Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über konkrete Maßnahmen, auch in Bezug auf Drittländer, zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung - COM (2012) 351 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 803/11 (PDF) = AE-Nr. 110966 und AE-Nr. 120052

Europäische Kommission
Brüssel, den 27.6.2012
COM (2012) 351 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament den Rat über konkrete Maßnahmen, auch in Bezug auf Drittländer, zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung

1. Einleitung

Steuerbetrug und Steuerhinterziehung schränken die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten, Einnahmen zu erzielen und ihre Wirtschaftspolitik umzusetzen, ein. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung, wenn viele Mitgliedstaaten ihre Ausgaben kürzen und Einnahmen erhöhen müssen, wird die Gestaltung der Finanzpolitik durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung noch zusätzlich erschwert1. Das Ausmaß der Schattenwirtschaft in der EU, das auf fast ein Fünftel des BIP geschätzt wird, gibt bereits einen Anhaltspunkt für die Größenordnung des Problems.

Abbildung 1: Geschätzter Umfang der Schattenwirtschaft 2011 (in % des BIP)2

Darüber hinaus bleiben auch Dutzende Milliarden Euro oft ungemeldet und unversteuert an Offshore-Standorten, was die staatlichen Steuereinnahmen weiter schmälert. Angesichts dieser Größenordnung ist eine wirksamere Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nicht nur eine Frage der Steuereinnahmen, sondern auch der Fairness. Es darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass die allermeisten Steuerpflichtigen in der EU im Allgemeinen bestrebt sind, ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Diesen ehrlichen Steuerpflichtigen dürfen gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine zusätzlichen Steuererhöhungen auferlegt werden, um die durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung entgangenen Einnahmen auszugleichen. Im Vordergrund sollte daher die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung stehen. In der vorliegenden Mitteilung wird nicht auf die nicht angemeldete Erwerbstätigkeit an und für sich eingegangen, wenngleich sie im Zusammenhang mit der Umgehung indirekter Steuern auftreten kann; die Strategie zur Bekämpfung der nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit wurde in der Mitteilung KOM (2007) 628 erläutert. Die Bekämpfung dieser Probleme könnte von großem Nutzen sein. Schätzungen zufolge haben allein die jüngsten Initiativen zur freiwilligen Einhaltung der Steuervorschriften im Rahmen einer G20-Initiative den betreffenden Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren rund 10 Mrd. EUR eingebracht3. Die Eindämmung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird den Mitgliedstaaten höhere Steuereinnahmen bescheren, die ihnen wiederum mehr Spielraum geben werden, ihre Steuersysteme so umzustrukturieren, dass das Wachstum entsprechend dem Jahreswachstumsbericht 20124 gefördert wird.

In den letzten Jahren hat sich die Problematik von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung erheblich verschärft. Die Globalisierung der Wirtschaft, der technologische Fortschritt, die Internationalisierung betrügerischer Geschäfte und die sich daraus ergebende gegenseitige Abhängigkeit der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten sind Faktoren, die erkennen lassen, dass rein einzelstaatliche Maßnahmen nur begrenzt wirksam sind und gemeinsam gehandelt werden muss.

Am 2. März 2012 ersuchte der Europäische Rat daher den Rat und die Kommission, rasch konkrete Maßnahmen - auch in Bezug auf Drittländer - auszuarbeiten, um den Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerumgehung zu verbessern, und bis Juni 2012 Bericht zu erstatten. Im April verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung, in der der dringende Handlungsbedarf auf diesem Gebiet hervorgehoben wurde.

Die Effizienz und Wirksamkeit der Steuererhebung muss also dringend verbessert werden. Die Probleme des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung müssen auf drei Ebenen in Angriff genommen werden: Erstens muss die Steuererhebung in jedem Mitgliedstaat verbessert werden. Zweitens müssen die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten besser grenzübergreifend zusammenarbeiten. Drittens benötigt die EU eine klare und kohärente Politik gegenüber Drittländern, um ihre Standards auf internationaler Ebene zu fördern und gleiche Bedingungen sicherzustellen. Auf jedem dieser drei Gebiete erbringt die Zusammenarbeit auf EU-Ebene einen Mehrwert.

