Verordnung der Bundesregierung
Zweite Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten und Preiswirkungen

F. Bürokratiekosten

Verordnung der Bundesregierung
Zweite Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 23. Mai 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene


mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Federführend ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Zweite Verordnung zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung

Vom ...

Auf Grund des § 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c des Chemikaliengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2090), der zuletzt durch Artikel 1 Nr. 10 des Gesetzes vom ... [einsetzen: Datum und Fundstelle des REACH-Anpassungsgesetzes, BT-Drs. 016/8307, BR-Drs. 211/08 (PDF) , BR-Drs. 211/08(B) HTML PDF ] geändert worden ist, verordnet die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise:

Artikel 1
Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung

Die Chemikalien-Verbotsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juni 2003 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 12. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2382), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten


Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den
Die Bundeskanzlerin
Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Begründung

A. Allgemeines

I. Ziel der Verordnung

Ziel der Verordnung ist die Erschwerung des missbräuchlichen Erwerbs von zur illegalen Herstellung von Sprengstoffen geeigneten Chemikalien (so genannte Sprengstoffgrundstoffe), um auf diese Weise zu einer Verhinderung terroristischer und sonstiger Straftaten beizutragen.

Hierzu werden die Abgabevorschriften (§§ 3 und 4) der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung - ChemVerbotsV -) auf insgesamt neun Sprengstoffgrundstoffe ausgedehnt. Hierbei handelt es sich um Ammoniumnitrat (und ausgewählte ammoniumnitrathaltige Zubereitungen), Kaliumchlorat, Kaliumnitrat, Kaliumperchlorat, Kaliumpermanganat, Natriumchlorat, Natriumnitrat, Natriumperchlorat und Wasserstoffperoxidlösung mit einem Massengehalt von mehr als 12 Prozent. Diese Sprengstoffgrundstoffe besitzen wie auch das in wässrigen Lösungen enthaltene Wasserstoffperoxid und das in ammoniumnitrathaltigen Zubereitungen enthaltene Ammoniumnitrat brandfördernde Eigenschaften im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 2 des Chemikaliengesetzes.

Konkrete Fälle der Beschaffung von Sprengstoffgrundstoffen durch Terrorismusverdächtige und der Verwendung von Giften bei gegen öffentliche Einrichtungen gerichtete Erpressungen haben die potentiell große Bedeutung der chemikalienrechtlichen Abgabebestimmungen für die vorbeugende Bekämpfung derartiger Straftaten, die nach bisherigen Begehungsmustern stets auf die willkürliche Tötung einer unbestimmten Anzahl von Menschen abzielten, unterstrichen.

II. Hintergrund und bisherige Aktivitäten

Die genannten neun Sprengstoffgrundstoffe wurden im als vertraulich eingestuften Bericht der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (BLAC) vom 5. Oktober 2006 für die 67. Umweltministerkonferenz (UMK) über die "Problematik der illegalen Herstellung und des Gebrauchs von Sprengstoffen sowie des Inverkehrbringens der dazu geeigneten Grundchemikalien" identifiziert. Der Auswahl liegt zugrunde, dass die Stoffe essentiell für die Herstellung bestimmter Sprengstoffe sind, in der Vergangenheit häufig oder in größerer Menge verwandt wurden und üblicherweise im privaten Bereich nicht benötigt werden. Der Bericht stellte im Rahmen eines von den Ländern mit dem Schwerpunkt Internethandel initiierten Überwachungsprojekts fest, dass insbesondere Angehörige der so genannten Bomben-Bastler-Szene - darunter ein erheblicher Anteil Minderjähriger -, aber auch kriminelle Kreise, sich über das Internet zur Sprengstoffherstellung geeignete Chemikalien beschafft hatten.

Auf der Grundlage daraufhin erfolgter Beschlüsse der 67. und 68. UMK sowie eines dem letztgenannten UMK-Beschluss zugrunde liegenden gemeinsamen Berichts des BMU/BMI vom 26. April 2007 haben die beiden Ressorts Handlungsmöglichkeiten für einen erschwerten Zugang zu Sprengstoffgrundstoffen erarbeitet. Besondere Aktualität erhielt die Fragestellung durch die Festnahme dreier mutmaßlicher Terroristen am 4. September 2007 im Sauerland, die sich große Mengen Wasserstoffperoxid beschafft hatten, um sie für Anschläge einzusetzen.

