entschwefelung verwendete erneuerbare Wasserstoff leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, wenn er Wasserstoff aus fossilen Quellen verdrängt. Hierzu muss zunächst erst einmal eine EU-weit gültige Methodik entwickelt und verabredet werden. Hierzu sind zeitnah Vorschläge für eine EU-weite Methodik zu entwickeln. Wenn ein entsprechendes System vorliegt, kann auch eine entsprechende Anrechnung des grünen Wasserstoffs erfolgen.

Zu d:

Diese Anforderung stellt sicher, dass nicht ein und derselbe erneuerbare Strom mehrfach in unterschiedlichen Sektoren auf Vorgaben zur THG-Minderung angerechnet wird. Der EEG-geförderte Strom wird (bislang ausschließlich) zur Erreichung der Ziele im Stromsektor angerechnet.

Zu e:

Investoren für eine Wasserstoff-Produktionsanlage benötigen Sicherheit, dass die Anlage betriebswirtschaftlich tragfähig betrieben werden kann. Ebenso sollte im Interesse der Allgemeinheit die Versorgungssicherheit, Systemstabilität und volkswirtschaftliche Effizienz des Energieversorgungssystems im Zuge der Energiewende auch zukünftig sichergestellt werden. Dies verlangt die Möglichkeit eines Strombezugs über das öffentliche Netz, die eine Mindestbetriebsstundenzahl sichert. Gleichwohl muss der bezogene erneuerbare Strom in voller Höhe auf die THG-Minderungsverpflichtung anrechenbar sein. Neben einem geeigneten Herkunftsnachweis für den bezogenen Strom soll die nachgewiesene Systemdienlichkeit einer Wasserstoff-Produktionsanlage die volle Anrechnung ermöglichen. Dabei ist es maßgeblich, dass nicht nur überschüssiger oder ansonsten abgeregelter Strom einer Nutzung zugeführt wird, sondern auch Strom, der nicht zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten ins Netz zu integrieren ist. Dies kann z.B. dann gegeben sein, wenn eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigt, dass die Kosten eines zusätzlich erforderlichen Stromübertragungsnetzausbaus die Kosten einer effizienten Sektorenkopplung übersteigen.

Zu f:

Die Senkung von THG-Emissionen im Verkehrssektor darf nicht auf Kosten der THG-Minderung in anderen Sektoren, insbesondere im Stromsektor stattfinden. Um das bilanziell abzusichern, müssen zusätzlich zum geltenden Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien Sonderausschreibungen durchgeführt werden, deren Größenordnung sich aus der Anschlussleistung der Wasserstoff-Produktionsanlagen ergibt.

Zu g:

Die im EEG 2017 vorgesehenen Innovationsausschreibungen sollten technologieoffenen ausgestaltet werden, so dass auch Konzepte mit der Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff eine Chance bekommen. Dies unterstützt die Entwicklung eines Marktes für grünen Wasserstoff.