In dieser Mitteilung wird erläutert, wie eine bessere Nutzung bereits vorhandener Instrumente und die Verabschiedung anhängiger Kommissionsvorschläge die Einhaltung der Steuervorschriften verbessern und Steuerbetrug und Steuerhinterziehung eindämmen können. Außerdem werden Bereiche aufgezeigt, in denen weitere Legislativmaßnahmen oder mehr Koordinierung für die EU und die Mitgliedstaaten von Nutzen wären. Diese Maßnahmen sollten nicht nur auf betrügerische Geschäfte und Steuerhinterziehung, sondern auch auf aggressive Arten der Steuerplanung ausgerichtet sein. Aggressive Steuerplanung liegt vor, wenn künstliche Geschäfte oder Strukturen genutzt oder Unterschiede zwischen Steuersystemen so ausgenutzt werden, dass dies die Steuervorschriften der Mitgliedstaaten untergräbt und dem Fiskus noch mehr Steuereinnahmen entgehen.

2. Wirksamere Steuererhebung in den Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten haben die uneingeschränkte Souveränität über die Erhebung ihrer Steuern, die Funktionsweise und Kohärenz ihrer Steuergesetze und Steuerverwaltungen, die Steuereintreibung und die Bekämpfung des Steuerbetrugs.

Nationale Maßnahmen (oder ihr Fehlen) wirken sich jedoch direkt auf das Funktionieren des Binnenmarktes insgesamt aus - denn sie können den Wettbewerb zwischen den Unternehmen in der EU verzerren - und auf die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, ihren Verpflichtungen gemäß dem Stabilitäts- und Wachstumspakt nachzukommen.

Die Bedeutung der Steuerpolitik für Haushaltskonsolidierung und Wachstum wurde im Rahmen des Europäischen Semesters5 und im Euro-Plus-Pakt6 eindeutig anerkannt und auch von der G20 unterstrichen. Eine ineffiziente und ineffektive Steuererhebung behindert eine ausgewogene und ambitionierte Haushaltskonsolidierung.

Die umfassende Analyse der Kommission im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester, aus der Empfehlungen für die einzelnen Mitgliedstaaten und die Eurozone hervorgegangen sind, hat gezeigt, dass in vielen Mitgliedstaaten enorme Probleme der Steuerumgehung bestehen, die in einigen Fällen mit einer schwachen Verwaltungskapazität einhergehen. An zehn Mitgliedstaaten wurden länderspezifische Empfehlungen zu dieser Problematik gerichtet7.

Durch eine verstärkte Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, wie sie in einigen länderspezifischen Empfehlungen gefordert wird, können die Steuereinnahmen erhöht und somit die nötigen Strukturreformen unterstützt werden. Sie kann auch die Umsetzung anderer wachstumsfördernder steuerlicher Empfehlungen in den Mitgliedstaaten erleichtern und die steuerbedingten Befolgungskosten für die Wirtschaft senken.

Die Daten über die MwSt-Einnahmequote in den Mitgliedstaaten veranschaulichen das Ausmaß der entgangenen Einnahmen. Zwar lässt sich diese Lücke teilweise durch ermäßigte MwSt-Sätze und MwSt-Befreiungen erklären, doch die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten nur einen Teil der theoretischen MwSt-Einnahmen erzielen, ist auch auf Steuerhinterziehung zurückzuführen.

Abbildung 2: Tatsächliche MwSt-Einnahmen 2010 (in % der theoretischen Einnahmen zu Normalsätzen)8

Auch die enormen Verwaltungskosten für die Steuererhebung belegen, mit welchen Problemen die Steuerverwaltungen konfrontiert sind.

Abbildung 3: Verwaltungskosten/Nettosteuereinnahmen 2009 (Kosten in EUR je 100 Einheiten Einnahmen)9

Es gibt bereits Programme für gezielte technische Hilfe auf diesem Gebiet10, und die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, sie zu nutzen, wenn sie Programme aufstellen mit dem Ziel, die Funktionsweise ihrer Steuerverwaltungen zu verbessern, die Verwaltungskapazität zu stärken und eine bessere Befolgung der Vorschriften zu erreichen. Für die Zukunft wird ein wirksames Nachfolgeprogramm für das FISCALIS-Programm benötigt, damit das reibungslose Funktionieren der Steuersysteme im Binnenmarkt sichergestellt werden kann.

