Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategische Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU COM (2013) 229 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 319/97 = AE-Nr. 971242,
Drucksache 788/05 (PDF) = AE-Nr. 052888,
Drucksache 338/09 (PDF) = AE-Nr. 090320,
Drucksache 781/09 (PDF) = AE-Nr. 090856,
Drucksache 411/11 (PDF) = AE-Nr. 110568,
Drucksache 414/11 (PDF) = AE-Nr. 110576 und
Drucksache 548/12 (PDF) = AE-Nr. 120708

Brüssel, den 29.4.2013 COM (2013) 229 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategische Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU

1. Einleitung

Die europäische Aquakultur bietet hochwertige Erzeugnisse und entspricht dabei strengen Maßstäben für ökologische Nachhaltigkeit, Tiergesundheit und Verbraucherschutz. Die hervorragende Qualität der Meereserzeugnisse1 in der EU sollte eigentlich einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil für die Aquakultur in der EU darstellen; dennoch stagniert die Aquakulturerzeugung in der EU, während sie in anderen Weltregionen ein starkes Wachstum verzeichnet.

Im Jahr 2010 wurden in der EU 1,26 Mio. Tonnen Aquakulturerzeugnisse mit einem Wert von 3,1 Mrd. EUR produziert. Der EU-Markt für Meereserzeugnisse wird derzeit zu 25 % aus EU-Fischereien, zu 65 % aus Einfuhren und zu 10 % aus der EU-Aquakultur beliefert2. Der sichtbare Gesamtverbrauch von Fischerei- und Aquakulturerzeugnissen in der EU belief sich auf rund 13,2 Mio. Tonnen3.

Die verfügbaren Daten zeigen eine wachsende Lücke - schätzungsweise 8 Mio. Tonnen - zwischen dem EU-weiten Verbrauch von Meereserzeugnissen und den Fangmengen aus der Fischerei. Die Kommission und die Mitgliedstaaten können dazu beitragen, diese Lücke durch ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Aquakultur in der EU teilweise zu schließen.

Ausgehend von der aktuellen Arbeitsproduktivität würde jeder intern durch Aquakultur erzeugte Prozentpunkt des derzeitigen EU-weiten Verbrauchs zwischen 3000 und 4000 Vollzeitarbeitsplätze schaffen4. Diese Zahl zeigt, dass die Aquakultur, obwohl sie nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der EU-Wirtschaft ausmacht, das Potenzial hat, Wachstum und Beschäftigung in den Küsten- und Binnengebieten der EU anzukurbeln. Eine enge Zusammenarbeit mit der verarbeitenden Industrie kann in beiden Bereichen weitere Arbeitsplätze schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit weiter erhöhen. Die Aquakultur ist eine der Säulen der EU-Strategie "Blaues Wachstum" 5, ihre Weiterentwicklung kann zur Strategie "Europa 2020" beitragen.

2. Aquakultur im Rahmen der Reform der gemeinsamen Fischreipolitik

Der Vorschlag zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP)6 zielt darauf ab, die Aquakultur durch eine offene Koordinierungsmethode zu fördern: ein Verfahren zur freiwilligen Zusammenarbeit auf der Grundlage strategischer Leitlinien und mehrjähriger nationaler Strategiepläne, in denen gemeinsame Ziele und, soweit möglich, Indikatoren zur Messung der Fortschritte bei der Verwirklichung dieser Ziele festgelegt sind.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten alle relevanten Akteure eingebunden werden: Behörden, Industrie, Einzelhandel, Verbraucherverbände sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft. Dabei soll der vorgeschlagene Beirat für Aquakultur eine wichtige Rolle spielen.

Mit diesen strategischen Leitlinien sollen die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, ihre eigenen nationalen Ziele unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Ausgangslage, ihrer nationalen Gegebenheiten und institutionellen Strukturen festzulegen. Angelegenheiten, die dem EU-Recht unterliegen, sind nicht Gegenstand der offenen Koordinierungsmethode, sondern bilden die Grundlage dafür.

