Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates: Mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Berlin, 24. Juli 2019
Parlamentarischer Staatssekretär

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen in der Anlage die Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates - Mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme auf BR-Drs. 110/18(B) HTML PDF vom 8. Juni 2018.

Mit freundlichen Grüßen
Enak Ferlemann

Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates: Mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme (BR-Drs. 110/18(B) HTML PDF ) vom 8. Juni 2018)

Ziffer 1:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Kommission und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) noch intensiver als bisher dafür einzusetzen, dass in den Typgenehmigungsvorschriften schnellstmöglich sicherheitswirksame technische Einrichtungen (Abbiegeassistenzsysteme) nach dem Stand der Technik bei Nutzfahrzeugen ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht verpflichtend vorgeschrieben werden, die Radfahrende oder zu Fuß Gehende im direkten Umfeld eines Nutzfahrzeugs erkennen und den Fahrzeugführenden akustisch, optisch, taktil oder in sonstiger Weise warnen und bei Bedarf eine Notfallbremsung einleiten.

Stellungnahme der Bundesregierung:

Für Abbiegeassistenzsysteme gilt, dass derartige Systeme in der EU verpflichtend vorgeschrieben werden müssen. Eine technische Vorschrift mit Anforderungen an diese Systeme, basierend auf einem Entwurf des BMVI, befindet sich im Notifizierungsverfahren bei den Vereinten Nationen.

Bei den Diskussionen zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Anpassung der technischen Anforderungen hinsichtlich der allgemeinen Sicherheit und dem Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmender an den Stand der Technik hat das BMVI die verpflichtende Ausrüstung mit Abbiegeassistenzsystemen eingebracht und durchgesetzt. Das BMVI hat insbesondere erreichen können, dass der Anwendungsbereich auf Nutzfahrzeugen ab 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht und Kraftomnibussen ausgeweitet wurde. Eine Ausrüstungspflicht ab 2020 für alle entsprechenden Neufahrzeuge, die das BMVI in diesem Zusammenhang vorschlug, wurde von den anderen Mitgliedstaaten der EU dagegen mehrheitlich abgelehnt. Die Ausrüstungspflicht wird daher nach derzeitigem Stand für neue Fahrzeugtypen ab 2022 und neue Fahrzeuge ab 2024 gelten.

Konkrete fahrzeugtechnische Anforderungen, auf die beispielsweise die EU-Typgenehmigungsvorschriften dann verweisen, werden in der Regel bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) festgelegt. Dort wurde bereits im April 2017 ein Vorschlag des BMVI eingebracht, um auf Grundlage von Forschungsergebnissen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erstmalig verbindliche technische Anforderungen für Abbiegeassistenzsysteme festzulegen. Diese Systeme sollen Fahrzeugführende über Radfahrende, auch Rad fahrende Kinder, die sich neben dem Fahrzeug befinden, optisch informieren und im Falle einer drohenden Kollision warnen. Der Vorschlag wurde intensiv von den internationalen Experten diskutiert und ergänzt. Der überarbeitete Entwurf wurde durch die UNECE im März 2019 einstimmig angenommen und befindet sich derzeit im Notifizierungsverfahren. Einschließlich aller Fristen wird mit einem Inkrafttreten der Anforderungen im Herbst 2019 gerechnet.

Um rasch möglichst viele Fahrzeuge vor dem von der EU beschlossenen Beginn einer Ausrüstungspflicht mit Abbiegeassistenten im Jahr 2022 bzw. 2024 mit entsprechenden Sicherheitssystemen auszustatten, hat das BMVI bereits im Juli 2018 die "Aktion Abbiegeassistent" ins Leben berufen.

Am 15. Oktober 2018 wurden im Verkehrsblatt Empfehlungen zu technischen Anforderungen an Abbiegeassistenzsysteme für die Aus- und Nachrüstung zur Erteilung einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) veröffentlicht, die auf einem von der BASt erarbeiteten Kriterienkatalog basieren. Inzwischen haben sechs Hersteller die Erteilung einer ABE durch das Kraftfahrt-Bundesamt erhalten.

