Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 27. Mai 2005
Der Bundeskanzler


An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Präsident, hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen

Federführend ist das Bundesministerium des Innern.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schröder

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Artikel 10-Gesetzes

Das Artikel 10-Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Art. 11 Nr. 5 des Gesetzes vom 30.Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Abs. 1 Nr. 2 wird die Angabe " § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 6 " durch die Angabe " § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 7" ersetzt.

2. Nach § 3 Abs. 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

3. In § 4 Abs. 4 Nr. 1a wird die Angabe " § 3 Abs. 1" durch die Angabe " § 3 Abs. 1 und 1a" ersetzt.

4. § 5 Abs. 1 Satz 3 wird wie folgt geändert:

5. § 6 wird wie folgt geändert:

6. § 7 wird wie folgt geändert:

7. Nach § 7 wird folgender § 7a eingefügt:

§ 7a Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst an ausländische öffentliche Stellen

(1) 1Der Bundesnachrichtendienst darf durch Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 erhobene personenbezogene Daten an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten ausländischen öffentlichen Stellen übermitteln, soweit

2 Die Übermittlung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramts.

(2) Der Bundesnachrichtendienst darf unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 durch Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 erhobene personenbezogene Daten ferner im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218) an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in deren Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist.

(3) 1Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter des Bundesnachrichtendienstes, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2Die Übermittlung ist zu protokollieren. 3Der Bundesnachrichtendienst führt einen Nachweis über den Zweck, die Veranlassung, die Aktenfundstelle und die Empfänger der Übermittlungen nach Absatz 1 und 2. 4Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten.

(4) Der Empfänger ist zu verpflichten,

(5) Das zuständige Bundesministerium unterrichtet monatlich die G 10-Kommission über Übermittlungen nach Absatz 1 und 2.

(6) Das Parlamentarische Kontrollgremium ist in Abständen von höchstens sechs Monaten über die vorgenommenen Übermittlungen nach Absatz 1 und 2 zu unterrichten.

8. § 8 wird wie folgt geändert:

9. In § 10 Abs. 3 Satz 2 werden nach den Wörtern "des Telekommunikationsanschlusses" die Wörter "oder die Kennung des Endgerätes, wenn diese allein diesem Endgerät zuzuordnen ist," eingefügt.

10. In § 14 Abs. 1 Satz 2 wird die Angabe " §§ 3, 5 und 8;" durch die Angabe " §§ 3, 5, 7a und 8;" ersetzt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

I. Allgemeiner Teil

Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 14. Juli 1999 (BVerf-GE 100, S. 313 bis 403) den Gesetzgeber zu einzelnen Nachbesserungen insbesondere hinsichtlich der Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur strategischen Fernmeldeüberwachung verpflichtet hatte, wurde das Artikel 10-Gesetz (G 10) durch Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26.6.2001 (BGBl. I S. 1254, 2298) novelliert. Bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, ihn nach Ablauf von zwei Jahren über die mit der Novellierung gemachten Erfahrungen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes, zu unterrichten. Der Erfahrungsbericht der Bundesregierung (BT-Drs. 015/2042 vom 12.11.2003) kommt zu dem Ergebnis, dass das novellierte G 10 den Nachrichtendiensten insgesamt hinreichende Befugnisse zur Erfüllung ihrer Aufgaben (insbesondere Aufklärung des internationalen Terrorismus und anderer schwerer Gefährdungen der Inneren Sicherheit) zur Verfügung stellt und dabei auch den Erfordernissen des Datenschutzes gerecht wird.

Abschließend wird in dem Erfahrungsbericht über die 2001 erfolgten Änderungen hinausgehender Prüf- und Optimierungsbedarf dargestellt. Dieser Optimierungsbedarf wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen.

Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Gewinnung und Verarbeitung von G 10-Erkenntnissen durch den Bundesnachrichtendienst (BND):

II. Begründung zu den Einzelvorschriften

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 G 10 ist wegen der Erweiterung der Befugnis des BND zur Durchführung strategischer Beschränkungsmaßnahmen (neue Befugnis zur Aufklärung des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens in Fällen von erheblicher außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 - neu - G 10, s. Nr. 4b)) redaktionell anzupassen.

Zu Nummer 2

Kriegswaffen und sog. Dual-use-Güter werden häufig auf dem Seeweg zum Empfänger transportiert. Eine gezielte Überwachung deutscher Hochseeschiffe, die zum rechtswidrigen Transport von Kriegswaffen oder so genannten Dual-use-Gütern genutzt werden, ist nach der gegenwärtigen Rechtslage weder auf der Grundlage des § 5 G 10 (wegen des Verbots der Benutzung inländischer Anschlussnummern als Suchbegriffe) noch - mangels entsprechender Katalogstraftat - auf der Grundlage des § 3 G 10 möglich. Daher soll die Individualüberwachungsbefugnis nach § 3 G 10 zugunsten des BND beschränkt auf die Überwachung deutscher Schiffe außerhalb deutscher Hoheitsgewässer ergänzt werden. Eine derartige Befugnis zugunsten des BND hält sich im Rahmen seiner Aufgaben. Allgemeiner gesetzlicher Auftrag des BND (§ 1 Abs. 2 BNDG) ist die Gewinnung und Auswertung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Dazu gehört auch die Aufklärung der Proliferation und des internationalen Waffenhandels. Illegale Exporte von Proliferationsgütern und/oder Waffen, gerade - über Umwege - in sensible Endempfängerstaaten oder auch an terroristische Vereinigungen im Ausland als Endverwender sind nicht nur geeignet, außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. Sie sind auch geeignet, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, da nicht auszuschließen ist, dass solche Güter letztlich auch - und sei es nur als Droh- und Druckpotential - gegen Deutschland, deutsche Truppen im Ausland oder Einrichtungen verbündeter Staaten in Deutschland eingesetzt werden.

Die neue Aufklärungsmöglichkeit des BND fügt sich nicht nur in den allgemeinen Aufklärungsauftrag des BND nach § 1 BNDG ein, sondern ist gleichzeitig geeignet, die schon jetzt im Bereich der Proliferation bestehende strategische Aufklärungsmöglichkeit des BND nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 G 10 in bestimmten Einzelfällen zu flankieren.

Der neue Absatz 1a verweist hinsichtlich der Planung, Begehung oder des Begangenhabens auf die in § 23a Abs. 1 und 3 des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG) genannten Straftatbestände. Die Überwachung durch den BND wird nach dem neuen Absatz 1a auf Schiffe, die sich außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer befinden, beschränkt. In diesem räumlichen Bereich hat das ZKA keine Befugnisse.

Zu Nummer 3

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Ergänzung des § 3 G 10 um den neuen Absatz 1a.

Zu Nummer 4

Zu Buchstabe a

Durch die Änderung des § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 wird der Umfang der Befugnisse des BND für den Gefahrenbereich "internationaler Rauschgifthandel" an den Wortlaut der anderen Gefahrenbereiche angepasst. Es wird klargestellt, dass Beschränkungsmaßnahmen auch hier nur in Fällen von strategischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland zulässig sind. Deutlicher als bisher wird zum Ausdruck gebracht, dass Beschränkungsmaßnahmen nicht zur Bekämpfung der allgemeinen Drogenkriminalität (insbesondere Kleinkriminalität) angeordnet werden dürfen. Vielmehr muss es sich um Fälle von erheblicher Bedeutung handeln, die einen außen- oder sicherheitspolitischen Bezug aufweisen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG).