Aquakultur ist auf sauberes und gesundes Meer- und Süßwasser angewiesen. Durch das EU-Umweltrecht - insbesondere durch die Wasserrahmenrichtlinie7, die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie8 und die Verordnung über die Verwendung nicht heimischer und gebietsfremder Arten in der Aquakultur9 - wird sichergestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. In den EU-Rechtsvorschriften sind zudem die für Aquakulturanlagen in der EU geltenden hohen Standards in den Bereichen Gesundheit, Verbraucherschutz und ökologische Nachhaltigkeit festgelegt. Dies hat finanzielle Auswirkungen für die Erzeuger, kann jedoch in einen Wettbewerbsvorteil umgemünzt werden, wenn das Augenmerk der Verbraucher auf Qualität gerichtet wird. Gleichzeitig kann hierdurch die Akzeptanz der Aquakultur vor Ort erhöht werden. Die Reform der GFP gründet auf diesen hohen Standards.

Die Kommission beabsichtigt, die nationalen und regionalen Verwaltungen bei der Umsetzung des EU-Umweltrechts zu unterstützen, ohne den Erzeugern unnötige Lasten aufzubürden.

Zu diesem Zweck wurden Leitlinien zur Einbeziehung der Aquakultur in Natura-2000-Gebiete veröffentlicht10, und die Kommission beabsichtigt, ähnliche Leitlinien für Aquakultur und die Wasserrahmenrichtlinie sowie die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu erarbeiten.

3. Strategische Leitlinien für die Nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU

Diese Mitteilung stützt sich auf die Ergebnisse der Konsultationen von Interessenträgern und bezieht die Analyse der Gemeinsamen Forschungsstelle11 ein. Um das Potenzial der Aquakultur in der EU auszuschöpfen, wird der Schwerpunkt auf vier Bereichen liegen: Verwaltungsverfahren, koordinierte Raumordnung, Wettbewerbsfähigkeit und gleiche Ausgangsbedingungen.

Aquakultur kann ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig zu dem übergeordneten Ziel beitragen, die Lücke zwischen dem EU-Verbrauch und der Herstellung von Meereserzeugnissen zu schließen.

Zu diesem Zweck wird jeder Mitgliedstaat aufgerufen, im mehrjährigen nationalen Plan seine eigenen Wachstumsziele im Bereich der Aquakultur (Menge und Wert) für den von diesem Plan abgedeckten Zeitraum anzugeben.

3.1. Vereinfachung von Verwaltungsverfahren

Verwaltungskosten und Vorlaufzeit sind wichtige Faktoren der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung eines Wirtschaftssektors. Derzeit liegen nur wenige Informationen über Zeiträume und Kosten für die Zulassung neuer Aquakulturanlagen vor, und die Kommission hat keine Kenntnis einer umfassenden Bestandsaufnahme der wesentlichen Hemmnisse. Die vorliegenden Informationen deuten darauf hin, dass die Zulassungsverfahren in mehreren Mitgliedstaaten oftmals etwa zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen 12; es wurde auch von Fällen mit deutlich längerer Dauer berichtet. Zum Vergleich: Aus Daten einer Studie des Europäischen Parlaments geht hervor, dass die durchschnittliche Dauer des Zulassungsverfahrens für Aquakulturbetriebe in Norwegen gewöhnlich zwölf Monate betrug und nun durch die Einrichtung einer "einzigen Ansprechstelle" auf sechs Monate verkürzt wurde13.

Dauer der Zulassungsverfahren für Aquakulturbetriebe in ausgewählten Mitgliedstaaten und Norwegen (in Monaten)

Quellen: eigene Ausarbeitung anhand von Daten aus SHoCMed, Windbarriers und der Studie des Europäischen Parlaments IP/B/PECH/NT/08176 sowie von Informationen von Erzeugerorganisationen und Behörden.

Bei den meisten Aquakulturbetrieben handelt es sich um KMU, die unverhältnismäßig stark unter der Bürokratie leiden: Der relative Anteil der Verwaltungskosten im Vergleich zu Umsatz und Anzahl der Beschäftigten kann bei KMU bis zu zehnmal höher sein als bei großen Unternehmen in der Gesamtwirtschaft15. Die Verringerung von unnötigem Verwaltungsaufwand steht auf der politischen Tagesordnung der Kommission nach wie vor ganz oben. Als Folgemaßnahme zur Überprüfung des "Small Business Act" (Regelung für kleine Unternehmen) vom April 2011 hat die Kommission einen Aktionsplan zur Förderung unternehmerischer Initiative in Europa vorgeschlagen. In dem Aktionsplan werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Zeitaufwand für die Zulassung und die Ausstellung weiterer für eine Unternehmensgründung erforderlicher Genehmigungen bis Ende 2015 auf einen Monat zu verkürzen 16, sofern die Anforderungen des EU-Umweltrechts erfüllt sind. In einem ersten Schritt muss eine umfassende Bestandsaufnahme vorgenommen werden:

3.2. Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung und des Wachstums der Aquakultur durch koordinierte Raumordnung

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass durch Raumordnungspläne Unsicherheiten abgebaut, Investitionen erleichtert und die Entwicklung von Sektoren wie Aquakultur oder Offshore-Anlagen für erneuerbare Energien beschleunigt werden können18. Dem Platzmangel, der häufig als Hinderungsgrund für die Ausweitung der marinen Aquakultur in der EU angeführt wird, kann abgeholfen werden, indem die am besten für Aquakultur geeigneten Gebiete ermittelt werden, da die derzeitige Nutzung von Flächen und Küstengewässern durch Aquakulturtätigkeiten begrenzt scheint19.

Im Vergleich zur maritimen Raumordnung ist die Planung in Binnengebieten in der Regel ausgereifter, was u.a. auf das Vorhandensein von Kataster- oder Bewertungssystemen zurückzuführen ist, über die die betreffenden Institutionen leichten Zugang zu Informationen haben. Die Ermittlung der am besten geeigneten Gebiete für Süßwasseraquakultur wird zu einer Steigerung der Produktion bei verbessertem Schutz von Landschaft, Lebensräumen und Artenvielfalt beitragen. In Raumordnungsplänen sollten die durch extensive teichwirtschaftliche Aquakultur erbrachten Umweltleistungen berücksichtigt werden.

Ein solch komplexes Unterfangen im Bereich der Meeresumwelt lässt sich in vielen Fällen nicht durch die Bedürfnisse der Aquakultur allein rechtfertigen. Dieser Ansatz wurde jedoch beispielsweise im Rahmen der irischen Erfahrungen mit CLAMS (koordinierte lokale Managementsysteme für Aquakulturen)20, der regionalen Strategie für Aquakultur in Galicien21 sowie des nationalen Raumordnungsprojekts für Aquakultur in Finnland22 verfolgt. Bestehende Planungen, wie z.B. Standortpläne für Offshore-Windplattformen23, können als Ausgangspunkt dienen. Es wurden Leitlinien für die Raumordnung im Mittelmeer24 und in der Ostsee25 erstellt, die den Mitgliedstaaten als Informationsgrundlage dienen können. Darüber hinaus können auch Daten genutzt werden, die im Rahmen der Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften (z.B. Erneuerbare-Energien-Richtlinie, Gemeinsame Fischereipolitik, Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Habitat- und Vogelschutzrichtlinie) erhoben wurden. Die Kommission hat im März 2013 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumordnung und das integrierte Küstenzonenmanagement26 verabschiedet. Für die Erstellung und die Festlegung der allgemeinen Ziele und des Inhalts dieser Pläne sind weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig.

Die Aquakultur kann, wenn sie nicht ordnungsgemäß konzipiert und überwacht wird, erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Deshalb sind einige Umweltauswirkungen der Aquakultur (z.B. Anreicherung mit Nährstoffen und organischem Material, Kontamination durch gefährliche Stoffe) in den EU-Rechtsvorschriften ausdrücklich geregelt. Die allgemeinen Auswirkungen einzelner Betriebe umfassen zudem andere Arten von Belastungen (z.B. Sedimentation, physikalische Störungen) und werden durch weitere Faktoren beeinflusst, u.a. Art der kultivierten Organismen, Standort des Betriebs und Anfälligkeit der örtlichen Umwelt. Laut einer Studie des Europäischen Parlaments27 kann durch die Bewertung dieser Umweltaspekte im Rahmen des Raumordnungsverfahrens der Verwaltungsaufwand für private Unternehmer verringert und die Unsicherheit bezüglich der Zulassungsverfahren eingeschränkt werden, so dass Investitionen attraktiver werden. Mehrere Studien und Erfahrungen in anderen Wirtschaftszweigen 28 bestätigen, dass durch das Ausräumen derartiger Probleme in einer frühen Phase des Planungsprozesses die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert, Widerstände vor Ort abgebaut, unnötigen Verzögerungen vorgebeugt und die Erfolgschancen neuer Projekte erhöht werden. Solche Erfahrungen können Aquakulturerzeugern eine wertvolle Orientierungshilfe geben und dazu beitragen, die Nachhaltigkeit, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Wettbewerbsfähigkeit der Aquakultur in der EU zu erhöhen.