Die Kommission hält es auch für wichtig, den Mitgliedstaaten weiterhin dabei zu helfen, die Schwächen in ihren Steuerverwaltungen ausfindig zu machen und spezifische Probleme in Angriff zu nehmen, einen wirksamen Austausch bewährter Verfahren sicherzustellen und Benchmarking-Methoden zu entwickeln, um die Kernfunktionen der Steuererhebung und von Steuerprüfungen bewerten zu können.

3. Bessere Grenzübergreifende Zusammenarbeit von Steuerverwaltungen in der EU

Der europäische Integrationsprozess hat zu einer stärkeren Integration der Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten geführt, die mit einem großen Volumen grenzübergreifender Geschäfte und einem Rückgang der mit ihnen verbundenen Kosten und Risiken einhergeht. Dies wiederum bringt für die nationalen Steuerverwaltungen zusätzliche Herausforderungen auf den Gebieten Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit sich.

3.1. Bestmögliche Nutzung der bereits vorhandenen Rechtsvorschriften

Grundvoraussetzungen für eine wirksame grenzübergreifende Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten sind gegenseitiges Vertrauen und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten können nur dann in vollem Umfang von der Zusammenarbeit profitieren, wenn sie bereit sind, einander zu unterstützen. Die Erfahrungen mit der Zinsbesteuerungsrichtlinie11 veranschaulichen die Vorteile dieser Zusammenarbeit. Die Quellenstaaten übermitteln jedes Jahr durchschnittlich über 4 Mio. Datensätze an die Wohnsitzstaaten, was Zinserträgen von durchschnittlich 20 Mrd. Euro entspricht.

In den letzten Jahren wurden mehrere wichtige Rechtsakte für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in den Bereichen direkte und indirekte Steuern erlassen 12, die jedoch von den Mitgliedstaaten noch nicht wirksam und umfassend angewandt werden.

Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen, indem sie ihnen die Tools und Instrumente zur Verfügung stellt, die sie für eine wirksame Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in der Praxis benötigen. Sie hat bereits elektronische Formate für den Informationsaustausch entwickelt, und sichere Kommunikationskanäle müssen kontinuierlich aktualisiert und auf andere Einkommensarten ausgeweitet werden. Außerdem wird die Kommission die korrekte Anwendung der gemeinsam vereinbarten Regeln und Verfahren durch alle Mitgliedstaaten genau überwachen.

3.2. Weitere konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit

3.2.1. Stärkung der vorhandenen Instrumente

Die Kommission verabschiedete am 13. November 2008 einen Vorschlag zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie mit dem Ziel, Schlupflöcher zu schließen und Steuerumgehung besser zu verhindern. Als wichtigste Schlupflöcher wurden dabei die Verwendung nicht besteuerter, zwischengeschalteter Strukturen zur Verschleierung des tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentums und die Verwendung innovativer Finanzinstrumente und anderer Produkte (d.h. strukturierte Kleinanlegerprodukte und Insurance Wrappers), die nicht unter die Richtlinie fallen, genannt.

Die zweite Überprüfung der Zinsbesteuerungsrichtlinie bestätigte die weitverbreitete Verwendung nicht besteuerter Offshore-Strukturen zwischen der Zahlstelle und dem Endbegünstigten, um das tatsächliche wirtschaftliche Eigentum zu verschleiern: 35 % der Nichtbankeneinlagen in den Mitgliedstaaten (in Ländern, die Zinsbesteuerungsabkommen geschlossen haben, sogar 65 %) werden von derartigen Strukturen in Offshore-Gebieten gehalten. Die Überprüfung hat auch ergeben, dass der Markt für strukturierte Finanzprodukte (mit derzeit offenen Umsätzen in Höhe von 767,3 Mrd. EUR) in den letzten Jahren um durchschnittlich über 30 % jährlich gewachsen ist. Die Mitgliedstaaten sind im Wesentlichen mit dem Inhalt des Änderungsvorschlags einverstanden. Es ist äußerst wichtig, dass diese Änderungen nun unverzüglich verabschiedet werden. Die EU muss zeigen, dass sie in der Lage ist, diese Probleme in Angriff zu nehmen. Damit bringt sie sich auch in eine bessere Position, um auf entsprechende Verbesserungen in anderen Ländern hinzuwirken.

