Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen" vom 31. März 2016

Bundesministerium des Innern
Berlin, 5. Juli 2016
Parlamentarischer Staatssekretär

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen" hat ihre Prüftätigkeit beendet und ihren Abschlussbericht vom 31. März 2016 erstellt.

Den Bericht übersende ich Ihnen hiermit mit der Bitte um Kenntnisnahme.

Die Einrichtung dieses Gremiums geht auf eine Bitte des Bundesrates in der Bezugsdrucksache* zurück, "zeitnah ein Gremium mit Mitgliedern aus allen von dem Themenkomplex Einwohnerzahlenermittlung betroffenen Bereichen ( ...) einzusetzen, das ergebnisoffen prüft, ob bzw. wann und wie die Einwohnerzahlenermittlung mittel- und langfristig modernisiert, verbessert und gegebenenfalls grundlegend neu gestaltet werden kann."

Daraufhin hat das Bundesministerium des Innern die Bund-Länder-Arbeitsgruppe (AG "Einwohnerzahlen") eingerichtet. Der Abschlussbericht ist den Vertretern der Dienstaufsichtsbehörden der statistischen Ämter der Länder auf einer Bund-Länder-Sitzung am 22. Juni 2016 zur Kenntnis gegeben worden, die keine Einwände gegen die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Arbeitsgruppe erhoben haben.

Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. Ole Schröder

* Siehe Drucksache 032/12(B) HTML PDF

Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen" vom 31. März 2016

1. Auftrag

Der Auftrag zur Bildung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen" beruht auf der Stellungnahme des Bundesrates in seiner 893. Sitzung vom 2. März 2012 zum Entwurf eines Gesetzes über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (Bevölkerungsstatistikgesetz - BevStatG), Drucksache 032/12(B) HTML PDF .

Der Bundesrat fordert darin eine umfassende Untersuchung dahingehend, ob das bisherige Verfahren zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen noch vertretbar und zeitgemäß ist:

"Nicht nur das Bevölkerungsstatistikgesetz erfordert eine grundlegende Überarbeitung, sondern das gesamte bisherige Verfahren zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen

Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, zeitnah ein Gremium mit Mitgliedern aus allen von dem Themenkomplex Einwohnerzahlenermittlung betroffenen Bereichen (z.B. Melderecht, Statistik, EDV, Datenschutz) einzusetzen, das ergebnisoffen prüft, ob bzw. wann und wie die Einwohnerzahlenermittlung mittel- und langfristig modernisiert, verbessert und gegebenenfalls grundlegend neu gestaltet werden kann.

Begründung:

Unabhängig von den Ergebnissen des aktuell laufenden EU-weiten Zensus 2011 müssen schon jetzt erste Überlegungen dahingehend angestellt werden, ob das seit Jahrzehnten bestehende Verfahren zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen - allein schon angesichts der heute gegebenen technischen Möglichkeiten - nicht grundlegend verbessert werden kann. Diese Überlegungen müssen bereits jetzt erfolgen, um im Hinblick auf den nächsten EU-weiten Zensus um das Jahr 2020 ggf. notwendige Arbeiten und Entscheidungen frühzeitig und umfassend vorbereiten zu können. Dabei dürfen die anzustellenden Überlegungen keinerlei Restriktionen unterworfen werden; d.h., auch die Aufgabe der heutigen sogenannten Zweigleisigkeit bei der Einwohnerzahlenermittlung (Meldeämter und Statistische Landesämter) und damit eine Einwohnerzahlenermittlung im Verwaltungsbereich selbst muss eine Option bei den anzustellenden Überlegungen sein, zumal dadurch das sogenannte Rückspielverbot nicht mehr tangiert würde."