Da sowohl der Raum als auch die Belastbarkeit der Umwelt in Meeres- und Binnengewässern begrenzt sind, sollte ein ökosystemorientierter Ansatz angewendet werden. Besondere Sorgfalt sollte walten, wenn es sich um empfindliche und geschützte Gebiete handelt; hier bedarf es sorgfältiger Planungs- und Bewertungsverfahren. Positive Erfahrungen mit der Einbeziehung der Aquakultur in Natura-2000- Gebiete zeigen, dass sich eine rentable gewerbliche Tätigkeit und der Erhalt der Artenvielfalt nicht ausschließen. Die durch extensive teichwirtschaftliche Aquakultur erbrachten Umweltleistungen sind ein konkretes Beispiel dafür, dass eine Wirtschaftstätigkeit den Anforderungen an den Erhalt eines Lebensraums oder einer Art entspricht.

3.3. Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Aquakultur

Aquakulturbetriebe in der EU sehen sich mit verschiedenen Herausforderungen und Chancen konfrontiert, die maßgeschneiderte Lösungen erfordern 29, doch sie werden alle von einer verbesserten Marktorganisation und Strukturierung der Erzeugerorganisationen für Aquakultur profitieren. Diese sind einer der Schwerpunkte der Reform der gemeinsamen Marktorganisation (GMO) und des neuen Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF). Produktions- und Vermarktungspläne in Verbindung mit der Marktbeobachtungsstelle der EU sollten den Aquakulturerzeugern helfen, Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und ihre Marketingstrategien entsprechend anzupassen.

Die steigenden Erwartungen der Verbraucher an Qualität und Vielfalt von Nahrungsmitteln, insbesondere wenn sie aus lokaler Erzeugung stammen, bieten neue Chancen, Küsten- und Binnengebiete aufzuwerten. Koordinierte Maßnahmen auf lokaler Ebene zwischen Unternehmen, Behörden, Vereinigungen, Forschungs-, Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen können dazu beitragen, die örtliche Wirtschaft anzukurbeln und die steigende Nachfrage nach örtlich und nachhaltig hergestellten Meereserzeugnissen zu befriedigen.

Durch Diversifizierung ihres Angebots können sich Erzeuger zusätzliche Einkommensquellen erschließen. So können beispielsweise Angel- und Tourismusangebote oder die Internalisierung bestimmter vor- oder nachgelagerter Tätigkeiten Geschäftsmöglichkeiten für Aquakulturerzeuger eröffnen.

Unternehmensentwicklung und Diversifizierung können auch durch marktorientierte Forschung, Innovation und Wissenstransfer gefördert werden.

Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten Synergieeffekte zwischen nationalen Forschungsprogrammen und die Beteiligung der Wirtschaft an Forschungs- und Innovationsmaßnahmen fördern und dabei insbesondere die Umsetzung des strategischen Forschungsplans der Technologie- und Innovationsplattform der europäischen Aquakultur sowie die Strategie für blaues Wachstum 30 einbeziehen.

Durch die insbesondere in Mittel- und Osteuropa verbreitete extensive Aquakultur in Fischteichen werden die Artenvielfalt gefördert und wichtige Dienstleistungen und Geschäftsmöglichkeiten neben der Nahrungsmittelerzeugung geboten, die bei angemessener Valorisierung zu größerer Wettbewerbsfähigkeit führen können. Die Auswirkungen der Vorschriften für Gebiete mit großem Artenreichtum, wie Natura2000-Gebiete, und durch geschützte Räuber (wie Kormorane) verursachte Einkommensverluste sowie freiwillige Verpflichtungen zum Schutz der Artenvielfalt oder der Gewässer sollten von den Behörden anerkannt werden. Ein wichtiger Aspekt bei der teichwirtschaftlichen Aquakulturerzeugung in bestimmten Regionen sind Räuber, insbesondere Kormorane. Die Vogelschutzrichtlinie31 enthält eine Ausnahmeregelung zum Schutz der Interessen von Fischerei und Aquakultur. Die Mitgliedstaaten können diese Ausnahmeregelung in vollem Umfang ausschöpfen, um Fischerei und Aquakultur vor ernsthaften Schäden durch Kormorane zu bewahren. Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten hat die Kommission vor kurzem einen Leitfaden 32 veröffentlicht, durch den die wichtigsten Aspekte im Zusammenhang mit der Umsetzung der Ausnahmeregelungen geklärt werden sollen.