Die Änderung erfasst das Verbringen von Betäubungsmitteln in das Gebiet der Europäischen Union mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland. Bei Rauschgifttransporten in dieses Gebiet ist oftmals nicht von vornherein erkennbar, ob die Lieferung tatsächlich für die Bundesrepublik oder für einen europäischen Nachbarstaat bestimmt sein sol1. Um so früh wie möglich Rauschgifttransporte aufklären zu können und die Voraussetzungen für deren Verhinderung zu schaffen, wird dem BND die Befugnis eingeräumt, auch Lieferungen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beobachten. Voraussetzung ist jedoch stets der Bezug zur Bundesrepublik Deutschland.

Zu Buchstabe b

Dem BND wird eine neue Befugnis zur strategischen Fernmeldeaufklärung übertragen, die auf besonders schwere und strategisch bedeutsame Fälle der illegalen Schleuserkriminalität begrenzt ist. Diese Begrenzung ist auf zweifache Weise gesetzlich verankert:

Zum einen wird die Befugnis auf "Fälle von erheblicher außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung" beschränkt. Diese werden durch die abschließende Aufzählung in den Buchstaben a bis c näher bestimmt. Zum anderen schränkt das Merkmal des "gewerbs- und bandenmäßig organisierten Einschleusens" (vgl. auch § 96 Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie § 97 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz) den Anwendungsbereich weiter ein. Einzelfälle mit wenigen Beteiligten fallen - mit Ausnahme von Schleusungen potenzieller Mitglieder terroristischer Vereinigungen - demnach von vornherein nicht unter die neue Befugnis.

Als Fälle von erheblicher außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung sind solche Schleusungen anzusehen, die eine der Voraussetzungen der Buchstaben a bis c aufweisen.

Dies gilt zunächst für Schleusungen mit unmittelbarem Bezug zu den Gefahrenbereichen der Nummern 1 bis 3, Buchstabe a. Ein praktisches Hauptaugenmerk des BND richtet sich dabei auf die Aufklärung von Schleusungen von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen sowohl zur Vorbereitung und Durchführung von terroristischen Anschlägen als auch zum Rückzug in sog. Ruheräume. Der unmittelbare Bezug etwa zum Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus (Nummer 2) kann sich bspw. aus vorliegenden nachrichtendienstlichen Hinweisen ergeben, dass vereinzelt auch terroristische Gruppierungen und ihr Umfeld auf die Möglichkeiten der organisierten Schleusungskriminalität zurückgreifen. Verschiedene terroristische Gruppen, aber auch islamistische Extremisten nutzen professionelle Schleusungen, um möglichst sicher und unerkannt an einen gewünschten Zielort zu gelangen. Selbst wenn es sich nach derzeitiger Einschätzung bislang vermutlich nur um eine punktuelle Zusammenarbeit terroristischer Gruppen mit internationalen Schleuserorganisationen handelt, ist dies eine bedrohliche Entwicklung von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung, die sorgfältiger Beobachtung bedarf.

Von erheblicher außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung können aber auch Großschleusungen sein, die das Leben und die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen aus der Dritten Welt gefährden (Buchstabe b). Großschleusungen in das Gebiet der Europäischen Union stellen einen wichtigen Erwerbszweig des organisierten Verbrechens dar, in dem für die beteiligten kriminellen Organisationen hohe Gewinne möglich sind (vom BND geschätzter Jahresumsatz allein für Europa bei rund 5 Mrd. Euro - Tendenz steigend). Die in der Regel gut organisierten Schlepper gehen oft mit größter Brutalität vor; neben Betrugs-, Raub- und Gewaltdelikten wird auch der Tod von Flüchtlingen billigend in Kauf genommen. Infolge einer strategischen Aufklärung durch den BND können unter Umständen durch präventives Tätigwerden der zuständigen Stellen in Deutschland und in Herkunfts- und Transitländern z.B. Großschleusungen unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Umständen (Seewegschleusungen mit nicht seetüchtigen Booten, Schleusungen in hermetisch abgeschlossenen Behältnissen) schon in einem relativ frühen Stadium unterbunden werden. Auf Grund des bestehenden Verbots der Nutzung deutscher Anschlussnummern als Suchbegriffe (§ 5 Abs. 2 G 10) ist sichergestellt, dass z.B. Anschlüsse deutscher Schiffe nicht als Suchbegriff gesteuert werden dürfen.