In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung dem Vorschlag zugestimmt:

"Das vom Bundesrat vorgeschlagene Expertengremium wird einzusetzen sein, sobald im Rahmen der Auswertung des Zensus 2011 valide Angaben zur Qualität der Melderegister vorhanden sind, weil dann die Basis für eine ergebnisoffene Prüfung und Neubewertung des Verfahrens zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen vorliegt." (BT-Drs. 17/9219 vom 29.03.2012).

2. Einrichtung der Bund-Länder-AG und der Unterarbeitsgruppen (Aufgabe, Teilnehmer, Termine)

Die vom Bundesrat gewünschte Bund-Länder-Arbeitsgruppe (AG "Einwohnerzahlen") wurde vom Bundesministerium des Innern eingerichtet.

Die Bund-Länder Arbeitsgruppe bestand aus folgenden Mitgliedern:

Die Arbeitsgruppe hat am 24. Oktober 2013, am 22. Mai und 9. Oktober 2014 sowie am 28. April 2015 getagt.

In der Auftaktsitzung am 24. Oktober 2013 wurden zwei Unterarbeitsgruppen mit folgenden Aufgaben eingerichtet:

UAG 1:

"Optimierungsmöglichkeiten des bestehenden Systems der Bevölkerungsfortschreibung bei der Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen" unter Federführung des Landes Brandenburg

UAG 2:

"Umstellung auf ein (rein) melderegistergestütztes System zur Ermittlung der Einwohnerzahlen"

unter Federführung des Landes Rheinland-Pfalz.

Die Zusammensetzung der Unterarbeitsgruppen ist aus der Anlage 1 ersichtlich.

3. Ausgangslage, Bestandsaufnahme

- Unterschiedliche Verwendung des Begriffs "(amtliche) Einwohnerzahl" (Bund/Länder/Kommunen)

Nach Feststellungen der AG "Einwohnerzahlen" gibt es eine Vielzahl bundesrechtlicher und landesrechtlicher Vorschriften, die entweder auf die "amtliche Einwohnerzahl" oder auch nur auf die "Einwohnerzahl" abstellen. Eine einheitliche Verwendung der jeweiligen Begriffe ist jedoch nicht festzustellen. Die Anlage 2 gibt einen Überblick zum Bundesrecht.

Meist wird jedoch an die von den statistischen Ämtern der Länder auf der Basis der Ergebnisse der Volkszählung 1987 oder nunmehr des Zensus 2011 ermittelte und in der Folge nach § 5 BevStatG fortgeschriebene Gesamtzahl von Personen, die in einer Gebietskörperschaft ihre Hauptwohnung haben, angeknüpft.

Rheinland-Pfalz hat sich teilweise davon gelöst und in § 130 Absatz 1 seiner Gemeindeordnung Folgendes bestimmt:

"Soweit nach diesem Gesetz die Einwohnerzahl von rechtlicher Bedeutung ist, ist die jeweils auf den 30. Juni des Vorjahres nach den melderechtlichen Vorschriften unter Anwendung des landeseinheitlichen Verfahrens für das Meldewesen ermittelte Zahl der Personen, die in der Gemeinde ihre Hauptwohnung haben, maßgebend."

- Keine Bundeszuständigkeit für die amtliche Feststellung der Einwohnerzahlen der Gebietskörperschaften der Länder und Kommunen

Da dem Bund gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 11 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nur hinsichtlich der Statistik für Bundeszwecke und damit für die statistische Ermittlung der Bevölkerungszahl zukommt, fällt die Festlegung der amtlichen Einwohnerzahlen der Kommunen nicht in seine Regelungskompetenz, sondern nach Artikel 70 GG in die Gesetzgebungsbefugnis der Länder.

Daraus folgt, dass ein nach Bundesrecht angeordneter bundesweiter Zensus zwar bevölkerungsstatistische Daten bis auf die Ebene der Kommune liefern, aber nicht selbst deren amtliche Einwohnerzahl verbindlich für die Länder feststellen kann.