3.2.2. Besserer Informationsaustausch

Ein Informationsaustausch liefert den Steuerverwaltungen wertvolle Informationen über die Einkünfte und Vermögenswerte ihrer Steuerpflichtigen, die auch besonders für die Risikoanalyse von Nutzen sein und als Anreiz für freiwillige Steuerehrlichkeit dienen können. Der automatische Informationsaustausch sollte dort gefördert werden, wo er besonders nützlich ist. Die Kommission hat bereits computergestützte Formate für Zinserträge entwickelt und arbeitet zurzeit an neuen Formaten für unter die Richtlinie 2011/16 fallende Einkünfte mit dem Ziel, einen sicheren und besseren automatischen Informationsaustausch in der EU zu erreichen. Die EU muss bei der Förderung ihres Standards des automatischen Informationsaustauschs eine Schlüsselrolle einnehmen, um so die Ausarbeitung internationaler Standards für die Transparenz und den Informationsaustausch in Steuerfragen zu unterstützen. Nr. 389/2012 des Rates vom 2. Mai 2012 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern und zur Aufhebung von Verordnung (EG) Nr. 2073/2004 (ABl. L 121 vom 8.5.2012, S. 1).

Damit die ausgetauschten Informationen unverzüglich genutzt werden können, muss die Identifizierung der Steuerpflichtigen unbedingt verbessert werden. Die in den Mitgliedstaaten gesammelten Erfahrungen zeigen, dass die Informationen viel besser abgeglichen werden können, wenn eine Steuer-Identifikationsnummer (TIN) mitgeteilt und als eindeutiger Identifikator verwendet wird. Die Kommission wird daher eine Folgenabschätzung durchführen mit dem Ziel, gegebenenfalls vorzuschlagen, dass jedem grenzübergreifend tätigen Steuerpflichtigen eine europäische TIN zugeteilt wird. Es sollte auch geprüft werden, ob den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten ein gegenseitiger direkter Zugang zu den relevanten Bereichen der nationalen Datenbanken und eine Ausweitung des automatisierten Zugangs im MwSt-Bereich gewährt werden sollte.

3.2.3. Bekämpfung von Trends und Mechanismen des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung

Es ist wichtig, Instrumente, Systeme und Arbeitsmethoden, mit denen Trends und Mechanismen des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung sowie grenzüberschreitende Betrüger ausfindig gemacht werden können, zu entwickeln und gemeinsam zu nutzen. Hierzu wird die Kommission auf eine rasche Ausweitung von EUROFISC und seines Frühwarnsystems auf den Bereich der direkten Steuern und auf die Verbesserung der Risikomanagementtechniken hinarbeiten. Außerdem wird sie einen Mechanismus für schnelle Reaktionen auf MwSt-Betrugsfälle vorschlagen.

Außerdem will die Kommission auch eine Strategie gegen aggressive Arten der Steuerplanung ausarbeiten. Sie wird prüfen, wie der Zugang zu Informationen über Geldströme verbessert werden kann, damit sich über Offshore-Bankkonten fließende hohe Beträge besser zurückverfolgen lassen. Es sollte in Betracht gezogen werden, in der EU ein Team von Steuerprüfern einzusetzen, die sich speziell mit grenzübergreifendem Steuerbetrug befassen. Regelmäßigere gemeinsame Steuerprüfungen sollten gefördert werden, indem umfassend von den geltenden Rechtsvorschriften über gleichzeitige Kontrollen Gebrauch gemacht wird und Bedienstete eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat anwesend sind13.