Buchstabe c erfasst die Fälle, in denen die Aktivitäten der Schleusergruppen in bestimmten Ausgangs- und Transitländern staatlicherseits zumindest geduldet, in Einzelfällen sogar gefördert werden. Die Tolerierung oder gar Förderung organisierter, unter oft menschenverachtenden Umständen erfolgender Großschleusungen gerade durch staatliche oder halbstaatliche Helfershelfer im Ausland widerspricht wichtigen außen- und sicherheitspolitischen deutschen Interessen.

Die Bundesregierung bedarf in den von Buchstaben a bis c erfassten Fällen umfassender Information über Ursachen und Beteiligungsstrukturen der Schleusungen. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse tragen zu einem vollständigen Lagebild in diesem Bereich bei und stärken so die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Eine zielgenaue Berichterstattung des BND bereits im Vorfeld einer erkannten, strategisch bedeutsamen organisierten Schleusung - gerade unter Involvierung von Angehörigen ausländischer Stellen (Buchstabe c) - würde es der Bundesregierung beispielsweise ermöglichen, diplomatische und politische Schritte einzuleiten, um die entsprechende Schleusung bereits im Vorfeld zu verhindern.

Zu Nummer 5

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Einfügung des § 7a G 10.

Zu Buchstabe b

Bei der gegenwärtig praktizierten Relevanzprüfung hören die Mitarbeiter alle erfassten Fernmeldeverkehre ab, die einen angeordneten Suchbegriff enthalten. Dieses Verfahren ist nicht nur äußerst zeitaufwändig, es führt auch dazu, dass den Mitarbeitern des BND zahlreiche nachrichtendienstlich nicht relevante Fernmeldeverkehre zur Kenntnis gelangen, die unmittelbar gelöscht werden können. Durch die im einzufügenden Absatz 3 des § 6 vorgesehene Möglichkeit des automatisierten Abgleichs mit bereits beim BND vorliegenden Daten soll dies geändert werden. Bei den zum Abgleich herangezogenen Daten handelt es sich insbesondere um Rufnummern nachrichtendienstlich relevanter Personen oder Organisationen, die dem BND entweder durch seine eigene Aufklärung oder durch Übermittlung von inländischen Behörden oder ausländischen Partnerbehörden bekannt wurden und die in einem Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich stehen, für den die Überwachungsmaßnahme angeordnet wurde.

Absatz 3 Satz 1 stellt klar, dass nur solche erfassten Fernmeldeverkehre im automatisierten Verfahren abgeglichen werden dürfen, die sich zuvor an Hand eines angeordneten Suchbegriffes qualifiziert haben. Ein Fernmeldeverkehr hat sich dann für die weitere Bearbeitung im BND qualifiziert, wenn er an Hand eines angeordneten Suchbegriffes durch die Erfassungssysteme des BND automatisch selektiert wurde. Dies geschieht in einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst werden Fernmeldeverkehre auf einem bestimmten Übertragungsweg erfasst, anschließend werden die Fernmeldeverkehre automatisch herausgefiltert, die einen angeordneten Suchbegriff enthalten; alle anderen Fernmeldeverkehre (also solche, die keinen angeordneten Suchbegriff enthalten) werden von den Systemen des BND automatisch und unwiederbringlich gelöscht. Erst in einer weiteren Stufe wird die nachrichtendienstliche

Relevanz durch Mitarbeiter des BND geprüft. Durch das beschriebene Verfahren ist sichergestellt, dass nur die Fernmeldeverkehre dem automatisierten Abgleich unterliegen, die vom BND bereits nach bisherigem Recht zur Relevanzprüfung herangezogen werden dürfen. Der Abgleich darf nur mit solchen Daten erfolgen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit dem fraglichen Gefahrenbereich i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10 vorliegen.