3.4. Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen durch Ausschöpfung ihrer Wettbewerbsvorteile

Hohe Standards in den Bereichen Umweltschutz, Tiergesundheit und Verbraucherschutz gehören zu den wichtigsten Wettbewerbsfaktoren des EU-Aquakultursektors und sollten effizienter genutzt werden, um auf den Märkten konkurrieren zu können.

Die bestehenden Hygienekontrollen von EU-Erzeugnissen sowie eingeführten Erzeugnissen gewährleisten bereits ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit. Aufgrund gesellschaftlicher Anliegen haben Verbraucher, NRO und Einzelhändler auch Garantien gefordert, dass die von ihnen gekauften Nahrungsmittel unter Einhaltung sehr hoher ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wurden. Wenn das Ausmaß der Nachhaltigkeit von EU-Aquakulturerzeugnissen entsprechend dargestellt und der Öffentlichkeit kommuniziert wird, kann dies die Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz der Aquakultur und der Aquakulturerzeugnisse in der EU erhöhen. Neue Etikettierungsvorschriften, wie sie in der GMO-Verordnung vorgeschlagen wurden, könnten zu einer besseren Differenzierung von EU-Aquakulturerzeugnissen beitragen; freiwillige Zertifizierungssysteme können dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Durch den Aufbau kurzer Nahrungsmittelketten können hochwertige und besonders frische lokale Erzeugnisse zudem einen weiteren Pluspunkt für räumliche Nähe ernten.

Erfahrungen im Agrarsektor haben gezeigt, dass die Nachfrage nach nachhaltig hergestellten hochwertigen Nahrungsmitteln steigt. So stieg beispielsweise die Wachstumsrate ökologisch erzeugter Nahrungsmittel im Einzelhandel auf den vier größten EU-Märkten deutlich stärker als die allgemeine Nachfrage nach Nahrungsmitteln in der EU; dabei lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln bei 7 - 15 % und bei nicht ökologischen Nahrungsmitteln lediglich bei 2 - 5 %33. Nach Angaben der FAO verzeichnete die ökologische Aquakultur in Europa zwischen 1998 und 2007 einen jährlichen Anstieg um fast 30 %. Einige Einzelhändler spielen eine wichtige Rolle dabei, zertifizierte Fischerzeugnisse auf den Markt zu bringen, und tun dies im Rahmen ihrer allgemeinen sozialen Unternehmensverantwortung; der Markteintritt größerer Einzelhändler war einer der entscheidenden Faktoren für das rasche Wachstum der ökologischen Lebensmittelwirtschaft in den letzten zehn Jahren.

Die EU fördert in allen Bereichen hohe Umwelt-, Sozial-, Gesundheits- und Pflanzenschutzstandards im Rahmen von Handelsabkommen, die sie, auch im Bereich der Aquakultur, mit Drittländern aushandelt.

4. eine neue Politik zur Förderung der Aquakultur

Die offene Koordinierungsmethode bietet einen Rahmen für die Entwicklung nationaler Strategien und die Koordinierung der Politik zwischen EU-Mitgliedstaaten. Durch dieses freiwillige Verfahren sollen praktische Antworten auf die von den Mitgliedstaaten und Interessenträgern erkannten Herausforderungen gefunden werden. Hierzu bedarf es eines konzertierten Vorgehens zwischen der EU-Politik und nationalen Strategien unter uneingeschränkter Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität.

Um den Austausch von Knowhow und bewährten Verfahren zu erleichtern, werden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, eine nationale Ansprechstelle zu benennen, an die sich die Kommission wenden wird, wenn z.B. Peer Reviews durchgeführt oder bewährte Verfahren festgestellt und bekanntgemacht werden.