Das ist einem landesrechtlich geregelten Verfahren vorbehalten, in dem der jeweilige Landesgesetzgeber aufgrund eigener Gesetzgebungsbefugnis bestimmt, welche Behörde die amtlichen Einwohnerzahlen seiner Gebietskörperschaften in welchem Verfahren feststellt und fortschreibt.

So heißt es z.B. in Artikel 26 Absatz 2 des Bayerischen Statistikgesetzes:

"Das Landesamt stellt die durch den Zensus mit Stand vom 9. Mai 2011 (Berichtszeitpunkt) ermittelten amtlichen Einwohnerzahlen der Gemeinden, Landkreise, Bezirke und des Freistaates Bayern fest."

In jedem Land gibt es eine ähnliche Vorschrift, sei es im Ausführungsgesetz zum Zensus 2011 oder im Landesstatistikgesetz.

- Ermittlung des bundesweiten Bevölkerungstandes und dessen Fortschreibung nach Bundesrecht

Gestützt auf Artikel 73 Absatz 1 Nummer 11 GG wird als Statistik für Zwecke des Bundes nicht nur die Ermittlung des bundesweiten Bevölkerungsstandes durch ein Zensusanordnungsgesetz angeordnet, sondern durch das BevStatG auch dessen statistische Fortschreibung.

So regelt § 5 Absatz 1 Satz 2 BevStatG, dass die Grundlage für die Fortschreibung der jeweils letzte Zensus ist, dessen Zahlen nach den Ergebnissen der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik sowie den Mitteilungen zum Wechsel der Staatsangehörigkeit sowie zu Ehescheidungen und Aufhebungen von Ehen und Lebenspartnerschaften fortzuschreiben sind.

- Festlegung amtlicher Einwohnerzahlen von Kommunen nach Landesrecht

Doch nur soweit das einschlägige Landesrecht die Feststellung und Fortschreibung von amtlichen Einwohnerzahlen, insbesondere der Gemeinden, ausdrücklich an die Ergebnisse der bundesstatistischen Erhebungen knüpft, können diese als deren Berechnungsgrundlage herangezogen werden.

Alle Länder haben insoweit per Gesetz ihre Statistikämter damit betraut, auf der Basis der Zensusergebnisse 2011 zum Erhebungsstichtag die Einwohnerzahl einer Gemeinde per Bescheid förmlich festzustellen und - unbeschadet einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung - als verbindliche, d.h. amtlich festgestellte Einwohnerzahl zu veröffentlichen.

Was jedoch Einzelheiten zur laufenden Fortschreibung, auch in Bezug auf die Verbindlichkeit einer zu bestimmten Stichtagen fortgeschriebenen, amtlich festgestellten Einwohnerzahl angeht, fehlt es meist an eindeutigen landesrechtlichen Regelungen. In der Praxis behilft man sich damit, die für die Bundesstatistik ermittelten und von den Statistikämtern gemeindebezogenen veröffentlichten Zahlen zu übernehmen.

Nur Rheinland-Pfalz hat eine von der Praxis in den übrigen Ländern abweichende, aber insoweit eindeutige Regelung getroffen, indem es für Einwohnerzahlen im Anwendungsbereich seiner Gemeindeordnung eine klare Anknüpfung an den Melderegisterbestand zu einem bestimmten Stichtag vorgibt.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass der in Bundesgesetzen hergestellte Bezug zu Einwohnerzahlen - auch für Rheinland-Pfalz - in der Regel weiterhin auf die nach dem Verfahren des § 5 BevStatG zu den relevanten Stichtagen fortgeschriebenen Einwohnerzahlen abstellt.

Auf dieser bevölkerungsstatistischen Fortschreibung beruht z.B. § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (FAG). Darin heißt es:

"Der Ausgleichsmesszahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat." § 12 Wohngeldgesetz hingegen legt fest:

"Maßgebend ist die Einwohnerzahl, die das statistische Landesamt auf der Grundlage des § 5 des Bevölkerungsstatistikgesetzes zum 30. September des vorletzten Kalenderjahres ... festgestellt hat."