Diese dem BND bereits vorliegenden Daten dürfen jedoch nicht als Suchbegriffe gemäß § 5 Abs. 2 G 10 bei der Erfassung von Telekommunikationsvorgängen verwendet werden. Dies stellt Absatz 3 Satz 3 klar. Der Abgleich dient vielmehr dazu, aus der großen Menge erfasster Telekommunikationsvorgänge nachrichtendienstlich relevante Telekommunikation gezielter heraus zu filtern, als dies bisher möglich ist. Dies erhöht zum einen die Effektivität der strategischen Fernmeldeaufklärung, führt zum anderen aber auch dazu, dass den Mitarbeitern des BND weniger nachrichtendienstlich irrelevante Telekommunikationsvorgänge zur Kenntnis gelangen. Die Regelung ist damit gleichzeitig ein Beitrag zu einem verbesserten Datenschutz.

Durch Absatz 3 Satz 1 wird auch gewährleistet, dass die Daten in der Beschränkungsanordnung aufzulisten sind ("auf Antrag"). § 9 Abs. 3 Satz 2 G 10 stellt darüber hinaus sicher, dass ein Antrag alle für die Anordnung erforderlichen Angaben enthalten muss. Die umfassende Kontrollbefugnis der G 10-Kommission in § 15 Abs. 5 Satz 2 G 10 erstreckt sich auch auf den Datenabgleich des § 6 Abs. 3 G 10; die Protokollierungspflicht des § 6 Abs. 3 Satz 4 bis 6 G 10 erleichtert diese Kontrolle insbesondere dadurch, dass auch die Gründe für den automatisierten Abgleich zu protokollieren sind. Dadurch ist sichergestellt, dass der BND nicht willkürlich Daten für den automatisierten Abgleich verwendet.

Zu Nummer 6

Zu Buchstabe a

In Ergänzung des § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10 um den neuen Gefahrenbereich des gewerbs- und bandenmäßig organisierten Einschleusens in Nummer 7 soll dem BND die Möglichkeit eröffnet werden, die erhobenen Daten - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - auch an Polizeibehörden zur Prävention zu übermitteln. Die Übermittlung stellt eine Zweckänderung dar, die einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedarf, die durch die Ergänzung der Übermittlungsregelungen in Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 geschaffen wird. Die Übermittlung ist in Fällen schwerwiegender Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zulässig, beispielsweise in Fällen des gewerbs- oder bandenmäßig organisierten Schleusens (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG), in Fällen von Schleusungen mit Gefahr für Gesundheit oder Leben der geschleusten Personen (§ 96 Abs. 2 Nr. 5 bzw. § 97 AufenthG) sowie in Fällen des Mitsich-Führens einer Schusswaffe oder sonstigen Waffe (§ 96 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AufenthG).

Mit der Verweisung in § 7 Abs. 4 Satz 2 G 10 auf die in Satz 1 bezeichneten Straftaten wird eine Übermittlung an die zuständigen Behörden zur Strafverfolgung dieser neu in den Katalog des Satzes 1 Nr. 2 aufgenommenen Delikte ermöglicht.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um die Korrektur eines Redaktionsversehens, durch die der Empfänger ausdrücklich zur Information des BND über die Löschung von G 10-Daten aus der strategischen Telekommunikationsüberwachung verpflichtet wird.

Zu Nummer 7

Im G 10 besteht bislang keine Rechtsgrundlage, nach der die mit der strategischen Überwachung erlangten Erkenntnisse im Original an ausländische öffentliche Stellen übermittelt werden dürfen. Dies soll durch die Einfügung des § 7a geändert werden, da insbesondere die Erfordernisse an die verstärkte internationale Zusammenarbeit erheblich gestiegen sind.