3.2.4. Gewährleistung eines hohen Grads an Steuerehrlichkeit

Die Verbesserung der Steuerehrlichkeit 14 ist ein wichtiges Element einer wirksamen Strategie zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Um die Einhaltung der Vorschriften bei inländischen und bei grenzübergreifenden Geschäften zu verbessern, müssen die Steuerpflichtigen besser über die Steuervorschriften der EU und der Mitgliedstaaten informiert werden. Instrumente wie ein einziges Internet-Steuerportal für alle Steuern und Steuerpflichtigen sowie eine einzige Anlaufstelle für gebietsfremde Steuerpflichtige in den Mitgliedstaaten würden den Steuerpflichtigen die Einhaltung ihrer steuerlichen Pflichten erleichtern. Auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer richtet die Kommission zurzeit eine Dialogplattform ein, das so genannte "EU-MwSt-Forum", an dem Steuerbehörden und Vertreter der Wirtschaft beteiligt sind. Dieses Forum wird die Voraussetzungen für ein reibungsloseres Funktionieren des derzeitigen MwSt-Systems schaffen, indem es auf die Verbesserung der freiwilligen Einhaltung der Vorschriften abzielt.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Steuerehrlichkeit zu fördern. Eine Möglichkeit ist die Senkung der Befolgungskosten für die Steuerpflichtigen und die Vereinfachung des Systems. Die Verwaltungskosten, die den Unternehmen durch die Einhaltung der Steuervorschriften entstehen, sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich. Da kleine Unternehmen durch Zeitaufwand und Kosten unverhältnismäßig stark belastet werden, würden eine Vereinfachung der komplexen Verwaltungsverfahren und ein verstärkter Einsatz von Online-Tools die Steuererhebung erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit vieler europäischer Unternehmen verbessern.

Die Steuerverwaltungen sollten auch in Betracht ziehen, ihren auf Kontrollen basierenden Ansatz durch ein Service-Konzept zu ergänzen. Sie könnten außerdem Anreizsysteme in Form von Programmen für die freiwillige Offenlegung entwickeln und die Steuerpflichtigen ermutigen, Fehler von sich aus zu berichtigen. Die Kommission wird im Geiste der sozialen Verantwortung der Unternehmen 15 eine Charta für Steuerpflichtige ausarbeiten.

In einer globalisierten Welt, in der Steuerbetrüger oder -flüchtlinge sich das Steuergebiet aussuchen können, in dem das geringste Risiko der Entdeckung oder Bestrafung besteht, sollten für bestimmte Arten von Steuerdelikten gemeinsame Mindestvorschriften gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, einschließlich verwaltungs- oder strafrechtlicher Sanktionen, in Betracht gezogen werden. Die Betrugsbekämpfung ist eine der Prioritäten in der Mitteilung der Kommission "Auf dem Weg zu einer europäischen Strafrechtspolitik"16. Die Kommission wird zu gegebener Zeit Vorschriften für eine verstärkte strafrechtliche Bekämpfung von Betrug vorschlagen, der sich gegen die finanziellen Interessen der EU richtet.

3.2.5. Bessere Steuerpolitik

Ein Steuerpflichtiger, der MwSt-Betrug begeht, umgeht oft auch die Körperschafts- oder Einkommenssteuer und umgekehrt. Es ist daher besonders wichtig, eine besser abgestimmte Strategie bei direkten und indirekten Steuern anzustreben. Ohne die Besonderheiten der unterschiedlichen Steuern außer Acht zu lassen, sollten die verschiedenen Mechanismen und Arbeitsmethoden in den jeweiligen Bereichen als Orientierungshilfe für eine effizientere Bekämpfung des Steuerbetrugs in allen Bereichen dienen.

In den Bereichen der direkten und indirekten Steuern sollte eine bessere Abstimmung der Instrumente und Systeme gefördert werden, z.B. durch die einheitliche Gestaltung der gemeinsamen Teile von Formularen. Um die vollständige Integration und Kohärenz der Mechanismen der Zusammenarbeit sicherzustellen, wird die Kommission mittelfristig die Möglichkeit eines einzigen Rechtsakts für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei allen Steuerarten prüfen.

