Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2008 zu Organspende und -transplantation: Maßnahmen auf EU-Ebene (2007/2210)(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 110042 - vom 19. Mai 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. April 2008 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 419/07(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Bedarf an Organtransplantationen in der Europäischen Union stetig und schneller zugenommen hat als die Zahl der Organspenden, dass in der Europäischen Union mehr als 60 000 Patienten eine Transplantation benötigen und auf einer Warteliste stehen, dass Patienten in großer Zahl aufgrund des chronischen Mangels an Organen sterben, und dass die steigende Zahl der Spender die Wartelisten nicht kürzer werden lässt,

B. in der Erwägung, dass Organhandel, Kommerzialisierung und Transplantationstourismus, die mit dem Grundsatz der Achtung der Menschenwürde nicht vereinbar sind, rasant zunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen Organmangel und Organhandel besteht und dass mehr Daten zum Organhandel benötigt werden,

C. in der Erwägung, dass Sicherheitsprobleme bei illegalen, kommerziellen Organtransplantationen oft außer Acht gelassen werden, wodurch sowohl Spender als auch Empfänger in Lebensgefahr geraten können,

D. in der Erwägung, dass vier Mitgliedstaaten das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, fünf Mitgliedstaaten dessen Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels ("Palermo-Protokoll"), neun Mitgliedstaaten das Fakultative Protokoll der Vereinten Nationen zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes bezüglich des Verkaufs von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie und 17 Mitgliedstaaten das Übereinkommen des Europarats über Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels noch nicht ratifiziert haben,

E. in der Erwägung, dass aktuellen Schätzungen zufolge der Organhandel zwar unter allen Formen des illegalen Handels noch die am wenigsten verbreitete ist, dass der auf einzelstaatlicher Ebene, aber auch grenzüberschreitend betriebene Organ- und Gewebehandel jedoch durch die Nachfrageentwicklung gesteuert ist (Schätzungen zufolge 150 bis 250 Fälle jährlich in Europa) und zunehmend zu einem weltweiten Problem wird,

F. in der Erwägung, dass der Organ- und Gewebehandel eine Form des Menschenhandels ist die mit schwerwiegenden Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte und insbesondere der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit verbunden ist und das Vertrauen der Bürger in das gesetzlich geregelte Transplantationssystem untergraben kann, was dazu führen kann, dass der Mangel an freiwillig gespendeten Organen und Geweben noch größer wird,

G. in der Erwägung, dass Qualität, Sicherheit, Effizienz und Transparenz gewährleistet sein müssen, damit die Gesellschaft die Vorteile, die die Transplantation aus therapeutischer Sicht zu bieten hat, in vollem Maße ausschöpfen kann,

H. in der Erwägung, dass die Organtransplantation bei Versagen von Organen wie Leber, Lunge und Herz im Endstadium die einzige und bei Nierenversagen im Endstadium die kostenwirksamste Behandlungsmethode ist, und dass Organtransplantationen die Möglichkeit bieten, Leben zu retten und eine höhere Lebensqualität zu erzielen,

I. in der Erwägung, dass zwischen den und innerhalb der Mitgliedstaaten bezüglich der Transplantationshäufigkeit und der Organquelle (Lebend- oder Leichenspende) wesentliche Unterschiede und in Bezug auf die für Organspende und -transplantation geltenden Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen sogar Diskrepanzen bestehen und der organisatorische Ansatz bei Transplantationen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variiert sodass in der Europäischen Union insgesamt uneinheitliche Standards bestehen J. in der Erwägung, dass in den Mitgliedstaaten ein unterschiedlicher Rechtsrahmen gilt (manche Mitgliedstaaten haben ein Optin-, andere ein Opt-out-System) und die Erfahrungen der einzelnen Mitgliedstaaten zeigen, dass der Einfluss des Rechtssystems auf die Zahl der Spender recht begrenzt ist,

K. in der Erwägung, dass die Alternative zur Transplantation häufig in einer Intensivtherapie besteht, die für den Patienten unangenehm und für das Gesundheitswesen sowie für Angehörige und Betreuer des Patienten eine Belastung ist L. in der Erwägung, dass Organspende und -transplantation sensible und komplexe Sachverhalte sind die nicht nur medizinische, sondern auch rechtliche und ethische Aspekte umfassen, zu deren Weiterentwicklung die Mitwirkung der gesamten Zivilgesellschaft gefordert ist,

M. in der Erwägung, dass die therapeutische Verwendung von Organen das Risiko der Übertragung ansteckender und anderer Krankheiten schafft,

N. in der Erwägung, dass bereits Organe zwischen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden und es bereits mehrere europäische Organisationen für den Organaustausch (z.B. Scandiatransplant, Eurotransplant) gibt,

O. in der Erwägung, dass bisherige Erfahrungen (wie das spanische Modell, das belgische Projekt GIFT, DOPKI oder Alliance-O) positive Ergebnisse belegen und entsprechend berücksichtigt werden sollten,

P. in der Erwägung, dass das öffentliche Bewusstsein, konkrete und positive Informationen sowie Weiterbildungsangebote für und die Kommunikationsfähigkeiten von Fachkräften eine wichtige Rolle für die Erhöhung der Organspendebereitschaft spielen Qin der Erwägung, dass wirksame gesundheitspolitische Maßnahmen getroffen werden müssen, die bei chronischen Erkrankungen, die zu Organversagen führen, wie chronisches Nierenleiden, eine frühzeitige Erkennung und Behandlung ermöglichen, um die Zahl der Patienten, die Organtransplantate benötigen, in Zukunft auf ein Minimum zu senken.