Nach Einschätzung der AG "Einwohnerzahlen" können auch im Bundesbereich anlassbezogen weitere Klarstellungen angezeigt sein, insbesondere wenn es um finanzwirksame Schwellenwerte geht.

4. Darstellung der Ermittlung und Fortschreibung von Einwohnerzahlen nach der Methodik der Bevölkerungsstatistik

5. Darstellung einer rein melderegistergestützten Einwohnerzahlermittlung

6. Problemfelder und Optimierungsmöglichkeiten

- Meldewesen

Trotz gesetzlicher Meldepflicht lassen sich Über- bzw. Untererfassungen in den Melderegistern nicht generell vermeiden. Die statistische Hochrechnung der Ergebnisse der Haushaltsstichprobe des Zensus 2011 hat bundesweit ca. 2,1 Mio. Übererfassungen und ca. 1,3 Mio. Untererfassungen ergeben.

Die aufgrund von § 5 BevStatG fortgeschriebene amtliche Einwohnerzahl lag am 30. April 2011 bei 81,7 Mio. bundesweit. Der Zensus hat dann zum Stichtag 09. Mai 2011 eine Einwohnerzahl von 80,2 Mio. ermittelt. Das hat dazu geführt, dass die amtliche Gesamteinwohnerzahl aufgrund der Zensusergebnisse um fast 1,5 Mio. Einwohner nach unten korrigiert worden ist.

Je nach den Anforderungen, die man an eine stichtagsgenaue Einwohnerermittlung aus den Registerbeständen stellen will, müssten auch Personen, die erst später als "unbekannt verzogen" erkannt und vom Amts wegen als "Karteileichen" gelöscht werden, sowie Personen, die zum Stichtag bereits in der Gemeinde wohnen, aber ihren Hauptwohnsitz dort erst viel später anmelden, mitberücksichtigt werden.

Hinzu kommt, dass selbst die zum Zensusstichtag 09. Mai 2011 nach einem monatelangen Auswertungsprozess der Statistikämter aufgedeckten konkreten "Fehlzuordnungen" von den Meldebehörden nicht zu einer unmittelbaren Registerkorrektur genutzt werden dürfen. Ungeachtet des vom Bundesverfassungsgericht aufgegebenen Rückspielverbotes könnten selbst dann auch nur die in der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis bei 10% der Bevölkerung konkret aufgedeckten Über- bzw. Untererfassungen mit entsprechend korrigierten Meldedatensätzen bereinigt werden. Für den verbleibenden Registerbestand von rund 90% kann aber auch die Stichprobenhochrechnung der Statistikämter nur allgemeine Fallzahlen (statistisch ermittelte Anzahl unentdeckter "Karteileichen" bzw. noch nicht im Meldebestand registrierter Einwohner) liefern, welche die Meldebehörden jedoch mangels näherer Angaben keinen konkreten Personendatensätzen zuordnen können. Sie können allerdings Hinweise liefern, in welchen Personengruppen nach Fehlern gesucht werden sollte.

Soweit nicht durch entsprechende eigene Maßnahmen der Meldebehörden nach "Karteileichen" gesucht und möglichst alle Meldepflichtigen zeitnah registriert werden, wobei die Meldebehörden vom Meldeverhalten der Bürgerinnen und Bürger abhängig sind, wird die genaue Anzahl der Einwohner einer Kommune in deren Melderegister nur annährend realitätsnah abgebildet. Die Datenlieferungen der Meldebehörden gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 BevStatG an die Statistikämter bilden eine der wesentlichen Quellen für die statistische Fortschreibung des Bevölkerungsstandes.