Da Steuerbetrug oft mit anderen Straftaten einhergeht, muss sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen mit anderen Behörden gefördert werden, insbesondere mit denen, die für Geldwäsche und soziale Sicherheit zuständig sind, sowie mit den Justizbehörden. Auf nationaler Ebene muss eine ausreichende Zusammenarbeit aller Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden, die nicht nur Steuerbetrug und Steuerhinterziehung erfasst, sondern auch auf andere Weise mit Steuern in Zusammenhang stehende Straftaten 17 18. Die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Steuerkriminalität kann auch durch Europol sichergestellt werden19. Die Kommission kann die Koordinierung auf diesen Gebieten durch die gemeinsame Nutzung ihrer bereits bestehenden Programme und der Nachfolgeprogramme erleichtern.

4. Kohärente Politik gegenüber Drittländern

Die EU hat eine klare und kohärente Politik für die Grundsätze eines verantwortungsvollen staatlichen Handelns im Steuerbereich (Transparenz, Informationsaustausch und fairer Steuerwettbewerb), aber sie muss sicherstellen, dass diese Politik konsequenter vorangetrieben wird, nicht nur innerhalb der EU, sondern auch gegenüber Drittländern.

4.1. Anwendung gleichwertiger Standards durch Drittländer

Die verstärkten Zinsbesteuerungsmaßnahmen auf EU-Ebene könnten noch wirksamer und reibungsloser angewendet werden, wenn die bereits bestehenden entsprechenden Maßnahmen bei wichtigen Partnerländern der EU ebenfalls verstärkt würden.

Der internationale Markt für grenzübergreifende Einlagen wird nach wie vor von wohlbekannten und entsprechend beworbenen Finanzplätzen mit strengen Bankgeheimnisgesetzen dominiert. Mit einem Gesamtbetrag von 1352 Mrd. USD an Nichtbankeneinlagen entfallen allein auf die Kaimaninseln und auf die Schweiz fast 20 % aller derartigen Einlagen weltweit.

Abbildung 4: Entwicklung ausländischer Nichtbankeneinlagen bei Banken an bestimmten wichtigen Finanzplätzen außerhalb der EU (in Mio. USD)20

Der Rat sollte der Kommission daher rasch ein Verhandlungsmandat erteilen und sie bei der Aushandlung von Änderungen der bestehenden EU-Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, Andorra, Monaco, Liechtenstein und San Marino unterstützen. Die Anpassung dieser Abkommen an die in der EU geltenden neuen Standards, die sich aus den an der Zinsbesteuerungsrichtlinie erfolgenden Änderungen ergeben, sollte es ermöglichen, die Ausarbeitung gleichwertiger Maßnahmen für diese Länder voranzutreiben. Entsprechende Schritte sollten auch für die Aktualisierung der Zinsbesteuerungsabkommen mit den relevanten abhängigen oder assoziierten Gebieten unternommen werden. Außerdem sind die internationalen Entwicklungen bei den weltweiten Finanzplätzen zu beachten.

Zusammengenommen könnten alle diese Maßnahmen die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, Steuern auf die Kapitalerträge ihrer Gebietsansässigen zu erheben, beträchtlich verbessern. Die vor kurzem geschlossenen bilateralen Abkommen des Vereinigten Königreichs und Deutschlands mit der Schweiz geben einen Anhaltspunkt für den Umfang der unversteuerten Vermögenswerte in der Schweiz. Die infolge dieser Abkommen vorgesehenen Vorauszahlungen betrugen für das Vereinigte Königreich 500 Mio. CHF und für Deutschland 2 Mrd. CHF. Es wird damit gerechnet, dass die tatsächliche Nachversteuerung 1,3 Mrd. CHF (Vereinigtes Königreich) und 4 Mrd. CHF (Deutschland) übersteigen wird. Das Vereinigte Königreich schätzt, dass die Nachversteuerung insgesamt bis zu 4-7 Mrd. GBP einbringen könnte. Diese Schätzung ist ein Anhaltspunkt für die Größenordnung des Problems in der EU insgesamt.

Die Erkenntnisse aus der zweiten Überprüfung der Zinsbesteuerungsrichtlinie zeigen, dass durch eine Verschärfung der derzeitigen Abkommen entsprechend den für die Richtlinie vorgeschlagenen Änderungen die Einlagen auf Treuhandkonten einbezogen werden könnten. Dabei handelt es sich um Konten, auf denen die Bank des Investors Mittel in ihrem eigenen Namen in einem anderen Steuergebiet hinterlegt. Im Fall der Schweiz betragen die Mittel auf diesen Treuhandkonten das Viereinhalbfache der von diesen Investoren direkt gehaltenen Mittel.