Absatz 1 beschränkt die Übermittlung an ausländische öffentliche Stellen zunächst ausdrücklich auf die praktisch für die internationale Zusammenarbeit besonders bedeutsamen Gefahrenbereiche "internationaler Terrorismus" und "Proliferation" sowie den neuen Gefahrenbereich "illegale Schleusungen". Darüber hinaus darf der BND nur an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten Stellen im Ausland übermitteln. Da in ausländischen Staaten oftmals nicht - wie in Deutschland - zwischen Nachrichtendiensten und Polizei unterschieden wird, erfasst Absatz 1 neben den ausländischen Nachrichtendiensten auch die ausländischen Stellen, die auch mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraut sind.

Die Übermittlung ist unter den in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen zulässig. Nach Nummer 1, 1. Alternative ist sie zulässig, wenn sie zur Wahrung außen- und sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Außen- und sicherheitspolitische Belange können insbesondere dann betroffen sein, wenn z.B. einer terroristischen Gefahr mit Bezug zur Bundesrepublik Deutsch- land nur durch eine Übermittlung der aus der strategischen Überwachung erlangten Information begegnet werden kann. Darüber hinaus ist die Übermittlung zulässig, wenn erhebliche Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates dies erfordern (Nummer 1 - zweite Alternative). Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Übermittlung einer G 10-Originalmeldung, die dazu dient, über einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag im Empfängerland mit dem Originalwortlaut des erfassten Telekommunikationsverkehrs zu informieren.

Ferner dürfen überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen der Übermittlung nicht entgegenstehen (Nummer 2). Nummer 2 nennt beispielhaft als zu berücksichtigende Kriterien für das überwiegende schutzwürdige Interesse das angemessene Datenschutzniveau im ausländischen Staat und dass die Verwendung im Empfängerstaat in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt. Zur Feststellung der Angemessenheit des Datenschutzniveaus sind alle Umstände, die bei einer Übermittlung der Information aus der strategischen Überwachung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Empfängerland und die dort geltenden Rechtsnormen und Sicherheitsmaßnahmen (vgl. § 4b Abs. 3 BDSG). Zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien, die ein Empfängerstaat erfüllen muss, sind insbesondere das Demokratieprinzip, die Gewaltenteilung, der Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte und der gerichtliche Rechtsschutz zu zählen. Insbesondere die beiden ausdrücklich erwähnten Kriterien sind bei der Abwägung der Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen (das Wort "insbesondere" in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht sich ausdrücklich sowohl auf das angemessene Datenschutzniveau als auch auf die rechtsstaatlichen Grundsätze). Dadurch wird sichergestellt, dass von einer Übermittlung zu Strafverfolgungszwecken insbesondere dann abgesehen wird, wenn dem Betroffenen im Empfängerland die Todesstrafe drohen würde.

Eine Übermittlung der durch die strategische Überwachung erlangten personenbezogenen Daten findet nur statt, wenn die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Bei der erforderlichen Abwägung sind die Umstände des Einzelfalles zu betrachten. So kann eine Übermittlung an einen ausländischen Staat ohne vergleichbares Datenschutzniveau unter Umständen dann in Frage kommen, wenn die zu übermittelnde personenbezogene Information eine derart erhebliche Gefahr etwa für Leben oder Gesundheit von Menschen in dem Empfängerstaat beinhaltet, dass das Interesse an einer Übermittlung gegenüber dem Interesse des Betroffenen überwiegt, z.B. im Fall eines erkannten, unmittelbar bevorstehenden Anschlags.

Schließlich soll das Prinzip der Gegenseitigkeit (Nummer 3) gewährleisten, dass die Übermittlungen nicht einseitig bleiben. Es sollen nur Staaten von der Fernmeldeaufklärung des BND profitieren, die grundsätzlich auch die Bundesrepublik Deutschland an den Erkenntnissen ihrer Fernmeldeaufklärung teilhaben lassen.