- Zwischenfazit:

Die vom zuständigen Statistikamt eines Landes auf der Basis der Ergebnisse des registergestützten Zensus 2011 per Feststellungsbescheid nach Landesrecht stichtagsbezogen zur "amtlichen Einwohnerzahl" einer Kommune erklärte Zahl ist derzeit das Resultat einer Operation, die um Mehrfachfälle und Erkenntnisse aus Vollerhebungen in Sonderbereichen bereinigte in die Statistikrechnung übernommene Registerzahlen zusätzlich noch um Größen von Über- bzw. Untererfassungen, die aus den Ergebnissen einer Stichprobe errechnet werden, statistisch korrigiert und als neuen "Anfangsbestand" setzt. In der Folgezeit schreibt das Statistikamt seine eigene - wegen der o.g. Korrektur vom Melderegister abweichende - Anfangsbestandszahl fort, indem es ihm gemeldete Sterbefälle und Fortzüge abzieht und Geburten und Zuzüge hinzuzählt.

Die Melderegister hingegen schreiben keinen Anfangsbestand fort, sondern geben den aktuellen Bestand an Meldedatensätzen zu einem Stichtag an. Da es den Meldebehörden anhand der von der Statistik ermittelten Fehlbestands-/Karteileichenraten nicht möglich ist, konkrete Meldedatensätze in ihrem Meldedatenbestand zu bereinigen, weicht die Einwohnerzahl, die aus dem Melderegister ausgezählt wird, naturgemäß von der statistisch korrigierten Einwohnerzahl ab. Deshalb sollte darauf hingearbeitet werden, dass bestehende Verpflichtungen zur melderechtlichen Korrektur (Fehlbestände, Karteileichen) und zur Abmeldung von nicht mehr vorhandenen Personen von Amts wegen stärker und einheitlicher umgesetzt werden.

Je nach der von den Meldebehörden und Personenstandsbehörden angewandten Sorgfalt bei den gemäß §§ 2 und 4 BevStatG zu liefernden Datensätzen einschließlich späterer Korrekturmeldungen kann es zu Zuordnungsproblemen in der Statistik kommen.

- Personenstandswesen

Die nach Landesrecht für die Führung der Personenstandsregister zuständigen Stellen liefern ihren Statistikämtern gemäß § 2 Absatz 4 und 5 BevStatG Datensätze zu Geburten und Sterbefällen. Diese Daten werden aber auch in den Melderegistern verbucht. Dabei können Differenzen entstehen, wenn bei einer Geburt oder einem Sterbefall die Standesämter nicht den korrekten Amtlichen Gemeindeschlüssel (AGS) für die Hauptwohnung übermitteln oder wenn spätere Korrekturmeldungen zu Zuordnungsproblemen in der Statistik führen. Durch geeignete organisatorische Maßnahmen der beteiligten Behörden kann sichergestellt werden, dass keine Differenzen oder Mehrfachbuchungen in der statistischen Fortschreibung entstehen.

- Statistik

Die Statistikämter schreiben gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 BevStatG anhand der ihnen aus verschiedenen Datenquellen zugelieferten Datensätze den Bevölkerungsstand nicht nur als reine Anzahl von Personen mit Hauptwohnsitz in einer Gebietskörperschaft (Kopfzahl je Kommune) fort, sondern für die "Bevölkerung insgesamt sowie getrennt nach Geschlecht, Alter, Familienstand, Wohnort und Staatsangehörigkeit".

Die Zuordnung zu den Unterkategorien folgt besonderen statistischen Regeln. Die AG "Einwohnerzahlen" hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass bestimmte erfahrungsbasierte Zuordnungskriterien einer Überprüfung bedürfen. So ist in der Wanderungsstatistik die Annahme zu überprüfen, dass als "unbekannt verzogen" gemeldete Personen, wenn sie Ausländer sind, generell als "in ihr Herkunftsland zurückgekehrt" angesehen werden, während bei Deutschen angenommen wird, dass sie sich "weiterhin in Deutschland, aber mit noch unbekanntem Inlandswohnort" befinden und somit vorerst nicht als Wanderungsfall eingestuft werden. Im Sinne einer möglichst realitätsnahen Einwohnerzahlermittlung wird sich die melderechtliche Abmeldung von Amts wegen ab 2016 auch in der gemeindebezogenen Buchungspraxis der Statistikämter niederschlagen.