Auf EU-Ebene werden im Rahmen eines voraussichtlich im April 2008 im Rat für Justiz und Inneres zu billigenden "Aktionsplans Explosivstoffgrundstoffe" der Kommission der Europäischen Gemeinschaften neben der Erarbeitung einer Liste der wichtigsten Sprengstoffgrundstoffe Fragen der Lagerung des Transports und der Nachverfolgung geprüft sowie geeignete Überwachungsmodelle entwickelt. Der Aktionsplan enthält darüber hinaus die im BMU/BMI-Bericht vom 26. April 2007 zur 68. UMK erarbeiteten Überlegungen für mögliche EG-Regelungen für ein Grundstoffüberwachungssystem, ähnlich wie im Betäubungsmittelbereich.

III. Wesentlicher Inhalt der Verordnung

Mit der Verordnung werden die für giftige und sehr giftige Stoffe und Zubereitungen bereits geltenden Abgabevorschriften der ChemVerbotsV wie folgt auf die genannten neuen Sprengstoffgrundstoffe erweitert:

IV. Kosten und Preiswirkungen

1. Kosten der öffentlichen Haushalte

2. Kosten für die Wirtschaft und Preiswirkungen

Durch die vorliegende Verordnung entstehen der Wirtschaft geringfügige Mehrkosten durch die auf die neun Sprengstoffgrundstoffe ausgeweitete Pflicht zum Führen des Abgabebuches.

Messbare Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

3. Bürokratiekosten

Durch diese Verordnung wird die Führung des Abgabebuches gemäß § 3 Abs. 3 Chem-VerbotsV auf die Abgabe der neun Sprengstoffgrundstoffe an Privatpersonen ausgeweitet.

Nach Auskunft einiger betroffener Verbände sind mit Ausnahme des Bereichs der Heimtierbranche voraussichtlich nur wenige zusätzliche Fälle zur Führung des Abgabebuches zu erwarten, wodurch hier keine nennenswerten zusätzlichen Bürokratiekosten entstehen. Für die Heimtierbranche wird durch die Abgabe von Wasserstoffperoxid mit einem Massengehalt von mehr als 12 Prozent für die Verwendung in Oxidatoren für Gartenteiche von etwa 150.000 zusätzlichen Abgabebucheinträgen ausgegangen. Dadurch entstehen Bürokratiekosten in Höhe von etwa 348.000 Euro pro Jahr.

V. Gleichstellungspolitische Auswirkungen

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen wurden gemäß § 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes und gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien anhand der Arbeitshilfe der interministeriellen Arbeitsgruppe "Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften" untersucht. Die Prüfung ergab, dass Frauen und Männer weder unmittelbar noch mittelbar unterschiedlich von dem vorliegenden Verordnungsvorhaben betroffen sind.

B. Zu den Vorschriften im Einzelnen

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (§ 3)

Die Änderung von § 3 Abs. 1 unter Buchstabe a Unterbuchstabe aa dient dazu, die Forderung nach einem Identitätsnachweis auf den Abholenden (z.B. Fahrer einer Firma) auszuweiten, wenn dieser nicht mit dem Erwerber identisch ist.

Die Änderung von § 3 Abs. 1 unter dem Unterbuchstaben bb dient der Ausweitung der Abgabevorschriften des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 auf Wasserstoffperoxidlösungen mit einem Massengehalt von mehr als 12 Prozent und auf aus dem Anhang III Nr. 6 der Gefahrstoffverordnung ausgewählte ammoniumnitrathaltige Zubereitungen, die jeweils nicht nach der Gefahrstoffverordnung mit dem Gefahrensymbol O (brandfördernd) zu kennzeichnen sind.

Die aus dem Anhang III Nr. 6 der Gefahrstoffverordnung ausgewählten ammoniumnitrathaltigen Zubereitungen wurden aus folgenden Gründen aufgenommen:

Aus diesen können durch Trocknung bzw. Auskristallisation und Zugabe von verbrennlichen Bestandteilen detonationsfähige Mischungen entstehen.

Mit der Änderung von § 3 Abs. 1 unter dem Unterbuchstaben cc wird die Pflicht zur Identitätsfeststellung auf die Abgabe der neun Sprengstoffgrundstoffe ausgedehnt.

Die Änderung von § 3 Abs. 1 unter dem Unterbuchstaben dd dient der Schaffung einer Ausnahmeregelung von den Abgabevorschriften nach § 3 Abs. 1 Satz 1 bis 4 ChemVerbotsV im Wesentlichen für die bereits durch die Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz ausreichend geregelte Abgabe handelsüblicher Feuerwerkskörper.