4.2. Förderung von EU-Standards auf internationaler Ebene

Es ist wichtig, eine bessere Kohärenz zwischen den EU-Politikbereichen insgesamt zu erreichen, damit sich die EU-Partner im Rahmen von internationalen Handels- und Kooperationsabkommen entsprechend den Schlussfolgerungen des Rates von 0821 zu den Grundsätzen des verantwortungsvollen Handelns im Steuerwesen bekennen. Diese Grundsätze sollten weiterhin in alle relevanten Abkommen der EU mit Drittländern aufgenommen und durch Anreize zur Entwicklungszusammenarbeit entsprechend der Mitteilung von 2009 "Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich"22 und der Mitteilung von 2010 zum Thema "Steuerwesen und Entwicklung - Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich"23 gefördert werden.

Außerdem sollte der Rat rasch den Entwurf des Abkommens zwischen der EU und Liechtenstein über Betrugsbekämpfung und Zusammenarbeit im Steuerwesen genehmigen und der Kommission ein Mandat zur Eröffnung entsprechender Verhandlungen mit Andorra, Monaco, San Marino und der Schweiz erteilen. Darüber hinaus sollten Möglichkeiten für den Abschluss multilateraler Abkommen mit Drittländern über die Zusammenarbeit der Verwaltungen auf dem Gebiet der indirekten Steuern mit Drittländern sowie die Frage der Teilnahme von Drittländern an gleichzeitigen Kontrollen geprüft werden.

Die jüngsten Entwicklungen auf internationaler Ebene in Bezug auf das US-Gesetz "Foreign Account Tax Compliance Act" (FATCA) eröffnen neue Perspektiven für die Intensivierung des automatischen Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern und somit für die Verbesserung der Transparenz auf globaler Ebene.

Schließlich sollte auch die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen verbessert werden, um gemeinsame Interessen zu fördern, Überschneidungen zu vermeiden und Synergien für Finanzinstitute und Steuerverwaltungen zu schaffen 24. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, sowohl innerhalb der EU als auch in ihren Beziehungen zu Drittländern nur einen einzigen Satz von Werkzeugen und Instrumenten anzuwenden. Hierzu fördert die Kommission moderne praktische Werkzeuge der EU (einschließlich elektronischer Formate), damit sie von Drittländern insbesondere in ihren Beziehungen zu EU-Mitgliedstaaten genutzt werden.

4.3. Künftiger Umgang mit Steueroasen und aggressiver Steuerplanung

Als Steueroasen, manchmal auch "nicht kooperierende Länder oder Gebiete" genannt, gelten im Allgemeinen solche Länder oder Gebiete, die ihre staatlichen Leistungen ohne oder mit nur nominalen Einkommensteuern finanzieren können und die sich als Orte anbieten, die Gebietsfremde nutzen können, um die Besteuerung in ihrem Wohnsitzland zu umgehen. Die OECD hat drei typische Merkmale identifiziert, an denen Steueroasen zu erkennen sind:

Darüber hinaus bieten sie Gebietsfremden oft eine steuerliche Vorzugsbehandlung an, um Investitionen aus anderen Ländern anzuziehen. Steueroasen konkurrieren daher mit unfairen Mitteln und erschweren es anderen Ländern, ihre Gebietsansässigen in angemessener Weise zu besteuern.

Es wird intensiv daran gearbeitet, viele der steuerschädlichen Merkmale von Steueroasen zu beseitigen. Durch die fast universelle Annahme strenger Regeln für Transparenz und für den Austausch von Informationen auf Ersuchen, nachdem das OECD-Weltforum zu Transparenz und Informationsaustausch für steuerliche Zwecke erfolgreich wiederaufgenommen wurde, konnten bereits wichtige Fortschritte erzielt werden. Wenngleich viele ehemalige Steueroasen die Einhaltung dieser Grundsätze zugesichert haben, wird gerade erst geprüft, ob diese Zusagen auch in die Praxis umgesetzt wurden. Darüber hinaus befasst sich das Forum nicht mit der Frage des "fairen Steuerwettbewerbs", einem Grundsatz, den die EU intern durch ihren Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung 25 vertritt. Sowohl die OECD als auch die EU haben ein Interesse daran, Drittländern dieses Konzept näherzubringen.