Die Notwendigkeit, die potentiellen Fehlerquellen einer statistischen Fortschreibung auf der Basis von Datenlieferungen aus verschiedenen Quellen durch Optimierung der Bearbeitungsverfahren zu minimieren, besteht unabhängig davon, ob ein turnusgemäßer Abgleich zwischen Melderegisterbestand und statistischer Parallelrechnung geschaffen werden könnte. Dies ist zuletzt bei der Volkszählung 1970 versucht worden. Die Abklärung unterschiedlicher Angaben aus Millionen ausgewerteter Fragebögen und ihre melderechtlich korrekte Zuordnung in bereinigten Melderegistern haben einen enormen Nachbearbeitungsaufwand erzeugt, ohne dass letztendlich alle Fehlerquellen beseitigt werden konnten. Bei der Volkszählung 1987 stand bereits das Rückspielverbot aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum gescheiterten Volkszählungsgesetz 1983 dem entgegen.

Ein registergestützter Zensus, der Datenlieferungen aus einem um Mehrfachfälle bereinigten Meldedatenbestand nutzt und über eine Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis bundesweit valide Angaben zu den Über- und Untererfassungen im Registerbestand ermittelt, lässt systembedingt keine einzelfallbezogene Abklärung von Meldedatensätzen mehr zu.

7. Gesetzliche Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung

- Meldewesen

Seit dem 1. November 2015 gilt mit dem Bundesmeldegesetz (BMG) ein einheitliches Bundesgesetz als Vollregelung. Es wurde im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Meldewesen gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 3 GG geschaffen. Zuvor gab es ein Melderechtsrahmengesetz des Bundes mit 16 Landesmeldegesetzen. Das BMG trägt durch eine bundesweite Vereinheitlichung zur weiteren Verbesserung der Datenqualität und entsprechend einheitlichen Datenübermittlungen bei.

Die Meldebehörden registrieren die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Personen, um deren Identität und deren Wohnungen festzustellen und nachweisen zu können (§ 2 Absatz 1 BMG). Wohnungen werden über die Angabe der Anschrift festgestellt, also zunächst gebäudegenau. Nur wenn zu Adressierungszwecken die Lage der Wohnung erforderlich ist, kommt auch diese zur Speicherung. Zur Lage der Wohnung gibt es ab dem 1. November 2015 neben Angaben der meldepflichtigen Person auch die Angaben des Wohnungsgebers (§ 19 BMG).

Ab 1. Januar 2016 erfolgt die Datenübermittlung an die Statistik standardisiert über XMeld.

Mit dem Ziel, stets die Qualität der Melderegister weiter zu verbessern, sind in den vergangenen Jahren und zuletzt mit dem BMG wesentliche Maßnahmen ergriffen worden:

Als weitere Maßnahmen sind in der Planung:

Bei erfolgreicher Realisierung dieser Qualitätsmaßnahmen wird sich auch die Fehleranfälligkeit in den Datenlieferungen der Meldebehörden an die Statistikämter gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 BevStatG wesentlich reduzieren. Dies trägt entscheidend dazu bei, dass die Statistikämter zu validen statistischen Ergebnissen in der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes gelangen. Denn bei guter Meldedatenqualität entfällt deren eigener Aufwand, Doppelfälle und Zweifelsfälle in der Statistik aufzuspüren und abzuklären.

1 Mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz vom 2. Februar 2016 (BGBl. I S.130) ist dies geschehen. Dessen Regelungen werden zum 1. November 2016 inkrafttreten.