Mit der Änderung von § 3 Abs. 2 Satz 2 unter Buchstabe b wird eine Ausnahme von der Sachkundepflicht für die Abgabe von Wasserstoffperoxidlösungen mit einem Massengehalt von mehr als 12 Prozent und den in Abs. 1 Satz 2 genannten ammoniumnitrathaltigen Zubereitungen geschaffen. Für die von den Abnehmern beabsichtigte Anwendung dieser Stoffe und Zubereitungen (z.B. ammoniumnitrathaltige Zubereitungen als Düngemittel, Wasserstoffperoxidlösung im Aquaristikbereich) besteht keinerlei Beratungsbedarf, der seitens des Abgebenden die Sachkunde im chemikalienrechtlichen Sinne erfordern würde. Darüber hinaus wird durch die Streichung des Wortes "nur" im bisherigen Absatz 2 Satz 2 klargestellt, dass die Sachkundepflicht nach § 2 Abs. 2 vom Abgebenden nur bei der Abgabe an Privatpersonen zu erfüllen ist.

Die Änderung von § 3 Abs. 3 unter Buchstabe c Unterbuchstabe aa dehnt die Pflicht zur Führung eines Abgabebuches auf die Abgabe der neun Sprengstoffgrundstoffe aus.

Mit der Änderung von § 3 Abs. 3 unter dem Unterbuchstaben bb wird klargestellt, dass der Erwerber oder, wenn er die Stoffe und Zubereitungen nicht selbst in Empfang nimmt, der Abholende den Empfang der Stoffe und Zubereitungen bestätigen muss.

Mit der in § 3 Abs. 3 unter dem Unterbuchstaben cc vorgesehenen Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für Abgabebücher und Empfangsscheine auf mindestens fünf Jahre nach der letzten Eintragung wird eine Anpassung an die im Sprengstoffrecht festgelegten Fristen ( § 16 Sprengstoffgesetz i.V.m. § 41 Abs. 5 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz) vorgenommen.

Dort gilt eine Aufbewahrungspflicht für bestimmte Substanzen von 10 Jahren ab dem letzten Eintrag. Bei den Chemikalien, die im neuen § 3 Abs. 1 Satz 4 aufgeführt sind, handelt es sich um Substanzen, die bei entsprechendem Zusammenführen eine vergleichbare Wirkung wie Sprengstoffe entfalten können (siehe bereits unter A. II. der Begründung). Wegen der potenziellen Gefährlichkeit und aufgrund der Tatsache, dass eine längerfristige Lagerung und spätere Verwendung der Chemikalien jederzeit möglich ist, erscheint eine Aufbewahrungspflicht von wenigstens fünf Jahren erforderlich.

Mit den Änderungen von § 3 Abs. 4 unter Buchstabe d Unterbuchstabe aa wird zum einen klargestellt dass die Pflicht zum Führen eines Abgabebuchs nach § 3 Abs. 3 auf die Abgabe an Privatpersonen beschränkt wird. Zum anderen wird die entsprechende Aufbewahrungsfrist analog zu § 3 Abs. 3 auf fünf Jahre ausgedehnt.

Die Änderungen von § 3 Abs. 4 unter den Unterbuchstaben bb und cc sind redaktioneller Natur.

Zu Nummer 2 (§ 4)

Die Änderung unter Buchstabe a dient der Ausweitung des Selbstbedienungsverbots auf die in § 3 Abs. 1 Satz 2 genannten Sprengstoffgrundstoffe.

Die Änderung unter Buchstabe b Unterbuchstabe aa dient der Erweiterung der Regelungen zum Versandhandel auf die neun Sprengstoffgrundstoffe.

Mit der Änderung unter Unterbuchstabe bb wird die Regelung aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs nach § 2 Abs. 4 des Chemikaliengesetzes auf giftige und sehr giftige Stoffe und Zubereitungen beschränkt.

Zu Artikel 2

Diese Vorschrift regelt das Inkrafttreten dieser Verordnung.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Zweite Verordnung zur Änderung der Chemikalienverbotsverordnung

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der o.g. Verordnung auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Regelungsvorhaben wird je eine bestehende Informationspflicht für Unternehmen und Bürger ausgeweitet. Das Ressort schätzt, dass der Wirtschaft hierdurch Kosten i.H.v. 348.000 Euro entstehen werden.

Informationspflichten der Verwaltung werden durch das Regelungsvorhaben nicht berührt.

Die Berechnungen der Auswirkungen auf die Bürokratiekosten für die Wirtschaft sind schlüssig. Sie basieren auf den Auskünften der Verbände sowie den Ergebnissen der Bestandsmessung. Das Ressort sieht keine milderen Alternativen zu dem vorliegenden Entwurf. Die Ausweitung der Informationspflichten sei notwendig, um einen effektiven Schutz vor terroristischen und sonstigen Strafakten zu gewährleisten.

Der Nationale Normenkontrollrat hat daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Catenhusen Prof. Dr. Wittmann
Stellv. Vorsitzender Berichterstatter