Das Erfordernis der Zustimmung durch das Bundeskanzleramt (Absatz 1 Satz 2) stellt sicher, dass neben der Prüfung der Übermittlungsvoraussetzungen durch den BND ihr Vorliegen fachaufsichtlich auch durch die vorgesetzte Behörde geprüft wird. Die Zustimmung des Bundeskanzleramtes hat in jedem Einzelfall gesondert zu erfolgen.

Absatz 2 regelt Übermittlungen von im Rahmen der strategischen Überwachung in den Gefahrenbereichen "internationaler Terrorismus", "Proliferation" sowie dem neuen Gefahrenbereich "illegale Schleusungen" erlangten Informationen an die Stationierungsstreitkräfte. Diese können erforderlich werden, wenn bspw. Anschlagsplanungen auf eine Einrichtung dieser Streitkräfte in Deutschland erkennbar werden.

Absatz 3 dient der Sicherung des Datenschutzes beim BND.

Absatz 4 ermöglicht dem BND eine Kontrolle über die Verwendung der übermittelten Daten durch den Empfänger im Ausland in dreierlei Hinsicht, nämlich in Bezug auf die vereinbarte Zweckbindung und die Beibehaltung einer angebrachten Kennzeichnung sowie die Möglichkeit von Auskunftsersuchen des BND gegenüber der Empfängerbehörde. Wegen der Sensibilität der übermittelten Daten geht die vorgeschlagene Regelung bewusst über eine bloße Hinweispflicht (vgl. z.B. § 19 Abs. 3 Satz 4 BVerfSchG) hinaus.

Die Verpflichtung der ausländischen Empfängerbehörde durch den BND kann wesentlichen Einfluss auf weitere Übermittlungen haben, wenn er etwa feststellt, dass die Zweckbindung oder die Interessen des Betroffenen nicht gewahrt wurden. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung wäre ein Verstoß gegen internationale Gepflogenheiten und ggf. dadurch zu ahnden, dass diesem Empfänger keine (G 10-)Meldungen mehr übermittelt würden.

Durch die monatliche Pflicht zur Unterrichtung der G 10-Kommission gewährleistet Absatz 5 die umfassende Kontrolle der G 10-Kommission auch über die Übermittlung der im Rahmen der strategischen Überwachung in den Gefahrenbereichen "internationaler Terrorismus", "Proliferation" sowie dem neuen Gefahrenbereich "illegale

Schleusungen" erlangten Informationen an ausländische öffentliche Stellen i.S. des Absatzes 1.

Absatz 6 regelt die Unterrichtungspflicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Zu Nummer 8

Zentrale Änderung des § 8 ist die Ergänzung des Absatzes 3 um die in Satz 4 enthaltene Möglichkeit der gezielten Erfassung von Telekommunikationsanschlüssen im Ausland ohne die Einschränkung des § 5 Abs. 2 Satz 3 G 10, um einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für Leib oder Leben einer Person zu begegnen. Hierdurch soll ermöglicht werden, auch die Telekommunikationsanschlüsse der Opfer einer Geiselnahme, Entführung oder Naturkatastrophe als Suchbegriffe zu nutzen, selbst wenn der Anschlussinhaber deutscher Staatsangehöriger ist. Die Nutzung dieser Anschlüsse ist oftmals der einzige Anknüpfungspunkt, um den Aufenthaltsort der Entführten zu ermitteln. Die nachrichtendienstliche Erfahrung hat gezeigt, dass die Entführer oder Geiselnehmer ihren Opfern die Telekommunikationsmittel regelmäßig abnehmen, um sie für ihre eigene Telekommunikation zu nutzen. Regelmäßig dürfte überdies von einem mutmaßlichen Einverständnis der betroffenen Opfer mit dem Abhören ihrer Telekommunikationsanschlüsse auszugehen sein, insbesondere wenn ihnen die Verfügungsgewalt hierüber entzogen wurde. Durch die Ergänzung im neuen Satz 4 wird bestimmt, dass die Anschlüsse der Opfer im Ausland nur als Suchbegriffe genutzt werden dürfen, um einer bereits eingetretenen Gefahr zu begegnen, nicht aber bereits, um die Gefahr zu erkennen.