- Statistikwesen

Aufgrund des Änderungsgesetzes zum BevStatG vom 20. April 2013, das am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, erhalten die Statistikämter bei den Datenlieferungen der Meldebehörden nun zusätzlich auch die Anschrift und das Ordnungsmerkmal, welches die Meldebehörm Datensatz gegeben hat, als Hilfsmerkmale mitübermittelt. Dadurch lässt sich im Vergleich zum vorherigen Verfahren nicht nur eine genauere räumliche Zuordnung treffen, sondern auch leichter prüfen, ob ein identischer Fall aus einer anderen Quelle (z.B. Personenstandsbehörde) zugeliefert worden ist. Denn auch die Personenstandsbehörden liefern nun z.B. bei Geburten und Sterbefällen die Anschrift als zusätzliches Hilfsmerkmal an die Statistikämter. Damit können die Statistikämter wesentlich leichter Doppelbuchungen vorbeugen.

In Kombination mit den Qualitätsverbesserungen der Meldedaten durch das BMG und den statistikinternen Maßnahmen aufgrund der Änderung des BevStatG ist zu erwarten, dass die Fehleranfälligkeit der Datenaufbereitung in der statistischen Fortschreibung des Bevölkerungsstandes weiter zurückgeht. Infolgedessen dürften die Diskrepanzen zwischen Melderegisterbestand und paralleler statistischer Fortschreibung im Zeitablauf geringer werden.

8. Zusammenfassung

9. Empfehlung

Auch wenn mit Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes zum 1. November 2015 wesentliche Verbesserungen im Datenaustausch zwischen den kommunalen Meldebehörden eintreten werden, ist nach Auffassung der AG "Einwohnerzahlen" bereits jetzt absehbar, dass für den Zensus 2021 noch nicht der Zeitpunkt erreicht sein wird, die Einwohnerzahl von Bund, Ländern und Gemeinden allein aus den Melderegistern herleiten zu können.

Deshalb empfiehlt die AG "Einwohnerzahlen",

Anlage1 zum Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen"
Zusammensetzung der Unterarbeitsgruppen

Mitglieder der UAG 1

Optimierungsmöglichkeiten des bestehenden Systems der Bevölkerungsfortschreibung bei der Ermittlung der Einwohnerzahlen

Bayern:Bayerisches Landesamt für Statistik
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr
Berlin:Senatsverwaltung für Inneres und Sport
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin
Berlin/ Brandenburg:Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
Brandenburg:Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (Leitung)
Hessen:Hessisches Statistisches Landesamt
Nordrhein-Westfalen:Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW)
Sachsen-Anhalt:Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt
Thüringen:Thüringer Landesamt für Statistik
Bund:Statistisches Bundesamt

Mitglieder der UAG 2

Umstellung auf ein (rein) melderegistergestütztes System zur Ermittlung der Einwohnerzahlen

Baden-Württemberg:Statisches Landesamt Baden-Württemberg Innenministerium Baden-Württemberg Ministerium für Finanzen und Wirtschaft
Bayern:Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Bayerisches Landesamt für Statistik
Hamburg:Behörde für Inneres und Sport
Hessen:Hessisches Statistisches Landesamt
Nordrhein-Westfalen:Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW)
Rheinland-Pfalz:Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (Leitung)
Sachsen:Staatsministerium des Innern
Thüringen:Thüringer Landesamt für Statistik
Bund:Statistisches Bundesamt
Bundesministerium des Innern, Referat VI12 Melderecht

Anlage 2 zum Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Einwohnerzahlen"
Übersicht der Vorschriften, die auf die Einwohnerzahl Bezug nehmen (Diese Liste bietet keine Gewähr für Vollständigkeit)

BUNDESRECHT

Bundeswahlgesetz

§ 3 Einteilung der Wahlkreise
§ 50 Erstattung der Wahlkosten durch den Bund an die Länder