Ziffer 2:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich bei der Kommission und der UNECE dafür einzusetzen, dass für alle im Verkehr befindlichen Nutzfahrzeuge ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht eine Nachrüstpflicht für Abbiegeassistenzsysteme vorgeschrieben wird.

Stellungnahme der Bundesregierung

Eine Nachrüstpflicht ist weder bei der UNECE noch im nationalen Rahmen möglich, da für diese Fahrzeuge die EU-Typgenehmigungsvorschriften verbindlich anzuwenden sind. Für die Regelung dieser Frage ist daher ausschließlich die EU zuständig.

In einem Schreiben vom 18. Juni 2018 wurde der EU-KOM hinsichtlich der Abbiegeassistenzsysteme mitgeteilt, dass aus Sicht der Bundesregierung ein kurzfristiger Einführungszeitpunkt der verpflichtenden Ausrüstung und auch Nachrüstung möglich und erforderlich ist. Im Antwortschreiben vom 19. Juli 2018 verweist die EU-KOM auf eine initiierte, aber noch nicht abgeschlossene Studie zur Untersuchung der Vorteile und Kosten einer Nachrüstung bestehender Fahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen, die bei der Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Sicherheit vorgeschlagen wurden. Weiterhin führt die EU-KOM aus, dass freiwillige Ansätze von Mitgliedstaaten dabei ebenfalls einen möglichen Weg aufzeigen können. Dies erfolgte bereits vor dem Antwortschreiben der EU-KOM mit dem Start der Aktion Abbiegeassistent am 10. Juli 2018.

Ziffer 3:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Investitionen in Abbiegeassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht beispielsweise im Rahmen des Deminimis-Programms verstärkt zu fördern, um die Marktdurchdringung der Systeme zu verbessern und damit die Verkehrssicherheit insbesondere in urbanen Räumen zu erhöhen.

Stellungnahme der Bundesregierung

Um die Marktdurchdringung mit Abbiegeassistenzsystemen zu verbessern, hat die Bundesregierung ein eigenes Förderprogramm für Abbiegeassistenzsysteme außerhalb des De-Minimis-Programmes aufgelegt, welches neben der Ausrüstung von Neufahrzeugen auch die Nachrüstung von Bestandsfahrzeugen umfasst. Dieses Programm, für das jährlich 10 Mio. Euro geplant sind, trat am 21. Januar 2019 in Kraft und ist vorerst bis Ende 2024 terminiert. Ursprünglich war eine Förderung in Höhe von 5 Mio. Euro pro Jahr geplant. Aufgrund der sehr großen Nachfrage wurden die Mittel verdoppelt. Das Programm ist von der Bundesregierung als Anreizförderung konzipiert. Die Bundesregierung geht davon aus, dass aufgrund der zunehmenden Anzahl der (aufgrund der Förderung) mit Abbiegeassistenzsystemen ausgerüsteten Fahrzeuge der Druck auf Eigentümer, Halter, Mieter und Leasingnehmer von Lkw und Bussen steigt, auch ihre übrigen Fahrzeuge aus eigenem Antrieb mit sicherheitsfördernden Abbiegeassistenzsystemen auszurüsten. Die technischen Anforderungen für förderfähige Abbiegeassistenzsysteme sind in den o.a. (zu Ziff. 1) Empfehlungen vom 15. Oktober 2018 festgelegt.

Ziffer 4:

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber den deutschen Versicherern dafür einzusetzen, dass diese für Nutzfahrzeuge mit Abbiegeassistenzsystemen geeignete Rabatte bei der Versicherung gewähren, um auch dadurch die Investitionsbereitschaft des Güterkraftverkehrsgewerbes zu erhöhen.

Stellungnahme der Bundesregierung

Die Bitte des Bundesrates wurde seitens der Bundesregierung an den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft adressiert.

Siehe Drucksache 110/18(B) HTML PDF