Die Änderung in Absatz 6 ermöglicht die Übermittlung der Erkenntnisse aus einer Überwachung nach § 8 an ausländische öffentliche Stellen i.S. des § 7a Abs. 1. Gerade Geiselnahmen im Ausland machen eine enge Abstimmung mit den Behörden vor Ort erforderlich. § 7a Abs. 1 und 3 bis 6 wird daher für entsprechend anwendbar erklärt.

Zu Nummer 9

Für die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung im Einzelfall (§ 3 G 10) bedarf es nach der bisherigen Fassung des § 10 Abs. 3 Satz 2 G 10 der Bezeichnung der Rufnummer oder einer anderen Kennung des Telekommunikationsanschlusses. Umstritten ist, ob hierunter auch die Gerätenummer (IMEI/International Mobile Equipment Identity) des Mobilfunkgerätes fällt. Die Überwachung der Mobilfunkkommunikation nach § 3 G 10 bleibt wegen Wechsels der SIM (Subscriber Identity Module)-Karte (und damit der Rufnummer) häufig erfolglos. Eine zu einer bekannten Rufnummer angeordnete Telekommunikationsüberwachung wird unterbrochen, wenn die SIM-Karte und damit die Rufnummer ausgetauscht werden. Die Überwachung kann erst dann fortgesetzt werden, wenn zunächst die auf der neuen SIM-Karte gespeicherte IMSI (International Mobile Subscriber Identity) als technisches Korrelat der Rufnummer und über die aktuelle IMSI auch die neue Rufnummer als Ansatzpunkt eines neuen G 10-Antrages und einer neuen G 10-Anordnung ermittelt worden ist.

Dieses Problem soll durch die Klarstellung der Zulässigkeit einer (auch) an die Gerätenummer des Mobilfunkgerätes anknüpfenden Telekommunikationsüberwachung gelöst werden. Die Ergänzung in Absatz 3 Satz 2, "wenn diese allein diesem Endgerät zuzuordnen ist", trägt der Sorge Rechnung, dass auf Grund von Nachlässigkeiten bei der Geräteherstellung oder auf Grund von Manipulationen mehrere Endgeräte dieselbe Kennung haben könnten, so dass bei einer Anknüpfung an die Telekommunikationsüberwachung an die IMEI in Einzelfällen auch völlig unbeteiligte Dritte in die Überwachung einbezogen werden könnten. Es ist deshalb nach dem angefügten Halbsatz in der Praxis zu prüfen, ob hinreichend verlässlich ausgeschlossen werden kann, dass mehrere Geräte mit derselben IMEI am Telekommunikationsverkehr teilnehmen. Ergeben sich insoweit vernünftige Zweifel - rein abstrakt erscheinende Möglichkeiten müssen insoweit außer Betracht bleiben -, ist von einer IMEI-gestützten Überwachung abzusehen. Soweit die technische Entwicklung künftig sicherstellt, dass dieselbe Gerätekennung stets nur einem Gerät zuzuordnen ist, wird diese Problematik an Relevanz verlieren.

Zu Nummer 10

Es handelt sich hierbei um eine Folgeänderung, die wegen der Einführung der Übermittlungsregelung des § 7a G 10 erforderlich wird. Die Berichtspflicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird auf die Übermittlung der im Rahmen der strategischen Überwachung in den Gefahrenbereichen "internationaler Terrorismus", "Proliferation" sowie dem neuen Gefahrenbereich "illegale Schleusungen" erlangten Informationen an ausländische öffentliche Stellen i.S. des § 7a Abs. 1 erstreckt.

Zu Artikel 2

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten der Änderungen des G 10.