Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts

Punkt 38 der 846. Sitzung des Bundesrates am 4. Juli 2008

Der Bundesrat möge wie folgt Stellung nehmen:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in der Europäischen Union auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit einerseits sowie dem Schutz der regionalen mittelständischen Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer andererseits hinzuwirken. Dies erfordert insbesondere die Zulässigkeit nationaler Regelungen zur Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Begründung

Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen ist zentraler Inhalt der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union, der Bundesregierung und der Länder. Kleine und mittlere Unternehmen, wie etwa die örtliche Bauwirtschaft, unterliegen einem erheblichen Preisdruck gegenüber großen und grenzüberschreitend tätigen Wettbewerbern. Sie unterliegen lokalen Lohnstrukturen, die sie gegenüber ausländischen oder überregionalen Anbietern im Preiswettbewerb strukturell benachteiligen. Zur Ermöglichung eines ausgeglichenen Wettbewerbs wurde die öffentliche Auftragsvergabe von mehreren Ländern bislang an die Gewährleistung der lokal geltenden Tariflohnstruktur gebunden (so genannte Tariftreue).

Derartiges galt nach § 97 Abs. 4 des bisherigen GWB als zulässig und entspricht auch den Vergabekriterien des Artikels 2 i.V.m. Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. Die Bundesregierung stellt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts vom 23. Mai 2008 klar, dass bei der Vergabeentscheidung neben der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit auf zusätzliche Kriterien sozialer, umweltbezogener oder innovativer Art zurückgegriffen werden kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst allerdings in einer Entscheidung vom 3. April 2008 (RS. C-346/06 "Dirk Rüffert ./. Land Niedersachsen") die angewandten Tariftreueregelungen als einen Verstoß gegen Artikel 3 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen i.V.m. der allgemeinen Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 49 EG bewertet. Auf den vergaberechtlichen Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen ging der EuGH dabei nicht ein.

Diese Schutzlücke zu Lasten der Interessen regionaler mittelständischer Unternehmen ist nicht hinnehmbar. Das öffentliche Auftragswesen ist in der Europäischen Union mit einem Volumen von etwa 16 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts (ca. 1.500 Milliarden Euro) ein tragendes Marktsegment. Kleine und mittlere Unternehmen vor Ort laufen Gefahr auf Grund ihrer Einbindung in lokale Lohnstrukturen im Vergabewettbewerb Nachteile zu erleiden. Da die EU-Vergaberichtlinie 2004/18/EG im Erwägungsgrund 33 einen ausdrücklichen Bezug zu den Internationalen Arbeitsübereinkommen beinhaltet und diese in Artikel 2 Nr. 1 des Übereinkommens 94 eine Anbindung an örtliche Lohntarife normiert, kann eine solche Benachteiligung nach europäischem Vergaberecht weder gewollt noch zulässig sein. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, in der Europäischen Union auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gegenüber dem Schutz der regionalen mittelständischen Wirtschaft und dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hinzuwirken sowie durch eine verbesserte Abstimmung der EU-Vergaberichtlinie 2004/18/EG mit der EU-Richtlinie 96/71/EG zur Arbeitnehmerentsendung nationale Vergaberegelungen zur Tariftreue weiterhin zu ermöglichen.