Steueroasen haben nach wie vor das Potenzial, den Interessen der Mitgliedstaaten zu schaden. Die Belastungen durch zusätzliche Befolgungskosten aufgrund nicht abgestimmter Maßnahmen der Mitgliedstaaten zum Schutz ihrer Steuerbemessungsgrundlagen treffen alle Steuerpflichtigen. Und auch wenn dem Staat Steuereinnahmen entgehen, weil die Steuerbemessungsgrundlage in Steueroasen verlagert wurde, haben alle Steuerpflichtigen darunter zu leiden, wenn als Ausgleich für die ausgehöhlten Bemessungsgrundlagen die Steuersätze erhöht werden.

Über die spezifischen Fragen der Steueroasen hinaus verfolgt die Kommission das Ziel, zu einem gerechten und soliden Steuerumfeld in der EU beizutragen, das Mitgliedstaaten, Steuerpflichtigen und Investoren zugute kommt und in dem die Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlagen wirksam in Angriff genommen wird (innerhalb der EU und in den Beziehungen mit Drittländern). Es ist wichtig, dass die sich daraus ergebenden Vorteile nicht durch Maßnahmen von Drittländern untergraben werden. Zurzeit werden mögliche Lösungsstrategien geprüft mit dem Ziel, gegen Jahresende einen Aktionsplan vorzulegen. Ziel ist die Festlegung einer Reihe von Maßnahmen, Verfahren und Instrumenten für ein koordiniertes Vorgehen. Hierzu könnte eine Kombination von Abwehrmaßnahmen oder Sanktionen gegen Länder, die unlauteren Steuerwettbewerb praktizieren, und Anreizen, diese Praktiken einzustellen, gehören. Der Schwerpunkt wird auf koordinierten Maßnahmen liegen. Die Mitteilung wird sich auch mit Fragen der aggressiven Steuerplanung befassen.

5. Fazit

Die Staats- und Regierungschefs haben am 2. März 2012 ihren klaren politischen Willen zum Ausdruck gebracht, konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung Priorität einzuräumen. Jetzt müssen den Worten Taten folgen. Diese Mitteilung ist eine erste Reaktion auf die Aufforderung des Europäischen Rates. Sie beschreibt die verschiedenen Ebenen, auf denen gehandelt werden muss, und enthält allgemeine Orientierungshilfen zu den noch eingehender zu prüfenden Fragen. Die Kommission hofft, diese Erörterungen sowohl auf Ratsebene als auch durch die Gruppe "Steuerpolitik"26 vorantreiben zu können. Eine rasche Annahme der Überarbeitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie und eine unverzügliche Zustimmung zur Erteilung des Verhandlungsmandats für die Kommission wären erste Schritte in diese Richtung.

Der Prozess des Europäischen Semesters bietet eine ideale Gelegenheit, Steuerfragen im Gesamtkontext der wirtschaftlichen Entwicklung der EU zu prüfen und die Steuerpolitik in die Wachstumsimpulse zu integrieren. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten auch in Zukunft bei ihren Konsolidierungs- und Wachstumsstrategien unterstützen.

Die Kommission will vor Ende des Jahres 2012 auf der Grundlage einer angemessenen Folgenabschätzung einen Aktionsplan mit spezifischen Maßnahmen vorlegen, die rasch umgesetzt werden könnten, wenn ihnen die nötige politische Priorität eingeräumt wird. Der Plan soll zusammen mit der Initiative gegen Steueroasen und aggressive Steuerplanung vorgelegt werden. Dieser Aktionsplan wird konkrete Schritte zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden enthalten und die Weiterentwicklung der bestehenden Grundsätze des verantwortungsvollen staatlichen Handelns unterstützen. Weitere Themen werden der Umgang mit Steueroasen und aggressiver Steuerplanung sowie weitere Aspekte wie die Steuerkriminalität sein.