4.1. Mehrjähriger nationaler Strategieplan für die Förderung einer nachhaltigen

Aquakultur

Um Maßnahmen zur Förderung der Aquakultur besser koordinieren zu können, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, im Rahmen von Vorschlägen der Kommission, die derzeit mit dem Parlament und dem Rat erörtert werden, einen mehrjährigen nationalen Strategieplan auf der Grundlage der in dieser Mitteilung dargelegten strategischen Leitlinien der EU aufzustellen. Die Kommission hat einen Entwurf für die Gliederung des Plans erstellt (Anhang 1), um den Mitgliedstaaten die Arbeit zu erleichtern.

Die mehrjährigen nationalen Pläne sollten den Zeitraum 2014-2020 abdecken. Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, bis Ende 2017 eine Halbzeitbilanz der Umsetzung ihres Plans vorzunehmen.

4.2. Komplementarität mit dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds

Mit dem EMFF-Vorschlag soll die Umsetzung der GFP unterstützt werden. Jeder Mitgliedstaat wird aufgefordert, ein Operationelles Programm (OP) aufzustellen, in dem die Maßnahmen aufgeführt sind, die durch den EMFF finanziert werden sollen. Im Bereich der Aquakultur wäre es wichtig, dass das OP mit dem genannten mehrjährigen nationalen Plan im Einklang steht, um die Kohärenz der gesamten Politik zu gewährleisten.

4.3. Austausch bewährter Verfahren

Durch die offene Koordinierungsmethode soll auch ein wechselseitiger Lernprozess in den Mitgliedstaaten angestoßen werden. Ein wichtiges Instrument sind dabei Peer-Review-Seminare, in denen sich die Mitgliedstaaten über die Effizienz festgestellter bewährter Verfahren in Politikbereichen, bei Programmen oder institutionellen Regelungen, einschließlich der Bewertung und Eindämmung von Umweltauswirkungen, austauschen und diese bewerten können. Sie bieten EU-weite Lernmöglichkeiten zum Umsetzungsverfahren oder zu politischen Konzepten.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, drei Vorschläge für bewährte Verfahren in ihren mehrjährigen nationalen Plan aufzunehmen. Die Kommission beabsichtigt, mindestens einmal jährlich Peer-Review-Seminare zu veranstalten, um ausgewählte bewährte Verfahren vorzustellen und einen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zu ermöglichen.

4.4. Beirat für Aquakultur

Der Dialog mit den Interessenträgern hat sich für die Verwirklichung der Ziele der GFP als wesentlich erwiesen. Durch die Schaffung des Beirats für Aquakultur sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden, von dem Wissen und der Erfahrung aller Interessenträger zu profitieren.

Aufgabe des Beirats für Aquakultur ist es, politischen Entscheidungsträgern Empfehlungen an die Hand zu geben und sie dabei zu unterstützen, faktengestützte Entscheidungen zu treffen. Die Kommission fördert die aktive Beteiligung aller maßgeblichen Interessenträger: Erzeuger, vorgelagerte Akteure (Futtermittellieferanten, Forschungseinrichtungen, Tierärzte, Ausrüstungslieferanten), nachgelagerte Tätigkeiten (u.a. Ernte, Transport lebender Tiere, Verarbeitung, Ausfuhr, Vertrieb), Verbraucherverbände, nichtstaatliche Umweltorganisationen, Gewerkschaften usw.

4.5. Nächste Schritte

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, der Kommission ihren mehrjährigen nationalen Plan spätestens zusammen mit dem Operationellen Programm vorzulegen. Bis April 2014 beabsichtigt die Kommission, einen zusammenfassenden Bericht über alle nationalen Pläne zu erstellen, um den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten zu ermöglichen und bewährte Verfahren bekanntzumachen.

Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, bis Ende 2017 eine Halbzeitbilanz der Umsetzung ihres mehrjährigen nationalen Plans zu erstellen, auf deren Grundlage die Kommission prüfen möchte, ob die strategischen Leitlinien überarbeitet werden sollten.

Anhang
Entwurf der Gliederung eines mehrjährigen nationalen Plans für die Entwicklung einer nachhaltigen Aquakultur

1. Nationaler Kontext und Zusammenhang mit den wichtigsten nationalen Ziele

2. Reaktion auf die strategischen Leitlinien

3. Governance und Partnerschaft

4. Bewährte Verfahren